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Mechs gehen immer! Mechabellum will die Stärken des Settings ins kurzweilige Genre der Auto Battler transportieren und den Early Access dazu nutzen, früh Ideen und Feedback zu sammeln. Kann sich die Mech-Gladiatorenarena in diesem frühen Stadium schon sehen lassen oder brauchen die Kolosse noch etwas Zeit in der Werkstatt?

Triggerwarnungen

Keine typischen Trigger

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Das Genre der Auto Battler ist erst ein paar Jahre jung, hat aber ähnlich wie die Idle Games eines Cookie Clickers sehr gut eine Nische der Moderne besetzen können. Titel locken mit kurzen Runden, die Inputanforderungen an Spieler*innen sind reduziert. Spiele à la Dota Auto Chess oder Teamfight Tactics können nach Feierabend locker beim Kochen, Podcast hören oder bei anderer Handy-Time gespielt werden. Auto Battler bilden den passenden Lückenfüller, wenn es für die volle Gaming-Erfahrung in dem Moment nicht reichen sollte. Ausprägungen wie Loop Hero zeigen sogar, wie sich mit Elementen aus dem Roguelike-Genre auch über die eher harmlosen kurzen Partien ein Fortschrittssystem zur Dauermotivation stülpen lässt.

Die Game River-Studios wollen mit ihrem Debuttitel diese Stärken für eine schnelle lockere Partie beibehalten, mit Mechabellum aber dennoch die taktische Tiefe in das Genre zurückkehren lassen. Dafür sind sie im Mai dieses Jahres mit ihrem Titel in den Early Access gestartet. Im Gegensatz zu schnelleren Titeln wie dem schon erwähnten Dota Auto Chess wurden Glückselemente wie zufällige Shop-Sortimente komplett gestrichen. Mechabellum tritt stattdessen als taktisch tiefe Tabletop-Simulation an und hat mehr mit einem Warhammer: 40.000 gemein.

Einheiten platzieren, zurücklehnen, Feuer frei?

Gespielt wird in etwa 20-minütigen 1-gegen-1 oder 2-gegen-2 Partien, die Schlachtfelder sind übersichtliche, aber eher dröge Wüsten- und Graslandschaften, mit ein paar Zierelementen wie Wracks oder Fabrikgebäuden versehen. Zuerst steht die Auswahl der eigenen Anführer*innen an, diese verleihen für die anstehende Partie Boni, die dem eigenen Spielstil etwas Richtung vorgeben sollen. Die Luftspezialistin rekrutiert verbilligt Flugeinheiten, ein stahlbekieferter General, der an Captain Morgan aus One Piece erinnert, lässt eigene Einheiten mit einem Rüstungsbonus in die Partie starten. Aus Balancegründen unterscheiden sich diese Anführer*innen noch nicht zu stark, dennoch sind sie eine nette Einladung, für jede neue Partie eine leicht abgewandelte Strategie zu fahren.

Qual der Wahl, vor jeder neuen Schlachtrunde winkt ein Upgrade
Qual der Wahl, vor jeder neuen Schlachtrunde winkt ein Upgrade

Nach der getroffenen Wahl werden einige Starteinheiten bereitgestellt, die in Formation und gegenüber der gegnerischen Armee platziert werden wollen. Die Gegner*innen, in Übungspartien Bots und im Multiplayer andere Spielende, ziehen gleichzeitig, ein Kriegsnebel verdeckt hier welche Entscheidungen diese für ihre Züge gerade treffen. Denn nicht nur die bestehenden Einheiten müssen platziert werden, es können auch neue Einheiten rekrutiert oder Upgrades für die eigene Armee erworben werden. Bedienen muss man sich hier aus einem „Vorräte“-Fundus, ein fester Betrag, der jede Runde allen Spieler*innen zur Verfügung steht. Die Platzierungsphase dauert etwa 120 Sekunden, dann werden die Möglichkeiten zum eigenen Input gestoppt und die beiden Armeen marschieren aufeinander los.

Man schaut den Schlachten gerne zu, auch wenn es noch etwas an Wumms fehlt
Man schaut den Schlachten gerne zu, auch wenn es noch etwas an Wumms fehlt

