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Disney bringt diesen Sommer einen neuen Abenteuerfilm heraus, der weder Marvel noch Star Wars Stattdessen handelt es sich um einen Film aufbauend auf einer ihrer Freizeitpark-Attraktionen. Jungle Cruise entführt die Zuschauer*innen in den Amazonas auf der Suche nach einem magischen Baum.

Disney Studios hat sehr viel geistiges Eigentum, auf das sie Bezug nehmen können. Immerhin gehören ihnen viele Franchisen, wie Marvel oder Disney. Allerdings gibt es noch eine andere Quelle für Disney-Filme, die bisher mal gut, mal weniger gut geklappt hat: Filme, die auf den Attraktionen aus Disney Land und Disney World beruhen. Dies hat bei Fluch der Karibik wunderbar funktioniert – immerhin hat das Franchise Disney bisher mehrere Milliarden gemacht. Eigentlich sollte man glauben, dass sich dies wiederholen ließe. Immerhin gibt es noch eine Menge anderer bekannter Fahrgeschäfte, doch weder der Haunted Mansion-Film, noch Tomorrowland waren wirkliche Erfolge.

Nun hat sich Disney die mit Abstand klassischste ihrer Attraktionen als Vorlage genommen. Eine Attraktion, die praktisch von Anfang an mit dazu gehört: Jungle Cruise. Wie in der Attraktion nimmt der Film die Zuschauer mit auf eine Reise durch den Amazonas. Doch schafft der Film es, an Fluch der Karibik heranzukommen?

Story

Während der kolonialen Besetzung Südamerikas, kamen einige Legenden nach Europa. Unter anderem die Legende vom Baum des Lebens. Ein Baum, dessen Blüten angeblich die Fähigkeit haben, jede Verletzung, jede Krankheit und jeden Fluch zu heilen. Seither gab es diverse Expeditionen in den Amazonas, um diesen Baum zu finden, aber keine von ihnen ist erfolgreich zurückgekehrt.

Nun, mitten zur Zeit des ersten Weltkriegs, will Lily Houghton ihr Glück versuchen. Mehrfach hat sie schon versucht von der Gesellschaft der Abenteurer Geld für eine solche Expedition zu erhalten, wurde jedoch abgelehnt – nicht zuletzt, da sie eine Frau ist. Als sie allerdings eine Pfeilspitze in ihren Besitz bringt, die angeblich den Weg zum Baum des Lebens weisen soll, macht sie sich eigenständig auf den Weg, nur unterstützt von ihrem Bruder MacGregor.

Im Amazonas müssen sie ein Boot finden, dass sie mitnimmt. So kommt es, dass sie sich – wenngleich eher missmutig – mit dem betrügerischen und hoch verschuldeten Skipper Frank Wolff verbünden, damit dieser sie fährt. Doch sind sie nicht die einzigen, die nach dem Baum des Lebens suchen. Auch ein deutscher Prinz will den Baum finden und ist den Abenteurern dicht auf den Fersen.

Was man über diesen Film sagen kann, ist, dass er wirklich Fluch der Karibik im Amazonas sein möchte. Wir haben einen charismatischen Star, wir haben verfluchte Konquistadoren, die aussehen, als wären sie dem nächsten Fluch der Karibik-Film entlaufen und wir haben ein Abenteuer zu Wasser. An vielen Stellen gibt es daher ähnliche Vibes, wie in der bekannte Piraten-Reihe. Dies ist leider zum Nachteil des Films, denn die Qualität der ersten drei Piraten-Filme kann er nicht erreichen. Frank ist sympathisch, aber nicht so charismatisch wie ein Jack Sparrow. Die verfluchten Konquistadoren sehen cool aus, haben aber bei weitem nicht die Ausstrahlung oder Ausarbeitung von Barbossa oder Davy Jones. Auch der Humor kann nicht mit Fluch der Karibik mithalten.

Das klingt sehr negativ, ist aber nicht zwangsweise so zu sehen. Denn an sich, als alleinstehender Film, ist Jungle Cruise ein grundsolider Film. Er hat einen starken Aufbau, ein gutes Pacing und genug eigene Inhalte, die überzeugen können. Genau deswegen ist es so irritierend, dass es viele Elemente gibt, die so sehr an Fluch der Karibik erinnern – denn es erinnert an einen besseren Film und bringt einen dazu, schnell diese Vergleiche zu ziehen.

