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Die gelungene Dark Fantasy von Symbaroum soll mit Ruins of Symbaroum als D&D 5E-Adaption die große Bühne betreten. Free League beschreitet damit neue Wege, denn Adaptionen bringen nicht nur Chancen, sondern auch immer ihre Probleme mit sich. Wie gut die Umsetzung gelungen ist und was Spieler*innen erwartet, lest ihr hier.

Als Symbaroum 2016 auf den Markt kam, war es nach heutigen Maßstäben kein großer Kassenschlager. Die dunkle, konfliktträchtige und gefährliche Welt mit herausragendem Artwork, fesselndem Hintergrund und einfachen Regeln haben aber dafür gesorgt, dass sich eine beachtliche Fangemeinschaft versammelt hat.

Mit Ruins of Symbaroum (RoS) adaptiert Free League die Spielwelt in das Regelkorsett von D&D 5E. Bisher sind das Player’s Handbook, der Gamemaster’s Guide und das Bestiary erschienen. Wie gut die Umsetzung gelungen ist und was sich geändert hat, lest ihr hier.

Die Spielwelt

Ruins of Symbaroum verändert die Spielwelt zum Originalspiel nicht. Das geflüchtete Volk aus Alberetor unter Führung ihrer gezeichneten Königin Korinthia fand nördlich des Gebirges (der Titanen) ein neues Heim. Dort gründeten sie das Reich Ambria und besiegten einige der dort lebenden Barbarenstämme. Während die große Stadt Yndaros noch wächst, planen die Adligen bereits weitere Feldzüge. Ein Anlaufpunkt für alle Abenteurer*innen ist die Stadt Distelfeste, die vom berühmten Schatzsucher Lasifor Nachtschwarz gegründet wurde. Ganz Ambria liegt im Schatten des mächtigen Waldes Davokar und ist gespickt mit den Ruinen des alten Reiches Symbaroum.

Die Karte der Spielwelt zeigt vor allem den beeindruckenden Davokar (Player’s Guide).

Im Wald warten feindselige Elfen und Monster, befleckte Bestien, Barbar*innen und Hexen – in den Bergen leben die Zwerge. Mächtige Fraktionen streiten um Einfluss: Adelshäuser und die Kirche des Prios, Barbaren und der Ordo Magica, aber auch die königliche Armee und der Eisenpakt der Elfen.

Gefüllt wird diese Welt von einer Vielzahl an Lebewesen: Neben den spielbaren Elfen, Goblins, Trollen oder Menschen (und sogar Untoten) trifft man auf Monster und Schatten verschiedenster Art. Darunter finden sich besondere Wesen wie Glimmer (fast unsichtbare Untote) oder gigantische Königskröten. Den skandinavischen Einfluss auf die Auswahl dieser Wesen merkt man nicht zuletzt, wenn eine Weltenschlange sich durch das benachbarte Dorf frisst.

Die King Toad ist nur einer von vielen Schrecken aus dem Bestiary.

Ruins of Symbaroum hat Unmengen an Konflikten und reichhaltige Anhaltspunkte für spannende Erlebnisse zu bieten. Die besondere „Nahaufnahme“ der Region und die stetige Bedrohung durch offensichtliche Feinde, finstere Mächte und faulender Korruption erschafft eine dichte und fesselnde Atmosphäre.

Die Regeln

Die Regeln ergänzen die D&D 5E-Regeln, deshalb muss mindestens das D&D 5E Player’s Handbook vorhanden sein, um spielen zu können. Da es sich um eine Adaption handelt, geht der Blick immer in zwei Richtungen: nach vorne in den D&D 5E-Kontext und nach hinten Richtung Originalspiel.

Ganz allgemein kann man festhalten: Das Originalspiel ist asymmetrisch, da nur die Spieler*innen würfeln, nicht aber die SL, während die Adaption symmetrisch ist. Außerdem gibt es statt acht Attributen nur noch D&D-typisch sechs und die Archetypen (in RoS heißen sie Klassen) wurden ebenfalls sehr vereinheitlicht, um in das 20-Level-Konzept zu passen.

Player’s Guide

Es geht in Ruins of Symbaroum immer um die persönlichen Ziele des eigenen Charakters, aber auch um die der Gruppe insgesamt. Diese Ziele haben keine direkten regeltechnischen Auswirkungen, helfen aber, sich in die Welt einzufühlen und in kritischen Momenten eine Richtlinie zu haben, nach der man handelt. Hier zeigt sich die Verbindung zum originalen Symbaroum.

