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Marvel Legacy soll Geschichten erzählen, die für Neueinsteiger geeignet sind und gleichzeitig im Erbe großer Marvel-Comics stehen. Die Kritik an dieser Initiative ist groß, denn es ist nach der Helden-Ära, Marvel NOW! und dem brandneuen Marvel-Universum ein weiterer Neustart innerhalb kürzester Zeit und außer einer neuen Nummerierung bemerkt man kaum einen Unterschied zur Zeit davor. Doch es gibt Autoren, welche die Vorgabe, neue und alte Leser gleichermaßen zu begeistern, besser hinbekommen als andere. Im Gegensatz zu den Heften gibt es von uns diesen Monat klare Leseempfehlungen bei den Paperbacks.

Wolverine #6 – Die Kinder des Zorns

Nach dem Tod von Wolverine trägt Laura Kinney das Erbe von James Howlett fort. Zusammen mit Daken, Logans Sohn, muss sie sich nun in diesem Legacy-Band einer geheimnisvollen Gruppe mit dem Namen Orphans of X stellen. Diese machen mit tödlichen Kräften Jagd auf die Erben Wolverines. Dabei müssen sich sowohl Laura als auch Akihiro ihrer Vergangenheit und dem Vermächtnis von Waffe X stellen.

In diesem Buch werden viele alte Handlungsstränge aufgegriffen. Zentral ist dabei sogar einer, der eher unbekannt ist: Aus einem Teil von Wolverines Seele schmiedete der Japaner Muramasa ein Schwert, das in der Lage ist, die Selbstheilungskräfte der Mutanten zu unterbinden. Doch auch unbekannte Handlungsstränge sind durch eine geschickte Erzählweise für Neuleser kein Problem. Alles wird erklärt, ohne den Leser zu langweilen. Das Pacing ist gelungen und der Spannungsbogen wird immer aufrechterhalten. Sogar Gabby sorgt diesmal eher für ein Lächeln, als zu nerven. Einzig enttäuschend ist, dass die Handlung mit einem Deus ex Machina aufgelöst wird, was sicher einigen Lesern sauer aufstoßen wird.

Bei den Zeichnungen gefällt mir besonders die Aufteilung der Panels. Der Freiraum zwischen den Bildern wird genutzt, um Enge oder Weite zu vermitteln und für Harmonie oder Disharmonie zu sorgen. Die Figuren sind gut dargestellt, auch wenn die Gesichter teilweise verschroben wirken. Die Kolorierung sorgt für Atmosphäre. Dass die relevanten Plot-Gegenstände in den Farben rot und blau gehalten werden, wirkt dagegen etwas befremdlich.

Dies ist der erste Band, der das Versprechen, das Legacy gegeben hat, vollkommen erfüllt. Er funktioniert für Neuleser und alte Hasen. Erstere werden langsam an alles herangeführt und letztere finden bekannte Fäden, die geschickt zu neuen Geschichten verbunden werden. Die spannende Handlung sorgt dafür, dass man die vorhandenen Macken gerne in den Hintergrund schiebt und sich einfach freut, gut unterhalten zu werden. Die Handlung dreht sich um das Dauerthema, welche Konsequenzen Entscheidungen haben. Das Ende der Geschichte strapaziert die Grenzen der Glaubwürdigkeit. Doch mir hat es trotzdem gefallen. Dies ist eine Wolverine-Erzählung, die ganz ohne den klassischen James Howlett auskommt und dennoch die Essenz der Figur einfängt. Gerne mehr davon.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Tom Taylor
  • Zeichner(in): Juann Cabal
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini Shop, Amazon

 

Spider-Men II – Die Wahrheit über Miles Morales

Auch wenn dieser Band kein offizieller Legacy-Band ist, so wird hier eine Geschichte aufgegriffen, die schon lange nach einer Fortsetzung geschrien hat. In Spider-Men I trafen Peter Parker und Miles Morales zum ersten Mal aufeinander. Waren sie damals noch in unterschiedlichen Universen, ist Miles seit Secret Wars Teil von Earth-616, dem Hauptuniversum. Am Ende dieser Geschichte suchte Peter nach dem Miles Morales von Earth-616. Doch die Frage, ob nun zwei Miles in derselben Welt leben, war bis zum heutigen Tag unbeantwortet.

Bevor Brian Michael Bendis von Marvel zu DC wechselte, schuf er mit diesem Band die Antwort auf die Frage. Dazu kamen Sara Pichelli und Bendis, die gemeinsam Miles Morales entwarfen, nach längerer Zeit wieder zusammen. Die Erwartungshaltung an diesen Comic war also groß. Das ist auch eines der größten Probleme dieser Story. Denn auch, wenn die Handlung halbwegs unterhaltsam ist, schafft sie es nicht, die Erwartungen zufriedenstellend zu erfüllen.

