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Ajeri kümmert sich als Hebamme hingebungsvoll um die Schwangeren in Ghor-el-Chras. Shiran arbeitet daran, ein angesehener Arzt zu werden. Als sie jedoch beide zu einer Geburt gerufen werden, geraten sie in Machenschaften, von denen sie nicht einmal ahnten. Es sind nicht nur ihre Leben, die auf dem Spiel stehen.

Ajeri führt kein einfaches Leben: Die Slaventochter wird verdammt von jenen, die sie als Kindsmörderin sehen, und geschätzt von anderen, deren Leben sie gerettet hat. Zu letzteren zählen die Mütter, die sie erfolgreich entbunden hat, und diejenigen Frauen, die ungewollt schwanger wurden und auf ihre Hilfe vertrauen können. Shiran, ein junger Arzt, ist Teil derjenigen, die wohl gut ohne Ajeri auskommen würden. In diesem Fall beruht das jedoch auf Gegenseitigkeit. Die gegenseitige Abneigung ist jedenfalls nicht hilfreich, wenn Ajeri und Shiran zusammenarbeiten müssen, um die Schwangeren und deren Ungeborene zu retten.

Story

Die Schwangeren in Ghor-el-Chras werden von einer unheimlichen Macht heimgesucht, die ihre Föten schwarzmagisch verändert. Aufgrund ihrer Herkunft und ihres Berufs wird Ajeri schnell verdächtigt, dafür verantwortlich zu sein, als sie bei der Geburt eines solch veränderten Fötus‘ zugegen ist. Shiran, der als Arzt hinzugerufen wird, um das Leben der Mutter zu retten, wird schließlich beauftragt, herauszufinden, wer die Mutter verflucht hat. Dabei kreuzt sich sein Pfad immer wieder mit dem Ajeris, die ihre Unschuld beweisen will.

Die Story in Mutterschoß ist spannend und gut zu verfolgen. Ajeri ist eine starke Frauenfigur, mit der ich gerne mitgefiebert habe. Obwohl die Welt nicht freundlich zu ihr ist, geht sie ihren Weg und findet Lösungen, anstatt in Verzweiflung zu versinken. Das bedeutet nicht, dass sie nicht auch ihre Tiefpunkte hat und Hilfe sowie Trost benötigt; beides findet sie in ihrer Partnerin Shanna. Shiran bildet dazu den perfekten Gegenpart. Er ist ein junger Arzt und davon überzeugt, bereits alles zu wissen. Jedoch muss er bald feststellen, dass er eben nicht alles weiß. Seine Überzeugung und eben jene Feststellung stehen oft im Konflikt miteinander. Er ist nicht der sympathischste Protagonist – besonders, wenn er mit Ajeri interagiert – aber gerade das ist sehr erfrischend. Die Spannungskurve steigt bis zum Ende hin kontinuierlich an und gerade durch den Aufbau eines Whodunnit (wer genau ist für die Veränderungen der Föten verantwortlich?) und die damit verbundenen Twists und Überraschung wird die Story nie langweilig.

Schreibstil

Erzählt wird Mutterschoß zum größten Teil aus den Perspektiven von Ajeri und Shiran. Lediglich in wenigen Ausnahmen kommen Nmena, eine schwangere Sklavin, und Milas, vermeintlich ebenfalls ein Sklave. Die Erzählperspektive wechselt durchaus auch mitten im Kapitel, allerdings ruft das keine Verwirrung hervor. Stattdessen ergänzen sich die Perspektiven, um ein informiertes Ganzes zu ergeben.

Es lohnt sich allerdings ein Blick in die Liste der Content Notes, auf die zu Beginn des Buches hingewiesen wird. Experimente, kosmischer und Bodyhorror, antike Medizin, Ableismus, Frauenfeindlichkeit und Rassismus sind nur wenige der verarbeiteten Themen. Insbesondere die schwierigen Geburten werden sehr eindrücklich erzählt; so eindrücklich, dass sie einem nicht vorhandenen Kinderwunsch nicht zwingend zuträglich sind. Gerade angesichts der kürzlichen Gesetzesänderung in Texas ist ein weiteres, wichtiges Thema, das Brandt mithilfe der Charaktere diskutiert, das Für und Wider von Abtreibungen. Die Autorin tut das an dieser Stelle äußerst feinfühlig, aber nachdrücklich. Die Aktualität des Themas verdeutlicht Brandt noch einmal in einem Nachwort, dass ich zu lesen ans Herz lege.

