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Timo Leibig hat bereits erfolgreich zahlreiche Romane als Selfpublisher veröffentlicht. Nun erscheint am 24. September sein Verlagsdebüt Nanos bei Penhaligon. Wir haben mit ihm über seinen Werdegang, seinen neuen Roman, Genreklischees, seinen Bezug zur Phantastik, die Suche nach Inspiration und die Arbeit als Verlagsautor gesprochen.

Es gelingt immer noch wenigen Autoren, die Hürde vom Selfpublisher zum Verlagsautor zu überspringen. Manche wollen das auch gar nicht. Timo Leibig hat nun den Schritt zur Veröffentlichung bei Penhaligon gewagt. Dabei bleibt er seinem Hauptgenre, dem Thriller, zwar treu, aber bringt auch einen phantastischen Aspekt in seinen Roman Nanos ein.

Nanos spielt im Deutschland des Jahres 2028, in dem der neue Bundeskanzler Johann Kehlis die Gedanken der Bevölkerung kontrolliert. Dazu benutzt er Nanotechnologie, die er mittels eines Lebensmittelkonzerns unter die Nahrung der Bevölkerung mischen lässt. Nur wenige sind immun und leisten Widerstand. Der frühere Söldner Malek Wutkowski gehört zu den Wenigen, die durch die Gedankenkontrolle nicht beeinflusst werden. Zusammen mit dem Widerstand wird ein kühner Plan entwickelt, um Johann Kehlis zu Fall zu bringen. Dabei gibt es für Malek ein unerwartetes Wiedersehen.

Timo Leibig wurde 1985 geboren und hat interaktives Design studiert. Er hat bereits acht Thriller und einen Fantasyroman veröffentlicht. Mit dem Fantasyroman Die Chroniken von Eduschee landete er auf der Shortlist des SERAPH 2018. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin in Lindau.

Interview

Der Autor

Teilzeithelden: Sie haben bereits mehrere Thriller, aber auch einen Fantasyroman veröffentlicht. Nun kommt mit Nanos ein Science-Fiction-Thriller heraus. Warum haben Sie sich für ein neues Genre entschieden?

Timo Leibig: Ich möchte mich nicht in eine Genrekiste stecken lassen. Stephen King bedient zum Beispiel auch mehrere Genres wie Horror, Thriller und Fantasy und vermischt diese auch. Bei mir ist das ähnlich, ich schreibe einfach die Geschichte, die mich packt, was in diesem Fall ein Science-Fiction-Thriller war. Für meine Werke könnte man als Oberbegriff dunkle Spannung verwenden.

Teilzeithelden: Der Fantasyroman Die Chroniken von Eduschee, den Sie unter dem Pseudonym Timothy Dawson veröffentlicht haben, wäre ja auch Dark Fantasy zuzuordnen?

Timo Leibig: Die Chroniken von Eduschee ist vom Stil her der Reihe Das Lied von Eis und Feuer ähnlich, also keine beschönigtes Mittelalterszenario, sondern eher brutal und düster. Daher auch das Genre Dark Fantasy.

Teilzeithelden: Denken Sie darüber nach, auch noch einen weiteren Fantasyroman zu schreiben oder wird es erstmal mit Nanos weitergehen?

Timo Leibig: Es wird erstmal mit einem zweiten Teil von Nanos weitergehen. Ich werde aber auch sicher zur Fantasy zurückkehren, da das auch mein Lieblingsgenre als Leser ist. Es gab auch schon Gespräche mit Penhaligon zu einem Fantasyroman, aber wir haben uns zunächst für eine Fortsetzung von Nanos entschieden. Diese soll 2019 erscheinen.

Timo Leibig © flownmary – Studio für Gestaltung

Teilzeithelden: Bisher waren Sie Selfpublisher, nun haben Sie bei Penhaligon unterschrieben. Was hat sich für Sie als Autor dadurch geändert?

