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2016 kam das Globalstrategiespiel Stellaris auf den Markt. Seitdem wurde das neue Flaggschiff aus dem Hause Paradox Interactive bereits zahlreichen Verbesserungen und Überarbeitungen unterzogen. Nach mehreren Erweiterungen, die Schwarmbewusstseine, Maschinenreiche und zuletzt den mysteriösen L-Cluster ins Spiel brachten, richtet sich das Augenmerk der Entwickler nun auf die Erkundung des Weltraums.

Von Anfang an wollte Stellaris mehr sein als nur ein Sci­Fi-Spiel, bei dem es darum geht, wer am schnellsten die Landkarte in seiner Farbe anmalen kann. In der Tradition seiner anderen Eigenentwicklungen wie Europa Universalis oder Victoria ging es dem schwedischen Entwicklerstudio immer darum, seinen Spielen Komplexität und Tiefe mit auf den Weg zu geben.

Noch stärker als bei anderen Spielen sollte dem Spieler dabei die Möglichkeit gegeben werden, eine Geschichte im Stile klassischer Space Opera zu erleben und mitzuschreiben. Die Galaxis, die es beim Schreiben dieser Geschichte zu erkunden und zu beherrschen gilt, war dabei schon immer voller antiker Wunder und rätselhafter, gefährlicher oder kurioser Objekte, vom Weltraumdrachen bis zu Datenswiedergabeeinheiten, die auf olfaktorischer Basis funktionieren und durch Verdauungsnebenprodukte gespeist werden.

Die Galaxis war also nie leer, der Spieler stieß mit seiner Spezies nie in jungfräuliches Neuland vor, sondern erforschte eine Spielwelt, in der bereits seit Millionen von Jahren andere intelligente Spezies aktiv waren und zumindest ihre Spuren hinterlassen hatten. Diese Spuren zu entdecken und zu verstehen ist der Kern der neusten Erweiterung Ancient Relics. Die Erweiterungen zu Stellaris bestehen einmal aus DLCs, die exklusive Spielinhalte und meist auch Änderungen der Spielmechanik in größerem Umfang hinzufügen, und sogenannten Story Packs, die die Spielmechanik nicht stark ändern, aber bestehenden Elementen mehr Tiefe und Komplexität geben, indem sie „Geschichten erzählen.“

Paradox Interactive, Stellaris, DLC, PC, Erweiterung, Science-Fiction, Globalstrategiespiel

Die Erweiterung

Ancient Relics ist ein solches Story Pack. Es richtet den Fokus darauf, dass man sich als Spieler mit seinem Reich in einer uralten Galaxis voller Wunder und Schrecken wiederfindet. Bisher bestand das Erforschen des Weltraums lediglich aus dem Erkunden von Systemen, dem Auffinden von Anomalien, die man untersuchen konnte, und darauf aufbauend aus Forschungsprojekten. Diese brachten nach ihrem Abschluss gewisse Boni und Schätze in Form von Rohstoffen, Forschungspunkten oder Objekten, die je nach Spielphase wertvoll oder reine Museumsstücke waren.

So spannend und kurzweilig diese Art der Weltraumerkundung war, so fehlte ihr doch ein bisschen das Gefühl, wirklich zu forschen. Sowohl Anomalien als auch Forschungsprojekte überließen zu viel des Geschehens anhaltslos der Fantasie der Spieler. Man konnte sich das fieberhafte und anstrengende Wirken seiner Forscher zwar gut vorstellen, aber letztendlich blieb es bloße Vermutung.

Genau hier setzt nun das Story Pack Ancient Relics an. Es ergänzt Anomalien und Forschungsprojekte um eine weitere, wesentlich detailreichere und langfristiges Engagement fordernde Art, die Geheimnisse des Weltraums zu entschlüsseln. Erreicht werden soll dies durch Ausgrabungen, Relikte, neue Vorläufer, Artefakte und Reliktwelten.

Jedes Kapitel einer Grabung ist so gefährlich wie gewinnbringend.

Archäologie ist keine exakte Wissenschaft: Auf Grabung zwischen den Sternen

Kern der Erweiterung ist dabei die archäologische Ausgrabung, die eine komplett neue Mechanik der galaktischen Forschung ins Spiel bringt. Auf jeder erkundeten Welt kann ein potenzieller Befund entdeckt werden, der dann von einem Forscher mittels Grabung untersucht werden muss. Eine solche Ausgrabung besteht jeweils aus mehreren Kapiteln, die unterschiedliche Herausforderungen, generell ansteigende Schwierigkeiten und jeweils eigene Belohnungen enthalten.

Jedes Kapitel wird vom Forscher so lange untersucht, bis er es abgeschlossen hat. Entscheidend ist dabei die Fähigkeitsstufe des Forschers und die Schwierigkeit des Kapitels. Die Differenz davon wird mit einer zufälligen Würfelnummer addiert. Überschreitet die so gewonnene Summe einen gewissen Wert, so ist das Kapitel erfolgreich abgeschlossen. Eine nicht erfolgreiche Untersuchung eines Kapitels kann dabei sowohl den Tod des Forschers zur Folge haben oder aber Hinweise liefern, die die Chancen eines Erfolgs im weiteren Verlauf der Ausgrabung erhöhen.

