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Wikinger erfreuten sich in Brettspielen schon immer gewisser Beliebtheit. Mit der Erfolgsserie Vikings scheinen die Männer und Frauen mit Helm und Axt nochmal einen Popularitätsschub bekommen zu haben. Das merkt man auch auf dem Markt, der immer neue Spiele rund um die Wikinger bereithält. Dazu gehört auch Champions of Midgard.

Der Jarl von Trondheim ist tot. Ohne Anführer herrscht Chaos in eurer Stadt, und diesen Umstand wollen bedrohliche Bestien aus allen Ecken der Welt nutzen, um eure Heimat dem Erdboden gleich zu machen. Die Trolle stehen schon direkt vor den Toren eurer Stadt. In den nördlichen Bergen lauern Gefahren von Draugarn (untoten Kreaturen), und im Süden warten andere gefährliche Monster darauf, nicht nur euresgleichen, sondern auch Händler und andere Reisende samt ihrer Schiffe in den Abgrund zu reißen. Zeit, dass sich was ändert. Zeit, dass sich ein neuer Jarl aus den Reihen der mutigsten Wikinger eurer Stadt erhebt und diesem Schrecken ein Ende bereitet.

In Champions of Midgard übernehmen zwei bis vier Spieler die Rolle von Wikingeranführern und versuchen, durch das Gewinnen von Ruhm (Punkten) die Gunst des Volkes auf ihre Seite zu bringen und zum neuen Jarl ausgerufen zu werden. Ruhm erhält man hauptsächlich durch das Besiegen von Monstern. Allerdings darf man dabei keinesfalls Nahrung, Geld oder die Gunst der Götter außer Acht lassen, die auf dem Weg zum großen Ruhm wichtige Bestandteile sind. Wer nach acht Runden den meisten Ruhm erlangt hat, darf sich als Champion von Midgard bezeichnen.

Wer von euch wird der neue Jarl?
Wer von euch wird der neue Jarl?

Spielablauf

Ein echter Anführer würde seinem Ruf nicht gerecht, wenn er nicht eine Spezialfähigkeit besitzen würde. Champions of Midgard macht da keine Ausnahme. So sucht sich jeder zu Beginn einer Partie einen von fünf individuellen Anführern aus und nimmt sich das entsprechende Tableau sowie die dazugehörige Ausstattung, wie unter anderem seine Arbeiter. Danach wird das restliche Spielmaterial auf bzw. neben dem Spielplan verteilt, ehe die Suche nach dem Nachfolger des alten Jarls beginnen kann.

Wer an der Reihe ist, platziert einen seiner Arbeiter auf ein Aktionsfeld auf dem Spielplan. Ein Hauen und Stechen um die vermeintlich besten Felder ist also von Anfang an vorprogrammiert, und nicht selten wird man sich ärgern, wenn der Mitspieler vor einem genau das Feld besetzt hat, welches man sich für seinen eigenen Spielzug bereits ausgeguckt hatte. Handelt es sich um einen braunen oder blauen Standort, dann wird dieser sofort abgehandelt.

So kann man sich zum Beispiel beim Speerbauer die darauf befindlichen Speerkämpfer nehmen, während man beim Runenschmied eine Runenkarte erhält, die eine einmalige Sonderaktion erlaubt. Grundsätzlich hat an jedem Standort nur ein Arbeiter Platz. Sind mehrere Plätze verfügbar, dann ist dies auch entsprechend gekennzeichnet. Blaue Standorte unterscheiden sich von den braunen lediglich dahingehend, dass bei der Vorbereitung auf eine neue Runde diese Standorte mit Spielmaterial (Kämpfer, Nahrung, etc.) befüllt werden.

Auf diesem großen Spielplan spielt sich alles ab.
Auf diesem großen Spielplan spielt sich alles ab.

Die roten Kampfstandorte werden dagegen erst abgehandelt, nachdem alle ihre Arbeiter eingesetzt haben. Mit einem Arbeiter auf einem Kampfstandort sichert man sich zunächst einen Platz, um später gegen eines der verschiedenen Monster in der Welt von Champions of Midgard zu kämpfen Die Plätze sind allen ausliegenden Monstern zugewiesen. Man muss sich also schon während der Arbeitereinsetz-Phase entscheiden, gegen wen man später kämpfen möchte.