Timo Leibig: Ich habe mehr Zeit zum Schreiben. Das klingt banal, ist aber ein entscheidender Faktor. Als Selfpublisher musste ich mich auch ums Marketing kümmern und um die Erstellung des Buches, also zum Beispiel die Covergestaltung. Diese ganzen Arbeiten fallen jetzt nicht mehr oder nur noch reduziert an. Bei der Covergestaltung darf ich natürlich mitentscheiden, aber ich muss mich nicht mehr um die Erstellung kümmern. Als Selfpublisher arbeitet man ziemlich alleine. Zwar habe ich die Titel professionell lektorieren lassen, aber man hat keinen Austausch mit einem Team. Bei Nanos konnte ich mit der Literaturagentur, dem Verlag und der Lektorin diskutieren; das ist ein ganz anderes Arbeiten als im Selfpublishing.

Teilzeithelden: Dieser Austausch bereichert also ihre Arbeit als Autor?

Timo Leibig: Ich kenne viele Kollegen aus dem Selfpublishingbereich, denen es nicht gefällt, wenn jemand ihnen reinredet, und die deswegen im Selfpublishing bleiben. Aber ich mag diesen kritischen Austausch, solange er konstruktiv ist, und das war bei Nanos der Fall.

Teilzeithelden: Sie waren auch als Creative Director und Webdesigner bei der Entwicklung von Computerspielen tätig. Gab es da Überschneidungen zu Ihrer Tätigkeit als Autor, haben Sie zum Beispiel die Storys für Computerspiele verfasst?

Timo Leibig: Ich habe interaktives Design in Nürnberg studiert mit Fokus auf die Bereiche Webentwicklung, Game-Design und Text. Im Bereich Text ging es hauptsächlich um Werbetexte, aber man konnte auch freiere Projekte durchführen. Meine Bachelorarbeit im Bereich Game-Design drehte sich dann ebenfalls um Storytelling. In einer Semesterarbeit entstand dann das Konzept für mein erstes Buch, Blut und Harz. Ich entschied mich, das Schreiben weiter zu verfolgen, und publizierte ein zweites und drittes Buch im Selfpublishing bei Amazon, bis ich dann schließlich mit Nanos bei Penhaligon gelandet bin.

Teilzeithelden: Haben Sie noch Zeit für diese Tätigkeiten, oder sind Sie inzwischen ausschließlich Autor?

Timo Leibig: Ich bin ausschließlich Autor; für andere Tätigkeiten bleibt da keine Zeit mehr.

Teilzeithelden: Haben Sie einen guten Rat für junge Autoren, den Sie gerne in der Vergangenheit selbst erhalten hätten?

Timo Leibig: Mir wurde ganz am Anfang meiner Karriere als Autor von einer Bibliothekarin mit dreißig Jahren Berufserfahrung gesagt, es würde sieben Jahre dauern, bis sich eine Bekanntheit als Autor einstellt. Damals habe ich über den Satz gelacht, aber nun bin ich seit fünf bis sechs Jahren im Literaturgeschäft und jetzt kommt überhaupt erst mein Verlagsdebüt auf den Markt. Im Nachhinein betrachtet hat sie Recht gehabt; man braucht Zeit, um etwas zu etablieren. Mein Rat für Einsteiger lautet daher, immer dranzubleiben, viel zu schreiben und immer besser zu werden. Da gelingt irgendwann auch das Debüt.

Teilzeithelden: Also hartnäckig bleiben?

Timo Leibig: Ja. Es ist ein knochenharter Job. Ich schreibe bis auf Sonntag jeden Tag, und auch da häufig. Man kommt nur voran, wenn man hart arbeitet.

Der Roman

Der erste Roman als Verlagsautor.

Teilzeithelden: Auf der Verlagsseite von Random House kann man lesen, dass Sie die Idee für den Roman bereits 2015 während eines Hamburg-Urlaubs hatten. Können Sie das etwas näher ausführen?

Timo Leibig: Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Ich habe selbst früher an Lebensmittelunverträglichkeiten gelitten. Dadurch wurde ich für das Thema Essen sensibilisiert.

Da ich Lebensmittel immer auf Zusatzstoffe prüfen musste, entstand damals die vage Idee, das in einem Roman zu verarbeiten. Auch meine Bedenken hinsichtlich der Lebensmittelindustrie sollten eine Rolle spielen. Was genau dann der Auslöser für die konkrete Idee zu Nanos war, kann ich gar nicht mehr sagen; vielleicht der Besuch des Miniaturwunderlandes oder die Currywurst am Hafen. Auf jeden Fall kam am Hamburger Hafen die Idee, dass man die Gedanken von Menschen mittels über das Essen aufgenommener Nanotechnik manipulieren könnte. Das war dann erst mal nur die Inspiration zum Buch, ohne schon konkrete Figuren im Kopf zu haben.

