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Begleitet uns auf eine Erzählung der Menschheitsgeschichte, die in diesem Kapitel mächtige Raubtiere, bitterkalte Lebensräume und lodernde Feuer enthält. Wir folgen den Spuren unserer Vorfahr*innen aus Afrika in die Welt hinaus, lernen mehr über die angesagtesten Steinwerkzeuge und begegnen leibhaftigen Hobbits.

In Die Menschheit: Eine Erzählung, Kapitel 1: Klopfe, klopfe Steinle behaue haben wir mit der Bearbeitung von Steinen einen möglichen Beginn der Geschichte unserer Spezies erlebt. Zugegeben: Aus heutiger Sicht locken Steinwerkzeuge niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Doch wahrscheinlich ist das technische Wunderwerk, auf dem ihr diese Zeilen gerade lest, erst durch einen solchen simplen Schritt möglich geworden.

Die Chance ist außerdem hoch, dass ihr diesen Text auch außerhalb von Afrika lest. Dabei ist der zweitgrößte Kontinent unseres Planeten nach aktuellem Wissensstand die Wiege der Menschheit. Doch inzwischen findet man Menschen sowohl auf den kleinsten Inseln als auch den kältesten Orten der Erde. Was ist passiert?

Moderne Menschen finden sich selbst in den unwirtlichsten Gegenden unseres blauen Planeten. © Depositphotos | lurii

Bühne frei für… wen eigentlich?

Bevor wir zu den ersten Schritten unserer Vorfahr*innen aus Afrika kommen, müssen ein paar Spielregeln definiert werden. Die Entwicklung unserer Spezies ist spannend, aber auch umstritten und komplex. In der Paläoanthropologie, die sich mit der Entwicklung der frühen Menschen befasst, existiert eine Vielzahl an Theorien, Ansätzen und rivalisierenden Meinungen, die echte Kopfschmerzen bereiten können.

Ein hitzig diskutierter Themenbereich ist die Zuordnung von Meilensteinen der menschlichen Geschichte zu einer bestimmten Spezies und deren Abgrenzung untereinander. Der früher verbreitete Ansatz einer linearen Evolution der menschlichen Spezies ist inzwischen verworfen. Stattdessen wird davon ausgegangen, dass im Laufe der Geschichte unterschiedliche Arten von Menschen koexistiert haben. Oder wenn man einen Stammbaum als Analogie verwenden möchte: Auch bei einem echten Baum können Äste gleich hoch und nebeneinander sein. Einfacher wird die Rekonstruktion der Vergangenheit dadurch keineswegs.

Unsere Geschichte ist über Jahrtausende hinweg ein scheinbar unlösbares Puzzle. © Depositphotos | artcasta

Die Emigration frühzeitlicher Menschen aus Afrika ist hierfür ein perfektes Beispiel. Klassischerweise wurde dieses Ereignis mit dem Homo erectus oder Homo ergaster in Verbindung gebracht. Funde in den letzten Jahren zeigen jedoch, dass das wahre Bild komplexer ist. Um aus diesem Artikel keine Doktorarbeit zu machen, verzichte ich größtenteils auf die Erwähnung einer spezifischen Spezies. Behaltet einfach die folgenden Hinweise im Kopf:

  • Es existiert eine Vielzahl an Theorien zur Ausbreitung der Menschen, die durch neue Funde immer wieder korrigiert werden müssen.
  • Es gab nicht nur eine menschliche Spezies, die sich stetig zum modernen Menschen weiterentwickelt hat. Mehrfach koexistierten und aller Wahrscheinlichkeit nach vermischten sich unterschiedliche Arten, deren Trennung selbst Experten schwerfällt.
  • Heute existiert nach aktuellem Wissensstand nur noch eine Spezies des Menschen (Homo sapiens).

