Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten

Die Frankfurter Buchmesse hatte auch in diesem Jahr ihre Tore vom 16.-20. Oktober geöffnet. Am Wochenende, wenn auch für Privatbesucher und nicht nur für Fachpublikum geöffnet ist, wurde auch das neue Konzept für die Einbindung der Cosplayer auf der Messe erprobt. Dabei zeigten sich alte und neue Probleme, trotz des gut gedachten Plans.

Cosplayer besuchen seit vielen Jahren auch die beiden großen deutschen Buchmessen, die einen festen Platz im Con-Kalender der deutschen Szene einnehmen. Die Frankfurter Buchmesse gibt sich hier schon lange Mühe, das bunte und oft auch erhebliche jüngere Cosplay-Publikum einzubinden und Angebote zur Verfügung zu stellen, die auch Cosplayer interessant finden.

Neue Aufgeschlossenheit

Während die Leipziger Buchmesse die Cosplay-Gäste vor ein paar Jahren in eine Parallelmesse namens Manga Comic Convention ausgegliedert hat und immer noch in trauriger Regelmäßigkeit Schlagzeilen damit macht, dass Messepersonal und Aussteller mit den kostümierten Besuchern nicht umgehen können, wurde bei der Frankfurter Buchmesse bereits vor vielen Jahren auf offizielle Kooperation gesetzt.

Größtes Kooperationsprojekt mit der Cosplay-Szene ist seit über 10 Jahren die Deutsche Cosplay-Meisterschaft (DCM), deren Finale seit jeher auf der Buchmesse stattfindet. Doch auch abseits des Wettbewerbs hat sich die Buchmesse immer wieder die Mühe gemacht, Programmpunkte und einen Bereich für Cosplayer im Rahmen der Messe anzubieten. Früher war das weitgehend auf das Congresscentrum der Messe beschränkt, welches aber nun für andere Zwecke, insbesondere als Treffpunkt für Pressevertreter, anderweitig genutzt wurde. 2017 wurde daraufhin die Halle 1 als neuer Zentralpunkt für den Cosplay-Bereich gewählt, zunächst nur halb voll und etwas trostlos. 2018 war die Halle besser ausgefüllt, wies viele Aufenthaltsbereich auf, war aber immer noch etwas zusammengewürfelt.

Dieses Jahr wurde sich von der eigenen Halle als Cosplay-Bereich wieder deutlich verabschiedet. Die Händlerstände wurden mit in Halle 4.0 untergebracht, bei den internationalen Verlagen aus Asien. Dazu gab es eine kleine Bühne („Cosplay Stage“), auf welcher Vorträge und Vorführungen von Zeichnern und Cosplayern sowie ein kleiner Cosplay-Wettbewerb stattfanden.

© FBM 2019

Workshops, Aktionen, Programm

„In“ Halle 4.2 – zugänglich nur über den vorgelagerten Glasbau von Halle 4 – waren zwei Workshopräume ausgewiesen. Die Räume waren etwas versteckt, aber dafür tatsächliche Räume und keine Messebau-Pappschachteln, die in eine laute Messehalle gepflanzt wurden. Wer schon einmal das zweifelhafte Vergnügen hatte, in einem Pappschachtel-Workshopraum zu versuchen, einem Vortrag zu folgen, während der Lärmpegel von draußen minimal gefiltert hereinschwappt, weiß echte Räume zu schätzen. Das Workshop-Programm war ähnlich wie auf reinen Anime-/Manga-Conventions breit aufgestellt, umfasste neben Cosplay-Workshops auch Japanischkurse, Zeichenworkshops, einen Schreibworkshop und eine Einführung in das japanische Strategiespiel Go.

