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Nahezu jedes Franchise, das etwas auf sich hält, veröffentlicht irgendwann ein Trading Card Game. Games Workshop ist mit Warhammer da keine Ausnahme. Der jüngste Spross ist dabei Age of Sigmar: Champions. Wir haben Sigmar in die Karten geschaut und berichten euch, ob sich das neue Spiel lohnt.

Star Trek CCG, Vampire: Jyhad, Star Wars TCG, Final Fantasy TCG – die Liste ließe sich fast beliebig lang fortführen. Kaum eines davon hat längere Zeit durchgehalten oder kann sich mit dem Platzhirsch Magic: The Gathering messen. Einzig Yu-Gi-Oh!, Pokémon und Dragonball konnten sich dauerhaft, mehr oder minder erfolgreich, beweisen.

Einige Franchise-Halter lernten aus den Misserfolgen, wie zum Beispiel Blizzard, die ihr physisches Sammelkartenspiel World of WarCraft einstellten und seit 2014 recht erfolgreich Hearthstone rein digital be- und vertreiben.

Auch Games Workshop versuchte sich an diversen Sammelkartenspielen, mit Warhammer 40.000 CCG, Horus Heresy CCG, War Cry und Dark Millennium. Allesamt konnten dauerhaft keine neuen Anhänger gewinnen und wurden wieder eingestellt.

Mit dem aktuellen Erfolg seiner großen Tabletop-Reihen, startet Games Workshop gemeinsam mit dem jungen Studio PlayFusion einen neuen Versuch: Age of Sigmar: Champions soll schaffen, woran andere Versuche ein neues Sammelkartenspiel zu etablieren gescheitert sind. PlayFusion verantwortete bisher nur Lightseekers, welches im Rahmen eines Crowdfundings realisiert wurde. Mit Age of Sigmar: Champions veröffentlichen sie nun ihr erstes großes Lizenzprodukt. Das Studio selbst wirbt dabei vor allem mit seinem Ziel, analoges und digitales Spiel zu vereinen.

 

Spielprinzip

Das Spielprinzip ist recht simpel gehalten und (zumindest aktuell) auf reine 1-zu-1-Spiele ausgelegt. Eine Multiplayer-Variante soll mit weiteren Editionen (Waves) folgen. Im Mittelpunkt stehen dabei die namensgebenden Champions, der vier großen Allianzen, Ordnung, Chaos, Tod und Zerstörung. Jedes Deck enthält vier von diesen Champions, dabei dürfen nicht mehr als zwei gleiche Champions im Deck sein. Gewisse Champions mit dem Merkmal Unique, sogar nur einmal. Außerdem haben Champions unterschiedliche Punktkosten, diese dürfen in Summe nicht 20 überschreiten.

Jedem Champion wird ein Blessing (Segnung ) verdeckt zugeordnet. Diese gibt es also auch viermal pro Deck und jede darf nur einmal vorkommen.

Der dritte wichtige Karten-Typus sind die Aktionskarten. Davon gibt es pro Deck 30 Stück, wobei jede Karte maximal drei Mal im Deck vorkommen darf. Die Aktionskarten wiederum unterscheiden sich in Units, Spells und Abilities. Während die ersten beiden über mehrere Runden im Spiel bleiben, sind Abilities eher Instant-Zaubersprüche, die sofort nach ihrem Effekt auf den Abwurfstapel kommen. Die Kartentypen haben dabei unterschiedliche Fähigkeiten, die auch aus anderen Sammelkartenspielen bekannt sind, von Schaden zu Heilung, zu Schadensverhinderung, Karten aus dem Spiel entfernen, Karten in ihren Handlungen einschränken, Karten ziehen. Alles ist dabei. Spannend ist besonders, dass manche Karten Auswirkungen auf bestimmte andere Karten im Spiel haben. Dies ist durch ein Symbol auf den jeweiligen Karten klar gekennzeichnet. Somit ergeben sich interessante taktische Kombinationen von Karten.

