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Adrian kennt die Monster unter dem Bett – und sie sind sehr real. Wo er ihnen früher ausgeliefert war, lernt er mit der Zeit, sie zu bekämpfen. Aber ist das wirklich alles, wozu das merkwürdige Traumreich des Torwegs in Focus 10 gut ist? Und sind die Monster wirklich nur Monster?

Inspiriert von eigenen Erfahrungen mit Schlafparalyse entführt uns Martina Peters in eine Urban Fantasy-Geschichte, in der die menschlichen Konflikte und Tragödien ebenso ihren Platz haben, wie die Enträtselung der gruseligen Monster aus dem Traumreich.

Handlung

Adrian kümmert sich zu Beginn der Handlung alleine um seine kleine Schwester Ada, die Eltern sind verstorben. Adrian arbeitet viel und gibt sich alle Mühe – die pubertäre Ada würdigt das nicht immer. Was die Geschwister aber beide schon lange erleben, ist eine Schlafparalyse, bei der sie wach sind, ihren Körper aber nicht bewegen können. In diesem Zwischenzustand sehen sie die gruseligen Monster, Nachtmahre, die unter dem Bett und hinter dem Schrank lauern.

Adrian entdeckt, dass er sich in das Traumreich der Nachtmahre hineinbewegen kann, doch die realen Folgen hiervon sind oft unangenehm, denn davon, dass er hineinfindet, findet er nicht so einfach wieder heraus. Oft landet er irgendwo wenn er herausfällt und muss dann im Schlafanzug durch die halbe Stadt nach Hause laufen. Im Regen.

Im Traumreich begegnet er anderen Menschen, die die Nachtmahre bekämpfen. Zunächst will er mit ihnen und dem Traumreich wenig bis nichts zu tun haben – als ein Schicksalsschlag ihn schwer trifft, will er sich doch dem Kampf gegen die Nachtmahre anschließen. Er trifft sich schließlich mit den anderen Reisenden, die den Torweg, das merkwürdige Traumreich, betreten können.

Gemeinsam wollen sie besser verstehen, was der Torweg ist und warum sie so anders damit interagieren können als die meisten Menschen. Ihre Überzeugungen werden auf eine sehr harte Probe gestellt, als sie im Torweg einem jungen Mann mit einer wilden Geschichte begegnen. Ismael behauptet, aus der Zukunft zu kommen – und nicht nur seine Behauptungen über den Torweg und die Nachtmahre darin wühlen Adrian tief auf.

Charaktere

Die Charaktere haben alle unterschiedliche Charakterzüge, Motivationen und Marotten – und ihren Konflikten wird auch Platz eingeräumt, neben der Hauptstory um die Geheimnisse des Torwegs. Adrians Beziehung zu seiner Schwester Ada ist am Anfang seine treibende Kraft, auch wenn die Konstellation, in der er als junger Erwachsener seine jüngere Schwester alleine versorgt, für einige Konflikte sorgt. Doch auch die Nebencharaktere haben ihre eigenen Hintergründe, Konflikte und Motivationen.

Auszug Focus 10 Phase Sieben © Carlsen Manga
Auszug Focus 10 Phase Sieben © Carlsen Manga

Lena und ihr Vater Johan, die beide zum Torweg reisen können, finden nur schwer gemeinsamen Grund, da Johan Lena und ihre Mutter verlassen hat, was Lena ihm nicht verzeihen kann. Tiberius, der jüngste in der Gruppe der Torwegreisenden, ist tagsüber im Rollstuhl mobil, tobt im Torweg aber noch freier herum und ist dabei oft mit kindlichem Übermut zu Gange, jedoch nicht so aufmerksam bei dem, was die anderen Gruppenmitglieder von ihm erwarten. Mathilda ist als Mutter und Sexarbeiterin mit einer nochmal anderen Perspektive ausgestattet. Ismael erhält zur Einführung einen halben Band Platz, um seinen Hintergrund zu erläutern.

Insgesamt zeigt die Serie Focus 10 deutlich, dass alle Haupt- und Nebencharaktere mit Bedacht eingeflossen sind. Das diverse Team des Schlaflabors, in dem die Gruppe von Torwegreisenden systematisch mehr über die Geheimnisse des Torwegs ergründen möchte, ist nur ein Beispiel, wie auch weniger raumgreifende Nebenfiguren mehr als nur Platzhalter und Plot-Devices sind.