In jeder Runde gibt es genau einen Troll, zwei Draugar und je nach Spieleranzahl bis zu vier weitere Monster, die man allerdings nur per Schiff erreichen kann. Alle gelb, blau oder rot umrandeten Kreaturen bringen Ruhm, wobei die weiter entlegenen Monster besonders lukrativ sind, da sie nicht nur besonders viel Ruhm bringen, sondern auch Gunstmarker, die einem im Kampf eine wertvolle Hilfe sein können. Draugar bringen zusätzlich Gold, Trolle dagegen Holz. Doch wenn das Bezwingen der Letzteren nicht ganz so ertragreich erscheint, da es nicht einmal viel Ruhm bringt, kann es am Ende den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen.

Denn wenn in einer Runde niemand gegen den Troll kämpft, erhalten alle einen Schandmarker. Wer aber den Troll besiegt, darf nicht nur einen eigenen Schandmarker abwerfen, sondern auch einem Mitspieler einen solchen geben. Je nach Anzahl an Schandmarkern erhält man am Ende des Spiels Minuspunkte. Nicht bekämpfte Trolle und Draugar werden in der nächsten Runde durch neue ersetzt. Besiegte Monster jeden Typs darf man in seinen Vorrat nehmen, da sie am Ende weiteren Ruhm bringen können.

Draugar bringen neben Ruhm auch immer Geld.
Draugar bringen neben Ruhm auch immer Geld.

Gekämpft wird in Champions of Midgard mit Würfeln. Es gibt weiße (Schwertkämpfer), rote (Speerkämpfer) und schwarze Würfel (Axtkämpfer). Jeder Würfel zeigt eine bestimmte Anzahl seines entsprechenden Waffensymbols (zum Beispiel einen Speer oder zwei Äxte), einen Schild oder gar nichts. Jeder Gegner hat einen Angriffs- und einen Verteidigungswert, und manche erlauben nicht den Einsatz eines bestimmten Kämpfertyps. Wer zuvor einen Arbeiter an einem Standort für ein Monster platziert hat, darf, nachdem alle ihre Arbeiter eingesetzt haben, diesem Standort Kämpfer/Würfel zuweisen und würfeln, wenn sein Kampf an der Reihe ist. Angriff und Gegenangriff passieren immer gleichzeitig, wobei der Angriff zuerst abgehandelt wird.

Für jedes Waffensymbol erleidet das Monster einen Schaden, für jeden gewürfelten Schild wehrt man einen Schaden ab. Hat ein Draugr also zum Beispiel einen Angriffswert von zwei sowie einen Verteidigungswert von drei und man würfelt drei Äxte aber keine Schilde, dann hat man zwar den Draugr besiegt, verliert aber selbst zwei seiner Kämpfer.

Für die Monster im Süden muss man zusätzlichen Aufwand aufbringen, um gegen sie antreten zu können. Denn diese erreicht man nur mit einem Schiff. Entweder man wählt eines der verfügbaren Gemeinschaftsschiffe oder eines der Langschiffe, das man in einem vorherigen Spielzug käuflich erworben hat. Jedes Schiff hat eine bestimmte Kapazität für Krieger und Nahrung. Nahrung wird benötigt, damit eure Kämpfer auf hoher See nicht verhungern. Doch auch wenn ihr eure Reise noch so gut geplant habt, kann es passieren, dass ihr am Ende untergeht.

Denn nachdem ihr euer Schiff mit Kämpfern und Nahrung eingedeckt habt, muss erst noch eine verdeckte Reisekarte passiert werden. Unter der kann sich ein Kraken befinden, den ihr zunächst besiegen müsst, oder aber ihr verliert Wikinger und/oder Nahrung, gegebenenfalls in einer bestimmten Kombination. Wohl dem, der sich zuvor auf das Haus des Weisen gestellt hat und sich eine der Reisekarten heimlich ansehen durfte.

Böse Überraschungen können auf dem Meer warten.
Böse Überraschungen können auf dem Meer warten.

Würfelglück, steh‘ mir bei!

Allerdings sind die Angriffs- und Verteidigungswerte aller Gegner überschaubar. In keinem Fall wird auf einer der beiden Seiten ein Wert von drei überschritten. Insofern kann man die Kämpfe gegen die Monster auch oft mit Hilfe eines Umstands für sich entscheiden: Würfelglück. Oft können schon zwei Krieger ausreichen, um selbst das stärkste Monster zu bezwingen. Da man zwar selbst Schaden erleidet, dieser aber erst eintritt, nachdem man selbst Schaden verursacht hat, kann es einem oftmals egal sein, wenn der Angriffswert des Monsters drei ist und man selbst nur mit zwei Würfeln angegriffen hat. Wenn man einen Gegner, der einem viel Ruhm bringt, besiegen kann, dann wird man auch gerne den einen oder anderen Krieger dafür opfern.

