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Das Tabletop-Hobby ist unglaublich facettenreich. Es wird gebaut, gebastelt, gemalt, gewürfelt und gelesen. Games Workshop möchte diese Vielseitigkeit im neuen Einsteigerset gezielt Hobby-Neulingen eröffnen. Doch bricht man die Komplexität nicht weit genug herunter, kommt es zur Überforderung. Zu simpel macht aber auch keinen Spaß. Gelingt der Spagat?

Aller Anfang ist schwer. Das gilt besonders, wenn sich eine Bibliothek an Hintergrundwissen, ein umfangreiches Regelwerk und Hunderte an Maltechniken in einem Hobby vereinen. Mit dem neuen Einsteigerset möchte Games Workshop gezielt Einsteigern den Weg in das Hobby (und den jahrzehntelangen Zugriff auf das Taschengeld) bereiten. Gemeinsam mit Nadja, meiner treuen Weggefährtin und Gemahlin an der Seite, die bisher nur am Rande (vor allem bei der Beratung von Farbschemata) mit dem Hobby in Berührung gekommen ist, wird das Einsteigerset also genaustens unter die Lupe genommen.

Triggerwarnungen

Beschreibung von Gewalt

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Es rappelt im Karton – Der Inhalt der Box

Modelle, Werkzeug, Farben, Spielpläne – Die Box verspricht ein Rundumpaket für Tabletop-Anwärter*innen. Angelehnt an die Leviathan-Hauptbox enthält das Einsteigerset die beiden Fraktionen Space Marines und Tyraniden, dargestellt durch fünf Infernusmarines auf der einen und zehn Termaganten und einen Absorberschwarm auf der anderen Seite des Schlachtfeldes.

Dazu finden sich ein Seitenschneider, ein Pinsel, fünf Farben, ein beidseitiger Spielplan, Würfel, Entfernungsmesser und ein Handbuch, welches in all die Facetten einführt. Zudem wurde das Inlay der Box so bedruckt, dass sich Wände und Spielmarker ausschneiden lassen und ich muss unweigerlich an den Ork Dreadnought nebst Pappwänden aus meiner Box der zweiten Edition denken.

Im Handbuch wird Schritt für Schritt durch den Inhalt geleitet und wer schon einmal mit dem Warhammer Imperium-Hobby-Magazin in Berührung gekommen ist, wird die Strukturen „Bauen – Malen – Lesen – Spielen“ wiedererkennen.

Nadjas Einschätzung

Die 55 € teure Box sieht zunächst recht übersichtlich aus. Das erste Durchblättern des Handbuchs verspricht allerdings ein umfangreiches Programm.

Schritt 1 – Aufbau und Bemalung

Die enthaltenen Modelle sind „push-to-fit“-Modelle, die man ganz ohne Kleber zusammenbauen kann. Die Einzelteile lassen sich auch von ungeübter Hand schnell finden, heraustrennen und zusammenbauen. Anleitungen erläutern in gewohnter Manier Schritt für Schritt den Aufbau und – wie versprochen – lassen sich sowohl die Space Marines als auch die Tyraniden völlig ohne Kleber stabil zusammenstecken. Positiv fallen mir besonders die neuen Termaganten auf. Verglichen mit den alten Modellen bauen sich diese fast von allein zusammen. Nach Varianten sucht man allerdings vergeblich. Die Infernusmarines bieten ohnehin wenig Möglichkeiten, aber für die Termaganten wäre es für Einsteiger*innen reizvoll gewesen, die Waffenoptionen aufzuzeigen, welche die vollen Regeln für die Modelle bereithalten. Erfahrene Hobbyist*innen werden sich sicher fragen, wie es um die Gussgrate steht. Diese Linien kommen durch die Gussformen der Modelle zustande. In der Tat wird weder Werkzeug bereitgehalten noch auf diese in der Bauanleitung eingegangen. Sie treten bei den Modellen zwar nur in geringer Zahl auf, aber sie sind vorhanden und treten spätestens beim Bemalen deutlich hervor.

Was den Malteil angeht, kommt möglicherweise Skepsis auf, was mit fünf Farben maltechnisch überhaupt umzusetzen ist. Jedoch kann man eine solide Grundschicht auftragen, die dem einen oder anderen SchleichTM-Tier das Wasser reichen kann. Die Anleitung vermittelt die grundlegende Technik, wie die Farben verdünnt und wie die Pinselspitze mit Farbe „geladen“ werden sollte. Der beigelegten Starter-Pinsel zeichnet sich nicht durch hohe Qualität aus, da die Spitze schnell ausfranst und der Bauch für die Basisfarbschicht nicht wirklich viel Farbe fasst. Aber grundlegend tut er seinen Dienst.

Nadjas Einschätzung

Die Figuren lassen sich gut und schnell zusammenbauen und sind schön gestaltet. Das Bemalen, auch wenn noch nicht ausprobiert, erscheint mit der Anleitung auf jeden Fall gut nachvollziehbar.

Schritt 2 – Der Hintergrund

Ein kleiner Hintergrundteil führt in die Lore von Tyraniden und Space Marines ein.
Ein kleiner Hintergrundteil führt in die Lore von Tyraniden und Space Marines ein.

