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Erst vor wenigen Wochen erschien die zweite Novelle aus der Welt um Peter Grant in Deutschland. Warum dies also nicht zum Anlass nehmen, eine kleine Lesetour durch Deutschland zu starten? Diese führte Ben Aaronovitch auch nach Würzburg, wo er in der Buchhandlung Hugendubel begeistert in Empfang genommen wurde.

Mittwochabend, Regen. Menschen drängen sich nach Ladenschluss vor dem Eingang der Buchhandlung und warten darauf, eingelassen zu werden. Der Grund? Ben Aaronovitch kommt vorbei, um gemeinsam mit dem Hörbuchsprecher Uve Teschner (bekannt beispielsweise aus diversen Hörbüchern von Markus Heitz, Jo Nesbø und Chris Carter) Ausschnitte aus Der Oktobermann zum Besten zu geben und ein paar Fragen zu beantworten.

Ben wer?

Ben Aaronovitch sollte denjenigen, die öfter in der Phantastik-Abteilung der Buchhandlung ihrer Wahl stöbern und einen Hang zu Urban Fantasy haben, zumindest bekannt vorkommen. Der erste Band seiner Peter-Grant-Reihe, Die Flüsse von London, erschien 2012 erstmalig in Deutschland. Seither folgten sechs weitere Bände, zwei Novellen (unter anderem Der Oktobermann, den wir bereits besprochen haben) und zwei Graphic Novels. Ein achter Band der Hauptreihe erscheint demnächst auf Englisch unter dem Titel False Value.

Ben Aaronovitch ist in London aufgewachsen und lebt noch heute dort, wo er auch einen Buchladen betreibt. Abgesehen von der Peter-Grant-Reihe schrieb er in der Vergangenheit Drehbücher für mehrere Serien, unter anderem Doctor Who, Jupiter Moon, Casualty und Dark Knight.

© Hugendubel

Warum ausgerechnet Trier?

Nach der Begrüßung durch den Filialleiter Herr Hampel stellt Uve Teschner sich und seinen Begleiter kurz vor und erklärt, dass er als Übersetzer agieren würde, auch wenn dies, nach einer kurzen Frage nach den englischen Sprachkenntnissen des Publikums, nicht im großen Stil nötig sein würde.

Nach einem kurzen Ausschnitt aus der Novelle, um insbesondere Tobi Winter vorzustellen, folgt die erste Fragerunde. So erzählt Aaronovitch, dass er große Probleme damit hatte, einen Ton zu finden, der zu den deutschen Charakteren passte. „Fluchtauto“ beispielsweise würde man richtigerweise als „getaway car“ übersetzen; stattdessen ist in der englischen Ausgabe des Oktobermanns von „escape car“ die Rede. Insbesondere seine Übersetzerin Christine Blum habe ihm dabei geholfen und mehr als einmal den Kopf geschüttelt: „Das sagt man so nicht.“

Auf Mannheim als Ort, an dem Tobi Winter aufwuchs, kam er vor allem, weil er nach einer Kleinstadt suchte. Da er in London aufwuchs, ist für ihn alles unter einer Größe von sechs Millionen Einwohnern eine Kleinstadt. Dass es schlussendlich Mannheim wurde, lag eher an einem Spiel Ene, mene, muh. Trier dagegen haben wir der Twitter-Community zu verdanken. Aaronovitch fragte seine deutschen Fans, was diese mit Herbst verbinden. Oft genug kam dabei die Weinlese auf. Da Trier außer Weinbau auch noch über ein Amphitheater, einen Fluss und eine Brücke verfügt, war es für ihn die perfekte Stadt.

Vielleicht führen die zahlreichen Kommentare, dass auch Würzburg einen Fluss, Wein und alte Gebäude zu bieten hat, dazu, dass Tobis nächster Fall ihn dorthin führt. Eine weitere deutsche Novelle ist zwar nicht explizit geplant, Ben Aaronovitch schließt diese allerdings auch nicht aus. Erst einmal müsste er jedoch die Peter-Grant-Reihe beenden, da sein Verleger vor allem dort das Geld sieht. Tobi und Vanessa warten jedoch auf ihren Auftritt.

Filialleiter Hampel, Uve Teschner und Ben Aaronovitch
Filialleiter Hampel, Uve Teschner und Ben Aaronovitch

Jahreszeiten-Zyklus

Der Oktobermann ist der Auftakt einer Novellenreihe, die am Ende aus vier Bänden bestehen wird. Jeder der Bände ist mit einer Jahreszeit verbunden. Mit dem Oktobermann ist der Herbst abgehakt, und der folgende Band (im Englischen What Abigail Did That Summer) wird einem Nebencharakter aus der Hauptreihe folgen und sich dem Sommer widmen.

Der Winter-Band wird uns nach Amerika bringen, genauer gesagt ins kalte Wisconsin, wo Agent Reynolds sich mit abstrusem Kram auseinandersetzen wird. Über die letzte Novelle, die dem Frühling gewidmet sein wird, weiß selbst Ben Aaronovitch noch nicht viel mehr, als dass Thomas Nightingale der Protagonist sein wird und es nicht die Geschichte werden wird, auf die die Fans warten: die Schlacht um Ettersberg. Stattdessen will er die Leser ins New York der 1920er entführen und eine lustige Geschichte erzählen.

Chekovs Gartenhütte

Ob die Geschichten allerdings wirklich so geschehen, wie er sie sich gerade ausmalt, weiß Ben Aaronovitch selbst nicht, da seine Charaktere öfter als erwartet ein Eigenleben entwickeln und mehr Platz beanspruchen. Molly, sagt er, ist das perfekte Beispiel dafür. Eigentlich brauchte er nur etwas Gruseliges, das Peter Grant bei seinem ersten Besuch im Folly einen Schrecken einjagt. Dann aber fragten die Leser (und er selbst) nach Mollys Vergangenheit, wer sie ist, wo sie herkommt etc.

Und schon wurde der Charakter weiter ausgebaut. Lachend erklärt Ben Aaronovitch, dass ihm oft vorgeworfen wird, aus Chekovs Gewehr (also etwas, das nebenbei erwähnt wird und im späteren Verlauf der Geschichte essenziell für diese wird) Chekovs Waffenarsenal gemacht zu haben. Tatsache ist jedoch, dass es vielmehr Chekovs Gartenhütte ähnelt, wo er alles reinstopft, das der Geschichte gerade keinen Mehrwert bietet, er aber auch nicht komplett wegwerfen will.

Diversität

Ben Aaronovitch beim Signieren
Ben Aaronovitch beim Signieren

Großen Wert legte Ben Aaronovitch zum Ende der Veranstaltung darauf, dass sein Cast an Charakteren deshalb so divers ist, weil das seiner Realität entspricht. London ist eine diverse Stadt, warum also sollten seine Figuren allesamt weiß und männlich sein? Dies bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich. So verbrachte er einen Großteil seiner Zeit damit, Somali kennenzulernen, um Guleed korrekt darstellen zu können.

Oder er setzte sich mit Ohrstöpseln, die nicht angeschlossen waren, in einen Schulbus, um den aktuellen Slang Londoner Jugendlicher zu recherchieren – bis er sich dazu entschied, sich etwas selbst auszudenken, damit das, was er schreibt, nicht in fünf Jahren schon wieder überholt ist.

Nach etwa eineinhalb Stunden war das Programm zwar vorbei, der Abend aber noch lange nicht. Bis um 23 Uhr signierte Ben Aaronovitch und fand Zeit, auf weitere Fragen einzugehen oder schlichtweg mit Fans zu reden.

Fotografien: © Vanessa Bayer

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