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Shang-Chi wird von seiner Vergangenheit konfrontiert, Hulk wird in der Zukunft zu Maestro und der King in Black erobert die Gegenwart. Die Erwartungen an die Marvel-Neuerscheinungen des Monats sind groß. Können die Bände die Erwartungen erfüllen? Wir haben sie für euch angeguckt und rezensiert.

Es ist selten, dass ein Shang-Chi-Comic den Weg nach Deutschland schafft. Kung-Fu erfreut sich nicht mehr der Beliebtheit von damals, als dieser Held das Licht der Welt erblickt hat. Damals konnte sich Marvel die Lizenz für den Schurken Fu Manchu sichern und etablierte mit Shang-Chi seinen Sohnemann, der sich gegen den eigenen Vater stellt. Als sie 2011 die Lizenz für Fu Manchu wieder abgaben, wurde Shang-Chis Vater zum Magier Zheng Zu. Im bald erscheinenden Kinofilm wird der Mandarin zu Shang-Chis Vater erklärt. Im aktuell erscheinenden Comic erfährt der Kung-Fu-Held, dass die Organisation seines Vaters größer war als er bisher angenommen hatte und er selbst scheint der legitime Nachfolger zu sein.

In der Geschichte Hulk: Dystopia reiste Hulk in eine mögliche Zukunft und traf dort den brutalen Herrscher einer zerstörten Welt: Maestro. Mit Entsetzen musste er feststellen, dass dies eine zukünftige Version seiner selbst war, der die Menschheit unterdrückte. Bis heute war nicht bekannt, wie Hulk zu Maestro wurde. Peter David, der Autor von Dystopia (im Original Future Imperfect) hat uns nun die Herkunftsgeschichte von Maestro geliefert und erzählt, wie aus dem grünen Gamma-Giganten ein Tyrann wurde.

Der aktuelle Venom-Run beschäftigte sich mit der Frage, woher die Klyntar eigentlich kommen, und führte mit Knull den Gott der Symbionten ein. In Absolute Carnage traf Eddie Brock eine folgenschwere Entscheidung, die nun dazu führt, dass sich Knull auf den Weg zur Erde macht. Diese Reise ist nun abgeschlossen, und mit King in Black steht das nächste Event im Marvel-Universum an. Ist die Erde noch zu retten?

Shang-Chi #1 – Tödlicher Drache

Shang-Chi wurde von seinem Vater zu einem großen Krieger ausgebildet. Doch er stellte sich gegen seinen Vater und dessen Organisation. Er besiegte ihn und wurde zum Helden, sogar zu einem Avenger. Inzwischen arbeitet er in einer Bäckerei im Chinatown von San Francisco. Durch seine Ex Leiko Wu erfährt er, dass die Organisation seines Vaters noch immer aktiv ist. Zwei Halbgeschwister, die sich Bruder Säbel und Schwester Dolch nennen, erscheinen und erklären ihm, dass er den Bund der Fünf Waffen anführen soll. Durch seine Kämpfe ist er zum Anführer des Hauses der Hand geworden. Seine Schwester vom Haus des Hammers hat den bisherigen obersten Anführer vom Haus des Tödlichen Stocks umgebracht. Doch nicht Schwester Hammer, sondern Bruder Hand soll die Organisation zukünftig führen. Darauf beginnt ein Konflikt mit seiner Schwester und Shang-Chis eigenem Umgang mit seiner Vergangenheit.

Auch wenn Shang-Chis Herkunftsgeschichte immer wieder angepasst wurde, fügt sich die Einführung der fünf Häuser gut in seine Erzählung ein, und wie der Held selbst lernen Leser*innen alles Nötige über deren Ursprung und Organisation. Träume, in denen er sich mit seinem verstorbenen Onkel unterhält, geben den Rahmen zur Charakterentwicklung vor und dem Konflikt Tiefe. Die Auflösung wirkt aber uninspiriert und kommt zu schnell zu einer Konklusion. Hier wäre noch ein wenig mehr Beschäftigung mit der Antagonistin vorteilhaft gewesen. Dennoch hat die Handlung einen guten Spannungsbogen und bringt die Hintergrundinformationen in wohldosierten Häppchen voran.

Für Manga- oder Kung-Fu-Fans?

Der Stil der Zeichnungen ist dynamisch und voller Bewegung. Manchmal passieren aber so viele Dinge gleichzeitig, dass es schwer ist nachzuvollziehen, wer hier gegen wen kämpft. Das wird zusätzlich durch Lücken in der Erzählung verstärkt, in der die Herkunft einiger Handlanger nicht wirklich erklärt wird. So entsteht immer wieder Verwirrung, die durch eine klarere Gestaltung vermeidbar gewesen wäre. Optisch stechen die Begegnungen von Onkel und Sohn aber positiv heraus. Diese finden auf einer anderen Ebene statt und erzeugen einen mystischen Unterbau.

