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Auf Con fahren, um zu lesen – was einigen Spielenden wie ein Rezept für einen rausgeworfenen Con-Beitrag erscheint, ist für andere ein Traum! Bibliotheken und Schriftstücke können für Spielende wie Veranstalter*innen ein Herzstück des Plots werden. Warum das alles andere als langweilig ist, hat Teilzeithelden sich angeschaut.

Staubtrocken, oder steckt doch mehr dahinter? © Depositphotos | kevron2002

Manchmal möchte eine Orga ihren Spielenden ermöglichen, besonders tief in den zur Verfügung gestellten Hintergrund einzutauchen. Und manchmal möchte sie, um die für den Plot eingeplante Zeit besser steuern zu können, die Charaktere auch einfach eine Weile beschäftigt halten. Je nach Zusammensetzung der Anwesenden wird es unter ihnen immer zumindest eine Handvoll geben, die sich mit Begeisterung auf beide Varianten stürzen, sofern diese in Gestalt einer In-Time-Bibliothek daherkommen.

Sowohl Plotrelevantes als auch Amüsantes, Frivoles als auch reiner Fluff lassen sich in einer solchen Sammlung unterbringen oder bei Bedarf verstecken. Mit ein paar Kniffen, die die Findigkeit der Spielenden fordern, während sie der Intelligenz der Charaktere schmeicheln, kann eine Bibliothek ähnlich spannend werden wie ein Dungeon. Eine ganze Bibliothek auf die Beine zu stellen, ist sicher kein kleines Unterfangen. Mit ein paar Tricks lohnt sich der Aufwand jedoch nicht nur, sondern wird die Bibliothek auch zu einem ganz besonderen Ort.

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Unbegrenzte Möglichkeiten – von Kaffeesatz bis Notenpapier

Wer sich als Orga vornimmt, eine Bibliothek oder ein Archiv in die nächste eigene Con einzubauen, fängt besser frühzeitig an zu sammeln. Denn je nachdem, welchen Raum – physisch und im übertragenen Sinne – die Schriftsammlung einnehmen soll, ist es ein eigenes kleines Projekt, diesen erfolgreich zu befüllen. Dabei stehen beinahe unbegrenzte Möglichkeiten zur Verfügung. Allein die Menge an Schriften und Codes, die in der Larp-Community geläufig sind, reicht von simpel über obskur bis regelrecht nerdig. Die Chancen, dass mindestens eine Person Futhark lesen kann, stehen gut, ebenso Tengwar, wenn mindestens ein*e Elf*e anwesend ist. Gerade bei einer begrenzten Menge an NSC können verschiedenste Schriften gut genutzt werden, um nach und nach die nötigen Informationen an die Spielenden zu streuen und unterschiedlichen Charakteren die Chance geben, zu glänzen.

Ob voller Spannung oder ganz nachdenklich, geheime Schriften können uns beschäftigt halten.
Ob voller Spannung oder ganz nachdenklich, geheime Schriften können uns beschäftigt halten.

Sind Musiker*innen anwesend, werden diese gewiss ihren Spaß daran haben, außerhalb der Abendunterhaltung zum Notenlesen herangezogen zu werden, sofern vermutet wird, dass sich in einem aufgefundenen Musikstück eine geheime Botschaft verbirgt. Sollen mehrere Spielende zeitgleich gebunden werden, bietet sich eine Kodierung an, die Einzelpersonen überfordert und nur gemeinsam zu lösen ist. Bei Einsatz eines NSC innerhalb der Bibliothek kann in diesem Fall über Hinweise oder das Hinzufügen weiterer Schriften geholfen, gesteuert oder – sollten sich die Spielenden unerwartet geschickt anstellen – auch behutsam sabotiert werden. Ist man sich irgendwann im Klaren, was und wie viel an Plot, Fluff und reiner Beschäftigung in der Bibliothek untergebracht werden soll, steht man als Orga vor der nächsten großen Aufgabe: Schreiben, gegebenenfalls Drucken, Altern und Aufbereiten der Schriftstücke. Backofen, Tee- beziehungsweise Kaffeesatz und Feuerzeug sind beliebte und vergleichsweise schnelle Methoden, modernes Papier im wahrsten Sinne alt aussehen zu lassen.

Wer in der Larp-Welt gut vernetzt ist, der kann auch zu Spenden aufrufen. Nicht wenige Spielende haben im Laufe ihrer Karriere ganze Bände an Schriften verfasst, die sie sicher nur allzu gerne zur Verfügung stellen. Denn wer wäre nicht ein bisschen stolz, eines Tages von einem wildfremden Gelehrten angesprochen zu werden, um zu erfahren, dass das eigene Werk es bis in die Archive einer fremden Welt geschafft hat? Je nach behandelten Themen ergibt sich so eine gewisse Vielfalt, die über das, was man vielleicht im Alleingang geschafft hätte, weit hinausgeht. Ob die fertigen und gesammelten Schriften im Anschluss gebunden, gerollt oder lose verteilt werden, ist ganz dem eigenen Geschmack als Orga überlassen. Sollen die Spielenden wirklich lange beschäftigt sein, kann es nicht schaden, nach Ankunft im Archiv dieses erst einmal unter den strengen Augen des örtlichen NSC auf Vordermann zu bringen.

Bibliotheken und ihre Bewohner*innen – ein Leben für Wissen und Weisheit

So wichtig – der richtige Überblick.
So wichtig – der richtige Überblick.

