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In Durchgeblättert werfen wir regelmäßig einen kritischen Blick auf Neuerscheinungen, Geheimtipps oder Klassiker aus der vielfältigen Welt der Graphic Novels. Diese Ausgabe führt uns an drei faszinierende Schauplätze – das feudale Japan in Schatten der Shinobi, umkämpfte Planeten in StarCraft: Frontline und außerdem Westeros, die Welt von Game of Thrones!

Letztens habe ich ein Online-Quiz ausgefüllt, in welcher Fantasy-Welt ich gerne leben würde (Spoiler: Mittelerde aus Herr der Ringe, aber nur wenn ich im Auenland lande!). Würde man mir diese Frage bezüglich der Welten der heute besprochenen Werke stellen, müsste ich dankend ablehnen. Denn obwohl sie Stoff für wunderbare Geschichten bieten, kann ich mir schwerlich ein Leben darin vorstellen. Oder hättet ihr Lust auf ein kriegsgebeuteltes All wie in StarCraft: Frontline? Oder die Intrigen und Spiele der Mächtigen von Westeros, dem Schauplatz des dritten Bandes von Der Heckenritter? Und auch Schatten der Shinobi bietet mit einem vom Bürgerkrieg bedrohten Japan keine angenehme Ausgangslage. Doch glücklicherweise können wir die Erzählungen aus diesen Welten genießen, ohne ihre Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.

Wir hoffen, ihr habt beim Lesen dieser Kritiken ebenso viel Spaß, wie uns das Lesen der rezensierten Werke bereitet hat. Über Fragen oder Diskussionen in den Kommentaren freuen wir uns ebenso wie über generelles Feedback zu unserem Format Durchgeblättert!

Der Heckenritter 3: Der geheimnisvolle Ritter

George R. R. Martins Welt aus Das Lied von Eis und Feuer bzw. der Fernsehadaption Game of Thrones gewinnt einen Teil ihres Reizes durch die detaillierte Historie der Sieben Königslande. Sei es die Eroberung durch Aegon Targaryen, die Rebellion gegen den verrückten König Aerys oder der Krieg der Neunheller-Könige – viele Ereignisse des Fantasy-Epos könnten (abgesehen von Drachen und Eiszombies) direkt aus der realen Welt stammen.

Dieser tiefgehende Hintergrund wird durch Novellen wie die Heckenritter-Geschichten weiter ausgebaut. In diesen erhält der Leser einen detaillierten Einblick in die Lebensgeschichten von Ser Duncan dem Großen und seinem Knappen Aegon V. Targaryen, Spitzname „Ei“. Nachdem bereits die ersten beiden Bände als Graphic Novels adaptiert worden sind, ist nun bei Panini auch die dritte Geschichte Der geheimnisvolle Ritter erschienen.

Eines vorneweg: Kenntnis der beiden Vorgänger Der Heckenritter und Das verschworene Schwert ist hilfreich, aber nicht zwingend. Der bearbeitende Autor Ben Avery versteht es geschickt, Rückblenden und Erläuterungen in die Haupthandlung einzubauen. Somit können auch Neuleser der Geschichten um Duncan und Ei ohne Bedenken zu diesem Band greifen, wenngleich einige Details und Anspielungen verloren gehen. Das mindert jedoch nicht den Spaß an der Lektüre.

Denn der Leser wird langsam an die Rahmenhandlung geführt. Zu Beginn befinden sich Duncan und Ei auf dem Weg nach Winterfell, um dort in die Dienste von Lord Stark zu treten. Jedoch erfahren sie auf ihrer Reise von einer bevorstehenden Hochzeit und einem Turnier auf Burg Weißstein – eine gute Gelegenheit, um die eigenen Geldbörsen etwas zu füllen. Noch können beide nicht ahnen, dass sie hier die Bekanntschaft von Rittern und Lords machen werden, die nicht nur Gutes im Schilde führen…

Der geheimnisvolle Ritter reiht sich damit hervorragend in die Erzählungen aus Westeros ein. Man erhält eine Kombination aus interessanten Charakteren, Kämpfen, Intrigen und politischen Machtspielen. Die Dynamik zwischen dem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Duncan und seinem königlichen Knappen ist hierbei eines der Highlights.

Wenn man den vielen Details die gebührende Zeit widmet, wird man auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände mit einem stimmigen Gesamtbild belohnt.

