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Das Phantom, der erste kostümierte Verbrecherjäger der Welt, erscheint wieder in Deutschland. Der eigentlich für Hörbücher bekannte Zauberstern-Verlag steigt mit dem Proto-Superhelden in das Comic-Geschäft ein. Das Phantom war einer der ersten erfolgreichen Comic-Helden – aber kann er 36 Jahre nach der letzten deutschen Reihe wieder an alte Größe anknüpfen?

1936 erfand Lee Falk den Helden für einen Zeitungs-Comicstrip. Das Phantom war tatsächlich der erste Comic-Held der ein hautenges Kostüm trug, zwei Jahre vor Superman und drei vor Batman. Aber nicht nur modisch war das Phantom ein Vorreiter. Die Zeitungsstrips wurden bald in alle Welt verkauft und waren extrem erfolgreich. In vielen Ländern, wie zum Beispiel Indien, Australien, Italien und den skandinavischen Ländern, ist das Phantom noch heute eine bekannte Marke und hat jahrzehntelang das Bild von Comic-Helden geprägt. Es gab auch Verfilmungen, wie den Kultfilm von 1996 mit Billy Zane und Catherine Zeta-Jones. In den USA wurde das Phantom jedoch von Superhelden wie Superman und Batman überholt, und in Deutschland erschien das letzte Phantom-Heft von Bastei in den 80ern.

Handlung

Das Phantom, auch der „Wandelnde Geist“ und „Der Mann, der niemals stirbt“ genannt, ist nicht nur ein einzelner Mann, sondern eine Dynastie. Alles begann 1536, als die Piraten der Singh-Bruderschaft ein britisches Schiff überfielen. Der einzige Überlebende, der Kapitänssohn Kit Walker, wurde im Kampf über Bord geschleudert. Als er am Strand von Bangalla wieder zu sich kam, schwor er auf den Schädel seines Vaters, sein Leben der Bekämpfung von Piraterie, Gier, Grausamkeit und Ungerechtigkeit aller Art zu widmen (der genaue Wortlaut variiert). Bis in alle Ewigkeit soll jeder Erstgeborene seiner Linie denselben Schwur leisten und den Kampf weiterführen. Jeder seiner Nachkommen trägt als Phantom denselben, mit einer Maske ausgestatteten, lila Anzug und erscheint so als niemals alternd und unsterblich, denn selbst wenn ein Phantom im Kampf gegen das Böse fällt, wird es bald von seinem Sohn gerächt.

Die nächsten 500 Jahre blieben die Phantome auf der afrikanischen Insel Bangalla zuhause. Die Phantome lebten dort tief im Dschungel in der „Schädelhöhle“, so genannt, da der Eingang wie ein solcher aussieht. Die größten Verbündeten, die damals dem ersten Kit Walker nach seiner unfreiwilligen Ankunft in Bangalla halfen, waren die ebenfalls im Dschungel wohnenden Bandari-Pygmäen. Es gab auch viele andere Stämme auf Bangalla, die untereinander verfeindet waren. Über die Jahrhunderte sorgten die Phantome, als unbeteiligte, neutrale Dritte aber für Frieden auf der Insel und versöhnten die Stämme. Aber das Phantom blieb nicht auf Bangalla beschränkt. Alle Phantome bekämpften Verbrecher und das Böse auf der ganzen Welt. Dadurch sammelten sie auch Unmengen an Wissen, Artefakten und Schätzen, die die folgenden Generationen für das Gute verwendeten.

Markenzeichen des Phantoms, neben seinem lila Kostüm und den zwei Pistolen, sind in jeder Generation ein weißer Hengst namens Hero und ein Wolf namens Devil. Außerdem trägt das Phantom an der rechten Hand einen Schädelring und an der Linken einen Ring mit gekreuzten Schwertern. Verbündete des Phantoms werden mit einem Ring oder Amulett mit den gekreuzten Schwertern belohnt und schwören ihrerseits, dem Phantom auf seiner Mission für das Gute zu helfen. Über die Jahrhunderte haben die Phantome sich so ein weltweites Netzwerk an Informanten und Unterstützern aufgebaut. Der Schädelring dient als Strafe für die Bösen: Ein Schlag mit ihm markiert sie für immer mit einer Narbe in Form eines Totenkopfs.

Das aktuelle Phantom, von dem die Comics handeln, ist das das einundzwanzigste. Mit seiner Ehefrau, Diana Palmer, bekämpft auch es auf der ganzen Welt das Verbrechen.