Eine IT-Bibliothek wird, wie jeder andere Ort im Larp, erst so richtig lebendig, wenn die Orga ihn mit Leben füllt. Schreiber*innen, Bibliothekar*innen oder der ein oder andere kauzige Charakter bieten sich an, die Spielercharaktere nach dem Entdecken der Bibliothek ein wenig an die Hand zu nehmen. Sie können verschroben oder weise daherkommen, bieten aber für Spielende einen guten Anlaufpunkt bei Fragen und behalten den Überblick. Je nach Gewichtung der Bibliothek als Spielfläche kann der örtliche NSC einfach nur Gesellschaft und „Aufsicht“ sein oder zur bewussten Steuerung des Plots dienen. Denn auch in Bibliotheken muss es nicht immer leise und langweilig zugehen – das wissen Freund*innen des Phantastischen spätestens seit schreienden Büchern in Hogwarts oder dem Bibliothekar der Unsichtbaren Universität. Ist der örtliche NSC entsprechend interessant, können sich hier ungeplant regelrechte Freundschaften entwickeln, bei denen der Plot im Angesicht des intellektuellen Austauschs schnell mal zur Nebensache wird.

Da interessierte Charaktere erfahrungsgemäß viel Zeit mit den vorgefundenen Schriftrollen verbringen, bietet es sich an, den Raum bequem einzurichten. Sitzkissen, Strohsäcke und Decken laden zum Bleiben ein und motivieren eher zum Gespräch mit anderen Spieler*innen oder den NSC als ein Kreis aus Klappstühlen. Wird ein Schlafraum als Bibliothek genutzt, bieten freie Betten ausgezeichnete Sitzgelegenheiten.

Entscheidet sich die Orga, einen Teil des Plots unmittelbar in der Bibliothek unterzubringen, kann es auch hier schon einmal sehr actionreich werden. Möglicherweise ist da dieses eine Buch, das sich seit Jahr(hundert)en nicht öffnen lässt, oder dieser eine Geist, der seit Menschengedenken zwischen den Regalen spukt. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – und wer säße dann besser an der Quelle als jemand, der sein ganzes Leben den Büchern gewidmet hat?

So viel mehr als Fluff

Bibliotheken und Archive lassen sich gut nutzen, um den Hintergrund der Veranstaltung zu transportieren. Dies bietet sich vor allem bei Con-Reihen an, die bereits über einen langen Zeitraum laufen und neuen Spielenden die Gelegenheit geben wollen, an Wissen aufzuholen.

Doch auch zwischen Schriftrollen und Folianten kann sich so einiges mehr abspielen.

Sie eignen sich aber auch genauso gut zum Einleiten von Visionen, Traumsequenzen oder Actionszenen, die nicht zum Kampfgeschehen zählen. Gehen nach dem Aufschlagen eines Buches oder dem Öffnen eines Schrankes plötzlich die Türen zu, das Licht aus und vielleicht eine Tonaufnahme an, bekommen auch die vermeintlich zurückhaltenden Bücherwürmer ganz schnell ihre Portion Nervenkitzel, ohne sich in physische Kämpfe begeben zu müssen.

Ist die Bibliothek in einem Gebäude untergebracht, bietet sich je nach Kapazitäten an, sie mit einem anderen Genre zu kombinieren. Möglicherweise öffnet sich eine Tür zu einem angrenzenden Raum, in dem sich gut ein kleiner Dungeon oder eine Grabkammer unterbringen lässt, in der sich der nächste Teil des Plots oder das nächste Rätsel befindet.

Während draußen die anderen Charakterklassen kämpfen, bietet die Bibliothek ebenso viel Raum für das Voranbringen des Plots. Aber auch tiefgehendes Charakterspiel kann sich hier ergeben. Wer gemeinsam stundenlang nach einer Übersetzung gesucht oder Codes geknackt hat, kommt ähnlich gut miteinander ins Gespräch wie Charaktere, die sich in der Taverne beim Würfeln ihre Abenteuer erzählen. So können sich über Schriftrollen und Schreibzeug schnell kleine Freundschaften entwickeln, die vielleicht darin resultieren, dassman schon ein eingespieltes Team in Sachen Geheimschriften ist, wenn man sich das nächste Mal begegnet.

Wer auf künftigen Cons vorhandene Bibliotheken bespielen möchte, kann sich darauf sogar ein bisschen vorbereiten. Auch wenn viele verschiedene Schriften im Umlauf sind, dauert es dennoch nicht lange, sich mit ein paar der gängigsten vertraut zu machen, und stets ein kleines Notizbuch zur Hand zu haben. Es kann im ersten Augenblick überfordern, zu sehen, wie unglaublich viel Mühe in das Erstellen der Schriften geflossen sein muss, die man sich als Spieler*in jetzt anschickt, erstmal so richtig durcheinanderzubringen. Doch wer die erste Scheu überwunden hat, wird schnell Gefallen daran finden, diese Mühe damit zu belohnen, sich mitten in die Sammlung zu stürzen. Denn schließlich bereitet es auch Orga und SL nicht wenig Freude, zu sehen, dass ein Angebot mit Enthusiasmus angenommen wird. Und selbst wer noch nie in seinem Larp-Leben einen Code geknackt oder eine Geheimschrift entziffert hat, wird mit der richtigen Anleitung eines freundlichen Bibliotheksgeistes schnell auf den Geschmack kommen. Und wer weiß, vielleicht folgt dann bald die erste eigene Spende der ein oder anderen Schriftrolle an eine kleine Bibliothek?

 

Artikelbild:  © Depositphotos | Sandralise
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek
Fotografien: © Nabil Hanano

 

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