Glaube versus Wissenschaft, Hebammen versus Ärzt*innen, Zugezogene versus Einheimische; dies sind nur drei der Dichotomien, die sich durch Mutterschonß ziehen. Ajeri und Shiran nehmen jeweils eine Position ein und bilden durch ihr Verhalten, ihre Aktionen und Reaktionen einen Dialog, der die Leser*innen zum Nachdenken bringt. Auch die Frage, ob man das Leben weniger Menschen zum Wohle hunderter eintauschen darf, wird gegen Ende des Buches aufgeworfen. Ist es gerechtfertigt, drei Menschen zu töten (oder deren Tod zumindest in Kauf zu nehmen), um die Gesundheit und das lange Leben einer ganzen Stadt zu sichern?

Obwohl im Lektorat sehr sauber gearbeitet wurde, sind mir doch ein, zwei grobe Schnitzer aufgefallen. So sind die Haare von Niseth, Shirans schwangerer Frau, auf derselben Seite erst kastanienbraun und dann schwarz. An anderer Stelle fehlen Wörter am Ende beziehungsweise Beginn eines Satzes.

Die Autorin

Mutterschoß ist nicht der erste Roman, den Elea Brandt veröffentlicht hat. Opfermond, das 2017 erschien, spielt ebenfalls in Ghor-el-Chras. Daneben veröffentlichte die Autorin drei weitere Romane und diverse Kurzgeschichten. In ihrer Freizeit verbringt sie viel Zeit mit RPG und Larp, was sie bereits als Gastautorin zu Teilzeithelden führte.

Erscheinungsbild

Das Cover zeigt einen Vogelschädel auf einem Hexagramm. Obwohl das zunächst sehr willkürlich wirkt, steht es doch im Zusammenhang zur eigentlichen Geschichte. Das Einzige, was leider beim zur Verfügung gestellten E-Book auffiel, sind die Probleme, die mein E-Reader damit hatte. So war das Gerät insbesondere im letzten Viertel des Romans so ausgelastet, dass mehrere Impulse benötigt wurden, ehe es umblätterte, und die Datei mehrfach sogar ganz abstürzte. Die Fehler ließen sich mit keinem anderen auf dem Gerät gespeicherten E-Book wiederholen, sodass ich hier leider keinen Fehler des E-Readers vermuten kann.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Chaospony Verlag
  • Autor*in: Elea Brandt
  • Erscheinungsdatum: Juni 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch und E-Book
  • Seitenanzahl: 442 Seiten
  • ISBN: 978-3-947682-11-9
  • Preis: 14,00 EUR (Print) + 4,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Positiv sei hier auf jeden Fall der Verweis auf die Liste der Content Notes zu Beginn des Buches erwähnt, ebenso das Glossar, das sich am Ende befindet und diverse Begriffe aus der Welt Ghor-el-Chras‘ kurz erläutert. Zudem gibt es ein Nachwort der Autorin, in dem sie, wie oben kurz erwähnt, auf die Aktualität der Abtreibung eingeht.

Fazit

Mit Mutterschoß schafft es Elea Brandt, unbequeme Fragen zu stellen, auf die die Leser*innen selbst ihre Antworten finden müssen. Dabei folgen sie Ajeri und Shiran, zwei sehr unterschiedlichen Charakteren, durch ein Gewirr aus Glauben, Wissenschaft und Feindseligkeit. Nur mit nötiger Exposition erschafft Brandt eine Welt, die sich lebendig von den Seiten abhebt. Leider gibt es noch ein paar Fehler, die dem Lektorat durch die Lappen gegangen sind, das Lesevergnügen aber nicht weiter stören. Die technischen Probleme, die das E-Book verursacht hat, haben jedoch genervt und den Lesespaß deutlich vermindert.

Mit dem Ende lässt die Autorin sich die Möglichkeit offen, weitere Geschichten in Ghor-el-Chras mit Mutterschoß zu verknüpfen. Das Ende ist dabei aber abgeschlossen genug, dass Mutterschoß problemlos losgelöst zu lesen ist.

Der Hinweis auf der Webseite der Autorin, dass Mutterschoß erst für Leser*innen ab 18 Jahren gedacht ist, ist durchaus berechtigt. Die Darstellungen von Bodyhorror, Folter und Sex sind durchaus explizit und die Content Notes ernst zu nehmen. Wer damit umgehen kann oder kein Problem mit solcherlei Inhalten hat, ist herzlich eingeladen, sich Mutterschoß näher anzusehen.

  • Interessante Protagonist*innen
  • Diskutieren wichtiger Themen
 

  • Technische Schwierigkeiten beim E-Book

 

Artikelbilder: © Chaospony Verlag
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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