Beide Protagonisten ergänzen sich trotz ihrer gegensätzlichen Herkunft ausgezeichnet und bilden ein bemerkenswert gutes Team. Und auch die vorgestellten Nebencharaktere hinterlassen bleibende Eindrücke, was aufgrund der Vielzahl an Personen keine einfache Aufgabe ist. Denn eine kleine Warnung muss ausgesprochen werden: Typisch für George R.R. Martin wird dem Leser auch hier eine Menge von Namen und Titeln entgegengeworfen.

Das macht diesen dritten Band der Heckenritter-Reihe zu einer Lektüre, der man etwas Zeit widmen sollte. Ein schnelles Durchblättern der 160 Seiten birgt die Gefahr, Details und Feinheiten der Handlung zu übersehen. Zum Ende wird man jedoch mit einem vollständigen Mosaik belohnt, dessen einzelne Bestandteile sich im Laufe der Handlung zu einem stimmungsvollen Gesamtbild zusammenfügen.

Dieser positive Gesamteindruck ist auch der visuellen Gestaltung zu verdanken. Zeichnungen und Farben weisen einen hohen Detailgrad auf und halten die Welt von Westeros glaubwürdig fest. Wenn ich mich entscheiden müsste, was den meisten Eindruck hinterlassen hat, fiele meine Auswahl jedoch nicht auf die Actionszenen, die detaillierten Gewandungen und Rüstungen oder die imposanten Burgen. Denn obwohl auch diese allesamt exzellent sind, stehlen die Gesichter allem die Show. 

Denn Der geheimnisvolle Ritter besticht mit einer Fülle an dargestellten Emotionen. Sei es der herablassende Blick eines Adligen, der entschlossene Gesichtsausdruck eines Ritters oder die Strenge in Duncans Augen bei den Lektionen von Ei: Die Qualität von Mimik und Körpersprache ist herausragend.

Somit gibt es an Der geheimnisvolle Ritter nichts, woran sich viel Kritik üben lässt. Zwar habe ich die Handlung nicht als so intensiv wahrgenommen, wie es beispielsweise bei Extremity oder den Baltimore-Bänden der Fall gewesen ist. Doch die Geschichte um Duncan und Ei weist alle Elemente auf, die ich mir von einem guten Fantasy-Werk erhoffe, und brilliert besonders durch die Dynamik der beiden Hauptakteure. Die visuelle Gestaltung ist qualitativ makellos, wodurch am Ende eine bedingungslos zu empfehlende Graphic Novel entstanden ist. Der geheimnisvolle Ritter verdient damit die Bestnote.

Die harten Fakten

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): George R.R. Martin, Ben Avery
  • Zeichner(in): Mike S. Miller, J. Nanjan, Sivakami Mohan
  • Seitenanzahl: 160
  • Preis: 29,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Schatten der Shinobi

Wikipedia definiert Shinobi als alternativen Begriff für Ninja und damit für speziell ausgebildete Kämpfer des feudalen Japans. Schatten der Shinobi geht noch einen Schritt weiter. Die titelgebenden Kämpfer werden als furchterregende Assassinen beschrieben, die darüber hinaus Hybriden aus Mensch und Dämon sind. Nur für die

schwierigsten aller Aufgaben nimmt man ihre Dienste in Anspruch, und selbst die Auftraggeber bringen den Meuchlern Misstrauen entgegen.

Schatten der Shinobi entführt den Leser in eine Ausgangslage, die viele schwierige Aufgaben birgt. Kaiserin Hiroyo von Japan sieht sich mit einem drohenden Bürgerkrieg konfrontiert, da sich ihre Feinde um einen mächtigen Gegenspieler sammeln. Die Straßen werden unsicherer, und die Armeen der Mächtigen von Japan könnten bald in einen Krieg gegen einstige Verbündete ziehen. Eine hervorragende Ausgangslage für den Einsatz von professionellen Killern, um Schlüsselfiguren bereits im Vorfeld zu eliminieren. Doch auf welcher Seite werden diese stehen? Wer könnte furchtlos genug sein, einen Pakt mit scheinbar dunklen Kräften zu schließen?

Eine klare Definition der Rahmenhandlung fällt bei diesem Werk schwer. Auf der einen Seite beginnt Schatten der Shinobi als politischer Machtkampf. Die Hintergründe des drohenden Bürgerkriegs werden beleuchtet und die verschiedenen Parteien vorgestellt. Auf der anderen Seite merkt man nach etwa einem Drittel des 112 Seiten langen Bandes, dass tatsächlich noch mehr drinsteckt. Innerhalb des ganzen Metaplots versteckt sich nämlich die Geschichte einer kleinen Gruppe Ausgestoßener, die mehr oder weniger unfreiwillig in all das Chaos hineingezogen wird.

