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Engel und Dämonen sind nicht nur biblische Kontrahenten, sondern auch im Hörbuch zu Boby Dollar I verbitterte Gegner. Bobby Dollar ist Anwaltsengel, verteidigt die Seelen der Verstorbenen vor der Hölle und lebt ein gutes Leben mit Whiskey, Liebschaften und seiner Lieblingsbar – bis ihm eine Seele auf mysteriöse Weise verloren geht.

Der bereits 2013 erschienene Roman rund um den Anwaltsengel Doloriel, mit sterblichem Namen Bobby Dollar, greift Themen aus der Urban Fantasy, dem klassischen noiresquen Detektiv-Roman und moderner Dramaturgie auf. Dabei lässt er situativen Witz nicht außen vor und baut einen wunderbaren Mix – der jedoch nicht jedermanns Geschmack ist.

Story

An sich ist es verdammt einfach – jemand stirbt und hängt danach im „Dazwischen“ fest, eine Art Paralleldimension, die sich nicht weit ausstreckt. Hier wartet die Seele auf ihre Verhandlung – denn Verteidigerengel und Anklägerdämon verhandeln über das Schicksal der Seele. Darf es Himmel, Hölle oder Fegefeuer sein? Problematisch wird es, wenn die Seele plötzlich verschwunden ist und danach ein brutaler Mord an einem Dämon passiert, welcher dem Verteidigerengel zur Last gelegt wird. Genau das ist Auftakt des ersten Romans der Bobby-Dollar-Saga von dem sehr bekannten Autor Tad Williams. Nach einer Einführung in die generelle Welt, der Rolle von Himmel und Hölle, dem Leben als Engel im Menschenleib unter den Sterblichen und der Rolle der Verteidiger der Seelen geht es auch schon direkt in die Vollen.

Eine Seele ist verschwunden und weder Himmel noch Hölle sind ihr habhaft geworden. Etwas, das nicht sein darf! Fortan geht es los mit einem wilden Reigen aus durchaus sehr inspirativen Ideen, wie das erdgebannte Leben der höheren Wesen aussehen könnte. Wie sieht die Hierarchie aus, was machen jene, die die Seelen verbannen oder erhöhen? Kennen sie Liebe, Begierde, Verrat und Hochmut? Natürlich, denn sonst wäre der Spaß nur halb so groß.

Der gute Humor hält über die anfängliche Trägheit hinweg bei der Stange.

Und so kommt es dann zu Aufeinandertreffen der unterschiedlichsten Kreaturen, von der attraktiven und gefährlichen Dämonin über den zum Mensch-Schwein-Sein Verfluchten bis hin zu den obersten Hierarchiestufen von Himmel und Hölle. Als Bobby beginnt, herauszufinden, was wirklich mit der verschwundenen Seele passiert ist, hebt sich die Erzählgeschwindigkeit deutlich und nimmt gar sprunghafte Züge an. Die Vermutung, eine Intrige welterschütternden Ausmaßes könne die Quelle der ganzen Probleme sein, wirkt ebenfalls darauf ein.

Bei der Lektüre wirkte das erste Drittel eher gezwungen und wenig im Fluss. Interessanterweise hat Bobby Dollar dann Sex und dem einen oder anderen Leser mag es erscheinen, dass die damit einhergehende Entspannung sich auch auf den Protagonisten ausgeweitet hat. Bis zu dieser Szene könnte der eine oder andere Zuhörer geneigt sein, den Hörprozess abzubrechen, weil sich die Geschichte nur mehr als schwerfällig entwickelte. Der gute und scharfe, oft ins Boshafte abgleitende Humor weiß jedoch den Hörer bei der Stange zu halten. Am Ende bleibt ein schales Gefühl, der Höhepunkt vermochte zumindest mich nicht zu überzeugen. Sonderlich komplex ist die Handlung jedoch auch wiederum nicht, so dass man ihr gut folgen kann.

Die gesamte Handlung wird aus der Ich-Perspektive von Bobby Dollar erzählt. Schön ist dabei der manchmal ins schnoddrige abgleitende Ausdruckstil in der wörtlichen Rede des Protagonisten, die zu der bereits vorher genannten Atmosphäre und dem Stilmittel der Detektivgeschichten aus den 40ern passt.

Sprecher

Simon Jäger ist kein Unbekannter, ist er doch mit mehr als 250 Hörbüchern bei Audible gelistet. De facto schafft er es, jeder Rolle seine ganz eigene Note zu geben. Das macht das Anhören zu einem echten Genuss.

Er ist unter anderem Synchronsprecher, Dialogbuchautor und Rezitator. Bekannt ist er vor allem als deutsche Feststimme von Josh Hartnett, Heath Ledger, Matt Damon und Jet Li sowie als Interpret von Hörbüchern, die überwiegend den Genres Thriller und Science-Fiction zuzuordnen sind. In Es war einmal in Amerika übernahm Jäger 1984 seine erste Synchronrolle.

Autor

Tad Williams wurde 1957 in San José als Robert Paul Williams geboren. In seiner Freizeit spielte er in einer kleinen Rockband namens Idiot. Williams moderierte eine Talkshow und war als Schauspieler tätig. Er lebt heute mit seiner Frau und seinen Kindern in der Nähe von San Francisco.

Neben dem hier besprochenen ersten Teil der Bobby-Dollar-Serie schrieb er die bekannte Fantasy-Saga von Osten Ard, Otherland (eine Science-Fiction-Dystopie in vier Romanen) und noch einiges mehr. Die ZEIT kürte ihn zum „Tolkien des 21. Jahrhunderts„. Tad Williams hat für Otherland den Future Preis der CORINE 2004 erhalten. Im Mai stand er mit seinem Roman Die Hexenholz Krone auf der Phantastik-Bestenliste.

Erscheinungsbild/Cover

Beim Kauf als Download entfällt natürlich die Verpackung, das Cover wird aber als kleine eingeblendete Grafik in der App mitgeliefert. Darauf zu sehen ist ein Engel im Duster, der wachend über die Stadt blickt, während himmlische Sonnenstrahlen die Sonne durchbrechen.

Klanglich lässt sich rein gar nichts beanstanden, die Stimme Jägers ist kristallklar, weder Bässe noch Höhen übersteuern. Unser Test wurde auf einem Huawei Nova mit Audible-App vollzogen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Der Hörverlag / Audible
  • Autor: Tad Williams
  • Sprecher: Simon Jäger
  • Erscheinungsdatum: August 2013
  • Sprache: Deutsch (aus dem Englischen übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann)
  • Format: Download, proprietäres Format für Audible
  • Preis:17,95 EUR oder 9,95 EUR im Abo
  • Bezugsquelle: Amazon, Audible

 

Fazit

Witzig, schlagfertig und auch voller Sarkasmus – das ist das Dasein des Protagonisten Anwaltsengel Doloriel, oder mit weltlichem Namen Bobby Dollar. Er verteidigt die Seelen der Verstorbenen gegenüber der Hölle, sofern es diese verdient haben. Bis ihm eine abhandenkommt, was nur den Anfang eines die Grundprinzipien erschütternden Problems markiert. Es zeichnen sich finsterste Intrigen ab, die die Grundfesten der von Gott definierten Welt erschüttern.

Faktisch betrachtet ist dieser Roman gut, hat jedoch keine sonderlich intensive Spannungskurve. Dennoch greifen alle Teile mehr oder minder sinnvoll ineinander und laufen auf ein in meinen Augen leider eher unbefriedigendes Ende zu.

Bobby Dollar, wie auch die anderen Charaktere, sind gut dargestellt, leiden jedoch ein wenig an Oberflächlichkeit – bezogen auf die Greifbarkeit von Emotionen und Motivationen – und zu wenigen Hintergrunddetails. Letztendlich bewirkt das zwar im Gesamtkontext der Geschichte eine Grundstimmung des typischen hartgesottenen Detektivs im hard-boiled-Stil mit gefährlichen Liebschaften und einem ernsten Alkoholproblem, aber versagt im Detail und der endgültigen Schlüssigkeit.

Wer auf Detektivgeschichten im Stil der 40er Jahre steht und zeitgleich Urban Fantasy nicht abgeneigt ist, wird voll auf seine Kosten kommen. Mein subjektiver Vorzug war es nicht – was nichts an der Güte ändert.

mit Tendenz nach unten

Artikelbild: Audible | Der Hörverlag, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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