Kung-Fu-Fans könnten enttäuscht sein, da sich die Kämpfe nur marginal von vergleichbaren Actionabenteuern unterscheiden. Die Eigenheiten eines asiatischen Kampfstiles sind nur ansatzweise zu erkennen.

© Panini

Im Grunde haben wir hier einen soliden ersten Band einer Reihe, die nur wenig falsch machen will und dabei zu wenig Kante zeigt. Alles ist etwas uninspiriert, und ich hätte mir mehr Originalität gewünscht. Zu oft habe ich das Gefühl, etwas Vergleichbares in Animes oder Mangas bereits gesehen zu haben. Eine entsprechende Zielgruppe dürfte hiermit zwar angesprochen werden, doch vermute ich, dass ihnen der Stil zu westlich erscheint. Am ehesten lässt sich der Comic daher mit der Zeichentrickserie Avatar – Herr der Elemente vergleichen, die ebenfalls eine sehr westliche Prägung hat und als Einstieg in fernöstliche Abenteuer dienen kann. Doch der Comic erreicht nicht den Humor von Avatar. Ob das nun ein Comic ist, den man gelesen haben sollte, muss jede*r für sich selbst entscheiden.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Gene Luen Yang
  • Zeichner*innen: Dike Ruan, Philip Tan
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 15 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Maestro – Der Gamma-Tyrann der Zukunft

Hulk wacht in einer idealisierten Welt auf, in der er mit Betty Ross und ein paar gemeinsamen Kindern zusammenlebt, seine Persönlichkeitsspaltung überwunden hat und ein Heldenleben führt. Doch schnell erkennt er, dass dies nur eine Illusion ist, und er versucht den Hologrammen zu entkommen. Am Ende steht er einer zerstörten Welt gegenüber, die von den Menschen zu Grunde gerichtet wurde. Er erfährt, dass New York nun den Namen Dystopia trägt und von einem Herrscher namens Maestro beherrscht wird, der sich als Gott verehren lässt. Also macht er sich auf nach Dystopia, um sich diesem Maestro zu stellen.

Das Abenteuer baut eine große Spannung durch die Frage auf, was nun genau dazu führen wird, dass aus Hulk selbst Maestro wird. Die Loslösung von der eigentlichen Zeitrechnung trägt dabei viel zum Spannungsaufbau bei. In dieser alternativen Zukunft ist potenziell alles möglich, sofern die Ereignisse aus Hulk: Dystopia darauf noch folgen können. Leider verpasst es der Band, eine punktierte Entwicklung des Antihelden durchzumachen. Der Sprung vom missverstandenen Helden zum brutalen Tyrannen passiert hier viel zu schnell. Dennoch geschieht viel Interessantes, das Leser*innen an den Band fesseln sollte.

Dystopie für Zyniker*innen

Man sollte nicht erwarten, dass dieser Band mit einem Happy End aufwartet. Dies ist die Erzählung, wie eine bekannte Helden-Figur zu einem Schurken wird. Dazu wurden dem Band wunderschöne Bilder einer futuristischen Welt beschert. Sie erinnern weniger an die Zeichnungen des Originals, das eine gewisse Inspiration von Moebius nicht verleugnen kann, als an moderne Klassiker, wie Old Man Logan oder Age of Ultron. Sehr oft sieht man dabei auch ein breites Panel mit einer Detailaufnahme von Hulks Augenpartie. Die Emotionen des Giganten kommen dabei stets gut zur Geltung.

© Panini

Relativ schnell wird dem*der Leser*in die Hoffnung genommen, dass dieser Band mehr sein will als ein Lückenfüller. Die zerstörerische Natur des Menschen wird ebenso wenig ergründet wie die dunklen Triebe des Gamma-Giganten. Dafür wird gezeigt, wie sich der grüne Protagonist mit bekannten Figuren prügelt, die es ebenfalls in diese dystopische Welt geschafft haben. Doch die Erzählung ist dabei sehr abwechslungsreich und spannend erzählt, sodass man den Band ungern aus der Hand legen möchte. Man darf gespannt sein, was hierauf noch folgen wird, denn bereits für Dezember ist ein weiterer Band mit Maestro angekündigt worden.