Es hätte den Film gutgetan, ein wenig mehr eigene Sachen zu machen, weniger die ohnehin schon bekannten Pfade mit irgendwelchen Flüchen, die gebrochen werden müssen oder sollen, zu begehen. Davon hätte der Film nur profitiert. Denn in großen Teilen kann der Film für sich durchaus überzeugen.

Mit Ausnahme allerdings von einer Sache: Der Film spielt sehr mit den Erwartungen in Bezug auf indigene Figuren. Dabei werden einige rassistische Klischees herausgekramt, nur um daraus den Witz zu machen, dass dies nicht stimmt und die Figuren darauf hereingefallen sind. Dies ändert allerdings nichts daran, dass diese rassistischen Klischees, die immer noch weit verbreitet sind, im Film vorhanden sind. Das hinterlässt einen teilweise unschönen Nachgeschmack.

Darsteller*innen und Figuren

Treibende Hauptfigur des Films ist Dr. Lily Houghton, eine Abenteurerin und Forscherin, die offenbar auch in der Vergangenheit bereits auf einige wahnwitzige Abenteuer gegangen ist. Ein England des Jahres 1916 ist damit jedoch überfordert – immerhin ist dies weniger die Rolle, die für eine (noch dazu unverheiratete) Frau gedacht ist. Gespielt wird die Figur von Emily Blunt, die wieder einmal zeigt, dass sie eine anpassbare Schauspielerin ist, die sich in vielen Rollen gut schlagen kann. Zwar lässt das Drehbuch wenig schauspielerische Tiefe zu, allerdings macht sie sich in der Rolle der Abenteurerin und Actionheldin ziemlich gut.

Der Skipper, alias Frank Wolff, ist die zweite Hauptfigur. Definiert wird diese Figur vor allem von den flachen Witzen, die Frank immer wieder reißt. Ansonsten ist die Figur genau, was man von einer Figur erwartet, die von Dwayne Johnson gespielt wird: charismatisch und mit einem Herz aus Gold. Bei diesem Schauspieler weiß man genau, was man bekommt, wenn er mitspielt und das ist hier nicht anders.

Unter den Hauptfiguren hätten wir noch MacGregor Houghton, Lilys jüngeren Bruder, gespielt von Jack Whitehall. Diese Figur ist vor allem das Comic Relief des Films, ist also immer für vor allem physische Witze zuständig. Anders als Lily ist MacGregor kein wirklicher Abenteurer und nicht besonders angetan, auf einem Schiff durch den Amazonas zu fahren. In diesem Kontext gibt es auch weniger für Whitehall zu spielen, da die Figur keine emotionale Tiefe hat. Dennoch sei angemerkt, dass er wohl tatsächlich der erste queere Hauptcharakter in einem Disney-Film ist, denn es wird im Film textuell bestätigt, dass er homosexuell ist.

Zuletzt lässt sich noch Jesse Plemons nennen, der den deutschen Prinz Joachim spielt, der als primärer Antagonist des Films dient. Allerdings ist auch diese Figur in erster Linie Comic Relief, wird der Prinz doch als cholerisch und überheblich dargestellt. Entsprechend nichts, was viel schauspielerischer Leistung bedarf.

Es gibt noch einige andere Figuren, wie beispielsweise den verfluchten Aguirre oder die Anführerin des vorkommenden indigenen Stamms, doch diese Rollen sind zu klein, um wirklich viel zu ihnen zu sagen.

Inszenierung

Die Inszenierung des Films lässt sich knapp zusammenfassen: solide, aber nicht überragend. Das gilt für praktisch alle Aspekte der Inszenierung.

Die visuellen Effekte sind solide – definitiv besser als die im vierten und fünften Fluch der Karibik – aber nicht überragend. An vielen Stellen bewegen sie sich im Uncanny Valley und so fällt dem aufmerksamen Auge immer wieder auf, dass viele Elemente im Bild komplett im Computer erstellt wurden.

Ähnlich sieht es mit den Soundeffekten aus. Diese sind in den meisten Szenen vollkommen ausreichend, aber in anderen Szenen fällt wiederum auf, dass immer wieder bestimmte Sounds eins zu eins wiederholt werden.