Zudem besteht durch die Abgabe eines Gunstmarkers die Möglichkeit, eine beliebige Anzahl der soeben geworfenen Würfel noch einmal zu würfeln. Gerade, weil die Belohnung bei den Monstern in der Ferne neben Ruhm ein Gunstmarker ist, wird man einen solchen im Kampf gegen diese Kreaturen gerne einsetzen. So kam es zumindest in unseren Runden nur ganz selten vor, dass man einen Gegner nicht besiegt hat. Meistens ist man doch noch irgendwie mit einem blauen Auge davon gekommen. Eine gewisse Risikobereitschaft muss man in Champions of Midgard zwar mitbringen, allerdings ist dieser Faktor in diesem Spiel nicht so ausgeprägt, wie es zunächst den Anschein haben mag.

Gerade in der ersten Partie haben wir uns noch ein wenig gescheut, auf die Felder mit den starken Monstern zu gehen, weil wir glaubten, diese nicht einfach besiegen zu können. Doch nachdem wir dann eines Besseren belehrt wurden, haben wir teilweise in einer einzigen Runde gegen gleich zwei dieser weiter entlegenen Monster gekämpft – und sie auch besiegt. Entsprechend war die Gier nach diesen Feldern besonders groß.

Zwei Äxte reichen zum Besiegen aus, und durch den einen Schild erleiden wir nur einen Schaden. Der weiße Würfel durfte nicht benutzt werden.
Zwei Äxte reichen zum Besiegen aus, und durch den einen Schild erleiden wir nur einen Schaden. Der weiße Würfel durfte nicht benutzt werden.

Wie in vielen Spielen mit diesem Mechanismus gibt es aber auch in Champions of Midgard Orte, die einem scheinbar so ineffektiv vorkommen, dass man sich nie daraufstellen würde. Ein absolutes Tabu ist das Feld Betteln, auf dem man neben einer Nahrung einen Schandmarker erhält. Auf dieses Feld hat sich in unseren Runden noch niemand gestellt. Selbst das Feld, anhand dessen man in der nächsten Runde zum Startspieler wird, wurde verhältnismäßig selten genutzt.

Dabei ist es die einzige Möglichkeit, wie der Startspieler wechseln kann. Und Startspieler zu sein, kann vor allem ein Vorteil sein, wenn man es auf den Troll abgesehen hat. Wer sich gleich mit seinem ersten Arbeiter zum Troll stellt, der kann später an zumindest einen Spieler einen Schandmarker vergeben. Ansonsten kann man den Mitspielern außer der Tatsache, dass man ihnen Orte vor der Nase wegnimmt, nicht wirklich etwas kaputt machen.

Wenn ein Mitspieler dagegen manchmal Sachen macht, die man nicht so ohne weiteres nachvollziehen kann, dann kann das an den verdeckten Schicksalskarten liegen, die er zuvor im Haus des Weisen gesammelt hat. Denn auf diesen ist ein Ziel beschrieben, wie zum Beispiel: „Habe die meisten Runenkarten am Ende des Spiels,“ oder: „Habe die meiste Nahrung am Ende des Spiels.“ Wenn man am Ende des Spiels dieses Ziel als einziger erfüllt, dann gibt es dafür auch noch einmal Ruhm. Zuzüglich zu diesem erhält man noch Ruhm für ein etwaiges erworbenes Langschiff, Runen, Gunstmarker, Münzen sowie für jedes Set aus je einem besiegten Monster der drei Farben gelb, blau und rot.

Wirklich große Abwechslung bringt jede neue Partie Champions of Midgard nicht. Es gibt zwar fünf Anführer und damit einen mehr als die maximale Spielerzahl sowie neben den festen Standorten auch acht lose, von denen immer nur vier zum Einsatz kommen. Doch echte Auswirkungen auf das Spielgeschehen lassen sich dadurch nicht erkennen.

Schicksalskarten können dem Spiel eine überraschende Wendung geben.
Schicksalskarten können dem Spiel eine überraschende Wendung geben.

Ausstattung

Das üppige Spielmaterial kommt in einer optisch sehr ansprechenden Schachtel, deren Anblick bereits Lust auf mehr macht. Der Spielplan ist vor allem eines: groß. Man braucht schon etwas Platz auf dem Tisch, um ihn in seiner vollen Pracht auszubreiten. Er ist doppelseitig für ein Spiel mit zwei bzw. drei und eines mit vier Spielern bedruckt.