Schnipp, schnapp, Haare ab

Der wahrscheinlich erste Schritt für den Weg des Menschen außerhalb Afrikas war die Ausbreitung nach Nordafrika. Das ist einfacher gesagt als getan, da das Klima dort deutlich trockener und rauer war als in den Grassavannen Ostafrikas. Vermutlich mussten einige Voraussetzungen gegeben sein, um überleben zu können:

  • Nutzung von Werkzeugen als Hilfsmittel bei der Nahrungssuche
  • Verbesserte Hirnleistung zur Bewältigung der komplexen Umgebungen
  • Körperliche Anpassungen zur Regulierung der Temperatur

Zum letztgenannten Punkt gehören beispielsweise die Entwicklung längerer Gliedmaßen und dünnerer Körperproportionen, durch die Hitze besser reguliert werden kann. Auch der Verlust von Behaarung zählt dazu, wodurch die Effizienz von Schweißdrüsen gesteigert wird. Es ist somit denkbar, dass unsere heutzutage größtenteils haarlosen Körper in dieser Periode ihren Anfang nahmen. Solche Veränderungen erfolgten jedoch äußerst langsam, aufgrund der damals geringen Bevölkerungsdichte und einer wahrscheinlich hohen Kindersterblichkeit.

Heute oftmals unangenehm, aber unglaublich wichtig für die Erfolgsgeschichte der Menschheit: Schweißdrüsen. © Depositphotos | Dandaman

Eine genaue Rekonstruktion der Ausbreitung nach Nordafrika ist aufgrund der spärlichen Funde im Moment nicht möglich. Bisher wird davon ausgegangen, dass Populationen frühzeitlicher Menschen vor 1,8 bis 1,7 Millionen Jahren allmählich nach Nordafrika gelangt sind.

Damit sind wir aber immer noch auf dem afrikanischen Kontinent. Wann ging es nach Eurasien?

Roadtrip, Baby!

Laut aktuellem Wissensstand folgte die Expansion auf die eurasische Landmasse nur einige zehntausende Jahre nach der Ausbreitung nach Nordafrika. Vermutlich waren Gruppen archaischer Menschen aufgrund der Ressourcenlage gezwungen auszuweichen, sobald eine kritische Masse von Individuen in einer Gegend lebte. Der logische Schritt führte aktuellen Annahmen nach über den Levante-Korridor in den Nahen Osten. Von diesem Moment an stand unseren Vorfahr*innen eine komplett neue Welt offen.

In Eurasien eröffnete sich für frühzeitliche Menschen eine komplett neue Welt. © Depositphotos | titoOnz

Binnen Jahrhunderttausenden breiteten sich die Menschen bis in den Südosten Asiens aus und orientierten sich an für das Überleben wichtigen Flussläufen. Bekannte Fundstellen für diese Reise sind Ubeidiya (Israel), Yuanmou und Gongwangling (China), sowie Sangiran (Java in Indonesien). Die größte Aufmerksamkeit erzielten Funde aus Dmanisi in Georgien.

Lasst uns mit Köpfchen herangehen

Dort wurden Fossilien und Artefakte prähistorischer Menschen gefunden, die auf ein maximales Alter zwischen 1,8 bis 1,77 Millionen Jahren schließen lassen. Die Funde, zu denen auch gut erhaltene Schädel gehören, sind die bisher ältesten anerkannten Hinweise auf Menschen außerhalb Afrikas.

Ein Replik des Schädels 3, welcher 2001 in Dmanisi gefunden wurde © Wikimedia

Jetzt könnte man annehmen, dass die oben aufgeführte Theorie der Expansion durch diese Funde bestätigt ist. So einfach ist es leider nicht. Die genaue Datierung und Bedeutung der Fossilien von Dmanisi ist umstritten.

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, sorgten Funde in Shengchen und Gongwangling für weitere Komplikationen. Die dort entdeckten Steinwerkzeuge haben angeblich ein Alter von bis zu 2,12 Millionen Jahren. Das würde die aktuellen Theorien über den Haufen werfen. Nicht nur erfolgte laut diesen Funden der Exodus aus Afrika deutlich früher als ursprünglich gedacht. Möglicherweise fanden evolutionistische Änderungen in Wahrheit außerhalb Afrikas statt und anschließend den Weg dorthin zurück.