Die harten Fakten

  • Autor*in: Peter David
  • Zeichner*innen: Dale Keown, German Peralta
  • Seitenanzahl: 132
  • Preis: 16 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

King in Black #1 – Die Ankunft

Knull erreicht mit seiner Armee aus fliegenden Symbionten die Erde und ist kurz davor, diese zu versklaven. Die Avengers, welche sich auf Anraten von Eddie Brock auf dieses Treffen vorbereiten konnten, stemmen sich mit aller Gewalt gegen die drohende Invasion. Doch sie scheitern, und nicht nur Eddie ist kurz davor, das Zeitliche zu segnen. Das ist der Augenblick der neuen Valkyrie Jane Foster. Daneben kämpfen in ein paar Nebengeschichten Iron Man und Doctor Doom gegen den Weihnachtsmann, Gwen gegen Mary Jane und Scream gegen ihre Symbionten-Geschwister.

An dieser Inhaltsangabe merkt man schon, wie unterschiedlich die einzelnen Geschichten in diesem Band sind. Wie schon bei Absolute Carnage wurden in diesem Band die Haupt- und Nebenlinien des Events vereinigt. Dadurch wird das Event auf vier Paperbacks kommen. Den Leser*innen entgeht somit auch kein Nebenplot, und Panini kann sich über mehr Verkäufe freuen. Leider ist die Qualität der Einzelgeschichten nicht wirklich gut. Der Scream-Teil ist so kurz, dass nahezu nichts erzählt wird. Die Begegnung mit dem Weihnachtsmann ist skurril, ohne besonders lustig oder interessant zu sein.

Eine gute Fortsetzung von Absolute Carnage

Wer bereits begeistert die aktuelle Venom-Reihe liest und auch schon Absolute Carnage verschlungen hat, kann hier wenig falsch machen. Natürlich wird es Symbionten-Versionen bekannter Helden geben, ungewöhnliche Auseinandersetzungen unterschiedlichster Gegner und eine allgegenwärtige Weltuntergangsstimmung. Diese ist auch in den verschiedenen grafischen Stilen der Zeichner zu finden. Dabei sticht besonders die Hulk-Geschichte heraus, die komplett ohne Worte erzählt wird. Auch Gwens Kapitel sticht durch eine sehr punkige Optik und einen exzessiven Einsatz der Farbe Schwarz aus.

Fans der großen Events werden wissen, was sie bekommen. Der Ersteindruck ist gut, auch wenn die typischen Probleme solcher Bände auch hier zum Tragen kommen: Die einzelnen Held*innen gehen im großen Crossover unter, die Einzelprobleme wirken im Vergleich zum Gesamtevent trivial, und es fällt schwer zu glauben, dass aus dem Event irgendetwas entsteht, das nicht nach ein paar Monaten rückgängig gemacht wird.

Der erste Band des großen Events funktioniert als Einzelwerk, lässt sich am ehesten aber im Zusammenhang mit Venom und Absolute Carnage sehen, da die Geschichte um Eddie Brock und seinen Sohn Dylan im Zentrum des Konflikts steht. Das Ganze findet im Rahmen eines groß angelegten Weltuntergangs statt, bei dem die Hoffnung fast verloren ist. Wer darauf Lust hat, sollte hier zugreifen. Wer keine Events mag, wird hier auch nicht vom Gegenteil überzeugt und sollte einen Bogen um den Band machen.

© Panini

Die harten Fakten

  • Autor*innen: Al Ewing, Donny Cates, Jason Aaron
  • Zeichner*innen: Aaron Kuder, Ryan Stegman, Salvador Larroca
  • Seitenanzahl: 180
  • Preis: 20 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Shop

 

Fazit des Monats und Ausblick

Die Comics des Monats sind so unterschiedlich wie das ganze Superhelden-Genre. Neben einer Neuinterpretation eines alten Charakters haben wir die Herkunftsgeschichte eines großen Schurken und den Beginn eines Events, bei dem das ganze Universum wieder einmal vor dem Untergang steht. Jeder der Comics hat seine ganz eigenen Schwächen, aber alle sind für sich lesenswert und werden ihre Fans finden. Mich persönlich hat der Maestro-Band am meisten begeistern können, auch wenn die Motivation der Figur nicht immer ganz einleuchtend ist.

Im nächsten Monat versuchen wir einmal vom Monthly-Konzept wegzukommen und ähnlich wie bei den Graphic Novels Einzelartikel mit Kurzchecks zu erstellen. Das ist daher geschuldet, dass die Comics nur selten in einem Artikel gut zusammenpassen. Schreibt uns gerne, welches Konzept ihr besser findet und ob wir wieder wie gewohnt zu einem Marvel Monthly zurückkehren sollen. Den Anfang für die Kurzchecks macht die neue Wolverine-Graphic Novel „Im Dunkel der Nacht“.

 

Artikelbilder: © Panini
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Rick Davids
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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