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Nachdem der erste Zyklus der T.I.M.E Agency mit Madame 2019 ein abruptes Ende fand, welches bei vielen Fans der Reihe auf wenig Begeisterung stieß, brachte Asmodee nun den Blauen Zyklus auf den Markt. TIME Stories Revolution heißt er, kombiniert Altbewährtes mit Neuem und ist unabhängig vom Weißen Zyklus spielbar.

Zeitreisen sind Wirklichkeit geworden. Doch damit die Zeitlinie erhalten bleibt und nicht durch Instabilität oder Paradoxa auseinanderfällt, gibt es uns, die Agent*innen der TIME. Nach den Ereignissen des ersten Zyklus sah sich die Agency gezwungen, eine neue Methode der Zeitreisen einzuführen, basierend auf den neuesten Technologien. Es wurde eine erstaunliche Substanz entwickelt, welche uns verabreicht wird und so die Verbindung zwischen uns und unseren Wirt*innen in größerem Maße stärkt. So bleibt uns mehr Zeit am Zielort, wir können produktiver arbeiten und besser mit dort lebenden Personen interagieren.

TIME Stories Revolution ist wie sein Vorgänger ein kooperatives Spiel, in welchem wir in verschiedene Zeitspannen reisen, um vor Ort auftretende Probleme zu lösen, Unstimmigkeiten auf den Grund zu gehen und somit die Zeitlinie zu erhalten.

Im Gegensatz zum Weißen Zyklus sind alle Abenteuer des Blauen unabhängig voneinander spielbar. Es gibt keine übergeordnete Geschichte, die im Hintergrund mitläuft. Wir können uns demnach die Mission aussuchen, welche uns am meisten zusagt.

Im Hadal-Projekt werden wir in die Tiefen der Ozeane des 21. Jahrhunderts geschickt, um ein Heilmittel für ein schreckliches Virus zu finden, welches auf der Erde wütet. Hierfür steht uns eine Gruppe von vier Personen zur Verfügung, deren Körper wir einnehmen können: Eine Reporterin namens Karia, die Berufstaucherin Chae-Rin, Antonio der U-Boot-Pilot und Mechaniker sowie Sicherheitsoffizier Jabari.

Wir starten in einer Unterwasser-Forschungsstation, welche unseren Charakteren als derzeitiges Zuhause dient, sammeln die notwendigen Informationen und starten dann mit U-Booten und Tauchausrüstung in die Tiefen außerhalb der schützenden Station.

Werden wir es schaffen, das Geheimnis um das Heilmittel zu lüften und somit das Virus aufhalten können? Oder werden wir uns in den Tiefen der Ozeane verlieren und den Gefahren, die dort lauern, schutzlos ausgesetzt sein?

Das erste Abenteuer der Agency führt uns in die Tiefen der Ozeane des 21. Jahrhunderts.
Das erste Abenteuer der Agency führt uns in die Tiefen der Ozeane des 21. Jahrhunderts.

Spielablauf

Wie auch im Weißen Zyklus dürfen wir zu Beginn des Spiels nur bestimmtes Spielmaterial öffnen und ansehen. Um nicht aus Versehen Karten oder Material zu sichten, welches erst im späteren Verlauf hinzukommen würde, hält das Spiel einen Ablaufplan für den Aufbau bereit, an welchen wir uns unbedingt halten müssen.

Dieser zeigt auf, welche Decks wir wann öffnen und welche Karten wie auf dem Tisch platziert werden.

Zuerst wird das Deck 1 mit den Story-Karten geöffnet und die Missionsbesprechung gemeinsam gelesen. Anschließen dürfen wir uns für einen Charakter entscheiden, von denen es im Hadal-Projekt jeweils zwei männliche und zwei weibliche gibt. Schließlich teilen wir jedem Charakter die entsprechenden Ressourcen zu und legen die Prologkarten als Panorama aus.

Anschließend werden die übrigen Karten entsprechend verteilt, ein Zeit-Captain bestimmt und das Spiel kann beginnen.

 

Eine Partie wird über mehrere Runden gespielt, welche jeweils aus drei Phasen bestehen.

In der ersten Phase, der Zeit-Captain-Phase, entscheidet der Zeit-Captain, zu welchem Ort wir als Gruppe reisen, legt diesen dann als Panorama aus und liest Karte A laut vor.