Hinweise werden auf das Fähigkeitslevel eines Forschers hinzuaddiert, was die Chance eines Erfolgs erhöht. Jedes erfolgreich analysierte Kapitel bringt die Ausgrabung einen Schritt weiter, bis am Ende das komplette Wissen aus der Grabung gewonnen wurde. Das kann so ziemlich alles sein, von wertvollen und mysteriösen Artefakten bis hin zu Boni für Forschung. Neben den gewöhnlichen Ausgrabungen gibt es aber noch weitere, besondere Grabungen. Diese umfangreichen und komplizierteren Grabungsketten, die vor allem bei Vorläuferentdeckungen oder auf Reliktwelten zustande kommen, sind zugleich das Vielversprechendste und das Gefährlichste, auf das die eigenen Forscher und Entdecker in den Weiten des Weltraums treffen können.

Umso mächtiger sind dafür aber auch die Relikte, die man im Zuge dieser Grabungen finden (und hoffentlich behalten) kann. Materieduplikatoren oder die Fähigkeit, bereits sehr früh im Spiel, Planeten quasi kostenlos und schnell in besonders lebensfreundliche Gaiawelten terraformen zu können, sind nur zwei Beispiele, warum man die Kunstform der Archäologie nicht hoch genug schätzen kann.

Nicht jede Grabung gibt am Ende ihre Schätze und Geheimnisse so leicht Preis.

In einer Galaxie vor unserer Zeit: Baol und Zroni

Zusätzlich zu den bereits bekannten ausgestorbenen Vorläuferrassen kommen nun noch zwei weitere Vorläuferrassen ins Spiel, nämlich die Baol und die Zroni. Erstere waren (oder sind?) ein Schwarmbewusstsein von denkenden und fühlenden Pflanzen, letztere ein mächtiges psionisches Volk, das als erstes in den Schleier vordrang und womöglich sogar in gewissem Zusammenhang zu den Ungebetenen, einer der dreieinhalb Endgamekrisen, steht.

Die Forschungsreihe um die Vorläufer besteht nun nicht mehr wie bisher aus sechs Anomalien, die entdeckt und erforscht werden müssen, um Spezialprojekte zu entwickeln. Dabei war das Problem, dass bei dicht bevölkerten Galaxien gar nicht genug Anomalien gefunden werden konnten, um genug Vorläuferartefakte zu entdecken und deren Heimatwelt zu finden.

Nun jedoch langt ein Fund. Sobald dieser vollständig archäologisch untersucht wurde, hat man genug Hinweise, um die nächste Fundstelle auszumachen. So nimmt man also an einer großen Schnitzeljagd teil, an deren Ende dann das Geheimnis um das Schicksal der betreffenden Vorläuferspezies enthüllt werden kann.

Durch die Aktivierung dieses Relikts erlangt unser Reich einen gewichtigen Vorteil.

Jäger des verloreneren Schatzes: Relikte

Sie sind das, worauf jeder Archäologie hofft, das galaktische Äquivalent des Heiligen Grals oder der Bundeslade. Manche Grabungen enthüllen nicht nur kleinere Artefakte und antikes Wissen, die dem Projekt-Hiwi vielleicht seine Doktorarbeit ermöglichen. Manche Ausgrabungen bringen wahre Sensationen ans Licht, die das Potenzial haben, das Antlitz der Galaxis zu verändern oder sich zumindest perfekt an der Wand hinter dem Schreibtisch des amtierenden Staatschefs machen.

Von den Überresten ausgestorbener Vorläuferspezies bis hin zu unfreiwilligen Gästen aus anderen Dimensionen oder gar der sagenumwobenen Galatron warten zahlreiche machtvolle Objekte darauf, entdeckt und gesichtet zu werden. Jedes davon kann gegen einen vergleichsweise niedrigen Preis vom Spieler aktiviert werden und bringt dann eindrucksvolle Boni für den Besitzer, die von zusätzlichem Einfluss über niedrigen Konsumgüterbedarf bis hin zu billigem Sofortterraforming aller Planeten zu besonders lebensfördernden Gaiawelten reichen.

Das gehört in ein Museum: kleinere Artefakte

Doch Ausgrabungen bringen nicht nur große und spektakuläre Funde hervor, die später wahlweise triumphierend in der Eingangshalle des Galaktischen Senats präsentiert oder in eine Eindämmungsbox verpackt von Sektion 31 im Subraum gelagert und vergessen werden.

Während sich der eigene Forscher in einer Windeseile zum verschütteten Bunkertor buddelt, hinter dem er längst vergessene Technologien vermutet (statt der degenerierten und nach tausend Jahren in Abschottung ein bisschen ausgehungerten Mutantenhorde, die in Wirklichkeit dahinter wartet), findet er auch jede Menge kleinerer Artefakte. Diese haben zwar einen gewissen wissenschaftlichen Wert, sind jedoch nicht bedeutend genug, um sich ausführlich mit ihnen zu beschäftigen.

