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Unser intensiver Blick in das neue Regelwerk Warhammer 40.000: Imperium Maledictum basiert auf einem Spieltest. Diesen wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten und haben daher den Bolter nochmal durchgeladen, um der Wahrheit über angebliche Wunder auf die Spur zu kommen.

Obwohl Wrath & Glory seit seiner Neuauflage 2021 nicht mit neuen Veröffentlichungen geizt, hat sich der Verlag hinter dem System, Cubicle 7, dafür entschieden, ein weiteres System in der grausam finsteren Zukunft des 42. Jahrtausends zu veröffentlichen. In unserer Rezension sind wir dabei auf die Hintergründe und natürlich das neue System selbst intensiv eingegangen. Unbeantwortet ließen wir aber die alles entscheidende Frage: Wie spielt es sich denn? Und lohnt ein Ein- oder gar Umstieg?

Der Autor leitet seit beinahe zwei Jahren eine Wrath & Glory-Kampagne, sodass diese Fragen dank Vergleichswerten geklärt werden können. Gespielt wurde ein One-Shot Imperium Maledictum. Bei den Teilnehmenden der Testrunde handelt es sich allesamt um in verschiedenen Systemen erfahrene Spielende. Einzig der Wissensstand zu Warhammer 40.000 differierte von Person zu Person stark.

Triggerwarnungen

Faschismus, Folter, Gewalt, Krieg, Rassismus, Tod, Verstümmelung

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Spielbarkeit aus Spielleitungsicht

Der Aufbau des Regelwerkes ist gefällig. Nach einer kurzen obligatorischen Einführung zum Thema Tischrollenspiel, widmen sich rund zehn Seiten der Spielwelt. Dabei erschlägt das Regelwerk Lesende nicht mit unendlichen Textblöcken, sondern gibt kurze und aufschlussreiche Einblicke in die Welt, die mit eindrücklichen Artworks einhergehen. Diese Artworks geben an sich schon einen beklemmenden Eindruck dieser düsteren, nicht lebenswerten Version unserer Zukunft. Man versucht hier gar nicht die unheimliche Fülle an Informationen zum Hintergrund in ein paar Seiten Text zu quetschen, sondern beschränkt sich auf das vorgesehene Spielgebiet, den Macharius-Sektor im titelgebendem Imperium Maledictum. An der Stelle sei bereits gesagt, dass das System natürlich auch in jeder anderen Ecke des Imperiums funktioniert. Für Spielleitende reichen die Informationen und Eindrücke, um ein stimmiges Weltgefühl zu erschaffen, selbst wenn man noch nicht sehr bewandert in dieser ist. Hintergrundwissen ist aber natürlich von Vorteil, um die Welt noch lebendiger zu gestalten.

Der Index ist überschaubar und logisch.
Der Index ist überschaubar und logisch.

Durch die nun folgende Patron*in- und Charaktererstellung wird man Schritt für Schritt und nachvollziehbar geführt. Dabei wird bei erklärungsbedürftigen Dingen auf folgende Kapitel und Seiten referenziert, sodass die Informationen übersichtlich bleiben. Während des Spiels bleibt ein gelegentliches Hin- und Herblättern nicht aus, es ist aber im Rahmen vergleichbarer Systeme. Da das System per se recht eingängig ist, beschränkt sich das Nachlesen mit der Zeit eher auf spezielle Talente, die seltener genutzt werden.

Schön geschrieben ist zudem der Abschnitt zur Spielleitung. Hier wird nicht nur sehr gut die Aufgabe der Spielleitung beschrieben, sondern ein ganzer Abschnitt widmet sich dem Thema Sicherheit. Warhammer 40.000 spielt in einer düsteren und grausamen Welt, hier wird ganz explizit empfohlen, sich im Vorfeld damit auseinander zu setzen, Themen gegebenenfalls in der Spielrunde auszuklammern und Sicherheitsmechanismen zu nutzen, falls sich Spielende unwohl fühlen.

Sinnvolle Tipps runden das System für Spielleitungen ab.
Sinnvolle Tipps runden das System für Spielleitungen ab.

Da das System deutlichen Fokus auf Ermittlungen setzt, widmet sich ein Abschnitt diesem Thema. Hier wird erklärt, wie man Ermittlungen aufbaut und für Spielende erlebbar macht. Explizit wird darauf eingegangen, dass man Hinweise höchstens aus narrativen Gründen zurückhalten sollte und Spielende, nicht aus Strafe zu lang die falsche Fährte verfolgen lassen sollte. Das System ist in sich schon düster, da muss nicht noch durch die Spielgestaltung Frust produziert werden.

