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Ein Charakter kann neben dem Beruf und den Fertigkeiten vieles sein. Der heroische Ritter muss dabei nicht automatisch der Anführer und die eigenbrötlerische Hexe zwingend die Außenseiterin sein. Manche Rollen passen dabei besser zu einem Charakter als andere. Wie sieht es beispielsweise bei den Rollen AnführerIn, Kasper und AußenseiterIn aus? 

Jeder Charakter einer Spielrunde kann eine bestimmte Rolle in der Gruppe annehmen. Mit der Wahl des Berufes geht jedoch eine gewisse Auswahl an Rollen einher, da manche gut dazu passen, andere vollkommen ungeeignet sind. Auch ein Ritter oder eine Ritterin kann ein Spaßvogel sein. Pazifistisch sind jedoch vermutlich die wenigsten. Und so findet irgendwann jeder Charakter die Rolle, die zu ihm oder ihr passt.

Der Klassiker

Die klassische Rollenverteilung in einer Gruppe ist stark an den jeweiligen Beruf der Charaktere gebunden: der Kämpfer, der Zwielichtige, die Magierin und die Heilerin. Wie vielleicht schon auffällt, wird in diesem Fall stark mit Klischees und klischeehaften Eigenschaften der Charaktere gearbeitet. Dabei liegt jeder dieser Rollen – je nach Rollenspielsystem – ein bestimmtes Set an Berufen zugrunde. Für den Kämpfer beispielsweise Ritter, Barbar, Gladiator oder Soldat und für die Magierin die Berufe Druidin, Hexe oder Gildenmagierin. In der Regel übernimmt und erfüllt jeder Charakter die Aufgaben, die dieser klassischen Rolle zugedacht sind. Der Kämpfer stürzt sich mit seinem Schwert in die Schlacht, die Magierin zaubert aus der Entfernung und unterstützt damit ihre Verbündeten und behindert ihre Gegner. Der Zwielichtige versucht aus der Deckung heraus sein Glück und die Heilerin kümmert sich nach dem Kampf um die Verletzungen. 

Der Charakter

Ein Charakter wird bei der Erstellung durch Verschiedenes zu dem, was ihn oder sie ausmacht. Darunter ist auch meist der Beruf oder etwas, mit dem man den Lebensunterhalt verdient. Ganz klassisch definiert der Beruf auch die Rolle, die der Charakter einnimmt. Aber abgesehen vom Beruf und dem damit verbundenen Können, kann ein Charakter noch ganz andere Rollen einnehmen. Im Folgenden werden einige mögliche Rollen vorgestellt, aber auch auf eventuelle Probleme eingegangen.  

…als AnführerIn

Der Anführer oder die Anführerin ist eine der Rollen, die ein Charakter übernehmen kann. Ganz klassisch bietet sich dafür in einem Fantasy-Setting der Ritter oder die adelige Erbin einer Familie an. Dem anführenden Charakter werden dabei bestimmte Aufgaben zugeordnet. Man ist in der Regel die wortführende Person und wird von Nichtspielercharakteren zuerst angesprochen. Als AnführerIn entscheidet man, was als nächstes gemacht wird. Dafür muss man aber auch mit den Konsequenzen dieser Entscheidungen leben, da man die dafür verantwortliche Person ist.

Bei der anführenden Rolle gibt es hierbei verschiedene Abstufungen, die je nach Setting, Gruppenkonstellation und Ansichten der anderen SpielerInnen entstehen. Spielt man beispielsweise eine Einheit SoldatInnen, die eigenständig agieren und Aufgaben erledigen sollen, dann ergibt sich aus dieser Situation heraus, dass ein Charakter einen höheren Rang und somit die Führung innehat. Natürlich können und sollten die Untergebenen trotzdem nach ihrer Meinung gefragt werden. Aber die endgültige Entscheidung trifft der oder die AnführerIn.