Bei diesem Schlagabtausch versuchen die Heere sich gegenseitig mit Raketen, Lasern und Flammenwerfern zu vernichten. Im Fokus stehen für jede Seite dabei zwei Basistürme in den hinteren Reihen, werden diese vom Gegner zerstört, erhält die eigene Armee für einige Sekunden Mali auf Angriffsgeschwindigkeit und verursachten Schaden. Es gilt also, die eigenen Türme möglichst zu schützen, während man gleichzeitig versucht, effiziente Wege zu den gegnerischen Monumenten zu finden, um den resultierenden Angriffsbonus mitnehmen zu können. Sind alle Einheiten einer Seite besiegt, erleidet diese Schaden in Höhe der noch übrigen gegnerischen Einheiten auf die eigenen Lebenspunkte. Eine knapp verlorene Schlacht mit nur wenig übrig gebliebenen Feinden schlägt also kaum auf die eigene Lebensenergie, ein einseitiges Massaker bringt dagegen schnell den Gesamtsieg in Gefahr. In Partien, die 2-gegen-2 gespielt werden, wenden sich die siegreichen Einheiten noch den verbliebenen Gegnern des Partnerspielers zu. Mit Beginn der nächsten Runde wird alles wieder zurückgesetzt, gekaufte Einheiten und Upgrades bleiben bestehen und es darf wieder gekauft, platziert und aufgewertet werden. Zu Beginn jeder neuen Runde haben Generäl*innen außerdem noch die Auswahl aus vier verschiedenen Spezialkäufen – von Verstärkungen für einen generellen Einheitentyp bis hin zu dauerhaften Upgrades wie mehr Vorräten pro Runde oder Spezialfähigkeiten, die Einheiten aufs Schlachtfeld rufen oder in der nächsten Schlacht eine Atombombe auf die generische Armee krachen lassen.

Papier schlägt Stein, Stein schlägt Schere und Schere schlägt … Raketenwerfer?

Die taktische Tiefe zieht Mechabellum dabei aus zwei Facetten: der Auswahl an Fähigkeiten und Einheiten pro Runde sowie der Synchronität an Strategien für beide Seiten. Zweiteres beschreibt den Umstand, dass beiden Seiten das gleiche Arsenal zur Verfügung steht – alle Einheitentypen können von beiden Spieler*innen rekrutiert werden, Fraktionen mit unterschiedlichen Spezialeinheiten gibt es nicht. Auch die Auswahl an Spezialisierungen zum Start einer Runde ist für beide Seiten gleich. Steht mir für die nächste Schlacht die Möglichkeit offen, einen Ionenstoß zu erwerben, um die gegnerische Artillerie-Linie zu Beginn der Schlacht zu grillen, so hat auch mein Gegner dieses Tool zumindest zur Auswahl. Zusammen mit dem sich gleichendem Einheitenpool erinnert Mechabellum nicht von ungefähr all zu bald an eine Schach-Partie – und verlangt für den eigenen Erfolg entsprechende Vorausplanung und ein Lesen des letzten gegnerischen Zuges.

Die Arenen sind noch eher unspektakulär
Die Arenen sind noch eher unspektakulär

Der eigene Zug ist stets bestimmt von der Reaktion der Gegner*innen und umgekehrt. Wurde die letzte Schlacht zum eigenen Gunsten entschieden, weil die frisch rekrutierten „Wasps“, bewegliche Flugeinheiten, die mit Nadelstichen gerade schwach gepanzerten Gegnern aus der Luft zusetzen, dann ist damit zu rechnen, dass die Gegenseite mit einer Luftabwehreinheit reagieren wird. Verbessert man nun die Wespen mit einem Rüstungsupgrade, damit diese auch gegen die gatlingbewaffnete Luftabwehr der „Mustang-Einheiten zumindest etwas bestehen können? Rekrutiert man weitere „Wasps“, um mit Masse zu überwältigen? Oder rekrutiert man mit einer Raketenartillerie jetzt schon einmal einen möglichen Konter für schwach gepanzerten „Mustangs“ des Gegners?

Das Tolle dabei, die Einheiten folgen zwar einem grundlegenden Stein-Schere-Papier-Prinzip, dieses ist aber nicht so festgefahren, dass es nur immer einen möglichen Konter gibt und die Variation an strategischen Entscheidungen wieder eingeschränkt wird. Die klobigen „Arclights“ räumen mit ihrem langsamen Laser den Boden auf, was große Einheitenansammlungen angeht, sind gegen Lufteinheiten allerdings völlig chancenlos – außer man entscheidet sich zur Investition in verschiedene Upgrades des Einheitentyps, die nicht nur ihre Angriffsreichweite erhöhen, sondern sie auch Lufteinheiten angreifen lassen. Weiter spielt die Platzierung eine große Rolle. Langsame, gepanzerte Einheiten ganz vorne platziert können das Feindfeuer auf sich ziehen und schwächere Einheiten schützen, bieten aber auch Angriffsfläche für den perfekten Konter. Oder man setzt über die Flanken auf die schnellen aber ungepanzerten „Crawler“, die sich buddelnd auf die gegnerische Hinterlinie stürzen. Diese können vielleicht zwar keinen verheerenden Schaden ausrichten, die schwere Artillerie aber zum Start der Schlacht ablenken und beschäftigt halten, hoffentlich lange genug, dass die eigene Frontlinie in der Zeit durchbrechen konnte?

