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Können Bäume kommunizieren? Diese Frage bildet die Basis von The End, der neuesten Graphic Novel des Schweizer Comickünstlers Zep. Die hochaktuelle Geschichte beschäftigt sich mit Fragen über das Zusammenleben zwischen Mensch und Natur und ob wir wirklich die Herrscher der Erde sind, für die wir uns gerne halten.

Auszug - The End © Schreiber und Leser
Auszug – The End © Schreiber und Leser

Eine der größten Fehleinschätzungen der Menschheit ist es, der Natur erfolgreich ihren Willen aufgezwungen zu haben. Trotz unserer technologischen Fortschritte bedrohen Erdbeben, Stürme oder Wassermassen unsere fragile Zivilisation. Doch zumindest im Bereich der Lebewesen nehmen wir die Spitze ein, oder? Selbst diese Aussage ist kritisch zu begutachten, wenn man beispielsweise die von Bakterien ausgehende Gefahr näher betrachtet.

In The End aus der Feder des schweizerischen Comickünstlers Zep setzen sich ebenfalls Lebewesen gegen die Menschheit zur Wehr. Der internationale Comic-Star hat in der Vergangenheit hauptsächlich mit seiner Erfolgsserie Titeuf für Aufmerksamkeit gesorgt. Der titelgebende Held dieses Comics ist ein zehnjähriger Junge, der die Herausforderungen des Erwachsenenlebens entdeckt. Allerdings hat Zep, dessen bürgerlicher Name Philippe Chappuis ist, mit Werken wie Paris 2119 bereits sein Talent für sozialkritische Werke bewiesen.

In die letztgenannte Kategorie fällt sein neuestes Werk The End. In unserem Kurzcheck erfahrt ihr, warum die Geschichte schnell zum Nachdenken anregt.

Handlung & Charaktere

Haben Bäume Erinnerungen? Glaubt man der Hypothese von Professor Frawley, kratzt diese Frage gerade einmal an der Oberfläche der Natur der stummen Riesen. Seine Entdeckungen vermuten einen genetisch verankerten Kodex, der die gesamte Geschichte unseres Planeten umfasst. Dieser kann von den Pflanzen genutzt werden, um untereinander zu kommunizieren und auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren.

Für Theo Fiato, der gerade erst dem Team von Professor Frawley als Praktikant beigetreten ist, sind solche Theorien eine völlig neue Gedankenwelt. Doch Ereignisse auf der ganzen Welt geben Grund zur Beunruhigung. In Spanien sterben Waldspaziergänger eines rätselhaften Todes. Zusätzlich häufen sich Berichte von seltsamen Pilzen und sich ungewöhnlich verhaltenden Wildtieren. Droht der Menschheit eine Katastrophe und welche Rolle spielt eine skrupellose Unternehmung dabei?

Auszug - The End © Schreiber und Leser
Auszug – The End © Schreiber und Leser

The End erschafft Spannung, obwohl die Handlung großteils der Arbeit eines Forschungsteams folgt. Als Leser*in begleitet man die akademische Gruppe bei ihren Entdeckungen und dem Aufstellen von Theorien. Das Rätselraten um die mysteriösen Ereignisse motiviert zum Weiterlesen. Schon zu Beginn wird klar, dass der von Professor Frawley entdeckte Kodex ein wichtiger Schlüssel bei der Lösung des Mysteriums ist.

Das wahre Ausmaß der Ereignisse offenbart sich im letzten Drittel des Bandes. Hier kann man als Leser*in außerdem einen deutlichen Wandel beim Erzähltempo erkennen. Die ersten beiden Drittel von The End sind bedacht, beinahe gemächlich. Die Nachforschungen schreiten langsam voran, außerdem erfährt man mehr Hintergründe zu den Charakteren. Im letzten Drittel nimmt die Geschwindigkeit zu, zwischen einzelnen Panels können Wochen vergehen. Auf den ersten Blick überrascht dieser Wechsel und auch nach einer gewissen Eingewöhnung wirkt das Ende abrupt.

Das ist besonders deswegen schade, weil man allmählich eine Beziehung zu den Charakteren aufbauen konnte. Die Beschleunigung des Erzähltempos bereitet dem ein Ende, da kein Fokus auf weiteren Tiefgang gelegt wird.

Dennoch regt die Geschichte über die gesamte Lektüre zum Nachdenken an. Die Rolle des Menschen in unserem Ökosystem wird kritisch beleuchtet und unsere so scheinbar selbstverständliche Dominanz auf die Probe gestellt. In unserer heutigen Zeit, in der der Klimawandel zu den größten Herausforderungen zählt, trifft The End genau den richtigen Ton.

Zeichnungen & Kolorierung

Zep ist in diesem Band auch als Zeichner tätig. Die Illustrationen stellen die Charaktere in den Vordergrund, welche aufgrund ihrer ausdrucksstarken Gesichter exzellent die Stimmung der Handlung vermitteln. Actionszenen sucht man in The End vergeblich, jedoch hat diese Graphic Novel sie auch nicht nötig. Schockierende Ereignisse sind vereinzelt in die Handlung eingebaut, wie das zuvor erwähnte Sterben der Wanderer. Diesen widmet Zep großflächige Panels, um maximale Wirkung zu entfalten.

Darüber hinaus sticht die Kolorierung ins Auge. Zep setzt auf einen monochromen Stil, entweder auf einzelnen Panels oder ganzen Seiten. Der sorgfältige Einsatz von Kontrasten lenkt die Aufmerksamkeit der Leser*innen und sorgt trotz der limitierten Farbpalette für Atmosphäre.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Schreiber & Leser
  • Autor: Zep
  • Zeichner: Zep
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 96
  • Preis: 19,80 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

The End ist eine denkwürdige Lektüre, die ohne Action oder übertriebenes Spektakel überzeugt. Die Bedrohung nähert sich schleichend und als Leser*in wird man – wie die Protagonisten – lange im Dunkeln gelassen. Die Zeichnungen verstärken die Intensität der Handlung, besonders aufgrund des Fokus auf Charaktere und deren Gesichtsausdrücke. Die Kolorierung setzt auf monochrome Farben und fügt sich damit wunderbar in den Erzählstil ein.

Dieser langsam steigende Spannungsbogen ist die große Stärke von The End. Umso bedauerlicher ist es, dass er nicht konsequent zu Ende geführt wird. Zum Abschluss tritt Autor und Zeichner aufs Gaspedal und gewährt seiner Geschichte nicht das Finale, das sie verdient hätte. Dennoch ist The End eine empfehlenswerte Lektüre, nicht nur aufgrund ihrer aktuellen Kernaussage.

Artikelbild: © Schreiber & Leser
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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