Die Diskussionen hierzu werden andauern, bis die nächste bahnbrechende Entdeckung erfolgt. Dann muss ich mich nur daran erinnern, diesen Artikel zu aktualisieren.

Scotty Doesn’t Know – Wir auch nicht

Extrapunkte an alle Leser*innen, die den Songtitel in der Überschrift dieses Absatzes erkannt haben. Wenn gerade Fragezeichen über eurem Kopf schwirren: Scotty Doesn‘t Know ist ein Song aus dem Film Eurotrip. In diesem unternimmt eine Gruppe amerikanischer Teenager eine schmerzhaft klischeebeladene Reise durch Europa, um die Angehimmelte von Protagonist Scotty zu finden.

Wie Scotty und seine Freund*innen haben auch frühzeitliche Menschen eine Reise nach Europa unternommen. Ebenso haben wir wissbegierigen Nachfahr*innen leider keine Ahnung (schon wieder wie Scotty!), was sich vor vielen Jahrtausenden zugetragen hat.

Bis zu den berühmten Wahrzeichen Europas war es ein weiter Weg. Zu Beginn stellte der Kontinent eine große Herausforderung dar. © Depositphotos | samot

Bisherige Funde lassen vermuten, dass Europa eine Herausforderung darstellte. Aktuell gilt die Iberische Halbinsel als der wahrscheinlichste Ort für die erste Präsenz. Entsprechende Funde, beispielsweise in Andalusien und Nordwestspanien, liefern wichtige Hinweise. Besonders die letztgenannten sind mit einem geschätzten Alter von etwa 1,2 Millionen Jahren die anerkanntermaßen ältesten Überreste in Europa. Gleichzeitig stellt eine umstrittene Studie aus 2007 die These auf, dass in Apulien (Süditalien) bereits vor 1,7 Millionen Jahren Menschen gelebt haben. Ähnliches gilt für Funde in Südfrankreich mit einem geschätzten Alter von etwa 1,6 Millionen Jahren.

Die europäischen Berge, ein wahrer Alptraum

Findige Kartenleser*innen haben sicherlich erkannt, dass die oben beschriebenen Fundorte allesamt südlich der Alpen zu finden sind. Wahrscheinlich limitierten klimatische Gegebenheiten eine Expansion in kältere Lebensräume nördlich der Alpen und des Kaukasus. Erschwert wurde dieses Vorgehen durch intensive Eiszeiten im Norden Eurasiens, durch die sich Gletscher in den Hochgebirgen ausdehnten. Es ist gut vorstellbar, dass dadurch einzelne Populationen wieder in südlichere Lebensräume zurückgedrängt wurden.

Anzeichen für eine Verbreitung frühzeitlicher Menschen nach Nordwest-Europa gibt es für den Zeitraum vor einer bis einer halben Million Jahren. Wahrscheinlich sind technologische Fortschritte, wie die Kontrolle über das Feuer oder Fortschritte in der Werkzeugindustrie, die Auslöser dafür gewesen.

Raue Eislandschaften luden nicht wirklich zur Besiedlung vieler Lebensräume in Europa ein. © Depositphotos | AlexGukBO

Allerdings gibt es Anzeichen, dass zu dieser Zeit eine Warmperiode stattfand, wodurch das Klima dem heutigen ähnelte und eine Ausbreitung einfacher war. Bedeutende Fundorte liegen in Nordfrankreich, doch auch auf den Britischen Inseln. Große Bekanntheit hat Boxgrove in Südengland erlangt, wo in Kiesgruben neben Artefakten die ältesten Menschenreste auf den Britischen Inseln gefunden wurden.