Die Einheiten sehen nicht zu spektakulär aus, lassen sich aber gut auseinander halten
Die Einheiten sehen nicht zu spektakulär aus, lassen sich aber gut auseinander halten

Es ist beeindruckend, wie gut ausbalanciert Mechabellum in diesem Stadium bereits ist. Die Entwickler*innen nehmen stets auch weitere Anpassungen durch Patches vor und im Meta gibt es immer mal wieder Einheiten, die für eine aktuelle Version positiv hervorstechen. Aber im Großen und Ganzen hat jede Einheit ihre Berechtigung und ihren Platz. Auch die teuren Titaneinheiten treffen die perfekte Mitte aus wuchtigem Bedrohungspotenzial, welches das Schlachtenglück wenden kann, aber dennoch taktisch geschickt eingesetzt werden muss und alleine keine Schlacht gewinnt.

Aller Early Access ist schwer?

Diese strategischen Möglichkeiten kommen natürlich auch mit einer gegebenen Komplexität, Fähigkeiten müssen erklärt, Zusammenhänge verstanden und Eigenschaften begrifflich gemacht werden. Das Tutorial ist hier im aktuellen Stadium noch der große Schwachpunkt. Nicht nur werden grundlegende Zusammenhänge nicht ausreichend erklärt, manche Spielelemente wie die Generalsfähigkeiten kommen gar nicht erst vor. Hier heißt es zu Beginn viel Trial & Error in Bot-Partien, will man sich nicht zu gefrustet durch die ersten Mehrspielerpartien schlagen. Das Ausprobieren macht jedoch bereits Spaß, zusammen mit ein paar Foren-Beiträgen und FAQs online daneben ist die Hürde schnell genommen.

Das Tutorial versucht, die komplexen Zusammenhänge zum Start zu vermitteln wo es kann
Das Tutorial versucht, die komplexen Zusammenhänge zum Start zu vermitteln wo es kann

Während die Partien selbst schon gut balanciert sind und über zig Spielstunden motivieren können, merkt man Mechabellum den Early Access sonst am deutlichsten in der Präsentation an. Die Menus sind unaufgeräumt, Übersetzungsfehler noch gang und gäbe, die Auswahl an Spielmodi sowie Variationen ist begrenzt und auch bei Grafik und Sound dürfte langfristig noch etwas mehr drin sein. Der stetige Support durch das Studio und die glaubwürdige Feature-Roadmap lassen aber wenig Zweifel daran, dass sich vieles weiter verbessern dürfte, bis die Version 1.0 über die Bildschirme der breiten Spieler*innenbasis flattern wird.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Game River
  • Publisher: Paradox Arc
  • Plattform: PC
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Chinesisch, Französisch
  • Mindestanforderungen:
    • Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus
    • Betriebssystem: Windows XP (64 bits)
    • Prozessor: Intel / AMD 2 cores CPU at 2Ghz
    • Arbeitsspeicher: 6 GB RAM
    • Grafikkarte: AMD Radeon™ HD 7730 / NVIDIA GeForce® GT 640
    • Speicherplatz: 4 GB
  • Genre: Rundenstrategie
  • Releasedatum: 11. Mai 2023
  • Spielstunden: 48
  • Spieler*innen-Anzahl: 1-4
  • Altersfreigabe:
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel

 

Fazit

Mit Mechabellum schleicht sich ein eher unauffälliges Strategie-Kleinod heran, das Taktiker*innen und Strateg*innen gerne jetzt schon an die Maus locken darf. Denn die Rundengefechte präsentieren sich mit frischem Wind fürs Genre, bauen auf den Stärken der populären Auto Battler auf und bringen eine Balance mit sich, die einige vollendete Vollpreistitel sogar vermissen lassen. Das Tüfteln an der eigenen Einheitenzusammensetzung für die laufende Partie und die Überlegungen zur Strategie der Gegenseite machen jetzt schon Laune und können über dutzende Spielstunden bei der Stange halten. Fehlende Variation bei Karten und Spielmodi fallen hier kaum ins Gewicht, auch der harte Einstieg und die rudimentäre Präsentation sind schnell verziehen.

So darf ein Early Access gerne sein, ein Grundprodukt, das jetzt schon zeigt, was es kann, Spaß macht und der Ausblick nur noch mehr plus Feinschliff verspricht, statt die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Titels irgendwo in die Zukunft zu verlegen. Taktikfans und Tabletopper sollten den Mechas definitiv eine Chance geben!

  • Taktische Tiefe macht jede Partie zur Herausforderung
  • Motivierende Auswahl an Einheiten und Upgrades
 

  • Bisher noch dürftige Tutorials erschweren den Einstieg
  • Grafik und Sound könnten krachender sein

Artikelbilder: © Game River
Layout und Satz: Kai Frederic Engelmann
Lektorat: Denise Hollas

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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