Reise

Die Reisen durch Ambria und den Davokar können langwierig und anstrengend sein. Deshalb gibt es Regeln für die Reisegeschwindigkeiten zu Fuß oder beritten und Gewalt- oder Todesmärsche/-ritte. Übertreibt man es, können Todesrettungswürfe die Folge sein.

Korruption und Schatten

Korruption kann fiese Auswirkungen haben (Player’s Guide).

Der Schatten ist eine Aura um lebende Wesen, dessen Farbe sich verändert, je nachdem wie die Beziehung des Wesens zu den großen Kräften der Welt ist. Nur wenige können diesen Schatten sehen. Am Schatten kann man erkennen, dass die Zivilisation und die Wildnis in stetigem Konflikt sind. Eine Störung der natürlichen Ordnung führt zu Zeichen der Korruption im Schatten. Je mehr Korruption sich ansammelt, desto dunkler wird er.

Mögliche Auslöser für diese Korruption können Magie oder Artefakte sein, aber auch der Einfluss von Macht und gewisse Angriffe von Monstern. Die Gefahr der Korruption ist so groß, dass man daran seinen Charakter verlieren kann, wenn er dem Schatten anheimfällt. Schon vorher kann die Fäulnis den Körper entstellen: eiternde Wunden, schwarze Venen oder schwefliger Atem sind nur einige der Folgen.

Meistens ist diese Veränderung temporär und die angesammelte Korruption kann wieder abgebaut werden, manchmal bleibt sie aber permanent.

Rast

D&D-Spieler*innen kennen die kurze und die lange Rast als Mechanik. Während dieser Rasten kann man in Ruins of Symbaroum Lebenspunkte regenerieren und ein wenig der temporäreren Korruption abbauen. Irgendwann reicht das aber nicht mehr aus. Deswegen kommt die erweiterte lange Rast dazu, die mindestens einen vollen Tag in Anspruch nimmt. Sie ist vor allem dazu gedacht, um sich vollständig zu heilen, große Mengen temporärer Korruption abzubauen und Trefferwürfel zu regenerieren – denn das geht nur während dieser.

Gesellschaftliche Herausforderungen

Manche Situationen sind mit rollenspielerischem Geschick zu lösen. Das können wichtige Verhandlungen sein, bei denen einfaches Würfeln nicht ausreicht, das Treffen mit einer einflussreichen Person oder die Überzeugungsarbeit zum Erhalt eines Titels. In Ruins of Symbaroum wird hierbei wesentlich mehr als im Originalspiel gewürfelt und der Ablauf ist klarer geregelt. Wie schon im Originalspiel soll Rollenspielen belohnt werden, und so warten nach einschneidenden gesellschaftlichen Herausforderungen wertvolle Erfahrungspunkte.

Zeitrechnung und Kalender

Ein eigener Abschnitt widmet sich der Benennung der Monate und Wochentage sowie der Zeitrechnung beziehungsweise -benennung. Wie lange etwas herzustellen dauert, wird anhand des Wertes errechnet (100 Tage für eine Vollplatte, wenn sie von einer Einzelperson hergestellt wird) und auch Trainingszeiten sind geregelt. So werden die Zeiten zwischen den Abenteuern gut gefüllt.

Gamemaster’s Guide

Im Gamemaster’s Guide werden mehr Details zur Spielwelt gegeben und die Aufgabe der SL umrissen. Es gibt umfangreiche Hilfestellung dazu, wie man Reisen gestaltet oder welche Abenteuer, Kreaturen und Schätze auf die Charaktere warten könnten. Ein eigener Abschnitt widmet sich der Erstellung der alten Ruinen aus der Zeit des Reiches Symbaroum.

Schritt für Schritt zum GM (Gamemaster’s Guide).

Das Worldbuilding ist in Symbaroum sehr wichtig. Es wurden bewusst weiße Flecken in der Spielwelt gelassen, damit die SL selbst aktiv mitgestalten kann. Für diese Mitgestaltung gibt es (wie auch im Originalspiel) eine ganze Menge Unterstützung, mit der man die Welt erweitern und Abenteuer stricken kann.

Natürlich dürfen die Belohnungen für all die Abenteuer nicht fehlen: Das können Schätze und Artefakte sein, Feats (Talente), Ansehen und Titel oder sogar ein eigenes Stück Land. In Ruins of Symbaroum ist vieles möglich. Magische Gegenstände und Artefakte bringen oft Korruption mit sich, die je nach Macht sogar dauerhaft bleiben kann.