Wichtiger Kooperationspartner der Messe für die durchgehend laufenden Aktionen war neben dem CosDay e.V. und der Wie.Mai.Kai der Verein Lawsman e.V., der karitative Einsätze von Cosplayern plant und durchführt, also z.B. Krankenhaus-Aktionen, in denen kranke Kinder Besuch von Ihrem Lieblings-Superhelden bekommen können. Mitglieder des Vereins haben den auf der Agora aufgestellten Cosplay-Info-Stand besetzt und auch die an verschiedenen Stationen auf dem gesamten Gelände positionierten Schnitzeljagd-Punkte betreut.

Cosplayer auf der Agora und um die Festhalle

Die Cosplayer selbst fanden sich zu ganz erheblichen teilen auf der Agora und an der Fassade der Festhalle wieder. Da es immer wieder zu leichten Regenschauern kam, drückten sich große Gruppen auch länger unter dem Vordach des Forums zusammen, da man hier zwar draußen, aber eben nicht im Regen stand.

Der Brunnen auf der Agora samt dem nebenliegenden Grünstreifen war wie seit seit vielen Jahren der Sammelplatz für picknickende Cosplayer, die sich hier mit Gleichgesinnten trafen. Hier fand sich der gesellige Teil der Szene zusammen, es wurden neue Freundschaften geknüpft und alte gepflegt. Der Fotografie-Hotspot hingegen war wie jedes Jahr die Sandstein-Fassade der Festhalle, insbesondere das umkämpfte „Goldene Tor“. Wer Cosplay-Galerien von der Buchmesse sieht, wird den markanten roten Sandstein erkennen.

Einige Cosplay-Trends des Jahres waren wie in den Vorjahren Superhelden, aber auch Good Omens-Charaktere und die vielen wilden Kostüme aus Jojo‘s Bizarre Adventure.

© FBM 2019

Alte Probleme: Platz

Was leider auch die neue Anordnung der Händler und Programmpunkte an verschiedenen Punkten des Geländes nicht vermag, ist, den Ansturm der Besuchermassen zu verringern. Die Bündelung der Anime-/Manga-Szenehändler in einer Ecke der Halle 4.0 führte zu vorhersehbaren Staus auf den Gängen dort. Die Zeichnerstände und auch der Präsentationsstand von Elna-Nähmaschinen waren eigentlich schön, aber genießen ließen sich diese Sachen kaum, da in der kompletten Ecke der Halle die Besuchermassen dicht an dicht durch die Gänge drängten. Die diversen Händlerstände waren in dieser Hinsicht eher noch schlimmer als der Zeichnerbereich.

Dieses Problem stellt sich aber nicht nur für den Cosplay-Bereich, sondern letztlich für alle Bereiche der Buchmesse, die tatsächlich für Privatbesucher interessant sind. Weite Teile der Halle 4.0 waren nur minimal besucht, die Gänge frei und gemütlich – das Angebot aber auch überschaubar interessant. In den anderen internationalen Hallen 5 und 6 war teilweise schon gar nichts mehr los – die internationalen Verlage kommen nicht auf die Messe, um Leser direkt anzusprechen, sondern um an den Fachbesuchertagen Lizenzen mit anderen Verlagen auszuhandeln. Spätestens Samstag Abend ist für sie die Messe meist inhaltlich vorbei, viele Stände packen daher auch am Sonntag bereits ein und haben fast kein Personal mehr vor Ort – wofür auch.

Das lenkt die Besucherströme aber noch gezielter auf einzelne Bereiche, so wie eben hier das Cosplay-Eck von Halle 4.0, das sich im Gegensatz zu vielen Verlagsständen eben wirklich mit einem kaufbaren Angebot an die Privatbesucher richtet.

Was gegenüber letztem Jahr auch ein Rückschritt war, waren die wieder deutlich kleiner bemessenen Aufenthaltsbereiche im Cosplay-Bereich der Halle. Gerade ob des wechselhaften Wetters hätten sich die ausladenden Chill-Zonen vom Vorjahr gut gemacht. Für die Messe ist das umfassende Vorhalten freier Flächen aber natürlich wenig rentabel, wenn die Flächen stattdessen auch vermietet werden könnten.