Die im ersten Drittel noch überraschende und gelungene Kombination aus großer Politik und Outlaw-Story, verliert gegen Ende leider an Glaubwürdigkeit.

Und diese Kombination erfolgt so harmonisch, dass sie sehr gut aufgeht. Denn gerade wenn man die Ausgangslage verstanden hat, erfährt man nach und nach mehr über die verschiedenen Akteure. Das Resultat ist eine organisch wachsende Graphic Novel, der der Spagat zwischen Charakterentwicklung und Fortschritt einer groß angelegten Handlung gut gelingt.

Leider verliert Schatten der Shinobi gegen Ende des Bandes ein wenig von dieser sorgfältigen Planung. Die finale Konfrontation wird für meinen Geschmack zu schnell herbeigeführt, sodass sie stellenweise unglaubwürdig und überhastet wirkt. Zwar ist dieser Band für Splitter-Verhältnisse ohnehin bereits sehr lang. Doch meiner Meinung nach hätten drei bis vier zusätzliche Seiten geholfen, der Rahmenhandlung die unnötige Beschleunigung zu nehmen.

Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass Schatten der Shinobi einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Neben der Geschichte ist dafür auch der sehr individuelle Zeichenstil verantwortlich. Künstler Xu Zhifeng erschafft in diesem Band ein feudales Japan, das gleichzeitig die Schönheit der Kultur und die Brutalität des Bürgerkriegs einfängt. Dies gelingt besonders durch den klugen Einsatz der Kolorierung, die von ganzen Seiten voller apokalyptisch wirkender Braun- und Grautöne bis hin zu farbenprächtigen Kampfszenen ein Sammelsurium an Variationen enthält.

Die Charaktere selbst weisen einige Überzeichnungen auf, besonders im Hinblick auf die Gesichter. Als Folge hat man teilweise den Eindruck, eigentlich einen kolorierten Manga vor sich zu haben. Jedoch bemerkt man schnell, welch große Wirkung die erwähnte Farbgebung auf die Wahrnehmung der Geschichte hat.

Zusammenfassend entführt Schatten der Shinobi den Leser in eine Welt voller Mysterien und Konflikte. Bis kurz vor dem finalen Akt weiß die Geschichte als kluge Kombination von Kriegsszenario und Charakterstudie zu überzeugen, erfährt zum Abschluss hin jedoch eine unnötige Beschleunigung. Aus diesem Grund verfehlt dieser Band aus dem Hause Splitter, trotz des individuellen Zeichenstils und der spannenden Prämisse, knapp die Bestnote

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter Verlag
  • Autor(en): Sylvain Runberg
  • Zeichner(in): Xu Zhifeng
  • Seitenanzahl: 112
  • Preis: 22,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

StarCraft: Frontline – Band eins

Zum Abschluss dieser Ausgabe von Durchgeblättert dehnen wir den Begriff Graphic Novel etwas, wobei eine klare Abgrenzung zwischen Graphic Novel, Comic und Manga meiner Erfahrung nach ohnehin schwierig ist. Jedoch würde man StarCraft: Frontline sicherlich nicht als Graphic Novel im klassischen Sinne bezeichnen. Aber das StarCraft-Universum spielt in der Phantastik eine zu große Rolle, um diesen Auftakt der Reihe von Kurzgeschichten aus der Welt von Terranern, Zerg und Protoss zu versäumen!

Der erste Band von Frontline umfasst dabei vier Kurzgeschichten. Warum wir kämpfen fungiert als Einstieg und stellt die drei Völker und deren Motive anhand eines Konfliktes um einen uralten Tempel vor. Eine großartige Entscheidung, da damit auch Neulinge an die facettenreiche Hintergrundgeschichte des StarCraft-Universums herangeführt werden– ein Schritt, der mir beispielsweise bei Pacific Rim: Tales from the Drift gefehlt hat. Natürlich ist es nicht möglich, alle Details des reichhaltigen Hintergrundes innerhalb weniger Seiten zu vermitteln. Doch eine erste Vorstellung der drei Rassen und ihrer Eigenheiten gelingt allemal.

Donnergott dagegen konzentriert sich auf eine Gruppe von Panzerfahrern der Terraner, die sich mitten in einem Krisengebiet auf Schatzsuche begeben. Diese Geschichte ist mein Favorit unter den vier enthaltenen. Warum? Während die anderen Geschichten den Krieg unter den Fraktionen als Leitmotiv haben, dominieren in Donnergott die Interaktion zwischen den Charakteren und der geheimnisvolle Schatz den Fortlauf der Handlung. Das Ergebnis ist eine spannende Story voller Wendungen.

Kriegswaffe lässt sich am besten als StarCraft-Adaption des Films Aliens beschreiben. Eine Gruppe von Marines findet sich auf einer von den Zerg überrannten Minenkolonie wieder. Dort entdecken sie, dass ein kleiner Junge eine wichtige Rolle spielt, und stehen nun vor der Entscheidung: das eigene oder das Leben des Jungen retten? Demzufolge wird eine angespannte und hoffnungslose Stimmung vermittelt, die die ausweglose Situation gut einfängt. Und auch innerhalb der Ränge der Marines sind Konflikte nicht zu vermeiden…

Vier Kurzgeschichten, von denen die letzte als erster Teil einer Fortsetzungsgeschichte durch zu wenig Stimmungsaufbau als Cliffhanger nur leidlich funktioniert.

Der erste Teil von Der Schutzpanzer bildet den Abschluss dieses Bandes. Hier hat man das Gefühl, unmittelbar in einen Mecha-Kampf zwischen zwei Terranern geraten zu sein. Leider endet die Geschichte mit einem Cliffhanger genau in dem Moment, als sie langsam an Fahrt aufnimmt. Aus Sicht des Verlages eine verständliche Entscheidung, da damit eine Brücke zum nächsten Band geschlagen wird. Jedoch schafft es Der Schutzpanzer in seinem ersten Teil nur leidlich, Stimmung aufkommen zu lassen, sodass dem Leser nicht viel in Erinnerung bleibt.

Für jede Geschichte sind unterschiedliche Autoren und Zeichner verantwortlich, sodass ein abwechslungsreicher Band entsteht. StarCraft: Frontline ist dabei mangatypisch in Schwarz-Weiß- bzw. Grautönen gehalten. Im Hinblick auf den Zeichenstil grenzt sich besonders Kriegswaffe sehr von den übrigen Erzählungen ab. Hier erfolgt ein außerordentlich starker Einsatz von Schattierungen und Grautönen, im Vergleich zum simplen schwarz-weißen Stil der anderen Geschichten. Auch wirken die Charaktere deutlich überzeichneter, wobei dies nicht als Kritikpunkt zu verstehen ist. Tatsächlich wird dadurch die erdrückende Atmosphäre des belagerten Minenplaneten sehr gut vermittelt.

Insgesamt bietet der erste Band von StarCraft: Frontline eine abwechslungsreiche Sammlung von Kurzgeschichten von guter bis sehr guter Qualität. Lediglich der Abschluss hinterlässt den unbefriedigenden Eindruck eines absichtlichen Cliffhangers und vermisst den Charme der drei anderen Erzählungen. Die visuelle Gestaltung ist über den gesamten Sammelband hinweg von hoher Qualität, variiert aufgrund der unterschiedlichen Künstler pro Kurzgeschichte jedoch im Stil. Für Fans von StarCraft ein lohnenswerter Ausflug in das liebgewonnene Universum, doch auch Neulinge können in das bedenkenlos in das Science-Fiction-Epos reinschnuppern.

Die harten Fakten

  • Verlag: Manga Cult
  • Autor(en): Josh Elder, Richard A. Knaak, Paul Benjamin, Dave Shramek, Simon Furman
  • Zeichner(in): Ramanda Kamarga, Naohiro Washio, Hector Sevilla, Jesse Elliot
  • Seitenanzahl: 192
  • Preis: 14,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Abschlussfazit des Monats

Ziehen wir das Fazit aus dem April: Gemeinsam mit der ersten Ausgabe dieses Monats wurde zweimal die Bestnote vergeben, während alle anderen Bände diese nur knapp verfehlten. Wer auf der Suche nach neuer Lektüre ist, sollte bei dieser hochwertigen Auswahl Ideen und Inspirationen erhalten haben.

Im nächsten Monat wird Durchgeblättert mit einer Kombination aus apokalyptischen Geschichten, Adaptionen von Klassikern und wagemutigen Helden zurückkehren. Bis dahin wünschen wir wie üblich: „Frohes Lesen!“.

 

Artikelbilder: Splitter, Cross Cult, Panini Comics, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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