Das bislang älteste menschliche Fossil aus Deutschland wurde südöstlich von Heidelberg in der Gemeinde Mauer entdeckt. Der Unterkiefer wird auf ein Alter von etwa 610.000 Jahren geschätzt. Funde in Europa ab dieser Zeit werden oftmals dem Homo heidelbergensis zugeordnet, wobei die eingangs erwähnte Trennungsunschärfe berücksichtigt werden muss.

Steinwerkzeuge 2.0 – jetzt beidseitig behauen!

Beispielhafte Steinwerkzeuge der Acheuléen-Industrie. © Wikimedia

In den Jahrtausenden nach der Fertigung der ersten Steinartefakte fanden Veränderungen und Innovationen nur sehr langsam statt. Vermutlich lagen die Gründe dafür an der geringen Bevölkerungsdichte archaischer Menschen, wodurch der Aufbau und die Weitergabe von Wissen erschwert wurden. Höchstwahrscheinlich gab es auch keine öffentlichkeitswirksamen Events, in denen Steve Rocks den neuesten iStone präsentierte.

Zu den wichtigsten Entwicklungen gehört das sogenannte Acheuléen, worunter fortschrittlichere Steinwerkzeuge zu verstehen sind. Charakteristisch dafür sind beidseitig bearbeitete, ovale Faustkeile sowie Hackmesser und Schaber. Nach heutiger Kenntnis waren solche Werkzeuge zuerst in Afrika im Einsatz. Fundstellen in anderen Kontinenten sind seltener und jünger, was für eine allmähliche Ausbreitung der Technologie aus Afrika heraus spricht.

Monster Hunter? Eher nicht.

Der Schaft eines der bei Schöningen gefundenen Speere. © Wikimedia

Trotz all dieser Funde können wir nur Vermutungen anstellen, wie frühzeitliche Menschen tatsächlich gelebt haben. Wurden die vorgestellten Werkzeuge aktiv zur Jagd eingesetzt oder gewannen unsere Vorfahr*innen Fleisch hauptsächlich durch Aas, bis die ersten wirkungsvollen Distanzwaffen erfunden wurden? Welche Gefahr stellten Raubtiere oder gigantische Pflanzenfresser dar? Dienten zugespitzte oder abgerundete Steine als erste Wurfwaffen im Einsatz gegen Wildtiere und andere Menschen?

Die aktuell dominierende Meinung ist, dass zeitnah zum Aufkommen des Acheuléen die Jagd nach kleinen bis mittelgroßen Beutetieren stets an Bedeutung für die Ernährung gewann. Möglicherweise war auch Großwild das Ziel von Jäger*innen, oder eingeschränkter Fischfang wurde an geeigneten Stellen betrieben. Wie in vielen anderen Bereichen wird vermutet, dass bei der Jagd organische Ressourcen, allen voran Holz, eine wichtige Rolle spielten. Die ältesten erhaltenen Funde hölzerner Waffen sind deutlich jünger, wie beispielsweise die bekannten Wurfspeere aus Schöningen (geschätztes Alter von 300.000 bis 400.000 Jahren).

Wo Rauch ist, da ist auch Feuer?

Der wichtigste Schritt zur Trennung des Menschen von den übrigen Tieren war jedoch ein anderer: die Kontrolle über das Feuer. Es ermöglichte Schutz vor Jägern, das Kochen von Nahrung und spendete Wärme in kalten Gefilden. Zudem kam der Feuerstelle mit hoher Wahrscheinlichkeit eine große soziale Bedeutung als Treffpunkt zu. Wer sich mit anderen Leuten um ein Lagerfeuer versammelt hat, kann das bestätigen.

Wie bei vielen anderen Entwicklungen erfolgte die Kontrolle über das Feuer schrittweise. Vermutlich lernten unsere Vorfahren zunächst Buschfeuer auszunutzen. Der nächste Schritt war die Streuung eines natürlichen entstandenen Feuers. Funde zu dieser opportunistischen Nutzung sind umstritten und werden auf ein Alter von 1,5 bis zu 1,7 Millionen Jahren geschätzt. Die gezielte Entzündung, Kontrolle und Aufrechterhaltung einer Flamme dürfte deutlich später Bestandteil des menschlichen Lebens geworden sein.