Das Phantom #1 enthält zwei Geschichten, einmal Der Geist und das Monster von 2022 und Das Geheimnis der Fischmenschen von 1997. Der Geist und das Monster ist eine Produktion der australischen Frew Publications, die durchgehend seit 1948 Phantom-Comichefte veröffentlichen. Die Geschichte beginnt mit einem riesigen, dunklen Fremden, der in Bangalla landet. Durch sein bedrohliches Aussehen und seine wilde Art gerät er bald in einen Kampf mit Eingeborenen. Erst als das Phantom auftaucht, erklärt der Angreifer was ihn nach Bangalla bringt. Er will das Phantom vor einer kommenden Bedrohung warnen, da er dem Phantom etwas schuldig ist. Aber nicht dem gegenwärtigen, sondern dem 17. Phantom, das er Anfang des 19. Jahrhunderts kennenlernte. Das damalige Phantom half ihm nämlich, nachdem er seinem Schöpfer, Dr. Frankenstein, entflohen war…

Die erste Geschichte ist eine nette Abenteuergeschichte, die geschickt die historischen Fiktionen von Frankensteins Monster und dem Vorfahren des Phantoms miteinander mischt. Das Monster entspricht der Figur des Originalromans. Anstatt eines stummen, kindisch-gewalttätigen Boris Karloff mit Quadratschädel ist das Monster, oder Adam, wie er sich lieber nennen lässt, ein selbstkritischer Philosoph, der jedoch Probleme mit seiner Selbstbeherrschung hat. Die Rückblenden, die die Phantom-Version der Frankenstein-Geschichte erzählen, sind gut gemacht und die Beziehung zwischen Adam und dem 17. Phantom wirkt komplex und vielschichtig.

Besonders schön ist die Szene, in der das Phantom und Adam miteinander Tee trinken. Das Phantom ist bereit, Adam einen gewissen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Andererseits hat es bereits mitbekommen, wie jähzornig Adam sein kann. Das Resultat ist eine unterhaltsame Mischung aus mehreren Gegensätzen. Zum einen, zwischen dem allzu normalen Teetrinken am Küchentisch und dem Gewaltpotenzial im Hintergrund. Und zum anderen natürlich der optische Kontrast, das Phantom in vollem Kostüm und den leichenartig vernarbt aussehenden Adam an so einem alltäglichen Tisch sitzen zu sehen.

Der Spannungsbogen der Geschichte ist solide und wird mit einem gut angebrachten Cliffhanger beendet, der Vorfreude auf die Fortsetzung schürt.

Die zweite Geschichte, Das Geheimnis der Fischmenschen, stammt aus den Zeitungsstrips. Da sie von 1997 stammt, wurde sie noch vom Original-Autor und Erfinder Lee Falk geschrieben, der nur zwei Jahre später starb. Zu diesem Zeitpunkt schrieb er schon ganze 61 Jahre lang Phantom-Strips.

Das Geheimnis der Fischmenschen beginnt damit, dass der Küstenstamm der Mori keinen Fisch mehr fangen kann. Der Mangel an Fisch löst einen Dominoeffekt aus, der ganz Bangalla in Gefahr bringt. Das Gleichgewicht der Stämme hat sich über die Jahrhunderte, unter Mithilfe der Phantome, penibel ausbalanciert. Ohne Fisch könnten einerseits die Raubkatzen nicht mehr gefüttert werden, mit denen sich die Bewohner von Bangalla bislang arrangiert haben. Das würde dazu führen, dass die im Wald wohnenden Stämme gefährdet wären. Andererseits befindet  sich der im Landesinneren wohnende Stamm der Wambesi mit den Mori in einer Handelsbeziehung. Da die Mori keinen Fisch mehr liefern, sehen die Wambesi diese als vertragsbrüchig an. Die gefährliche Situation ist kurz davor, zu eskalieren, als das Phantom eingreift.

Diese Geschichte hinterlässt einen sehr ambivalenten Eindruck. Zum einen das Positive: Sie ist eine hervorragende Einführung in Phantoms Heimatland Bangalla. Zu Beginn gibt es eine kurze Zusammenfassung der Herkunftsgeschichte des Phantoms, worauf eine Aufzählung der wichtigsten der zahlreichen Stämme Bangallas folgt. Hier wird auch die moderne Hauptstadt Bangallas, Mawitaan gezeigt, als urbaner Gegensatz zu dem weniger erschlossenen östlichen Dschungel, in dem das Phantom im lebt. In dieser Aufzählung wird schon erwähnt, wie das Phantom verschiedene ehemalige Feinde in Frieden zusammenbrachte. Weiterhin tauchen einige der besonderen Tiere auf, die Bangalla bewohnen, wie Hzz das Höhlenmonster und Baldy der Gorilla.

Als Einführung für die Insel ist die Geschichte also sehr gut geeignet, da sie zahlreiche Bewohner vorstellt, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen erklärt, und die Rolle des Phantoms demonstriert. Als ewiger Außenseiter kann er nie wirklich zu einer der Gemeinschaften gehören. Andererseits wird er durch genau diese ungebundene Einsamkeit von allen als unvoreingenommener, neutraler Vermittler akzeptiert.

Abgesehen von dieser Funktion für Neueinsteiger*innen hat Das Geheimnis der Fischmenschen aber viele Probleme. Die Geschichte ist flach erzählt, die Texte sind abrupt, kurz angebunden und wiederholen sich, und die Handlung ist etwas trashig. Übernatürliche oder Science-Fiction-Elemente sind durchaus im Phantom-Franchise etabliert, die Fischmenschen hier wirken aber etwas albern.