Aber bevor der Infinity-Stein als Türstopper endet, weil sich sein grünes Leuchten leider mit der giftgrünen Tunika des Forschers beißt und der Platz als Briefbeschwerer schon durch einen bajoranischen Drehkörper eingenommen wird, hat man als Spieler glücklicherweise eine weitere Möglichkeit, aus den Artefakten Nutzen zu ziehen. Man kann sie als seltene Ressource nutzen. Analysiert man mehrere Artefakte gleichzeitig oder spendet sie einem Museum, so kann man temporäre Boni erringen, die etwa die Einigkeitsproduktion eines Planeten steigern oder den Konsumgüterverbrauch reduzieren.

Um ein Kapitel der Grabung erfolgreich abzuschließen benötigt man einen guten Forscher und zahlreiche gefundene Hinweise.
Um ein Kapitel der Grabung erfolgreich abzuschließen benötigt man einen guten Forscher und zahlreiche gefundene Hinweise.

Sie ist tot, Jim…: Reliktwelten

Zwischen gewöhnlichen Grabungsstellen überall in der Galaxis können die Forscher, die wir mutig ins Unbekannte schicken, auch auf ganz besondere Welten treffen. Zwischen den Sternen warten die ausgestorbenen und vermutlich verlassenen Welten ehemaliger Hochkulturen darauf, entdeckt und untersucht zu werden.

In den stählernen Gerippen einst pulsierender Zivilisationen warten nun die Geheimnisse und die Schätze mysteriöser und fremdartiger Wesen darauf, entdeckt und genutzt zu werden. Von gewaltigen Forschungsboni über wertvolle Mineralienlager und so rätselhafte wie effiziente Kraftwerke bis hin zu einzigartigen Relikten bieten diese Welten alles, was das Herrscherherz begehrt. Davon abgesehen fördern die Hinterlassenschaften der Vorbesitzer auch passiv den Forschungsoutput einer möglichen Kolonie auf einer dieser Welten.

Fazit

Die Erweiterung Ancient Relics ergänzt den Teil des Spieles, der ohnehin schon das Alleinstellungsmerkmal dieses Globalstrategiespiels aus dem Hause Paradox Interactive ausmachte.

Das Gefühl des Wunderns und des Staunens ob der Schönheit und des Alters des Universums machen den Unterschied zu herkömmlichen Strategiespielen. Auch wenn dieser Teil bereits komplex und spannend war, so tut ihm diese Erweiterung sehr gut. Die zusätzliche Tiefe und zahlreiche neue Events sowie vor allem die neue Archäologiefunktion lassen den Spieler die Erkundung des Weltraums an vorderster Front miterleben.

Die ausführlichen und detailreich beschriebenen Kapitel jeder Grabung lassen das Gefühl entstehen, selbst mit dabei zu sein und durch die Straßen längst toter und unglaublich fremder Zivilisationen zu wandeln, während zwei violette Sonnen am Himmel um die Wette strahlen. Die Reliktwelten sind Anreiz zum Forschen und durch ihre Bedeutung potenzieller Zankapfel zwischen verschiedenen Reichen, was auch der diplomatischen Interaktion der Reiche in der späteren Spielphase etwas förderlich wird.

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Diese einzige Schwachstelle von Stellaris, die zuletzt eher langsam als sicher behoben wurde, wird aber hoffentlich in den kommenden Updates endgültig gelöst. Die kleineren Artefakte, die man auffinden kann, lassen auch vermeintlich unwichtigen Grabungen eine größere Bedeutung zukommen und ergänzen die bestehende Palette an Rohstoffen um eine weitere, die dahingehend einzigartig ist, dass sie nicht künstlich hergestellt werden kann und somit endlich ist.

Die zu entdeckenden Relikte locken die Spieler nicht nur schneller und weiter in die Weiten des Weltraum als je zuvor, sie geben auch ungewöhnliche Boni und ihren Besitzern so eine eigene Geschichte, die sie von anderen Reichen deutlicher unterscheidet.

Der Ablauf einer Grabung ist gelungen und so spannend wie leicht nachzuvollziehen. Ein Kritikpunkt hier ist aber, dass dadurch die Ausgrabung etwas zu offensichtlich künstlich und damit teilweise steril ist. Hier wäre es eventuell die bessere Wahl gewesen, die Würfelwürfe verdeckt stattfinden zu lassen und nur das Ergebnis kombiniert mit einem Ereignis, das Hinweise auf die wirkenden Modifikatoren gibt (vergleichbar etwa mit den Belagerungsevents aus Europa Universalis oder den Schlachtereignissen aus Hearts of Iron) anzuzeigen.

Insgesamt ist das Story Pack Ancient Relics aber gelungen und ergänzt das Hauptspiel so sinnvoll wie atmosphärisch schön.

Artikelbilder: © Paradox Interactive
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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