Auch der Soundtrack ist durchweg solide. Man kann nicht wirklich etwas daran aussetzen. Es ist ein fähig komponierter Abenteuersoundtrack, der in den meisten Szenen genau das macht, was er soll. Allerdings – und da kommt wieder der Vergleich – ist es kein so eingängiger Soundtrack, wie bei den Piraten-Filmen, denen dieser Film so gern das Wasser reichen würde.

An Kostümen und Make-Up gibt es objektiv wenig auszusetzen, diese sind für die Zeit, in denen der Film spielt, absolut zureichend. Vielleicht ließe sich an Kleinigkeiten meckern, wie die Tatsache, dass Lily sehr passende Hosen findet, die ihre Figur gut betonen, dafür dass sie Männerhosen trägt. Doch dies ist in erster Linie Erbsenzählerei. Dennoch ist festzustellen, dass keins der Kostüme in dem Film wirklich ikonisch war.

Zuletzt gibt es noch einen Punkt, der allerdings gestört hat. Ein Punkt, den sich dieser Film mit den Marvel-Filmen teilt: Das Colorgrading ist furchtbar. Die Farben sind an vielen Stellen sehr entsättigt, die dunklen Farbtöne nicht besonders tief. Das lässt den Film sehr flach wirken und ist ein wenig traurig, wenn man bedenkt, dass der Film im farbenfrohen Amazonas spielt, was nur nicht zur Geltung kommt.

Erzählstil

Der Film fängt mit einer Rückblende, zu den gescheiterten Expeditionen zum Baum des Lebens an, verläuft danach allerdings größtenteils chronologisch. Erst in der Mitte des Filmes gibt es eine weitere Rückblende, in der der Kontext des Fluches genauer erklärt wird.

Der Film hat, wie bereits erwähnt, ein gutes Pacing. Der erste Akt dauert nicht zu lange und die Handlung kommt schnell ins Rollen. Einzig die zweite Hälfte des zweiten Akts zieht sich ein wenig, weil sich hier einiges Hin und Her ergibt. An dieser Stelle kam auch das Gefühl auf, dass sich die Drehbuchautor*innen nicht ganz sicher waren, was sie mit dem Antagonisten vorhatten, denn dieser wird zwischenzeitlich komplett vergessen.

Ab dem Durchbruch zum dritten Akt, lief das Pacing wieder sehr flüssig und der Rest des Films hat sich daraus sehr natürlich ergeben. Einzig die sich hier sehr plötzlich ergebende Romanze lässt sich dann doch kritisieren.

Die harten Fakten:

  • Regie: Jaume Collet-Serra
  • Darsteller*innen: Dwayne Johnson, Emily Blunt, Jack Whitehall, Jesse Plemons, Édgar Ramírez
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch (OV), Deutsch
  • Format: Film
  • Preis: Preise des örtlichen Kinos, 21,99 EUR auf Disney+
  • Bezugsquelle: Kino, Disney+

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Fazit

Die größte Schwäche von Jungle Cruise ist, dass der Film zu sehr sein möchte, wie Fluch der Karibik und daher immer wieder an diese Filmreihe erinnert. Das Problem daran ist, dass Jungle Cruise zwar ein guter Film ist, allerdings nicht mit Fluch der Karibik mithalten kann. Er versucht in vielen Punkten der anderen Filmreihe nachzuahmen, doch wo die Piraten eine neun oder zehn sind, ist Jungle Cruise nur eine acht. Das sorgt dafür, dass man allein durch die Erinnerung an die bessere Filmreihe geneigt ist, diesen neuen Film abzuwerten, was ihm gegenüber allerdings unfair ist.

Jungle Cruise ist als Film durchweg solide. Das Drehbuch ist solide und fähig umgesetzt, die Figuren sind größtenteils interessant genug, um die Handlung zu tragen, und Szenenbild und Effekte machen das, was sie sollen. Einzig die Antagonist*innen können als deutliche Schwäche des Films angesehen werden, spielen diese doch eine oft so geringe Rolle, dass man sie beinahe hätte komplett aus dem Film streichen können, ohne viel zu verlieren.

Alles in allem jedoch ist Jungle Cruise ein guter Film, den man sich durchaus mit der Familie anschauen kann. Vielleicht kein „Must See“ des Sommers, aber definitiv ein guter Film, um ihn mit anderen zu gucken.

  • Gutes Drehbuch
  • Interessantes Setting
  • Solide Effekte
 

  • Schwaches Colorgrading
  • Nutzlose Antagonist*innen

 

Artikelbilder: © Disney
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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