Des Weiteren gehören zu Champions of Midgard unter anderem 121 Karten, von denen die meisten Monsterkarten sind, über 200 Marker für Holz, Nahrung, Gunst oder Geld und die insgesamt 34 Wikingerkrieger-Würfel. Das gesamte Spielmaterial findet auch dank der vielen Beutelchen in den vier Fächern der Schachtel Platz.

Die Monsterkarten sind atmosphärisch passend illustriert, wobei es bei den 16 Trollkarten drei unterschiedliche Zeichnungen von Trollen gibt, bei den 21 Draugrkarten vier unterschiedliche und bei den 36 Monsterkarten sechs, die sich dann jeweils wiederholen – mit unterschiedlichen Angriffs- und Verteidigungswerten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Grey Fox Games, Corax Games
  • Autor: Ole Steiness
  • Erscheinungsjahr: 2015
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 60–90 Minuten
  • Spieleranzahl: 2 3 4
  • Alter: 10+
  • Preis: 45,00 EUR (Deutsch), 53,90 EUR (Englisch)
  • Bezugsquelle: Corax Games Shop (Deutsch), Amazon (Englisch)

 

Bonus/Downloadcontent

Zu Champions of Midgard existiert bereits die Erweiterung Die unheilvollen Berge, welche die Abenteuer in ferne Länder erweitert und insbesondere ein Spiel zu fünft ermöglicht, sowie die Erweiterung Walhalla, in der man belohnt wird, wenn die eigenen Krieger das Zeitliche segnen. Beide Erweiterungen sind bisher nur auf Englisch erhältlich, sollen aber voraussichtlich Ende 2019 auch auf Deutsch erscheinen. Die Regeln zum Grundspiel in englischer Sprache können auf der Homepage von Grey Fox Games heruntergeladen werden. Die deutschen Regeln sind dagegen auf Bordgamegeek erhältlich.

Fazit

Champions of Midgard ist ein typisches Worker-Placement-Spiel, das euch in die Welt der Wikinger entführt. Der Spielaufbau ist einfach, der Spielablauf dank der Kurzbeschreibungen auf den jeweiligen Standorten selbsterklärend. Regelfragen dürften sich somit selten ergeben, wodurch sich das Spiel flüssig spielt. Das Wikingerthema ist hier optisch und auch von den spielerischen Möglichkeiten gut umgesetzt.

Innovatives bietet Champions of Midgard allerdings kaum. Einzig die Tatsache, dass hier Würfel als Kämpfer dienen, mag dieses Spiel von anderen dieser Art unterscheiden. Dies und die verdeckten Reisekarten bringen aber wiederum eine Glückskomponente mit, die nicht klein ist und somit die strategischen Bestandteile ein wenig in den Hintergrund drängen kann. Dabei liegt die Betonung auf „kann“, denn gerade durch die Gunstmarker schafft man es meist doch irgendwie, als Sieger aus dem Kampf hervorzugehen und kann danach wieder seine Taktik verfolgen, auch wenn man vielleicht den einen oder anderen Kämpfer verloren hat.

Klar ist aber auch: Wer Glück beim Würfeln hat und keine seiner Krieger verliert, der muss in der nächsten Runde auch nicht erst wieder welche rekrutieren. Denn das ist im Grunde der Kern von Champions of Midgard: Kämpfer anheuern und mit ihnen die Monster besiegen, und, wenn keine Kämpfer vorhanden sind, versuchen, durch Schicksalskarten etc. anderweitig an Ruhm kommen bzw. Vorkehrungen für die nächste Runde treffen.

Es kommt nur selten zu Interaktion, außer beim Kampf mit dem Troll, wenn Schandmarker verteilt werden.

Diejenigen, die es stört, dass ihre ausgeklügelte Strategie vom „einfachen“ Würfeln durchkreuzt wird, werden mit Champions of Midgard vielleicht nicht warm werden. Wer sich darauf aber einlassen kann und will, der kommt in den Genuss eines weiteren soliden Worker-Placement-Spiels. Denn viel falsch macht das Spiel nicht, und dass es sich in eine mittlerweile lange Reihe von Worker-Placement-Spielen einreiht, soll ihm bei der Bewertung nicht zum Nachteil gereichen.

Artikelbild: © Corax Games, Bearbeitung: Roger Lewin
Fotografien: David Saller
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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