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Im Live-Rollenspiel tauchen wir in eine andere Welt ab. Probleme der Realität verwischen und machen anderen Gedankengängen Platz. Genauso begibt sich Lilli im Roman Mörderspiel zum ersten Mal in für sie fremde Welten. Doch wie viel Wahrheit steckt in dem, was alle für ein Spiel halten? 

Ich bezeichne LARP für mich immer als Urlaub im Kopf. Ich entfliehe Alltagsproblemen, widme mich anderen Dingen und werde teilweise zu einer anderen Person. Dinge, mit denen ich mich im LARP befasse, haben selten Bezug zu meiner Realität. Doch manchmal ist dieser Bezug vorhanden. Gerade, wenn sich die besuchte Con in ihrer Zeitachse nahe an meiner bewegt, oder mich das Erlebte stark berührt, nehme ich Dinge mit aus dem Spiel hinaus und beschäftige mich auch manchmal Out-Time damit.

Im Roman Mörderspiel nimmt dies jedoch ganz eigene, ungeahnte Dimensionen an. Und bald schon verschwimmen in diesem Roman die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit.

Story

Lilli lässt sich von ihrem Freund Markus dazu überreden, mit ihm zusammen in sein Hobby LARP hineinzuschnuppern. Gemeinsam mit Markus` Freunden Lukas und Christina geht es auf das alte Familienanwesen von Anna, ebenfalls eine Freundin von Markus. Dort veranstaltet Anna nur für die Vier eine Con rund um die Familiengeschichte der von Steinhagens, die in den 60er Jahren unserer Welt spielt.

Dabei müssen die Charaktere ein Rätsel lösen, das zu einem bisher ungelösten Familiengeheimnis gehört. Bald schon stellt sich heraus, dass es womöglich sogar um Mord geht und es ist viel kombinatorisches und „outside-the-box“ Denken gefragt, um die Geheimnisse der von Steinhagens zu lüften. Das Haus selbst hält dabei so einiges Unerwartetes bereit, die man sich für eine gute LARP-Location nur wünschen kann.

Die Handlung beginnt eher langsam, aber nicht langweilig.

Die Handlung beginnt eher seicht und langsam, aber keinesfalls langweilig. Am Anfang merkt man Lilli noch stark die Skepsis dem Hobby ihres Freundes gegenüber an. Doch mehr und mehr geht sie in den Geschehnissen auf, und im selben Maß nimmt die Handlung an Fahrt und Geschwindigkeit auf und reißt den Leser mit sich.

Die Charaktere sind interessant, wobei man hier auf jeden Fall zwischen den realen Charakteren und denen, die sie während des Live-Rollenspiels verkörpern, unterscheiden sollte. Auf beiden Ebenen sind diese durchdacht und klar in ihren Motivationen und Motiven, wobei man jedoch manchmal das Gefühl hat nur an der Oberfläche zu kratzen.  

Im Mittelpunkt steht natürlich Lilli beziehungsweise Victoria, ihr Charakter im Spiel, eine amerikanische Privatdetektivin. Diese sind klar getrennt, indem die einzelnen Kapitel aus den unterschiedlichen Perspektiven geschildert sind. Es fällt also nicht schwer die Charaktere auseinander zu halten. Als dritte Erzählperspektive kommt Charlotte hinzu, die Autorin eines Tagebuchs ist, das Lilli findet und im Laufe der Erzählung liest. Dabei bringt jede dieser Personen ihre ganz besondere Note mit sich und natürlich eine ganz eigene Erzählebene, die sich im Finale des Romans zu einem Bild zusammenfügen.

Lilli erhält viel Tiefe, während die anderen Charaktere etwas auf der Strecke bleiben, was aber wohl auch an der Kürze des Romans liegt. Man bekommt durchaus einen guten Eindruck der anderen Charaktere, aber eben nicht mehr als das, was etwas schade ist.

Schreibstil

Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm zu lesen und zeichnet sich vor allem durch eine sehr bildhafte Wortwahl aus. Daniela Beck findet stets die richtigen Adjektive und Metaphern, um eine Person, ein Objekt oder eine Situation auf den Punkt zu beschreiben, ohne sich zu wiederholen.

Mörderspiel ist aufgeteilt in die Wochentage an denen das LARP stattfindet, und wie bei einer typischen Con steigert sich die Spannung der Handlung vom ersten Tag hin zum letzten Abend. Der Autorin gelingt es dabei, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Spiel immer weiter zu verwischen, sodass man sich als Leser manchmal fragt, ob gewisse Handlungselemente überhaupt noch zum Spiel gehören.

Durch die bereits erwähnten drei Perspektiven, erhält der Leser Einblick in die drei Protagonisten: Lilli, Victoria und Charlotte. Lilli und Victoria sind sich dabei durchaus ähnlich, aber wenn Lilli teilweise noch eher unsicher ist, ist Victoria die knallharte Ermittlerin, die sie sein muss, um die Geschehnisse in der alten Villa aufzulösen. Charlotte steht im krassen Gegensatz dazu als frisch verheiratete Frau der 1960er, die noch nicht richtig weiß, wo ihr Platz im Leben ist.

Die Autorin

Daniela Beck ist selbst Live-Rollenspielerin, die beschlossen hat Geschichten aus diesem anderen Leben zu Papier zu bringen und zu veröffentlichen. Sie wurde 1983 geboren und hat in München Literaturwissenschaft studiert. Dort lebt sie auch heute noch mit ihrer Familie und arbeitet für ein Medienunternehmen.

Erscheinungsbild

Das Cover von Mörderspiel zeigt den Blick aus einem Wald auf eine alte Villa, die der Schauplatz für die Geschehnisse des Romans ist. Dahinter kann man schemenhaft weitere Bäume erahnen. Dies ist in gedeckten Braun- und Beigetönen gehalten, der Titel des Romans sticht in einem leuchtenden Rot daraus hervor.

Das Textbild ist sehr angenehm und klar und das Lektorat von Mantikore hat ganze Arbeit geleistet. Keine Rechtschreib- oder andere Fehler stören den Lesefluss.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore
  • Autorin: Daniela Beck
  • Erscheinungsdatum: 23. Juli 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: E-Book
  • Seitenanzahl: 330
  • ISBN: 978-3961880546
  • Preis: 9,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Am Ende des Buches gibt es ein Glossar mit den gängigen LARP-Begriffen, die in der Erzählung Verwendung finden. Für Nicht-Larper ist das sehr praktisch um einen Überblick über die Abkürzungen und Szene-Wörter zu behalten.

Außerdem kann man auf Amazon einen Blick ins Buch werfen.

Fazit

Daniela Becks Mörderspiel ist ein unterhaltsamer, kurzweiliger Roman, der auf eine Reise in die 60er und zu dunklen Familiengeheimnissen einlädt. Von Anfang an baut sich nach und nach die Spannung auf, und gegen Ende möchte man das Buch kaum noch aus der Hand legen, um zu erfahren wie die Geschichte um Lilli und ihr Alter Ego Victoria weiter geht.

Leider erhalten die Nebencharaktere etwas wenig Tiefe. Sie sind zwar durchaus nachvollziehbar in ihren Handlungen, aber ich hätte gern etwas mehr über sie erfahren, so kratzt man nur an der Oberfläche.

Das Ende ist zwar nicht zu erwarten, aber irgendwie hat es mich nicht ganz zufriedengestellt. Es war etwas verwirrend und letztendlich etwas weniger komplex, als ich beim Lesen erwartet hatte. Jedoch mochte ich den Stil der Autorin sehr. Dadurch hat die Erzählung noch einiges gewonnen und ich würde gern mehr von Daniela Beck lesen.

Die Verflechtung von Krimi und Live-Rollenspiel zu einem LARP-Krimi hat mir als Live-Rollenspielerin Spaß gemacht, ist aber auch definitiv etwas für Personen, die nichts mit dem Hobby zu tun haben. Es wird kein Vorwissen benötigt, um die Handlung zu verstehen, und wenn man mal eine Abkürzung nicht kennt, hilft das Glossar weiter.

Insgesamt also eine Leseempfehlung für Liebhaber von Krimi-Geschichten, die nicht sofort durchschaubar, aber auch nicht zu komplex sind. Eine gute Lektüre für entspannte Abende auf dem Sofa.

Artikelbild: Mantikore
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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