Zeichenstil

Auszug aus Focus 10 Phase Acht © Carlsen Manga
Auszug aus Focus 10 Phase Acht © Carlsen Manga

Martina Peters zeichnet einen klaren Manga-Zeichenstil, der viel Wert auf die Emotionen in den Gesichtern der Charaktere legt. Als eine der erfahrensten deutschen Mangaka beweist sie Seite für Seite, dass sie ihr Handwerk ausgezeichnet beherrscht, und sich sowohl für Details im Charakterdesign wie auch für konsistente Hintergründe Zeit nimmt. Die Seiten sind fast durchgehend mit Hand gezeichnet, lediglich einzelne Teile des Torwegs sind gefilterte 3D-Modelle und Brushes, die dadurch aber gerade die Andersartigkeit des Torwegs gegenüber der normalen Welt illustrieren.

Adrians Gestalt im Torweg hat komplexe Tätowierungen, die in jeder Szene sorgfältig neu gezeichnet werden. Auch die Hintergründe sind mit Bedacht gewählt und liebevoll gestaltet – sei es der Friedhof, Adrians Arbeit im Coffee-Shop, die Szenen in der Trambahn oder der Ausflug von Adrian und Ismael in den Supermarkt, zum Schokoladen-Regal.

Erscheinungsbild

Carlsen Manga hat sich bei der Publikation für ca. 100 Seiten lange Bände in einem Format von 21 mal 14,5 Zentimeter entschieden, größer als die üblichen Taschenbuchformate für Manga. Ansonsten ist die Druck- und Papierqualität dem üblichen Manga-Standard entsprechend. Schönes Gimmick ist bei jedem Band die Beigabe eines kleinen Farb-Prints. In Band 1 noch eine Postkarte, wird seit Band 2 immer ein fiktives Polaroid aus Adrians Kamera beigelegt – mitsamt Anmerkungen am Rand.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Carlsen Manga
  • Autor*in: Martina Peters
  • Erscheinungsjahr: 2018-2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: 21×14,5cm, schwarz/weiß mit farbigem Cover
  • Seitenanzahl: 100 Seiten pro Band, bisher acht Bände erscheinen, in zehn Bänden abgeschlossen
  • Preis: 6,99 EUR pro Band
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf dem Patreon der Autorin erscheint demnächst ein vollfarbiger Bonuscomic zu Adrian und Ismael. Die Autorin streamt regelmäßig auf Twitch, YouTube und Picarto, wo teilweise Arbeiten an Focus 10 zu sehen sind. Merchandise zur Serie ist auch über die Webseite der Autorin erhältlich.  Es gibt zudem eine vertonte Fassung der Schokoladen-Szene aus Band 8 auf YouTube zu sehen:

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Fazit

Die persönlichen und emotionalen Konflikte der Charaktere in Focus 10 treiben deutlich mehr die Handlung an, als irgendwelche Auseinandersetzungen mit Nachtmahren. Wer ein Action-Feuerwerk sucht, in dem gruselige Nachtmahre gejagt werden, ist woanders besser aufgehoben. Doch gerade die persönliche Ebene, auf der die Nachtmahre ins Leben der Charaktere eindringen, ist hier der Grusel-Faktor, und die Aufarbeitung der emotionalen Verletzungen der Charaktere ist ergreifender, als das Geschrei eines weiteren stereotypen Shonen Jump-Protagonisten.

Die Vorbehalte gegen deutsche Mangaka sind noch immer nicht aus allen Köpfen verschwunden, was ein großer Verlust für die Leute ist, die sich deswegen Werken wie diesem nicht nähern wollen. Die Bildsprache ist oft anspruchsvoll, auf Details zu achten und die Manga mehrmals zu lesen kann helfen, einige Hinweise zu finden, die spätere Wendungen schon angedeutet haben.

Die Geheimnisse des Torwegs – und einige Wahrheiten, die Adrian über sich selbst herausfinden muss – erwarten die Leser*innen, die am Ende eines Bandes, meist mit einem Cliffhanger zurückgelassen, auf den nächsten Band warten. Als Warnung sei aber noch vorweg gegeben, dass in Band 2 ein Suizid vorkommt, und das nicht nur am Rande. Doch gerade die intensive Auseinandersetzung mit schweren emotionalen Themen ist die starke Seite dieses Manga, der es durchgehend vermeidet, in blöde Klischeefallen zu stolpern.

Artikelbilder: © Carlsen
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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