Der Gamemaster’s Guide bietet erweiterte Regeln für verschiedene Fallen, Zeremonien (Gruppenrituale) und Verfolgungsjagden. Auch der eigene Landbesitz (Domains) ist eine Option. Man kann einen Pakt mit einem anderen Wesen eingehen oder den Fokus auf gesellschaftliche Herausforderungen legen. Sogar „Troupe Play“, bei dem man eine Charaktergruppe statt eines einzelnen Charakters spielt, wird aufgeführt. Den Abschluss der durchweg optionalen Regeln bildet ein System für große Schlachten.

Mit „Blight Night“ findet sich außerdem ein sehr kleines Einführungsabenteuer im Buch, mit dem man sich einen Überblick über den Aufbau von Abenteuern verschaffen kann.

Charaktererschaffung

In D&D 5E verläuft die Charaktererschaffung in der Regel wie folgt: Volk auswählen, Klasse festlegen, Attribute bestimmen und den Charakter beschreiben. Zum Schluss wählt man Ausrüstung und findet seinen Platz in der Gruppe.

Ruins of Symbaroum geht einen Mittelweg zwischen dem Originalsystem und 5E. Zuerst wählt man eine Origin (Herkunft) aus, mit der auch ein Charakterhintergrund einhergeht. So können Wechselbälger oder Zwerge gewählt werden, Elfen, Goblins oder Trolle. Bereits hier wird klar, dass alle Völker, und später auch Klassen, aus dem Grundregelwerk und des Advanced Player‘s Handbook des Originalspiels für das RoS Player’s Handbook übernommen wurden.

Eine mögliche Origin: Oger (Player’s Handbook).

Mit der Origin wählt man auch direkt einen Hintergrund: Oger können beispielsweise magisch bewandert sein, von gewöhnlichen Leuten aufgezogen worden sein oder ein gefährliches Leben als Söldner geführt haben. Die Hintergründe geben Übungsboni und Ausrüstung, besondere Features und unterschiedliche Tabellen für die Persönlichkeitsmerkmale, Ideale, Bindungen und Makel – alles wie immer also. Eine wichtige Information ist, dass die Origins die Trefferwürfel bestimmen, nicht die Klassen, wobei es eine alternative Angabe bei den Klassen gibt, wenn man das nicht möchte.

Danach wird die Klasse gewählt, in der man dann bis zu 20 Stufen aufsteigen kann. Sie gewähren einzigartige Klassenmerkmale und werden mit den Approaches (das Äquivalent zu den Subklassen) variiert. So kann ein Captain sich zwischen militärisch ausgebildetem Officer, Outlaw, Merchant Master und Poet-Warrior entscheiden. Die Möglichkeiten sind dabei recht umfangreich und unterschiedlich, man merkt aber, dass die Klassen insgesamt einheitlicher gestaltet sind als im Originalspiel.

Die optionalen Feats, die während der Charakterentwicklung anstelle einer Attributssteigerung gewählt werden können, sind mit Boons und Burdens eine sehr interessante Möglichkeit, die Steigerung mit Rollenspielelementen zu würzen. So könnte man eine*n Diener*in gewonnen haben oder ein Erbstück erhalten (Boons). Vielleicht hat man sich aber auch eine*n Erzfeind*in geschaffen oder wird von Alpträumen geplagt (Burdens). Boons geben einen kleinen Bonus, während Burdens einen größeren geben, dafür aber auch negative Auswirkungen mit sich bringen. Klassenspezifische Feats sind ebenfalls vorhanden.

Im umfangreichen Ausrüstungskapitel sucht man sich dann noch die sieben Sachen für den Charakter zusammen. Dort findet man auch die in Symbaroum genutzte Währung: Thaler (entspricht Gold), Shilling (entspricht Silber) und Orteg (entspricht Kupfer). Für spätere Spielsituationen ist hier schon wichtig: Es gibt auch einen lebhaften Schuldscheinhandel.

Ein kleiner Ausschnitt aus der Zauberliste (Player’s Handbook).

Spielt man keinen magischen Charakter, ist dieser nun fertig. Alle anderen widmen sich dem letzten Abschnitt, in dem es um Anpassungen der Zauber für das Setting geht. Der vielleicht spannendste Zauber ist dabei „Exchange Shadow“, ein Ritual, mit dem man den eigenen Schatten, mit dem einer anderen Person tauschen kann.

Erscheinungsbild

Die Bücher sind sofort als 5E-Werke erkennbar mit ihrem klaren Aufbau und der typischen Einheitlichkeit. Jedes Kapitel hat eine eigene Farbe für das Muster am Seitenrand, und mit einem Index und dem übersichtlichen Inhaltsverzeichnis findet man sich hervorragend zurecht.