Teilzeithelden: Das kam dann später?

Timo Leibig: Ja, die Idee zur Hauptfigur Malek Wutkowski kam dann an einem regnerischen Morgen. Ich habe die erste Szene im Buch vor mir gesehen, und so kam dann die richtige Figur zur richtigen Buchidee. Etwas verworren, aber so funktioniert für mich nun mal Kreativität.

Teilzeithelden: Haben Sie sich bei dem Roman auch von Verschwörungstheorien beeinflussen lassen? Gedankenmanipulation durch Essen, Trinkwasser oder beispielsweise Grippeimpfungen sind da ja durchaus bekannte Motive.

Timo Leibig: Ich halte wenig von diesen Verschwörungstheorien, davon habe ich mich eher nicht beeinflussen lassen. Es fließen immer verschiedene Aspekte in den kreativen Prozess ein. Mich hat eher die Nanotechnik und das daraus entstehende Spannungsfeld fasziniert, dass man die Nanoteilchen nicht sehen, aber eine konkrete Wirkung erzielen kann. Es gibt beispielsweise Hemden, an denen Schmutz oder, sagen wir mal, Rotwein einfach abperlt, weil sie mit Nanopartikeln beschichtet sind. Das Hemd an sich sieht aber völlig gewöhnlich aus. Zusätzliche Inspiration und Einflüsse kommen dann noch von Büchern und Filmen, zum Beispiel Der Schwarm von Frank Schätzing oder die Matrix-Trilogie.

Teilzeithelden: Ein großer Mischmasch an Inspiration …

Timo Leibig: Ja, genau, das meinte ich auch mit der „Genrekiste“. Wenn ich eine Idee für einen Thriller habe, die aber gerade hervorragend in ein Fantasybuch passen würde, dann adaptiere ich sie einfach. Meiner Meinung nach sollte man nicht so genrespezifisch denken und auch mal neue Ideen und Konzepte ausprobieren.

Teilzeithelden: Im Nachwort von Nanos schreiben Sie: „wie nah und fern meine Vision doch ist“. Können Sie mir Ihre Recherche zu dem Buch beschreiben und wie dieser Satz gemeint ist?

Timo Leibig: Momentan wird in Großbritannien an einem Joghurt mit Neutralgeschmack geforscht, der mit Nanopartikeln versetzt ist. Ein Stromimpuls sorgt dann dafür, dass der Joghurt eine bestimmte Geschmacksrichtung annimmt, wobei das momentan nur mit süß, sauer oder bitter funktioniert. Die Idee ist, dass man irgendwann im Supermarkt einen neutralen Joghurt kauft und dann vor dem Verzehr einmal auf die Packung drückt, um sich die Geschmacksrichtung auszusuchen. Interaktive Lebensmittel nennt man das. Zudem gibt es noch die Idee einer Vitaminkapsel, die in den Blutkreislauf injiziert wird und dort mittels Nanosensoren erkennt, welche Vitamine der Körper gerade braucht, und diese dann automatisch abgibt. Ich bin mit Nanos der aktuellen Nanotechnik also schon sehr nah; allerdings sind die Funktionsweise des Gehirns sowie die Codierung und Decodierung von Informationen für das Gehirn noch nicht annähernd genug erforscht.

Teilzeithelden: Das wäre dann das „Ferne“ in der Vision?

Timo Leibig: Genau, der Satz hatte aber auch noch einen zweiten Aspekt, den ich im Nachwort auf die aktuellen politischen Entwicklungen bezogen habe. Als ich Nanos geschrieben habe, hatte ich eine Passage über ein zerbrochenes Europa mit nationalistischen Tendenzen verfasst, in dem sich die Länder wieder nur auf sich selbst konzentrieren. Das habe ich alles noch vor Trump und dem Brexit geschrieben.

Teilzeithelden: Der politische Aspekt spielt also auch eine Rolle?