Im Leseteil des Handbuchs werden die beiden Gegner näher vorgestellt. Dabei wird nicht aus dem Vollen der Warhammer 40k-Lore geschöpft, sondern kurz und knapp die wichtigsten Punkte zu den enthaltenen Fraktionen genannt. Untermalt wird der erzählerische Teil sowohl mit hochwertigen Grafiken als auch mit durch bemalte Modelle nachgestellten Szenen, die einen kleinen Eindruck von Warhammer 40k-Spielen geben.

Space Marines, jene übermenschlichen Elitekrieger in futuristischen Rüstungen, Verteidiger des Imperiums der Menschen sind die letzte Bastion der Menschheit. Diese sind in Orden aufgeteilt, von denen der Orden der Ultramarines sowohl durch seine blauen Rüstungen, als auch durch ihren Mut und das taktische Geschick auf dem Schlachtfeld weithin bekannt ist.

Ihnen gegenüber stehen die Tyraniden, alles verschlingende Wesen einer außerirdischen Spezies, deren einziges Verlangen und Ziel es ist, einen Planeten nach dem anderen zu verschlingen. Die Tentakel dieses riesigen Schwarms greifen immer weiter nach Planeten, um ihren Hunger zu stillen. Einer der mächtigste dieser Tentakel ist die Schwarmflotte Leviathan, der schon Hunderte von Welten zum Opfer gefallen sind.

Die größere Hintergrundgeschichte der Leviathan-Kampagne, wie sie in der Grundbox erläutert wird, findet man im Handbuch nicht. Für Neulinge reichen die ersten Informationen jedoch vollkommen aus, um einen ersten Eindruck zu bekommen (und die Lust auf mehr zu wecken).

Nadjas Einschätzung

Vier Doppelseiten nebst Bildern erzählen, mit was für Figuren man da eigentlich spielt. So kann man es sich entweder zur Aufgabe machen, als futuristische Ritter die Menschheit zu beschützen oder als nimmersatter Alienschwarm auszulöschen. Das Setting klingt auf jeden Fall vielversprechend.

Schritt 3 – Auf in die Schlacht

Nach Aufbau und Hintergrund geht es im Teil „Spielen“ endlich auf das Schlachtfeld. Aus dem Innenteil der Verpackung sollen zunächst Wände und Spielmarker herausgeschnitten werden. Der Falz der Innenpackung wird dabei genutzt, um die Ecken der insgesamt vier Wandteile zu bilden. Dazu gibt es für jede Figur einen Marker, um nicht den Überblick zu verlieren, wer schon gehandelt hat, und zwei Missionszielmarker.

Zwei Trainingsmissionen führen in grundlegende Mechanismen ein. Bewegen, Schießen, Angreifen, Nahkampf und Rüstungswürfe werden in zwei Szenarios vermittelt. Dabei sind beide Missionen so aufgebaut, dass die Spieler*innen jeden einzelnen Schritt nachvollziehen können. Die Missionen erscheinen allerdings recht langweilig. Zudem sind eine ganze Reihe von Regeln nicht aufgenommen worden: keine Verwundungswürfe, keine Einheiten, jedes Modell bewegt sich separat, kein automatisches Treffen der Flammenwerfer, recht eingeschränkte Missionen und abgespeckte Spielwerte.

Im nächsten Abschnitt des Spielteils wird es konkret. Die erlernten Mechanismen sollen in einer Mission angewandt werden, die im Prinzip eine Enteraktionenmission aus der Archen des Omens-Reihe gleicht. Gewinnen kann man entweder durch die Auslöschung des Gegners oder indem eine eigene Figur in die Startzone des Gegners gelangt. Schnell wird deutlich, dass sich auch mit diesem schmalen Programm durchaus komplexe Spielabläufe darstellen lassen. Fragen wie: „Wann gehe ich aus der Deckung raus?“, „Welcher Gegner stellt die größte Gefahr dar?“, „Soll ich vernichten oder das Missionsziel sichern?“ lassen aus den wenigen Regeln ein spannendes Match werden. Bei den abgespeckten Regeln stellen sich aber auch Regelfragen, für die eine Einigung auf Hausregeln nötig wird, da diese nicht abgedeckt sind. Ob man durch eigene Modelle hindurchschießen oder bewegen kann, ist nicht ganz klar, aber es lässt sich in der Regel eine schnelle Einigung finde. Die erste Mission hat somit sowohl für Anfänger*innen, als auch für „alte Hasen“ einen gewissen Spaßfaktor.

Mit der Rückseite des Spielplans wird eine weitere Mission geboten, bei der Missionszielmarker zum Einsatz kommen. Auch werden die Spieler*innen dazu aufgefordert, eigenes Gelände aufzustellen, welches sich bei Neulingen wohl auf die Pappwände beschränken dürfte. Hier gewinnt, wer mit einer eigenen Figur zum Missionsziel des Gegners kommt oder alle vernichtet. Auch die zweite Runde macht Spaß, auch wenn man merkt, dass sich das Prinzip langsam abnutzt.