Der Comic beginnt mit Peter Parker und Miles Morales, die kopfüber in einem Flammenmeer hängen. Wie sie dorthin gekommen sind, wird im Laufe der Geschichte in Rückblenden erzählt. Dort sieht man auch, welche Verbindung der 616-Miles-Morales, der ein ganzes Stück älter ist als der uns bekannte Miles, zum Kingpin und zum Taskmaster hat. Der junge Miles Morales bekommt auch noch ein Love-Interest, und zum Ende beschert uns Bendis ein Abschiedsgeschenk, das hier nicht verraten werden soll.

Bendis und Pichelli wissen, wie man eine interessante Geschichte erzählt. Die Erzählweise ist geschickt, und es gibt viele Andeutungen, die alles Mögliche bedeuten könnten. Von diesen Andeutungen bleibt aber vieles im luftleeren Raum und die Verbindungen sind weniger interessant, als sie sein könnten. Wie immer bei Sara Pichelli sind die Zeichnungen sehr stimmungsvoll und wecken Gefühle. Die Figuren werden mit Leben erfüllt. Auch, dass Mark Bagley noch einmal ins Boot geholt wurde, ist eine gute Entscheidung.

Das Problem mit diesem Band besteht darin, dass er inkonsequent ist. Es werden Sachen angestoßen, die später bedeutungslos erscheinen. Alles, was in dieser Geschichte passiert, hat wenig Konsequenzen. Noch dazu wird das, was Konsequenzen haben könnte, nicht logisch aus der Handlung erarbeitet. Falls die Inhalte des Comics irgendwann aufgegriffen werden, wird man sie auch ohne Kenntnis dieses Bandes verstehen. Außerdem bleiben noch viele Fragen offen. Der ganze Band ist leider eine vertane Chance.

Ich kann nur jedem empfehlen, Spider-Men I zu lesen. Wer nach dem Lesen aber erwartet, dass der Cliffhanger am Ende in Spider-Men II sinnvoll aufgelöst wird, wird enttäuscht werden. Spider-Men II ist interessant erzählt, weiß dabei aber nicht wirklich, was er erzählen möchte. Große Fans von Miles Morales werden den Band vermutlich ohnehin lesen. Doch man muss seine Erwartungshaltung stark herunterschrauben, um von dem Comic nicht enttäuscht zu werden.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Brian Michael Bendis
  • Zeichner(in): Sara Pichelli, Mark Bagley
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini Shop, Amazon

 

Venom #3 – Jäger und Gejagte

Eddie Brock hat seit Venom #1 wieder den Venom-Symbionten. In Venom #2 befreite er eine Gruppe Dinosauriermenschen, die mit Hilfe von Curt Connors Formel erschaffen wurden, von ihrem Anführer. Nun macht Kraven Jagd auf die unschuldigen Wesen, die sich in New Yorks Untergrund angesiedelt haben. Da sich Venom schon immer als Beschützer der Unschuldigen gesehen hat, liegt es nun an ihm, die Mensch-Dinosaurier-Hybriden zu schützen und ihrem Ruf nach einem Retter gerecht zu werden.

Die Handlung erinnert mehr an die Teenage Mutant Ninja Turtles als an Venom: Tödlicher Beschützer, nach dem dieser Band im Original benannt ist. Während der alte Venom-Comic aus den 90ern eine der besten Geschichten mit dem außerirdischen Symbionten ist, muss man sich fragen, wo hier das moralische Dilemma ist, das Venom so oft auszeichnet. Die Dinosaurier haben es bei mir nicht geschafft, große Sympathie hervorzurufen. Waren sie im letzten Band noch eine ernstzunehmende Bedrohung, sind sie hier so hilflos, dass sich Eddie im Prinzip alleine Kraven und anderen Jägern stellen muss. Für mich hat die Handlung leider nicht funktioniert: Sie wirkt zum großen Teil unglaubwürdig.

Optisch passt hier alles sehr gut zu einer Geschichte des Antihelden aus dem Weltall. Das Monster, das er ist, sieht so aus, wie man es sich vorstellt. Die Dynamik in den Actionszenen funktioniert. Das spiegelt aber nicht die Handlung der Geschichte wieder, die zu sehr an einen Cartoon erinnert.