Etwas mehr Sitzbänke und Bereiche, in denen sich Leute kurz ausruhen können, sind aber in allen Bereichen der Messe aufgefallen, vielleicht wird hier auf Dauer auch noch etwas mehr passieren. Im Cosplay-Bereich waren die Zonen nicht wirklich ausreichend, aber auch das ist halt der immensen örtlichen Bündelung der Besucher auf diese kleinen Bereiche geschuldet.

Neue Probleme: Wo ist das überhaupt?

Mit der neuen Anordnung kam das Standard-Problem jeder Neuheit dazu: Keiner kennt sie von früher. Ganz konkret hieß das auf der Buchmesse, dass die meisten Cosplayer nicht wussten, wo sich denn nun die Händlerstände und andere für sie interessante Angebote befanden.

Der Cosplay-Infopunkt auf der Agora war noch relativ einfach zu finden, im Zweifel halfen auch die daneben ausgestellten Itasha-Autos als Wegweiser (Itasha bezeichnet mit Anime-Motiven dekorierte Autos, einige solche waren ebenfalls auf der Agora ausgestellt, direkt neben dem Cosplay-Infopunkt).

Die am Cosplay-Infopunkt ausgegebene Übersichts-Karte war dann aber nur so halb hilfreich. Sie gab zwar einen Überblick darüber, wo überall „interessante“ Programmpunkte für Cosplayer zu finden waren. Dabei wurde einerseits aber das Netz sehr grob ausgeworfen und alles, was irgendwie mit Fantasy und Jugendkultur zu tun habe könnte, mit aufgenommen, ob es wirklich für Cosplayer interessant war oder nicht. Andererseits waren die Ortsangaben auf die Hallennummern beschränkt – und das ist bei der Größe der Messehallen eine sehr grobe Ortsangabe.

Insbesondere die Angabe, dass die Workshop-Räume sich in Halle 4.2 befinden würden, war eher irritierend als hilfreich. Gerade, da die Cosplay-Händler sich im hinteren Bereich der Halle 4.0 befanden, war es nicht unbedingt naheliegend, dass die Workshopräume dann ziemlich genau am anderen Ende der Halle 4.2 an die Glas-Vorhalle angeschlossen waren.

Beschilderung zu den Workshopräumen gab es entsprechend auch nur, wenn man vorne über die Glashalle nach oben kam. Die Glashalle war allerdings immens voll, da sie auch der Indoor-Durchgangsbereich von und zu den Hallen 3 und 6 war, und einige Cateringflächen beinhaltete. Kurzum: einfach zu finden waren die Workshopräume so nicht. Auch, dass von der Agora aus erst die komplette Halle 4.0 durchquert werden musste, um hinten links auf die Händlerstände zu treffen, war aus dem Plan nicht ersichtlich.

Für die Zukunft wäre eine etwas genauere Angabe der konkret für Cosplayer intendierten Bereiche sicher hilfreich.

Programm-Highlight: Deutsche Cosplay-Meisterschaft

Das wirkliche Highlight des Programms für Cosplayer auf der Buchmesse ist und bleibt aber das Finale der Deutschen Cosplay-Meisterschaft. Dieses Jahr fand der Wettbewerb mit etwas reduzierter Anzahl von Vorentscheiden statt (in Ludwigshafen auf der Hanami, in Düsseldorf auf der DoKoMi, in Flörsheim auf der Wie.Mai.Kai, in Bamberg auf der Franco und in Mannheim auf der AnimagiC), und als Paar-Wettbewerb, in dem also nur Teams mit 2 Personen antreten durften.