Vier Champions sollt ihr sein – der Spielablauf

Vier und acht haben ja durchaus eine gewisse Bedeutung in Warhammer, vielleicht liegt es daran, dass pro Seite vier Champions und vier Blessings gespielt werden. Zu Spielbeginn werden in fester Reihenfolge abwechselnd die Champions offen platziert. In einer Reihe darunter folgen verdeckt die Blessings. Nun werden die Gesundheitswerte der Helden addiert und zum Startwert von 30 hinzugefügt (oder abgezogen). Ein Wert von 35 kann dabei nie überschritten werden. Der Spieler, der beginnt, zieht nun verdeckt vier Aktionskarten, der andere Spieler fünf. Pro Runde hat ein Spieler zwei Aktionen, für die er Units, Spells, Abilities oder spezielle Fähigkeiten, zum Beispiel von seinen Champions, aktivieren kann. Units kann man dabei nur bei Champions des Typs Warrior platzieren, Spells bei Wizards und Abilities können entweder für je eine Klasse oder beiden Klassen gespielt werden. Manche Champions haben beide Klassen. In der Regel kann vor einem Champion nur eine Unit oder ein Spell liegen, wobei es hier durchaus Karten gibt, die eine Ausnahme zulassen. Während Abilities gleich ihre Wirkung entfalten und dann sofort auf den Abwurfstapel wandern, bleiben Units und Spells im Spiel. Ein Text auf der Karte erklärt die Wirkung der Karte und ein Symbol, in bis zu vier Ecken, gibt einen Wert an. Dieser Wert kann für Schaden, Heilung, Schadensreduzierung, Karten abwerfen oder Karten ziehen stehen. Ein weiteres Symbol erläutert, welche Spielfelder ggf. von einer Fähigkeit betroffen sind. Hat man nun noch Aktionen übrig, kann man am Ende der Runde Karten ziehen. Somit gibt es kein automatisches Karten ziehen wie bei vielen anderen Spielen.

Läuft bei Chaos

Round and round it goes

Ein wichtiger Mechanismus im Spiel ist das Drehen von Karten. Entweder in jeder Runde oder nach bestimmten Kriterien. Liegen zu Beginn der Runde nun Karten vor den Champions, werden sie gemäß den Anweisungen des Spiels gedreht. Erscheint dabei in der oberen linken Ecke wieder ein Symbol mit Zahl, macht die Karte einen Effekt mit diesem Wert. Manchmal ist dort aber auch keine Zahl, sondern ein X, dann passiert nichts. Ist nach dem Drehen in einer Ecke kein Symbol mehr, dann ist die Unit oder der Spell erschöpft und kommt auf den Abwurfstapel. Gespielt wird dabei immer von links nach rechts.

Ziel ist es entweder den gegnerischen Spieler auf 0 Lebenspunkte zu reduzieren oder sein Deck zu lehren und dann ggf. noch ein paar Runden zu überstehen, bis er keine Karten mehr auf der Hand hat und auch kein Blessing mehr deaktivieren kann.

Sei gesegnet im Namen von Slaanesh

Apropos Blessing. Neben den Fähigkeiten der Champions selbst, ist jedem noch eine Segnung zugeteilt. Diese werden aktiviert, wenn der Champion spezielle Aufgaben erfüllt hat. Diese ergeben sich aus den vier Ecken der Championskarte. Wird ein Missionsziel erfüllt, zum Beispiel mit diesem Champion eine Unit zu platzieren, dreht sich die Karte und eine nächste Aufgabe wird fällig. Hat der Champion sich auf diese Weise einmal um 360° gedreht, wird das Blessing aktiviert. In der Regel sind diese durchaus deutlich spielbeeinflussend, so dass sich eine Aktivierung meist lohnt. Manche Effekte sind einmalig, manche für ein paar Runden und einige für das ganze Spiel.

 

Ausstattung

Spielmatten inklusive

Eine Boosterpackung enthält 13 Karten. Davon ist mindestens eine foil. Natürlich gibt es auch Commons, Uncommons, Rares und seltene Uniques. Zusätzlich sind auch Karten für digitale Inhalte enthalten. Dazu später mehr. Mit 278 Karten in der ersten Edition kann man auch schon ordentlich etwas anfangen. Mit circa 3,30 EUR für physische Booster, ist das Spiel etwas teurer als der Szeneprimus.

Wirklich lohnenswert sind die Kampagnendecks. Für jede der vier Allianzen gibt es ein solches, die neben einem sofort spielbaren Deck, einen Booster, ein umfassendes Regelwerk, eine Spielmatte und zwei Lebenspunktzähler enthalten. Diese sind mit 15 EUR auch preislich sehr attraktiv für diesen Inhalt.

Die Karten sind hochwertig und sind auf der Rückseite für den guten Halt leicht aufgeraut. Die Artworks haben die gewohnte Games Workshop-Qualität. Das mag aber auch daran liegen, dass so ziemlich alle Kartenbilder aus Armeebüchern und Regelwerken stammen. Außerdem darf man sich auf viele Einheiten und beliebte Helden aus Age of Sigmar freuen, so ist zum Beispiel, bereits in Wave 1 (die erste Edition) Archaon enthalten.

Mit je einem Kampagnendeck können zwei Spieler sofort loslegen und die ersten Testspiele zeigen eine durchaus gelungene Balance zwischen den Decks. Man findet auch durchaus Eigenheiten der jeweiligen Allianz im Spiel wieder, was verschiedene strategische Spielweisen erlaubt. Dennoch scheint ein leichter Vorteil bei den Decks von Ordnung und Chaos zu liegen.