Timo Leibig: Das Politische lasse ich bei dem Buch eigentlich außen vor, aber ich musste mir bei der Weltenerstellung schon überlegen, wie ich mit diesen Tendenzen umgehe. Mein Ziel war, dass sich Nanos für den Leser so anfühlt, als würde der Roman in der Gegenwart spielen, und damit eine latente Bedrohung erzeugt. Also weit ab von einer fernen Zukunft mit interstellarer Raumfahrt und Ähnlichem. Daher steht auf dem Cover auch Thriller und nicht Science-Fiction-Thriller. Der Satz „wie nah und fern meine Vision doch ist“ bezieht sich im Endeffekt sowohl auf den technischen als auch auf den politischen Aspekt, wobei die Technik deutlich im Vordergrund steht.

Teilzeithelden: Auf dem Titel von Nanos prangt ein Aufkleber mit einem Lob von Marc Elsberg, dessen Romane ein ähnliches Thema haben: eine nahe, düstere Zukunft. Wie viel bedeutet Ihnen das?

Timo Leibig: Das bedeutet mir sehr viel, dass einer der größten deutschen Autoren mich als Jungautoren und mein Buch so lobt. Es freut mich sehr.

Spoiler

Teilzeithelden: Wie sind Sie bloß auf die Szene mit den Schafen gekommen?

Timo Leibig: Das kann ich Ihnen nicht wirklich erläutern, wie ich darauf kam. Das ganze Buch ist von dem Kontrast von Analog und Digital durchzogen. Die Konfessoren und das Regime haben das moderne Handy in Form von Uhren, alles sehr digital, und die Rebellion ist im Endeffekt ziemlich analog. Deswegen habe ich damals nach einer Idee gesucht, die analog funktioniert, um diese Befreiungsaktion durchzuziehen. Ich war damals mit dem Auto unterwegs und wurde von einer Schafsherde aufgehalten, die über eine Straße geführt wurde. Man musste anhalten und warten, ehe die Herde komplett durchgezogen war. Das habe ich dann als Inspiration für die Szene genutzt.

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Die Phantastik

Teilzeithelden: Was sind ihre Lieblingsautoren aus dem Bereich der Phantastik?

Timo Leibig: Da habe ich mir eine Liste gemacht. *lacht* Es ist schwierig, es gibt so viele gute Autoren. Als Jugendlicher habe ich viel Wolfgang Hohlbein, Kai Meyer, Markus Heitz und George R. R. Martin gelesen. Später kamen dann noch Stephen King, Tad Williams und Dean Koontz hinzu. Ich lese sehr bunt gemischt und nicht genrespezifisch. Ein großartiger Autor ist beispielsweise Chuck Palahniuk, der Autor von Fight Club. Der Film ist bekannter als das Buch, das aber wahnsinnig inspirierend ist und einen einzigartigen Schreibstil hat. Daher kann ich mich schwer festlegen; ich finde viele Autoren gut, nicht nur wenige.

Teilzeithelden: Was war der letzte phantastische Roman, den Sie gelesen haben?

Timo Leibig: Gerade habe ich angefangen, Die Kathedrale des Meeres von Ildefonso Falcones zu lesen, wobei das ein historischer Roman ist. Das letzte Buch aus dem Bereich der Phantastik war Der Marsianer von Andy Weir. Und zum Lesen liegt hier noch Die Hexenholzkrone von Tad Williams.

Teilzeithelden: Kannten sie Teilzeithelden.de schon vor unserer Interviewanfrage?

Timo Leibig: Tatsächlich nicht, aber ich finde es toll, dass es ein Webmagazin zur Phantastik gibt. In meinem Bücherregal stehen mehr phantastische Bücher als Thriller. Ich suche oft im Internet nach neuen Buchideen zum Lesen; da ist ein Webmagazin, bei dem man sich inspirieren lassen kann, sehr hilfreich.

Teilzeithelden: Vielen Dank für das Interview.

 

Artikelbilder: © Penhaligon Verlag, © flownmary – Studio für Gestaltung, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

 

Über den Autor

David Gieges ist Sohn zweier Buchhändler und hat selbst diesen wunderbaren Beruf ergriffen. Wenig überraschend liebt er Literatur und ist über Tolkien, Perry Rhodan und Douglas Adams zur Phantastik gekommen. Er schätzt  möglichst komplizierte Brettspiele, Pen&Paper und alles, was nerdig ist. David lebt in Hamburg und schreibt neben Artikeln für die Teilzeithelden auch gerne Kurzgeschichten.

 

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