Die zweite Phase, die Entdeckungsphase, ist das Herzstück des Spiels. Hier betreten wir den neuen Ort, besprechen, wer was macht und führen unsere Aktionen entsprechend aus.

Anders als beim ersten Teil gibt es hierfür keine Zeiteinheiten mehr. Diese Mechanik des Zeitdrucks wurde überarbeitet und wird durch die neu entwickelte Substanz „Azrak“ ersetzt.

Jeder Charakter hat hiervon einen eigenen Vorrat.

Für alles, was wir während der Mission tun, müssen wir Azrak ausgeben. Ob und für was wir dies tun, entscheiden wir ganz allein. Wenn beispielsweise jemand eine Aktion ausführen möchte, die anderen jedoch nicht, muss nur der ausführende Charakter die für diese Aktion erforderliche Anzahl an Azrak bezahlen, während die übrigen abwarten.

Haben alle gehandelt und niemand möchte mehr etwas tun, kommen wir in die dritte Phase, die Übergangsphase. Wir dürfen uns nun entscheiden, ein sogenanntes Standard-Update durchzuführen, um unsere Azrak-Vorräte aufzufüllen und können kostenlos Objekte und Plättchen miteinander tauschen. Jedes Mal, wenn wir uns entscheiden, ein Standard-Update auszuführen, müssen wir ein Azrak-Steinchen auf unsere Missionsbesprechung legen. Es steht uns somit für den weiteren Verlauf nicht mehr zur Verfügung. Dies hat zur Folge, dass wir mit jedem Update unsere Ressourcen unwiederbringlich verbrauchen. Wir sollten also genau überlegen, wann ein Update notwendig ist oder ob wir auch ohne auskommen. In der Endwertung zeigt die Anzahl der auf der Missionsbesprechung liegenden Steinchen zudem an, wie gut wir uns geschlagen haben. Je weniger Azrak wir hier platziert haben, desto besser ist unser Ergebnis.

Zuletzt räumt der Zeit-Captain den aktuellen Ort weg und gibt das Amt nach links weiter. Es beginnt eine neue Runde mit einem neuen Zeit-Captain. Diese Phasen werden so lange wiederholt, bis die Zeitlinie wiederhergestellt ist, beziehungsweise bis wir das Problem lösen konnten.

Ausstattung

TIME Stories Revolution kommt mit weniger Material aus als der Vorgänger. Für unsere Mission inmitten der Ozeane stehen uns insgesamt 229 Karten zur Verfügung, welche nicht zwangsläufig alle im Spiel benutzt werden. Es gibt kein Spielbrett mehr und an Stelle der Würfel treten die sogenannten Schicksalskarten, eine Mechanik, die wir etwa aus Gloomhaven schon kennen. Diese reduzieren die Zufälligkeit von Proben und machen unsere Handlungen somit planbarer.

Neben der Anleitung enthält die Box noch ein Stanztableau aus Pappe und Kunststoffsteinchen, die das Azrak darstellen.

Alle Materialien sind hochwertig, die Verpackung klein und handlich. Das Artwork der Karten ist sehr detailreich und schön anzusehen. Die für die Story wichtigen Details sind gut zu erkennen, ohne dabei gezielt in den Vordergrund gehoben zu werden. Die Plättchen lassen sich leicht aus dem Tableau stanzen, ohne dabei beschädigt zu werden.

Ein kleiner Kritikpunkt ist die Schrift auf den Plankarten. Diese ist teilweise durch die Farbe schlecht zu lesen und zudem relativ klein.

Weniger Spielmaterial als der Vorgänger, was jedoch nichts vermissen lässt.
Weniger Spielmaterial als der Vorgänger, was jedoch nichts vermissen lässt.

Unterschiede zwischen den Zyklen

Einer der größten Unterschiede ist wohl der, dass TIME Stories Revolution keine fortlaufende Handlung hat, welche sich wie ein roter Faden durch die Abenteuer zieht. Ganz im Gegenteil: Jedes Abenteuer des Blauen Zyklus ist losgelöst von den anderen spielbar. Es wird kein Grundspiel mehr benötigt, mit dem gestartet werden muss. Dies war bei T.I.M.E Stories nicht der Fall.

