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Bis George Lucas 1976 ein verfilmbares Drehbuch von Star Wars in Händen hielt, waren zahlreiche Überarbeitungen notwendig. Die erste Fassung war in Form des Rough Draft 1974 vollendet, parallel fertigte Illustrator Ralph McQuarrie die ersten Konzeptbilder an, um den Filmstudios Lucas‘ Vision zu verdeutlichen. Diese rohe Version von Star Wars ist die Grundlage für den Comic The Star Wars, nun als englischer Sammelband bei Dark Horse erschienen und für den 13.10.2014 auf deutsch bei Panini angekündigt.

Autor ist J.W. Rinzler, der seit Jahren bei Lucasfilm als Executive Editor arbeitet und sich unter Fans vor allem mit den umfangreichen Making-Of-Bänden zu den drei Filmen der Originaltrilogie einen guten Namen gemacht hat. So verwundert es nicht, dass er sich schon bei der Arbeit an The Making of Star Wars auch intensiv mit der Entwicklung der Drehbücher, darunter eben auch das Rough Draft, befasst hat.

Illustrator Mike Mayhew ist vor allem durch seine Titelbilder bekannt, zeichnete aber auch Einzelhefte für namhafte Serien wie New Avengers, Justice League oder Spawn.

Handlung

Während der Großen Rebellion wurde die Kriegerkaste der Jedi-Bendu von den Rittern von Sith fast ausgelöscht. So werden Kane Starkiller und seine beiden Söhne Deak und Annikin in ihrem Versteck von einem der Sith aufgespürt und zur Flucht gezwungen. Nachdem Deak von dem Ritter erschlagen worden ist, können Kane und Annikin den Sith niederringen und brechen zum Planeten Aquilae auf.

Rezi Comic TheStarWars Issue8PreviewAquilae ist jedoch selbst in Bedrängnis, widersetzt es sich doch als einziges System dem Neuen Imperium, das nun mit einer Invasion droht. Den Angriff leitet der imperiale Gouverneur Hoedaack, assistiert vom vernarbten General Darth Vader, vom gigantischen Space Fortress aus, dem Vorläufer des Todessterns. Während die Raumflotte Aquilaes von den Invasoren in Stücke geschossen wird, beschließt der alte General Luke Skywalker, selbst ein Jedi-Bendu, die überlebende Königsfamilie um Prinzessin Leia und ihre kleinen Zwillingsgeschwister in Sicherheit zu bringen. Unterstützt wird er von seinem neuen Schüler Annikin und dem Rebellenspion Clieg Whitsun, später stößt der grünhäutige Söldner Han Solo hinzu. Auf ihrer Flucht werden sie ständig von den Sturmtruppen des Imperiums verfolgt, bis sie schließlich auf dem Waldplaneten Yavin Hilfe von den primitiven Wookiees und ihrem Prinzen Chewbacca für einen letzten Gegenangriff erhalten.

Es ist unverkennbar, dass viele Elemente der späteren Filmsaga sich bereits in The Star Wars wiederfinden, auch wenn etliche davon erst in späteren Teilen Verwendung fanden: Der Kampf zwischen Jedi-Bendu und Sith, die Rettung von Prinzessin Leia, die Belagerung und Invasion durch das Imperium, das in Episode I durch die Handelsföderation ersetzt wurde, oder der Beistand durch die primitiven Bewohner eines Waldplaneten. Die Macht findet zwar als die Force Of Others Erwähnung, verleiht aber keinerlei mystische Kräfte, wie man sie aus den Filmen kennt.

Die Geschichte verfolgt dabei atemlos die Flucht der Helden vor ihren Verfolgern und erinnert dabei stark an die Pulp-Tradition von Serien wie Flash Gordon, der ja einer von Lucas‘ Haupteinflüssen war. Auch wird deutlich, dass Lucas in dieser Fassung noch zu viele Elemente in seine Erzählung gepackt hat, als dies in normaler Spielfilmlänge erzählt werden könnte. Zum Glück hat das Medium Comic genau diese Beschränkung aber nicht, so dass The Star Wars Lucas sprudelnder Fantasie angemessen gerecht werden kann. Dennoch ist es kein Wunder, dass spätere Drehbuchfassungen eine wesentlich kompaktere Geschichte erzählen und diverse Ideen erst später ihren Weg auf die Leinwand fanden. Wer einen genaueren Blick auf das Rough Draft oder die anderen Drehbuchversionen von Star Wars werfen möchte, findet bei Starkiller – The Jedi Bendu Script Site sämtliche Entwürfe.