Viele Texte, Illustrationen und Tabellen sind übernommen worden, wie könnte man auch nicht? Das Artwork ist herausragend, unterstützt die Welt und Stimmung enorm. Nimmt man die Bücher in die Hand, spürt man die Wertigkeit, das ordentliche Papier und die gute Verarbeitung.

Jedes Kapitel beginnt mit einer beeindruckenden Illustration (Player’s Handbook).

Was die Übersichtlichkeit fördert, nimmt ein wenig des Flairs aus dem Grundspiel. Symptomatisch für die gesamte Adaption machen die doppelseitigen Kapiteleinleitungen das Setting epischer und pompöser – bringen die Welt von Symbaroum weg von einer Nische mit Ecken und Kanten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Free League
  • Autor*in(nen): Mattias Johnsson Haake, Mattias Lilja, Jacob Rodgers
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Englisch
  • Format: Print/PDF
  • Seitenanzahl: 225 (Player’s Guide), 200 (Gamemasters Guide), 235 (Bestiary)
  • ISBN: 9789189143258 (Player’s Guide), 9789189143265 (Gamemasters Guide), 9789189143272 (Bestiary)
  • Preis: Hardcover je 39,95 EUR, PDF je 23,61 EUR (Player’s Guide, Gamemasters Guide, Bestiary)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, DriveThruRPG (PDF: Player’s Guide, Gamemasters Guide, Bestiary) Sphärenmeister (Player’s Guide, Gamemaster’s Guide, Bestiary)

Bonus/Downloadcontent

Im Interview hat Mattias Lilja uns Hoffnung gemacht, dass die Kampagne Throne of Thorns für Ruins of Symbaroum umgesetzt werden könnte. Bis dahin werden sich geneigte Spieler*innen auf das Adventure Compendium mit sieben Abenteuern für die Stufen 1-8 und Call of the Dark mit zwei weiteren Abenteuern für die Stufen 8-10 freuen können, die noch dieses Jahr erscheinen.

Es gibt einen Spielleitungs-Schirm mit nützlichen Tabellen im Inneren und einer furchterregenden Ruine auf der Außenseite. Der SL-Schirm ist flach und breit, in etwa wie drei DIN A4-Seiten nebeneinander auf der langen Seite liegend.

Fazit

Mit drei Büchern, die insgesamt ungefähr 650 Seiten spannende Dark Fantasy beschreiben, ist der Umfang von Ruins of Symbaroum ordentlich. Die Verarbeitung ist ausgezeichnet und inhaltlich fehlt es an nichts. Es ist eine wahre Freude, in den Büchern zu stöbern und die Welt zu erkunden, Charaktere zu bauen oder sich Abenteuer auszudenken.

Episch, dunkel, tödlich: Ruins of Symbaroum (Player’s Handbook).

Ruins of Symbaroum ist eine sehr gute 5E-Adaption mit wunderschönen Büchern, deren hervorragendes Artwork allein schon Grund sein sollte, Symbaroum spielen zu wollen. Für jene, die das Originalsystem bereits kennen, bieten die Regelwerke nichts Neues: Texte und Illustrationen wurden größtenteils übernommen und neue Informationen oder Weltbeschreibungen sucht man vergebens. Außerdem fühlt es sich epischer an, allgemeiner und nicht mehr nach dem kleinen und etwas unsortierten System vom Anfang.

Das war aber auch nicht das Ziel der Kampagne. Free League wollte eine große Spieler*innenschaft erreichen, die sich bereits sicher in D&D 5E fühlen und ihnen ein Setting bieten, das besonders ist. Dieses Vorhaben ist ihnen ausnahmslos gelungen. Wer bereits Symbaroum spielt, braucht sich nicht mit der Sorge zu plagen, eventuell umzusteigen, aber allen Spieler*innen, die noch ein Dark Fantasy-System suchen, aber nicht auf ein neues Regelsystem umsteigen wollen, sei Ruins of Symbaroum herzlich empfohlen.

Der Ersteindruck basiert auf der Lektüre der bisher erschienen Bücher. Dazu wurden die Regelwerke des Originalspiels zum Vergleich herangezogen. Ein Spieltest ist mit dem noch erscheinenden Adventure Compendium geplant.

  • Dichte, atmosphärische Welt
  • Solide Adaption
  • Einfacher Umstieg
 

  • Nur mit D&D 5E Player’s Handbook spielbar

 

Artikelbilder: © Free League Publishing
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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