Leider sind die Preise bei Amazon recht hoch und man zahlt um die 36 EUR für ein Kampagnendeck.  Bei einschlägigen Händlern wird man aber auch günstigere Angebote, zu den oben genannten Preisen, bekommen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: PlayFusion
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Englisch
  • Spieldauer: 15-20 Minuten
  • Spieleranzahl: 2
  • Alter: 12+
  • Preis: 3,30 EUR Boosterpack / 14,50 EUR (Kampagnendeck)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Das Spiel gibt es auch als kostenlose App. Hier erhält man alle vier Kampagnendecks gratis, sowie auch regelmäßig Boosterpacks als Belohnung für erfüllte Aufgaben. Ein digitales Booster enthält jedoch nur fünf Karten und hat einen Kaufpreis von rund 2,29 EUR.

Daneben gibt es die üblichen Inhalte, wie besondere Avatare, digitale Spielmatten oder seltene Karten. Diese kann man zwar auch durch mühsames Sammeln von InGame-Währungen freischalten, aber wie immer, ist man mit etwas Geld schneller. Wer rein digital spielen will, wird von der langsamen Geschwindigkeit, in der man neue Karten erhält, vielleicht abgeschreckt sein. Das machen Gwent und Hearthstone besser. Schön ist allerdings, dass pro Kampagnendeck ein Tutorialspiel durchgeführt wird, so dass die Regeln alsbald gut sitzen.

Deck 4.0

Boostercards für digitale Inhalte

Wirklich interessant machen die App, zwei andere Fähigkeiten. Zum einen kann man seine analogen Karten mit der App einscannen, um sie auch digital in der App zu spielen. Da jede einzelne Karte einen individuellen Code hat, sind das auch tatsächlich die eigenen Karten. Niemand anders kann diese Karte mehr einscannen. Gleichwohl kann ich die Karte aus der App entfernen und jemand anderes geben. So besteht die Möglichkeit, nur physisch zu tauschen oder physisch und digital. Ein interessanter Mechanismus, der Spielern erlaubt, ihr Deck wirklich überall dabei zu haben.

Zum anderen möchte das System die Interaktion zwischen App und analogem Spiel fördern. So gibt es spezielle Boosterkarten, die ein Spieler zwar für sich beansprucht, aber unbegrenzt oft auch von anderen Spielern gescannt werden können. Je öfter die eigenen Karten gescannt werden, desto mehr digitale Booster und Belohnungen bekommen der Spielende. Auch die anderen Spieler bekommen dadurch nach und nach mehr digitale Booster. Im Netz findet man zahlreiche Spielende, die ihre Boosterkarten als Foto zur Verfügung stellen.

Die App gibt es aktuell für iOS und Android. Eine Version für den PC soll eventuell noch folgen.

Fazit

Age of Sigmar: Champions verspricht kurzweilige Unterhaltung mit taktischem Anspruch. Durch zahlreiche Mechanismen werden Powergaming oder Erste-Runde-Killer-Combos vermieden. Wer solche Spiele bevorzugt, wird mit AoS: Champions vermutlich nicht glücklich.

Abseits dessen birgt das Spiel überraschenden taktischen Tiefgang. So muss man nicht nur mehrere Runden im Voraus planen, sondern sich auch entscheiden, ob man lieber Karten zieht oder handelt. Ob man kurzfristige Erfolge, der Erfüllung von Missionen des Champions vorzieht oder auch mal die Positionen seiner Champions wechselt, um daraus einen Vorteil zu schaffen. Noch nicht mal davon geredet, zu überlegen, welche Fähigkeiten auf welche Champions noch zusätzliche Auswirkungen haben und wie man diese optimal einsetzt. Dies sind aber nur ein paar der Gedanken, die man sich machen muss, wenn man das Spiel strategisch angehen will.

Wer also gerne mehr als eine Handvoll Runden spielt und Spaß daran hat auch ein paar Runden in die Zukunft zu denken, wird mit Age of Sigmar: Champions definitiv seinen Spaß haben. Auch für Anfänger eignet sich das System. Einfache Regeln und eine wirklich ausgezeichnete Spielanleitung in den Kampagnendecks, machen den Einstieg in das Spiel oder Sammelkartenspiele allgemein, sehr leicht.

Ob sich jedoch das Spiel lange halten kann, muss sich zeigen. Dafür fehlt ein Multiplayer und eine wachsende Event- und Turnierszene. Um maßgeblich über die App neue Spieler zu ziehen, gibt es zu langsam Karten, ohne Geld auszugeben.

Nichts desto trotz wurde hier ein grundsolides und spaßiges Spiel entwickelt, dass besonders Casualspieler und Einsteiger ansprechen dürfte und durchaus Potential für ein Turnierformat hat.

Artikelbild: ©PlayFusion, Teilzeithelden

Dieses Produkt wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt.

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