Charaktere

Rezi Comic TheStarWars Issue4PreviewViele der bekannten Namen aus der Star-Wars-Saga sind schon in dieser Fassung präsent, aber teilweise mit ganz anderen Figuren besetzt. Zentraler Protagonist ist Luke Skywalker, hier ein alternder General; Annikin Starkiller steht ihm als sein Schüler zur Seite, allerdings kommt seine Ausbildung zum Jedi-Bendu kaum vor. Han Solo – hier ein grünhäutiges Alien ähnlich dem Swamp Thing – fungiert vor allem in einer Nebenrolle als Söldner und Co-Pilot, Chewbacca taucht als Prinz der primitiven Wookiees vom Planeten Yavin erst im letzten Viertel der Geschichte auf. Allein Prinzessin Leia und die beiden Droiden Dreipeo und Erzwo sind schon sehr nah an ihrer endgültigen Version in den Filmen.

Unter den Bösewichten begegnen die Helden vor allem Scharen von Sturmtrupplern, die hier noch allesamt beindruckend mit Laserschwertern ausgerüstet sind. Die Führungsriege hält sich eher als Stichwortgeber im Hintergrund: Darth Vader, hier noch vernarbter General in den Diensten des imperialen Gouverneurs Hoedaack, kommentiert vor allem die vergeblichen Angriffe auf das Space Fortress, von dem aus die Invasion Aquilaes beginnt. Valorum, ein Ritter der Sith und somit direkter Gegenspieler der Jedi-Bendu, koordiniert vor allem die Suche nach den Flüchtlingen und stellt sich den Helden erst gegen Ende der Geschichte entgegen.

So merkt man allen Figuren deutlich an, dass dies nur die Grobfassung von Lucas‘ Sternensaga ist. Keiner der vielen – fast zu vielen – Charaktere hat eine wirkliche Motivation über den Fluss der Geschichte hinaus, niemand entwickelt sich spürbar weiter. Auch vermitteln die Dialoge kaum Tiefe oder Eigenheiten, sämtliche Äußerungen dienen, vermischt mit unnötig trocken-technischen Fantasiebegriffen, ausschließlich dazu, den Plot voranzutreiben. Besonders auffällig ist dies bei dem grimmigen General Skywalker: Er erläutert zumeist die Situation und das weitere Vorgehen, und genau so wird dann auch wirklich vorgegangen.

Tatsächlich sind es ausgerechnet die beiden Droiden Dreipeo und Erzwo – letzterer kann in dieser Drehbuchfassung noch normal sprechen – deren Gezänk untereinander für die meiste Atmosphäre sorgt. Erst im letzten Kapitel kommt es zumindest zu einigen schnippischen Wortwechseln zwischen Annikin und Valorum, die noch geringfügig mehr Leben in die Geschichte bringen.

So ist es auch wenig verwunderlich, dass man kaum Gefühle in die Charaktere investiert. Selbst als zwei Figuren heroisch ihr Leben für die Gefährten opfern, lässt das den Leser erschreckend kalt. Ebenso kommt die Liebesbekundung von Prinzessin Leia an Annikin Starkiller eher aus heiterem Himmel, und die folgende Sorge der beiden um das Wohlergehen des anderen wirkt durchgehend aufgesetzt.

Es ist unverkennbar, dass Lucas im Rough Draft vor allem Ideen für seine Protagonisten zusammengetragen hat, die einer dringenden Überarbeitung bedurften. Viele Eigenschaften und Rollen verschiedener Charaktere wurden so auch in späteren Drehbuchfassungen in einer Figur zusammengefasst, bis schließlich die wiedererkennbaren Archetypen der Filme dabei herauskamen.

Zeichenstil

Rezi Comic TheStarWars Issue1PreviewDie Optik von The Star Wars ist hingegen eine reine Augenweide. Zeichner Mike Mayhew hat einen sehr realistischen Stil, der sich für meinen Geschmack erfrischend von den überzeichneten Figuren abhebt, wie man sie in vielen anderen Comics vorfindet. Stattdessen haben alle Protagonisten einen individuellen Charakterkopf, von denen auch keiner den Schauspielern in den späteren Filmen ähnelt.

Zudem verschmilzt Mayhew geschickt und liebevoll den Stil der ersten Konzeptzeichnungen von Ralph McQuarrie, die eher an Pulp-Science-Fiction der 30er Jahre erinnern, mit der aus den Filmen bekannten Optik. So finden sich Versatzstücke der Rüstung von Sith-Lord Darth Vader im Comic etwa beim Cyborg Kane Starkiller oder dem vernarbten imperialen General Darth Vader, oder Annikin Starkiller trägt die Jacke des Farmerjungen Luke Skywalker während der Zeremonie am Ende von A New Hope.

Auch die Optik der Schauplätze schließt elegant die Brücke zwischen Konzeptzeichnung und Film: So entspricht das Innenleben von General Skywalkers Raumschiff – äußerlich noch Prinzessin Leias Blockadebrecher aus A New Hope – von innen deutlich dem späteren Rasenden Falken, während der Raumhafen von Aquilae dem von Mos Eisley nachempfunden ist.

Es sind diese kleinen Details, die die zeichnerische Umsetzung von The Star Wars für mich zu einer reinen Freude machen. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich schon im Vorfeld stets ein großes Interesse an der Entstehungsgeschichte der Star-Wars-Filme hatte und dadurch mit den Konzeptzeichnungen sehr gut vertraut war, was mich für diese Mischung wohl besonders empfänglich macht.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Preis von 19,99 USD für die englische Softcoverfassung ist gleichauf mit Titeln ähnlichen Umfangs. Die Deluxe-Edition für 99,99 USD mag zwar drei gebundene Bücher im Schuber enthalten, mir persönlich wäre sie den Preis aber nicht wert.

Erscheinungsbild

Rezi Comic TheStarWars TPBCoverWie alle Star-Wars-Sammelbände von Dark Horse erscheint auch The Star Wars als vollfarbiges Softcover auf Hochglanzpapier. Die englische Deluxe-Edition ist stattdessen ein gebundenes Hardcover im Schuber, ergänzt um eine ebenfalls gebundene Sammlung der Titelillustrationen und eine Einführung von Autor J.W. Rinzler. Die angekündigte deutsche Fassung wird ebenfalls ein Hardcover sein.

Die harten Fakten:

  • Verlag:Dark Horse
  • Autor(en): J.W. Rinzler
  • Zeichner(in): Mike Mayhew
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Englisch
  • Format: Softcover, Hardcover
  • Seitenanzahl: 184
  • Preis:19,99 USD (Softcover en), 99,99 USD (Deluxe Edition en), 24,99 EUR (Hardcover de)
  • Bezugsquelle: Amazon (Softcover en, Deluxe Edition en, Hardcover de)

 

Fazit

Ich hatte mich sehr auf die kühne Idee gefreut, die erste Fassung von Lucas‘ Star-Wars-Drehbüchern in einem Comic angemessen zu erzählen. Und so bieten die fast zweihundert Seiten von The Star Wars den ungezügelten Ideen von Lucas auch den nötigen Raum, um der ausschweifenden Geschichte gerecht zu werden.

Zu offensichtlich wird bei der Lektüre aber, dass eine Rohfassung eben doch nur eine Rohfassung ist. Die Charaktere sind nur dazu da, die Handlung voranzutreiben, Entwicklungen und weitere Motivationen fehlen fast völlig, und der Leser investiert kaum Emotionen in die Protagonisten.

Dafür sind die Illustrationen umso schöner: Der realistische Stil verknüpft gekonnt die ersten Entwürfe von Ralph McQuarrie mit dem Design der späteren Filme und der Optik von Pulp-Science-Fiction der 30er Jahre.

Wer sich aber nicht so wie ich für diese geschickte Verschmelzung begeistern kann, sollte bei der Wertung sogar noch einen Punkt abziehen.

 Daumen3maennlich

Artikelbilder: Dark Horse Comics

 

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