Ein weiterer Punkt ist der Spielablauf. Die neue Mechanik mit der Ressource Azrak finden wir wunderbar. Ohne die Zeiteinheiten, welche unaufhörlich im Hintergrund wie in einer Sanduhr ablaufen und die wir nicht zu unseren Gunsten beeinflussen konnten, können wir viel effektiver spielen. Es dauert wesentlich länger, bis eine Partie tatsächlich vorbei ist, der lästige Memory‑Effekt ist hier also nicht vorhanden. Dieser entstand, wenn wir im Weißen Zyklus alle Zeiteinheiten verbraucht hatten und in die Basis zurücktransferiert wurden. Alles, was wir bis dahin erreicht hatten, war verloren und wir mussten alle bisherigen Kapitel des Spiels erneut durchgehen, bis wir an den Punkt gekommen sind, wo wir das letzte Mal scheiterten. Dadurch war es unmöglich, das Spiel in einem Rutsch durchzuspielen, mehrere Partien waren vonnöten, zwischen denen wir uns alle wichtigen Infos merken oder notieren mussten, um beim nächsten Mal keine unnötigen Fehler zu machen und so Zeit zu verlieren. Dies wird nun durch den charaktereigenen Azrak-Vorrat, welchen wir zudem während des Spiels immer wieder auffrischen können, ausgehebelt. Wir haben deutlich mehr Zeit und können über viele Runden verhindern, in die Basis zurücktransferiert zu werden. Dies führt zu einem deutlich besseren Spielerlebnis.

In Bezug auf die Zeiteinheiten gibt es noch einen Punkt, der für den Blauen Zyklus überarbeitet wurde. Droht uns allen aus irgendeinem Grund der Kontrollverlust über unseren Wirtskörper, haben wir noch eine letzte Chance, das Spiel weiterzuspielen: Ein Notfall-Update der Agency. Dieses besagt, dass ein Charakter dieses anfordern kann, um sofort sämtliches Azrak aus dem Vorrat zu erhalten und somit die Kontrolle über den Körper wiederzuerlangen. Dieser eine Charakter kann dann während der zweiten Phase versuchen, den Vorrat durch Abhandeln von Aktionen wieder aufzufüllen und somit die anderen über kurz oder lang im Zuge des Standard-Updates wieder zurückzuholen. Diese letzte Rettung gab es beim Vorgänger nicht. Den Verlust der Kontrolle über den Wirtskörper konnten wir nicht verhindern.

Ein weiterer Unterschied liegt in den charaktereigenen Karten, welche Bezug auf die individuelle Geschichte der von uns übernommenen Personen nehmen. Hatten wir in T.I.M.E Stories nie wirklich das Gefühl, dass es eine Rolle spielt, welche Charaktere wir uns ausgesucht haben (abgesehen natürlich von den jeweiligen Spielwerten), nehmen wir nun direkten Einfluss auf das Geschehen, je nachdem, welcher Charakter mit welcher Figur des Spiels oder mit welchem Ort interagiert. Es kann durchaus einen Unterschied machen, wer mit Person X im Abenteuer zuerst spricht. Auch die Flashback-Karten, welche persönliche Erinnerungen und Hintergründe der Wirt*innen darstellen, bringen einen gewissen Pepp ins Spiel, da so alle ein geheimes Ziel verfolgen können, welches nicht unbedingt zu unserer Mission gehört. Das Spiel wird nicht einfach nur von A bis Z durchgespielt, die persönliche Historie des eigenen Alter Egos wird hervorgehoben und nimmt maßgeblich Einfluss auf unser Handeln. Dies wird auch deutlich, wenn das Spiel mit weniger als vier Personen gespielt werden soll. Bestimmte Dinge und Gegenstände, die einem Charakter gehören, sind wichtig für das Vorankommen im Hadal-Projekt, weswegen die Regeln für die Solo Variante oder das Spiel zu zweit oder dritt Vorkehrungen aufzeigen, welche vor Beginn der Partie getroffen werden müssen. Beispielsweise sind eine Tauchausrüstung oder die Kenntnis über das Steuern von U-Boten unabdingbar, um die Ruinen am Grund des Meeres zu erforschen.

Das Regelheft

Das Regelheft hat sich im Vergleich zum Vorgänger ebenfalls verändert. Halb so groß kommt es daher und ist besser strukturiert. Nach einer kurzen Einleitung folgt bereits eine ganze Seite, welche den Aufbau der Wirtskarten beschreibt. Danach folgen der Spielaufbau und die Erklärung der einzelnen Phasen. Insgesamt ist alles gut strukturiert, folgt einem roten Faden und ist leicht nachzuvollziehen. Werden Begriffe verwendet, die zuvor noch nicht genau erklärt wurden, ist eine Seitenzahl angefügt, auf welcher diese definiert werden. Es wurden zudem viele Bilder zur Veranschaulichung verwendet, auf denen für die Geschichte relevante Elemente zensiert wurden, sodass es keine Spoiler gibt.

Sehr schön ist auch das Glossar am Ende der Anleitung. Alle relevanten Begriffe werden hier in Kürze erläutert und teilweise wird ebenfalls auf die zugehörige Seite verwiesen.

Wie beim Weißen Zyklus ist die gesamte Anleitung wie eine Art Vorschrift oder Protokoll zu lesen, das von der Agency für uns erstellt wurde. Das bringt uns bereits bei den Vorbereitungen in die richtige Stimmung.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Space Cowboys, Asmodee
  • Autor*in(nen): Manuel Rozoy
  • Erscheinungsjahr: 2020 (deutsche Ausgabe), 2019 (englische Ausgabe)
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: ab 90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: (1) (2) 3 4
  • Alter: 12+
  • Preis: 28 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Für diejenigen unter uns, die noch keinerlei Erfahrung mit der Spiel-Reihe haben und erst einmal einen Eindruck gewinnen wollen, gibt es auf der Seite von Asmodee einen Downloadlink zu dem kostenlosen Print and Play des Einstiegsabenteuers Damien.

Fazit

Haben wir uns mit TIME Stories Revolution eine Auflösung oder Weiterführung der Vorkommisse am Ende des ersten Zyklus gewünscht, werden wir enttäuscht. Im ersten Abenteuer des Blauen Zyklus gibt es keine Erklärungen oder Story-Fetzen, keinen roten Faden. Lediglich in der Anleitung wird in einem Halbsatz erwähnt, dass es eine Vorgeschichte gibt, welche die Agency zwang, eine neue Methode der Zeitreisen zu entwickeln.

Mögen manche jetzt enttäuscht sein, bin ich tatsächlich froh darüber. Natürlich wäre es für Fans der Reihe schön gewesen, dort weiterzumachen, wo alles endete, aber es dürfen diejenigen unter uns nicht vergessen werden, die mit dem ersten Zyklus nicht fertig wurden bzw. diesen nicht gespielt haben. Der Blaue Zyklus kann losgelöst von T.I.M.E Stories und spoilerfrei gespielt werden und für alle, die sich eine Weiterführung wünschen: Es gibt ja noch die Experience-Erweiterung, welche beide Zyklen verbindet und so einen Kampagnenmodus möglich macht.

Betrachten wir dieses Spiel im Einzelnen, haben wir nichts auszusetzen. Die Fehler des ersten Zyklus, wenn man sie denn so nennen möchte, wurden ausgemerzt und durch bessere Mechaniken ersetzt, was den Spielspaß steigert.

Wer den Weißen Zyklus mochte und enttäuscht über dessen Ende war, wird durch TIME Stories Revolution abgeholt und kann sich weiter auf die Reise durch die Zeit begeben. Aber auch Neulinge in der Welt der Zeitreisen können mit dem Blauen Zyklus starten und sich die Abenteuer aussuchen, welche sie am meisten reizen.

Durch die gut strukturierte Anleitung kommt man leicht ins Spiel hinein und hat nach wenigen Runden alles verinnerlicht.

Das Hadal-Projekt erzählt zudem eine spannende Geschichte, welche durch die Verbesserungen der Mechaniken nicht ins Stocken gerät und so einen tollen Spannungsbogen mit starken Schlüsselmomenten und Wendungen beinhaltet.

Der einzige Kritikpunkt ist, dass es wie sein Vorgänger nur einmal spielbar ist. Zwar wird kein Material zerstört, allerdings besticht es durch Rätsel und die Unvorhersehbarkeit von Ereignissen. Wenn man diese bereits kennt und weiß, was wichtig ist und was nicht, ist es kein besonderes Erlebnis mehr.

Alles in allem ein durchweg schönes Spiel, welches Köpfchen erfordert, nicht langweilig wird, immer wieder spannende Wendungen bereithält und viel Spaß bereitet. 

  • Gut strukturierte Anleitung
  • Neue Mechaniken
  • Keine Weiterführung des Weißen Zyklus
 

  • Keine Weiterführung des Weißen Zyklus
  • Nur einmal spielbar

 

Artikelbilder: © Asmodee
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Fotografien: Mareike Rathmann
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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