Gleichzeitig eine Gefahr, als auch ein machtvolles Instrument: Feuer. © Depositphotos | ViewApart

Philosophische Diskussionen des Homo erectus

Noch mehr Ungewissheit herrscht hinsichtlich der Lebensweisen unserer Vorfahr*innen. Welche sozialen Rituale pflegten sie? Welche Hierarchien gab es in den Gruppen? Wie erfolgte die Kommunikation untereinander? Einige Theorien vermuten, dass zu dieser Zeit bereits eine rudimentäre Form der Sprache entstanden sein könnte, die ihren Ausgangspunkt bei Tiergeräuschen hatte. Wie bei so vielen anderen Themen zu den Menschen dieser Zeit existiert jedoch eine Vielzahl rivalisierender Ansichten. Paläoanthropologie soll ja nicht langweilig werden.

Wenngleich die Menschen zu dieser Zeit noch weit weg von einem sesshaften Lebensstil waren, so gibt es doch erste Anzeichen der häufigeren Wiederkehr an einzelne Plätze, sowie die Nutzung von Höhlen als temporäre Unterkünfte.

Die Fähigkeit des Sprechens nehmen wir heute für selbstverständlich hin. Wann Sprache genau entstand, ist unklar. © Depositphotos | AndrewLozovyj

Leckeres Menschenfleisch

Für die Phantastik sind diese Ungewissheiten gute und schlechte Neuigkeiten. Auf der einen Seite gibt es kaum Hintergrundinformationen zum Leben zu dieser Zeit, die zur Recherche genutzt werden können. Auf der anderen Seite eröffnet das Freiraum bei der Ausgestaltung eigener Geschichten.

Wer mit der Pen-and-Paper-Spielgruppe zur Zeit der ersten Ausbreitung aus Afrika spielen möchte, kann auf ein sehr spezielles Spielerlebnis zurückgreifen. In den meisten Spielsystemen stellen Wildtiere keine übermäßige Herausforderung dar. Doch wenn die Spieler*innen plötzlich nur noch auf rudimentäre Ausrüstung zurückgreifen können, kann ein Raubtier zu einem tödlichen Endgegner werden.

Abseits von Bären, Wölfen oder Löwen bieten beispielsweise die folgenden Jäger eine interessante Abwechslung für Abenteuerideen:

Säbelzahnkatzen

Eine Rekonstruktion des Jägers Megantereon, der für lange Zeit Eurasien heimsuchte (Naturhistorisches Museum Basel). © Wikimedia

Die Raubkatzen gehören zu den bekanntesten prähistorischen Tieren, speziell der in den Amerikas beheimatete Smilodon. In Eurasien und Afrika haben es unsere Vorfahren jedoch eher mit einer Katze namens Megantereon zu tun bekommen. Mehrere Fossilienfunde legen nahe, dass einige unserer Vorfahr*innen Opfer dieses Jägers geworden sind.

Hyänen

Bei diesen Raubtieren hatten frühzeitliche Menschen in Afrika und Eurasien nichts zu lachen. Besonders die Hyäne Pachycrocuta, die nach Fossilienfunden die Größe von Löwinnen erreichen konnte, wird mit Opfern früher Vertreter der Gattung Homo in Verbindung gebracht.

Pachycrocuta konnte angeblich die Schulterhöhe einer Löwin erreichen (Rekonstruktion im Ungarischen Naturwissenschaftlichen Museum). © Wikimedia

Greifvögel

Die Harpyie gehört zu den größten noch lebenden Raubvögeln unserer Zeit und hat auch Primaten auf ihrem Speiseplan. © Wikimedia

Diese Jäger der Lüfte konnten besonders Neugeborenen und Kindern gefährlich werden. So zeigen sich auf dem über zwei Millionen Jahre alten Fossil des „Kindes von Taung“ Spuren eines Raubvogels. Primaten werden beispielsweise auch heute noch Opfer von den in tropischen Wäldern beheimateten Harpyien.