Nadjas Einschätzung

Das die Spielmechanismen an praktischen Beispielen erklärt werden ist klasse. Allerdings muss man diese dann nicht unbedingt auch in Trainingsmissionen nachspielen, die dann wieder recht dröge sind. Die Einsätze selbst bereiten viel Freude. Es tauchen immer wieder Situationen auf, die nicht durch Regeln gelöst werden und dann eine Einigung der Spieler*innen nötig machen. Das tut dem Spaßfaktor aber keinen Abklang.

Schritt 4 – Werbeblock

Im Anschluss an die Missionen folgt noch ein Werbeteil.
Im Anschluss an die Missionen folgt noch ein Werbeteil.

„Wie nun weiter?“, fragen sich Einsteiger*innen nach Abschluss der zweiten Mission. Games Workshop liefert auf den letzten Seiten des Handbuchs die entsprechende Antwort mit Kaufempfehlungen für Zwei-Spieler-Gruppen und auch Menschen, die sich gerne einer der Fraktionen verschreiben wollen.

Die weiteren Starter-Sets und Kampfpatrouillen anzupreisen, ergibt da sicherlich Sinn. Warum man sich ein Mal-Set zulegen soll, das zur Hälfte aus Farben besteht, die im vorliegenden Set schon enthalten sind, leuchtet nicht so recht ein. Was aber vor allem fehlt, ist ein prominenter Hinweis auf die vollen Spielregeln, die Games Workshop nebst aller Spielwerten, für alle Armeen kostenfrei auf die eigene Website gestellt hat.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Games Workshop
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieler*innen-Anzahl: 2
  • Alter: ab 12
  • Preis: 55 €
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, KuTaMi

 

Bonus/Downloadcontent

Wie bereits erwähnt, bietet Games Workshop sowohl die vollen Spielregeln als auch die Spielwerte für Tyraniden und Space Marines auf ihrer Website kostenfrei zum Download an. Zum Nachlesen oder Probespielen findet sich dort auch eine Kurzversion der Regeln. Wer also tiefer in das System hineinschnuppern möchte, braucht nicht gleich zum nächsten Set greifen.

Fazit

Veteran*innen des Hobbys werden wahrscheinlich weniger Gewinn aus dem Paket ziehen, da Farben und Pinsel wahrscheinlich schon vorhanden sind, die Regeln arg abgespeckt sind und die Auswahl an Figuren eher mau ist. Für Neulinge gelingt es Games Workshop sehr gut, mit dem Einsteigerset in die Welt von Warhammer 40k einzuführen. Menschen, die vorher noch nie mit dem System, bzw. mit Tabletop-Spielen zu tun hatten, wird hier ein facettenreicher Einstieg geboten. Die einzelnen Schritte sind anschaulich erklärt und so weit reduziert, dass es weder langweilig noch überfordernd wirkt. Der Hintergrund ist kurz und knackig gehalten und die Regeln machen auf den ersten Metern durchaus Spaß.

Wenn man ehrlich ist, kann man das Set auf der anderen Seite auch sehr gut mit einem Einsteigerspiel im Freundeskreis ersetzen, gemeinsam ein paar Figuren aus der Sammlung bemalen oder gezielt ein Paket Figuren einer Fraktion kaufen, welche die Person am meisten anspricht. Der Wiederspielwert und die Verwendbarkeit der enthaltenen Figuren und Regeln ohne Zukäufe ist wahrscheinlich auch eher gering und wer tatsächlich in das Hobby einsteigen möchte, sollte sich bei den anderen Starter-Sets oder Kampfpatrouillen umsehen.

Am Ende des Tages tut das Paket aber genau das, was es verspricht: in Warhammer 40k einführen. Hobbybegeisterte, die ihre Leidenschaft also gerne teilen und anderen näherbringen wollen, sind mit diesem Set aber gut beraten. Richtet euch nur darauf ein, dass die Person wiederkommt, weil sie mehr möchte.

Nadjas Einschätzung

Es hat mir wirklich Spaß gemacht, in die einzelnen Bereiche reinzuschnuppern und diese auszuprobieren. Das lag nicht nur daran, dass meine Tyraniden zwei Mal sehr erfolgreich die Menschen auseinandergenommen haben, sondern weil insgesamt eine gute Basis an Erklärungen und Möglichkeiten durch die Einsteigerbox geboten wird. Ich bin mir allerdings nicht sicher, wieviel Freude ich auf längere Sicht mit den Figuren und Missionen hätte, da irgendwann alle Szenarien durchprobiert sind. Und dafür sind 55 € wiederum kein Schnäppchen. Insgesamt hat uns die Box aber ein paar sehr vergnügte Stunden bereitet und mir einen kleinen Einblick in das Tabletop-Hobby gegeben.

 

  • Vielseitige Einführung in das Hobby
  • Gute schrittweise Erklärungen
  • Gut reduzierte Inhalte
 

  • Tatsächlich nur für Einsteiger*innen
  • Preisgestaltung diskutabel

 

Artikelbilder: © Games Workshop
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Geoffrey Förste
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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