Ein Teil der Probleme lässt sich auf die Herkunft als Zeitungscomic zurückführen. Als Sonntagstory erschien jede der Seiten im Heft ursprünglich in der Sonntagsausgabe einer Tageszeitung. Gewisse Dinge sind dadurch unvermeidlich, wie etwa die häufige Wiederholung der letzten Panel einer Seite zu Anfang der nächsten. Auch die Kurzgefasstheit kann sicherlich damit begründet werden, es war ja nur sehr begrenzt Platz verfügbar. Es ist letztendlich ein Medium, das den meisten Comicleser*innen hierzulande doch etwas fremd sein dürfte. Darüber hinaus hat die Geschichte Probleme mit dem Ablauf. Extrem auffällig ist eine Sequenz, in der das Phantom fast vier Seiten lang mit zugehaltener Nase und dem Kopf unter Wasser im seichten Meerwasser kniet. Das macht innerhalb der Handlung eigentlich schon Sinn, die Länge ist aber nicht gerechtfertigt.

Zeichenstil

Giancarlo Caracuzzos Zeichnungen in Der Geist und das Monster haben einen etwas düsteren Einschlag. Die Figuren sind leicht eckig stilisiert, die Panels manchmal etwas skizzenhaft und Bewegungen etwas steif. Insgesamt funktioniert der Stil aber recht gut und erinnert etwas an den frühen Cory Walker (Invincible), oder einige der Zeichner, die nach Mike Mignola das Hellboy-Universum graphisch darstellten.

Olesen ist im Stil typisch amerikanischer Abenteuer-Strips zuhause. Er beherrscht sein Handwerk und bebildert die Geschichte routiniert. Hier dominieren geübt ausgeführte Standardkompositionen und Posen. Man kann sich schlecht über handwerklich solide ausgeführte Bilder beschweren, zumal Zeitungscomics Zeichnern auch ein sehr hohes Tempo abverlangen, begeistern können sie allerdings nicht.

Erscheinungsbild

Phantom #1 kommt im DIN-A4-Format daher. Das ist im ersten Moment etwas ungewohnt, da die Heftchen von Marvel und DC im etwas kleineren Format produziert werden. Das Cover hat ein hübsch gemaltes Titelbild, und die Rückseite stellt das Phantom kurz vor. Der Druck ist gelungen und das Papier fühlt sich gut an. Auffällig ist der große weiße Seitenrand um die Panels herum. Das wirkt sich nicht auf die Lese-Erfahrung aus, lässt die Seiten aber manchmal etwas leerer erscheinen, als sie eigentlich sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Zauberstern Comics
  • Autoren: Andrew Constant, Lee Falk
  • Zeichner*in(nen): Giancarlo Caracuzzo, George Olesen
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: DIN A4
  • Seitenanzahl: 108
  • Preis: 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel

 

Bonus

Ein Poster ist im Heft enthalten. Leider ist es kein Extraposter, sondern auf die Rückseite normaler Seiten in der Heftmitte gedruckt. Wenn man es aus dem Heft nimmt, fehlen diese zwei Seiten dann logischerweise.

Fazit

Das Phantom Magazin bringt nach langen Jahren den alten Held wieder nach Deutschland zurück. Die zweite Geschichte an sich ist nicht gut. Aber immerhin ist sie für ihre Funktion, Neueinsteiger*innen die Welt des Phantoms zu erklären, gut geeignet. Die Hauptgeschichte ist aber interessant und macht Lust auf mehr. Abenteuer-Zeitungsstrips wie Phantom sind klassischerweise sehr auf Action ausgelegt, auch bedingt durch den begrenzten Platz. Dafür überrascht Der Geist und das Monster auch mit unerwartet psychologischen Elementen – aber keine Sorge, an Dschungel-Action wurde natürlich trotzdem nicht gespart. Es ist leider etwas fraglich, ob das Phantom in Deutschland noch vielen ein Begriff ist. Aber egal ob man sich vielleicht noch an die alten Bastei-Comics erinnern kann, den Kinofilm von den zahlreichen Wiederholungen auf Kabel 1 kennt, oder noch gar nicht mit dem Dschungelhelden in Kontakt kam: Phantom #1 ist eigentlich für alle ein guter (Neu-)Einstieg. Dazu passt auch der marktübliche Preis von 9,99 EUR für das zweimonatlich erscheinende Magazin. Zauberstern Comics hat mit Phantom einen guten Start geliefert. Hoffen wir, dass es so weitergeht.

  • Interessante Pseudohistorie
  • Solide Zeichnungen
  • Spannende erste Geschichte
 

  • Seltsamer Rhythmus der zweiten Geschichte

 

Artikelbilder: © Zauberstern Records
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Maximilian Düngen
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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