Der Anführer © stokkete
Anführer © stokkete

Eine weitere Aufgabe als AnführerIn ist das Wortführen bei Gesprächen mit NSCs. Trotzdem sollte man nicht immer alle Gespräche an sich reißen, sondern auch die anderen Mitglieder der Gruppe zu Wort kommen lassen, wenn diese das wollen. Deshalb ist es auch möglich, dass ein anderer Charakter WortführerIn ist und somit eine weitere Rolle neben dem/der AnführerIn einnimmt. Besonders gut eignen sich hierfür gesellschaftlich orientierte Charaktere. Aber auch hier kommt es wieder auf die aktuelle Situation an, in der man sich befindet. Während sich besagter Charakter in den verschiedensten Konversationen wohlfühlen mag, so kann es doch ein kluger Schachzug sein, den Goblin der Gruppe mit dem misstrauischen Goblinstamm reden zu lassen.

Eine/n AnführerIn zu haben, kann mehrere Vorteile mit sich bringen. Es gibt eine Person, die bei Uneinigkeiten die letzte Entscheidungsgewalt hat und somit unnötig lange Diskussionen beenden kann. Insbesondere für neue oder introvertierte SpielerInnen kann eine führende Person Sicherheit geben, wenn diese Entscheidungen trifft und wortführend in Gesprächen mit NSCs ist. Für diese SpielerInnen kann es aber auch eine Chance sein, aus sich herauszugehen, indem sie selbst die Rolle des oder der AnführerIn einnehmen. Dazu sollte jedoch niemand gezwungen werden. Es kann ein lohnendes Experiment sein, aber wenn man sich damit nicht wohl fühlt, sollte man die führende Rolle wieder abgeben dürfen.

Andererseits können sich die Vorteile auch in Nachteile verwandeln. Probleme mit anführenden Charakteren entstehen vor allem dann, wenn Uneinigkeit in der Gruppe herrscht, ob eine solche Person benötigt wird, beziehungsweise wer diese Rolle einnimmt. Da wohl die meisten Gruppen ihre Entscheidung auf demokratischer Basis fällen, ist ein/e AnführerIn überhaupt nicht nötig. Stattdessen wird ein Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise gemacht, dem die anderen entweder zustimmen oder nicht zustimmen. Entstehen dabei Uneinigkeiten, bei denen keine Seite nachgeben will, dann kann das im schlimmsten Fall zu einer temporären Trennung der Gruppe führen. Ist dies für das aktuelle Szenario ungünstig, dann liegt es an der Spielleitung, eine Lösung zu finden. Denkbar wäre ein improvisierter NSC, der mit einer Handlung oder Aussage die SpielerInnen in eine der diskutierten Richtungen lenkt.

Das vorangegangene Beispiel hätte mit einem anführenden Charakter verhindert werden können. Doch nicht immer werden alle SpielerInnen eine solche Person haben wollen. Das kann unterschiedlichste Gründe haben. Sei es, weil jeder in gleichem Maße entscheiden können soll oder, weil man sich beim Rollenspiel nichts von einer anderen Person – die nicht die Spielleitung ist – sagen lassen möchte.

…als Kasper

Kasper © stokkete
Kasper © stokkete

Ob Spaßvogel, Schelm oder Witzbold – die Rolle des Kaspers kann viele Formen annehmen. Ob man der eigenen Gruppe und NSCs immer wieder Streiche spielt oder einfach nur ein scheinbar unendlich großes Repertoire an schlechten Witzen parat hat – wer sich in dieser Rolle wiederfindet, sollte darauf achten, dass der Spaß für die anderen SpielerInnen irgendwann zu viel sein kann. Ein gewisses Feingefühl ist hier vonnöten, wann etwas angebracht ist und wann nicht.

So kann ein Furzkissen den eigenen Unterhändler während einer schwierigen Verhandlung mit Kriminellen in arge Bedrängnis bringen und sogar das Leben kosten. Ebenso kann ein schlecht platzierter Witz in einer angespannten oder epischen Situation die Immersion der anderen SpielerInnen erheblich stören. Doch andererseits können Witze und Späße auch dazu beitragen, eine Situation aufzulockern. Auch mag der Charakter in der Rolle des Kaspers mit seinen Unterhaltungskünsten ein Kind derart beeindrucken, dass es wertvolle Informationen preisgibt, die der Gruppe helfen.   