Von den 20 für das Finale qualifizierten Teams traten 17 tatsächlich an und zeigten eine sehr breite Mischung an unterschiedlichen Kostümen und Serien auf der Bühne. Gleich zur Eröffnung des Wettbewerbs wurde die Stimmung düster, mit Cita und Feder als „Little Sisters“ aus der Horror-Videospielreihe Bioshock. Danach legte Team Imonee mit einem von schwarzem Humor gespickten Sketch zum Magical Girl-Anime Madoka nach, gefolgt von vielen weiteren fantastischen Auftritten aus allen möglichen japanischen und amerikanischen Videospielen, Filmen und Serien. Wo einige internationale Wettbewerbe zuletzt etwas in einer Flut aus Disney-Auftritten ertrunken sind, zeigte die Deutsche Cosplay-Szene hier eine unglaubliche Vielseitigkeit, und ein immer wieder beeindruckendes hohes Kostümniveau. Wer den ganzen Wettbewerb sehen möchte, kann dies hier auf Twitch noch tun. Die Startnummern beginnen ca. bei Minute 45, leider ist stellenweise die Musik aus urheberrechtlichen Gründen gesperrt.

Die Moderation zeigte sich dieses Jahr angenehm professionell, wenngleich stellenweise etwas kürzere Moderation gereicht hätte. Der Wettbewerb ging aber auch aufgrund der einzelnen fehlenden Startnummern etwas schneller als geplant, sodass Zeit genug war, dass die Moderatoren Basti und Cosmo auch etwas Show auf der Bühne machen konnten.

Wie bereits 2018 wurde am Ende des Wettbewerbs das Publikums-Voting für das beste Kostüm und den besten Auftritt nach Meinung der Zuschauer eröffnet. Als die Jury mit der Beratung fertig war, wurden zunächst die beiden Publikumspreise vergeben. Diese gingen für das beste Kostüm an Startnummer 3, die Charaktere Varian Wrynn und Anduin Wrynn aus World of WarCraft. Den besten Auftritt nach Meinung der Zuschauer hatte Team Imonee mit Startnummer 2 und den Cosplays von Homura Akemi und Madoka Kaname präsentiert.

Dann kamen die fünf Gewinner. Platz 5 ging an Startnummer 11 als Bert und Mary Poppins aus dem Film Mary Poppins (1964). Platz 4 ging an Startnummer 3, die World of WarCraft-Cosplayer, die auch schon den Publikumspreis für das beste Kostüm erhalten hatten. Platz 3 ging an Team Imonee, die mit ihren Cosplays aus Madoka ebenfalls bereits den Publikumspreis für den besten Auftritt erhalten hatten. Platz 2 ging dann an Startnummer 12, die mit ihren Cosplays von Devola und Popola aus Nier:Automata überzeugen konnten. Die Sieger waren dann Startnummer 1: Cita und Feder hatten mit ihren Cosplays aus Bioshock die Jury voll von sich überzeugen können.

Die Sieger wurden dann noch auf und neben der Bühne ausgiebig gefeiert, die Messe selbst war aber nur kurz darauf bereits zu Ende.

Fazit

Das neue Konzept der Buchmesse war nicht schlecht, aber der Weisheit letzter Schluss, um mit den Besuchermengen umzugehen, ist es letztlich auch nicht. Das breiter gefächerte Programmangebot für Cosplayer war passend geplant, inwieweit es tatsächlich angenommen wurde, konnten wir nicht beurteilen, da bei allem, was los war, keine Zeit blieb, um alle Workshops abzupassen und Zuschauer zu zählen. An der Cosplay-Stage sahen die Programmpunkte gut besucht aus.

Die Deutsche Cosplay-Meisterschaft hat wieder bewiesen, wie hoch das Niveau der deutschen Cosplayer sein kann und einen unterhaltsamen Wettbewerb gezeigt, in dem verdiente Gewinner prämiert wurden. Einen Besuch ist die Buchmesse als Cosplayer sicher wert, auch für die lebhaften Begegnungen mit Gleichgesinnten und die Fotomöglichkeiten auf dem Gelände.

Artikelbild: © FBM 2016, Fotograf: Marc Jacquemin

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein