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Einen neuen Charakter im Rollenspiel zu verkörpern, ist immer etwas Besonderes. Dabei spielt eines bei der Entscheidungsfindung für die Wahl dieses Charakters eine große Rolle: Der Wille, diesen Charakter auch spielen und darstellen zu wollen. Aber was ist mit ungeliebten Charakterkonzepten? Kann es überhaupt Spaß machen, ein solches zu spielen?

Meist macht man sich bereits vor der Erstellung eines Charakters genauere Gedanken dazu. Das kann zwar auch spontan geschehen, aber dennoch sind dabei Überlegungen von Bedeutung, die persönliche Präferenzen betreffen. In mindestens einem Rollenspielsystem wird sicherlich jede/r ein oder mehrere Charakterkonzepte haben, die ihm oder ihr zusagen und andere, die man eher nicht spielen würde. Und genau darum soll es gehen: Um Konzepte, die man aufgrund einer persönlichen Abneigung noch nie gespielt hat und, dass es sich vielleicht doch lohnen kann, diese trotzdem einmal auszuprobieren.

Warum kann ein Charakterkonzept ungeliebt sein?

Je nach Rollenspiel gibt es die unterschiedlichsten Konzepte, die ungeliebt sein können. Eine Abneigung ist dabei allerdings selten von Anfang an vorhanden, sondern entsteht meist mit der Zeit. Doch eines ist klar: Ein ungeliebtes Charakterkonzept wird man in der Regel nicht spielen wollen. Die Gründe, wieso es ungeliebt ist, können von Person zu Person oder auch von Gruppe zu Gruppe verschieden sein. Es fängt damit an, dass das vom Rollenspiel vorgegebene Konzept dem Spieler oder der Spielerin einfach nicht zusagt, wie etwa die Lebensweise, welche dieser Charakter hätte oder bestimmte Ansichten. Vielleicht würde dem Spieler/der Spielerin auch die Darstellung schwerfallen, beispielsweise weil sein/ihr eigener Charakter sich zu sehr von dem des verkörperten Charakters unterscheidet. Dadurch kann es im Spiel zu einer fehlenden Identifikation kommen, wodurch man schnell den Spaß verlieren kann.

Wie ein ungeliebter Teddybär, können auch manchmal Charaktere enden © Depositphotos | cranach2

Persönliche schlechte Erfahrungen können ebenfalls eine Rolle spielen, seien sie aus dem realen Leben oder im Rollenspiel entstanden. Ein Beispiel hierfür wäre ein Berufsstand, der in mehreren Szenarien immer wieder durch, für einen selbst, unangenehmes, unangebrachtes oder nerviges Verhalten aufgefallen ist.

Gleiches trifft auch auf Vorurteile zu. Ein Beispiel hierfür wären Elfen und Zwerge. Schon in Der Herr der Ringe verbindet sie eher eine Feindschaft als eine Freundschaft. Und wenn es nicht das ist, dann zumindest Abneigung und Misstrauen gegenüber den jeweils Anderen. Viele andere Bücher, Filme, aber auch Rollenspiele mit entsprechendem Setting greifen darauf zurück und etablieren ein ähnliches Verhältnis zwischen beiden Völkern in ihrer Welt.

Innerhalb einer Spielgruppe kann es dazu kommen, dass kollektiv Partei für eine von beiden Seiten ergriffen wird. Seien es gemeinsame persönliche Präferenzen oder weil eine/r der Spieler/innen immer Angehörige eines der beiden Völker spielt. Als Konsequenz daraus werden Vorurteile, welche das andere Volk betreffen, besonders gerne verwendet und auf sie aufmerksam gemacht, wenn entsprechende Vertreter/Vertreterinnen auftauchen. Dabei ist deren Anwesenheit noch nicht einmal eine Voraussetzung dafür. In meiner Gruppe wird zum Beispiel immer gerne der Witz gemacht, dass Zwerge ihren aus Erde und Dreck bestehenden natürlichen Rüstungsschutz verlieren, falls sie sich waschen sollten oder unfreiwillig nass werden.

Auch aus anderen Gründen kann ein bestimmtes Charakterkonzept in einer Gruppe stigmatisiert sein. Und das macht es einem Spieler oder einer Spielerin nicht unbedingt leicht, eben dieses einmal auszuprobieren.

Eine Chance für ungeliebte Konzepte

Viele der zuvor aufgezählten Gründe, warum ein Charakterkonzept nicht sehr beliebt ist, kann man mit mehr oder weniger Arbeit umgehen oder gar ganz aus dem Weg räumen. Allen voran sind da die Vorurteile zu nennen, denn sie sind ohnehin etwas, das man möglichst ablegen sollte. Hat die eigene Gruppe also Vorurteile gegenüber einer bestimmten Gruppierung in einem Rollenspiel und macht sich immer wieder über diese lustig, so kann es helfen, einfach über seinen eigenen Schatten zu springen. Vor allem, wenn man schon immer gerne einmal einen Vertreter/eine Vertreterin dieser Gruppierung, des Volkes oder Berufsstandes spielen wollte, sollte man sich ihn oder sie einfach erstellen und beim nächsten passenden Spielabend einführen. Zu Beginn wird man sich von den Anderen sicher den ein oder anderen Seitenhieb anhören müssen. Aber wenn einem das Charakterkonzept liegt, kann man seine Gruppe sicherlich nach und nach davon überzeugen, dass es doch gar nicht so schlecht ist. Es gilt jedoch: Wenn sich herausstellt, dass die anderen Spieler/Spielerinnen unzufrieden damit sind und es vielleicht sogar Streit deswegen gibt, sollte man nichts provozieren, sondern mit allen gemeinsam versuchen eine Lösung zu finden.

Wenn man sich von seinem Charakter entfernt, wird es schwer. © Depositphotos | bolina

Wie sieht es mit fehlender oder mangelnder Identifikation mit einem Charakter aus? Hierbei sollte man sich überlegen, warum das so ist. Sind die Eigenschaften und das Verhalten des Charakters so fremdartig, dass man es sich nicht gut vorstellen kann und noch weniger, wie man es richtig darstellen soll? Dazu könnte man sich bei anderen Spielern/Spielerinnen anschauen, wie sie einen solchen Charakter darstellen. Auf diese Weise bekommt man Ideen, die man in sein eigenes Spiel einbauen kann. Eine weitere Möglichkeit ist das Abschwächen von Merkmalen, mit denen man sich schlecht identifizieren kann, zum Beispiel durch eine entsprechende Hintergrundgeschichte. Es kann aber auch eine interessante Herausforderung sein und im Endeffekt Spaß machen, einen Charakter darzustellen, der Meinungen und Ansichten vertritt, die man selbst nicht teilt.

Vielleicht könnte der Grund auch eine zu große Identifikation mit dem Charakter sein, etwa weil das Konzept einem selbst zu ähnlich ist. Das abzulehnen ist verständlich, schließlich möchte man jemand sein, der man im realen Leben nicht ist oder nicht sein kann. Aber andererseits ist es vielleicht auch ganz spannend und interessant sich selbst zum Beispiel in einer Zombieapokalypse zu spielen.

Eine weitere Chance für ungeliebte Konzepte stellt das zufällige Erstellen oder Verteilen von Charakteren dar. Erwischt man dabei etwas, das man sonst nie spielen würde, sollte man die Herausforderung dennoch annehmen. Insbesondere, wenn es sich um einen Charakter für ein One-Shot-Szenario handelt. Diese bieten ohnehin eine gute Gelegenheit, um etwas zu experimentieren und sich an etwas zu versuchen, das man sich bisher noch nicht getraut oder in Erwägung gezogen hat. Das trifft ebenso auf ein ungeliebtes Charakterkonzept zu, denn für einen Abend ist es leichter, sich darauf einzulassen. Und vielleicht merkt man ja, dass man einen solchen Charakter völlig zu Unrecht noch nie gespielt hat.

Zum anderen bietet sich noch eine weitere Möglichkeit: Jede/r aus der Gruppe sucht sich ein Konzept aus, das bei ihm oder ihr persönlich ungeliebt ist und erstellt sich einen entsprechenden Charakter. Die Spielleitung konstruiert daraus ein Szenario, das speziell auf diese Charaktere zugeschnitten ist, sodass die Spieler das Charakterkonzept ausprobieren und im besten Fall feststellen können, ob es ihnen tatsächlich nicht gefällt.

Wie mache ich aus einem ungeliebten ein geliebtes Konzept?

Dieser Punkt soll in zwei kleinen Listen behandelt werden: Zum einen, wenn das ungeliebte Charakterkonzept nur einen selbst betrifft, zum anderen, wenn es die ganze oder einen Großteil der Gruppe betrifft.

Ich selbst habe Probleme mit manchen Konzepten:

  1. Ich mache mir klar, welche Charakterkonzepte ich nicht mag.
  2. Ich mache mir darüber Gedanken, warum ich sie nicht mag.
  3. Ich überlege mir, welches Konzept ich am wahrscheinlichsten verwirklichen könnte.
  4. Gegebenenfalls rede ich mit meiner Gruppe darüber. Vielleicht haben sie Tipps für mich. Möglicherweise kann sich die Spielleitung ein kleines Szenario ausdenken, das speziell auf diesen Charakter zugeschnitten ist, um mir den Einstieg zu erleichtern.
  5. Durch eine spezielle Hintergrundgeschichte des Charakters ist es möglich, bestimmte ungeliebte Aspekte abzuschwächen. Auf diese Weise kann man sich daran gewöhnen.
  6. Den Charakter spielen! Nur so kann ich sicher feststellen, ob ich das Konzept wirklich nicht mag.
Manchmal muss man nur den richtigen Schlüssel finden. © Depositphotos | sangoiri

Die Gruppe hat Probleme mit einem bestimmten Konzept:

  1. Ich mache mir klar, was genau die Gruppe gegen das Charakterkonzept hat.
  2. Ich erstelle den Charakter unter dem Gesichtspunkt, dass die problematischen Aspekte nicht das am meisten herausstechende Merkmal darstellen.
  3. Ich rede mit der Gruppe darüber, dass ich einen solchen Charakter ausprobieren möchte. Trifft die Idee auch nach einer Diskussion auf breite Ablehnung, sollte man besser davon ablassen.
  4. Ich überlege mir, wie der Charakter mit möglichen Kränkungen oder gar Anfeindungen seitens der anderen Spielercharaktere umgeht.
  5. Ich führe den Charakter zu einem passenden Zeitpunkt ein, etwa wenn ein kurzes Szenario ansteht. Auch sollte er oder sie in möglichst wenig Konflikt zu einem bereits etablierten Charakter stehen, denn sonst kann es schnell zu Unmut kommen.
  6. Nach dem Szenario rede ich erneut mit meiner Gruppe darüber, wie sie es fanden und wie es mir gefallen hat. Ganz wichtig ist dabei Kompromissbereitschaft und Einsicht auf beiden Seiten zu zeigen.

Abschließend: Nichts erzwingen oder sich zwingen lassen

Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn durch Zwang kann ganz schnell der Spielspaß verloren gehen. Wenn man sich getraut hat, ein bisher ungeliebtes Konzept auszuprobieren und es nicht funktioniert hat, dann ist das so. Man kann es zwar noch einmal in einem zweiten Anlauf versuchen, aber wenn auch dieser fehlschlägt, sollte man auch einsehen, dass es nicht sein soll, falls man dann nicht ohnehin schon keine Lust mehr darauf hat.

Genauso sieht es aus, wenn andere Spieler/Spielerinnen aus irgendeinem Grund ein Problem mit dem Konzept haben, das man testen möchte. Gibt es einen triftigen Grund dafür, so sollte man eine gewisse Rücksichtnahme zeigen. Es gibt schließlich viele verschiedene Charakterkonzepte und es findet sich sicherlich eine Alternative.

Auf der anderen Seite sollte man sich aber auch zu nichts zwingen lassen, wenn beispielsweise eine Themengruppe bespielt werden soll, die ein Charakterkonzept beinhaltet, das man selbst nicht spielen möchte oder sich noch nicht bereit dazu fühlt es auszuprobieren. In diesem Fall sollte man entweder nicht an den entsprechenden Spielabenden teilnehmen, oder die Gruppe nimmt Rücksicht und verzichtet darauf oder verschiebt es auf einen späteren Zeitpunkt.

Ganz wichtig ist in jedem Fall der Spaß am Spiel. Man sollte nur das machen, mit dem man sich auch wohlfühlt. Wenn man doch mehr ausprobieren möchte, umso besser, aber ein Gefühl des Zwanges sollte in keinem Fall aufkommen.

 

Artikelbild: Depositphotos | BrianAJackson, Bearbeitet von Verena Bach

 

1 Kommentar

  1. Wir alle haben eine Komfortzone, wenn sich auch die Größe individuell unterscheidet. Ich spiele z. B. nach mehr als zwei Jahrzehnten jetzt das erste Mal einen reinen Nahkämpfer.
    One Shots mit zufällig zugewiesenen Charakteren o.ä. mag ich sehr und finde sie hilfreich – auch wenn das oft zu interessanten Resultaten führt. Dieses „Wie spiele ich diese Figur? Wie reagiert sie in dieser oder jener Situation?“, auch wenn es schwierig ist, ist bereichernd. Vor allem beim Spielleiten habe ich meiner Meinung nach davon profitiert, denn da muss man ja die verschiedensten Charaktere möglichst glaubhaft darstellen.

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