Lässt man sich darauf ein, wird man mit einer unterhaltsamen Szenenfolge ohne großen Anspruch belohnt. Wer also nur Action will, wird hier angemessen bedient. Die Nebengeschichte um Lee Price wirkt dennoch ein wenig deplatziert, da sie nur wenig mit der Geschichte in diesem Comic zu tun hat und erst im Folgeband Venom Inc. wieder aufgegriffen wird. Dieser Platz hätte besser genutzt werden können, um der Handlung zusätzliche Würze zu geben. Wer die ersten beiden Bände bereits gelesen hat und mit ihnen zufrieden ist, kann auch hier wieder zugreifen. Ein Seiteneinstieg in diese Reihe ist aber nicht zu empfehlen.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Mike Costa
  • Zeichner(in): Mark Bagley, Paulo Siqueira
  • Seitenanzahl: 100
  • Preis: 12,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini Shop, Amazon

 

Black Panther #5 – Götterdämmerung über Wakanda

Black Panther, von Menschenrechtsjournalist Ta-Nehisi Coates gehört zu den besten Reihen, die Panini momentan im Programm hat. Auch ein schwächerer Band ist immer noch einer der besten Comics, den man bekommen kann. Dennoch habe ich hier nicht die Höchstwertung vergeben. Warum?

Der Band beginnt dort, wo #4 aufgehört hat: Die Götter Wakandas scheinen verschwunden, eine gefährliche Gruppe von Feinden um Ulysses Klaw, Doktor Faustus und Zeke Stane hat gerade die Dora Milaje Aneka und Ayo festgenommen und ein mysteriöser Priester mit dem Namen Ras bekehrt die Bevölkerung zu einem Sefako genannten Gott. Wer genau dahinter steckt und was ihr Plan ist, soll hier aber noch nicht verraten werden. Als Unterstützung ist unter anderem Storm dabei, die in Wakanda immer noch als Göttin verehrt wird und sich T‘Challa langsam wieder annähert. Dazu kommen die neuen Fähigkeiten, die Shuri besitzt, seit sie aus ihrem Koma erwacht ist und als Aja-Adanna das Erbe des Landes bewahrt.

An dieser Erklärung merkt man aber schon: Ohne Kenntnis des Vorgängerbands ist es sehr schwer, den verworrenen Handlungsfäden zu folgen. Auch tauchen Figuren auf, die nur langjährige Marvel-Leser kennen und nicht einmal in unserer Vorstellung von T‘Challa zu finden sind. Vieles wird erklärt, aber das meiste bleibt dem Leser überlassen. Die Reihe gehört zum Anspruchsvollsten, was Marvel zu bieten hat. Doch es ist schlussendlich kein so tiefgehender Stoff wie noch in der Geschichte, die in den Bänden #1–#3 erzählt wurde. Der grundlegende Themenkomplex dreht sich um Religion, Glaube und Macht. Verpackt ist das hier in einem Actiongewand, das zwar dynamisch ist, aber nicht heraussticht. Somit bleibt das Dilemma: Für einen anspruchsvollen Comic geht er einfach nicht tief genug, und für seichte Unterhaltung fordert er zu viel vom Leser.

Dabei ist die Form des Ganzen wirklich gelungen: Die Bilder sind vorzüglich und bringen den Leser tief in das Herz Wakandas. Ein Kapitel funktioniert sogar vollkommen ohne Sprache, und oftmals muss man mehrfach hinschauen, um die Kreativität der Zeichnungen zu erfassen.

Trotz der beachtlichen Dicke habe ich den Band in einem Stück verschlungen. Es wäre sehr enttäuschend, wenn in Zukunft keine Black Panther-Paperbacks mehr erscheinen sollten. Dennoch würde ich jedem empfehlen, mit Black Panther #1 anzufangen. Wenn man davon genauso begeistert ist wie ich, wird man die anderen vier Bände auch lesen wollen. Kein einziger davon ist eine Enttäuschung. Dennoch ist die Story um die Götterdämmung nicht so mitreißend wie die Story um die Volksrevolution.

Die harten Fakten

  • Autor(en): Ta-Nehisi Coates
  • Zeichner(in): Leonard Kirk, Chris Sprouse
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 17,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini Shop, Amazon

 

Fazit des Monats

Mit Black Panther und Wolverine sind diesen Monat zwei wirklich starke Comicbände erschienen. Auch Spider-Men II und Venom haben einen gewissen Unterhaltungswert, obgleich meine Erwartungen an die Bände nicht ganz erfüllt werden konnten. Gerade durch Wolverine #5 wird deutlich, zu was Legacy in der Lage ist.

Schade, dass dieses Potenzial nicht bei allen Comics voll ausgeschöpft wird. Aber noch ist Legacy bei uns nicht abgeschlossen, und im nächsten Monat sind die nächsten Paperbacks angekündigt. Wir werden für euch auch diese Ausgaben in einem Monthly rezensieren, und man darf gespannt sein, wie die Verbindung zwischen Neu und Alt bei Old Man Logan #7, Moon Knight #4 und Doctor Strange #7 klappen wird.

Artikelbilder: Panini Comics
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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