Abgesehen davon können auch Pflanzenfresser zur Bedrohung werden, beispielsweise in einem Jagdszenario. In weiten Teilen Eurasiens fand man damals die Fauna eines Steppenbiotops, in dem Elefanten, Nashörner, Gazellen, Giraffen, Riesen-Strauße und Hirsche lebten.

Der prähistorische Mensch, das fantastische Wesen

Inspiration bieten auch Romane, die Einblicke in das (un-)bekannte Leben der frühzeitlichen Menschen verarbeiten. Aufgrund des Mangels an detaillierten Informationen sind diese Werke allerdings im besten Fall spekulativ und im Extremfall pure Fiktion. Fündig werdet ihr beispielsweise bei diesen Buchtiteln:

A different Flesh

Diese Sammlung von Kurzgeschichten des Autors Harry Turtledove spielt in einer alternativen Welt, in der Homo erectus die amerikanischen Kontinente dominiert. Zentrale Themen sind der Umgang moderner Menschen mit den Artverwandten, sowie deren Anspruch auf Menschenrechte.

Orphan of Creation

In dieser Geschichte legen Funde in Mississippi nahe, dass frühzeitliche Vorfahr*innen des Homo sapiens bis in die Moderne überlebt haben. Die Protagonistin und ihre Mitstreiter*innen folgen den Spuren dieser Entdeckung, die unser Weltbild nachhaltig zu verändern droht.

Daughter of Kura

Der Roman spielt im Südosten Afrikas gelegenen Dorf Kura, in dem eine matriarchalisch geprägte Gruppe von Homo erectus lebt. Die Protagonistin Snap muss sich im Laufe der Handlung einer Bedrohung stellen, die den etablierten Lebensstil langfristig bedroht.

Auf einer Insel in Indonesien, da lebte ein Hobbit

All diese Beispiele verdeutlichen, wie Geschichte die Phantastik beeinflussen kann. Dass die Rollen umgedreht sein können, zeigen Fossilienfunde zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf der indonesischen Insel Flores.

Der Versuch einer Rekonstruktion des Aussehens des „Hobbits“, Homo floresiensis. © Wikimedia

Diese gehören zu kleinwüchsigen Menschen, deren Körpergröße auf etwa einen Meter geschätzt wird. Ging man zu Beginn von einer erkrankten Population moderner Menschen aus, gilt der Mensch von Flores (Homo floresiensis) aktuell als eigenständige Art.

Diese Funde geben Paläoanthropologen einige Rätsel auf. Zum einen ist unklar, welcher Verwandtschaftsgrad zu anderen Vertretern der Spezies Homo besteht. Zum anderen gibt es widersprüchliche Vermutungen, wann die Besiedlung der Insel Flores erfolgte. Einige Theorien vermuten sogar, dass der Mensch von Flores das Resultat einer Expansion aus Afrika ist, die zeitlich vor den oben ersten beschriebenen Schritten aus dem Kontinent liegt.

Doch was hat das alles mit Phantastik zu tun? Seht euch hierzu einfach den Spitznamen an, den Homo floresiensis oftmals in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen erhält. Dieser zollt einem Volk Tribut, das kein geringerer als J.R.R. Tolkien zu einem festen Bestandteil der Phantastik gemacht hat: Hobbits.

Der berühmte Verwandte

Wenngleich über die Leben unserer Vorfahr*innen wenig bekannt ist, lässt sich die Komplexität des Werdegangs moderner Menschen durch deren Erforschung zumindest ansatzweise erahnen.

Allerdings fehlt in unserer Erzählung bis jetzt eine Gestalt, die für die Geschichte Europas eine wichtige Rolle einnimmt. Das korrigieren wir in Die Menschheit – Eine phantastische Erzählung, Kapitel 3: Gestatten, Neandertaler.

 

 

Artikelbilder: Depositphotos
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Rick Davids

 

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