Spielbarkeit aus Spielendensicht

Das System nimmt Spielende von Beginn an mit. Man überlegt nicht nur gemeinsam was für eine Gruppe man spielen will, sondern erschafft gemeinsam eine*n Auftraggeber*in. Das macht erstaunlich viel Spaß und gibt der Gruppe samt Spielleitung gleich ein Gefühl der Gemeinsamkeit.

Bei der Charaktererschaffung kann man sich ganz auf die Würfel und den Zufall verlassen oder sich seinen Wunschcharakter zusammenbauen. Allein durch die Entscheidung zu Fraktion, Beruf in dieser Fraktion und Aufgabe in der Spielrunde, hat man eine enorme Freiheit in der Gestaltung der Charaktere. Da ist es zu verschmerzen, dass Xenos, Ogryns, Ratlings oder Space Marines nicht zur Verfügung stehen. Am exotischsten sind noch Mitglieder des Mechanicus (augmentierte Technik-Priester*innen des Mars) oder Psioniker*innen. Man darf aber vermuten, dass zumindest ein paar Exoten im Rahmen von Erweiterungen den Einzug in das System finden.

Zufallstabellen sind auch hier beliebt.
Zufallstabellen sind auch hier beliebt.

Die Regeln sind simpel und schlüssig auf rund 40 Seiten dargelegt, inklusive Fahrzeugregeln. In der Spielpraxis haben sich alle Spielenden schnell zurechtgefunden. Proben werden mit zwei W10 abgelegt und es gilt den Wert der Probe zu treffen oder zu unterbieten. Daraus leiten sich Erfolgsgrade ab, die auch für vergleichende Proben genutzt werden können. Auch für Neulinge sollte sich das System schnell erschließen. Etwas komplexer ist das Thema Einfluss. Sowohl der Charakter, die Gruppe als auch der*die Patron*in haben bei den verschiedenen Fraktionen unterschiedlichen Einfluss. Dieser kann auf vielfältige Weise ins Spiel eingebracht werden. Dies im Blick zu haben ist ein bisschen Mikromanagement, aber absolut machbar.

Spielbericht

Die Gruppe hat die Patron*in- und Charaktererschaffung und das Abenteuer an einem längerem Abend durchgeführt. Die Erschaffung von Patron*in und Charakter hat rund zwei Stunden bei fünf Spielenden gedauert. Rollenspielneulinge dürften etwas mehr Zeit brauchen. Auch wenn man beabsichtigt eine ganze Kampagne zu spielen, sollte man sich mehr Zeit nehmen. Eine ausführliche Session Zero lohnt sich hier, da man so von Beginn an eine schöne Dynamik der Gruppe erzeugen kann, wenn die Storys aufeinander abgestimmt sind. So ist zum Beispiel empfohlen, die Charaktere zu verknüpfen. Wem hier die Fantasie fehlt, kann auf die Würfel zurückgreifen.

Da es zum Zeitpunkt des Spieltests noch keine vorgeschriebenen Abenteuer gab, hat der Autor auf ein ermittlungslastiges Abenteuer aus Wrath & Glory zurückgegriffen, dass in einem Abend gut spielbar ist. Die Gruppe bekommt von einem hochrangigen Kirchenvertreter die Aufgabe einer angeblichen Heiligen in den Slums einer Schreinwelt nachzugehen. Dort müssen sie sich nicht nur mit dem alltäglichen Leid der Slums auseinandersetzen, sondern auch mit einem ausgewachsenem Gangkrieg. Im Zuge dessen gibt es nicht nur eine verdeckte Operation, sondern auch Kampfhandlungen.

Das Abenteuer ist dabei in drei Akte gegliedert, beginnend mit der Ankunft des Teams auf der Schreinwelt und ersten Ermittlungen. Hier galt es in den Slums nicht zu sehr aufzufallen und dennoch möglichst schnell an Informationen zu kommen. Die Gruppe entschied sich, sich als gestrandete Pilger zu tarnen und die Orientierung in dem Slums als Ausrede für die vielen Fragen zu nutzen. Der Schwerpunkt lag hier auf der sozialen Interaktion.

Der zweite Akt führte das Inquisitionsteamtiefer in die Slums. Es war erforderlich sich das Vertrauen des Kultes zu verdienen, welcher um die vermeintliche Heilige entstanden ist. Hierfür war eine Prüfung notwendig und man beauftragte das Team den Anführer einer Gang, die das wenige Frischwasser eines Slumviertel kontrollierte, auszuschalten. Die Gruppe entschied sich für ein klassisches Hereinschleichen in die Basis. Der Psioniker der Gruppe übernahm dafür kurzzeitig telepathisch ein Gangmitglied, um damit das Attentat auszuführen. Dies ging jedoch schief, so dass das ganze Team in Kampfhandlungen verwickelt wurde. Hier konnte ausgiebig das Kampfsystem getestet werden. Die Kämpfe gingen flüssig von der Hand, waren fordernd, ohne zu überfordern und das Kampfzonensystem gab die nötige erzählerische Freiheit, ohne den taktisches Aspekt von Regeln zu unterminieren.

Im dritten Teil gelang schließlich die Infiltration des Kultes und die Untersuchung der vermeintlichen Heiligen. Das Abenteuer erlaubt bereits von sich aus einen vollkommen offenen Ausgang und das Team entschied sich, ihr zu glauben. So endete nach ein paar Stunden das Testspiel.

Wer bereits Warhammer 40.000: Dark Heresy oder Warhammer Fantasy gespielt hat, findet sich sehr schnell in den Regeln zu recht. Proben laufen flüssig und sind schnell. Vergleichende Proben erfordern erfreulich wenig Rechnerei und machen auch Kämpfe flott. In Geschwindigkeit steht das System damit Wrath & Glory in nichts nach.

Kampfzonen machen das Leben leichter.
Kampfzonen machen das Leben leichter.

Das System wurde von allen Spielenden als angenehm und leichtverständlich empfunden. Besonders Spaß hat die Erschaffung des*der Patron*in breitet, weil man sich bereits hier viele Vorabgedanken zur Gruppenzusammensetzung machen sollte, und eine gemeinsame Basis schafft. Das Abenteuer hat auch gezeigt, dass das System seine Stärke wohl erst in Kampagnen zeigt. Das komplette Einflusssystem in einem Abend sinnvoll zu nutzen ist fast unmöglich, zumal Einfluss sich über die Zeit verändern soll. Hatte man gestern noch Zugriff auf gewisse Unterlagen, ist dies das nächste Mal schon nicht mehr möglich. Auch die Vorteile und Pflichten, die durch Patron*innen entstehen, sind nicht in jedem Abenteuer sinnvoll eingebaut, so dass auch hier eher eine Kampagne das ganze spaßig machen dürfte.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cubicle 7
  • Autor*in(nen): Dave Allen, und weitere …
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 363
  • ISBN: –
  • Preis: 29,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Cubicle 7, DriveThruRPG

 

Fazit

Imperium Maledictum hat das Potenzial, die Fortsetzung von Dark Heresy zu sein, die viele sich wünschten. Dem Rollenspiel sehr zuträgliche Regeln, eine gute Mischung aus Ermittlung und Kampf und vor allem Charaktere mit deutlich mehr Seele als in Wrath & Glory. Das macht es sowohl Spielleitungen als auch Spielenden sicher einfacher, sich in der Welt zurechtzufinden und den Fokus auf eine lange Entwicklung der Charaktere, aber auch der*des eigenen Patron*in zu legen.

Wenig rechnen, vielfältige Charaktere und eine interessante Mechanik mit Einfluss machen das Regelwerk zu einem Spaß für jeden, der lieber sozial interagiert, statt dauernd mit dem Bolter Löcher in Dinge und Wesen zu stanzen. Ob ein Einstieg lohnt, kann man also ganz klar mit „Ja“ beantworten. Die Frage, ob der Umstieg lohnt, ist da diffiziler und kommt auf die eigene Spielpräferenz an: Würfelpool oder Prozent-System? Das werden wir nicht abschließend klären können. Das Gute ist jedoch: Es gibt nun für Fans beider Varianten ein System in der grimmen Zukunft des 40. Jahrtausends.

Eine Bewertung haben wir schon in unserer Rezension abgegeben und sie basierte auf diesem Spieltest.

Artikelbilder: © Cubicle7, Games Workshop
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Sabrina Plote
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