…als AußenseiterIn

Die Rolle als AußenseiterIn kann sich als schwierig, aber auch als lohnend herausstellen. Wichtig für das Rollenspiel ist, dass eine generelle Bereitschaft des Charakters besteht, mit den anderen zusammenzuarbeiten. Bei der Erstellung sollte also darauf geachtet werden, dass auch ein/e EinzelgängerIn dazu bereit ist, sich einer Gruppe anzuschließen. Gibt sich dieser Charakter als besonders unnahbar und mysteriös, dann können schöne rollenspielerische Momente entstehen, wenn die anderen neugierig sind und mehr über ihn oder sie in Erfahrung bringen wollen.

Außenseiter © stokkete
Außenseiter © stokkete

Aber auch hier kann zu viel des Guten ins Gegenteil umschlagen. Taut der Charakter auch nach längerer Zeit nicht auf und setzt sich weiterhin allein in die hinterste Ecke der Kneipe, dann können die anderen Charaktere irgendwann die Lust verlieren und ihn oder sie in Ruhe lassen oder gar ignorieren und nicht mehr in Entscheidungen miteinbeziehen. Damit tut man sich als SpielerIn eines/r AußenseiterIn weder selbst noch den anderen SpielerInnen einen Gefallen.

Ein Charakter kann aber auch aufgrund der Herkunft AußenseiterIn sein. Ein Ork allein unter Menschen fällt auf und man wird sich vielleicht zuerst einmal diversen Vorurteilen stellen müssen, ehe man akzeptiert wird. Die Rolle als AußenseiterIn kann hierbei jeden Charakter einer Gruppe treffen, da es dabei auf Setting, Szenario und die Konstellation der anderen Gruppenmitglieder ankommt. Die Rolle kann hierbei – mit einem gewissen Risiko – aufrechterhalten oder mit der Zeit abgelegt werden und die Gruppe hat ein neues und hoffentlich dauerhaftes Mitglied gewonnen.

Auf die Konstellation kommt es an

In den Beispielen zu den verschiedenen Rollen eines Charakters kommt es auch immer auf die Konstellation der Gruppe und das jeweilige Setting an. In einem Stadtabenteuer aus Das Schwarze Auge ist die weltfremde Druidin eine Außenseiterin. Sie passt nicht ins Bild, kennt sich nicht aus, fällt auf und gehört einfach nicht dazu. In einem Wildnisabenteuer, bei dem es vielleicht zusätzlich noch um magische Wesen geht, ist sie jedoch in ihrem Element. Hier ist der verwöhnte Edle aus der Stadt der Außenseiter.

Gleiches gilt für die Gruppenkonstellation. Ein Ritter oder eine Ritterin mag der Ansicht sein, dass ihm oder ihr die Rolle als AnführerIn zukommen müsse. Der Zwerg, die Elfe und der Dieb sehen das vermutlich ganz anders und erkennen die ritterliche Autorität und Führungskraft nicht an. Umgekehrt wird der Orkhäuptling in einer ansonsten rein menschlichen Gruppe lernen müssen, nicht alles bestimmen zu können und auch einmal Anweisungen entgegenzunehmen.

Da eine Rollenspielgruppe und ihre Charaktere in der Regel sehr dynamisch sind, gilt das auch für die Rollen, welche die Charaktere annehmen. Nicht alle werden ihre Rolle zu Beginn finden, sondern erst nach einiger Zeit. Und so wie sich die SpielerInnen und ihre Charaktere entwickeln, so entwickeln sich auch die Rollen. So mag der Schmied sich nach einem tragischen Erlebnis intensiv mit der Heilkunde befassen und zum Heiler der Gruppe werden oder die zuvor zurückhaltende Magierin erkennt ihr Potenzial und ist bei jeder Diskussion vorne mit dabei, wenn es darum geht einen NSC von der eigenen Sache zu überzeugen.

Keine Rolle ist in Stein gemeißelt. Manchmal können sich auch zwei Rollen vermischen und nicht jede/r muss eine bestimmte Rolle haben. Es kommt darauf an, was man selbst und die Gruppe möchte und womit man sich wohlfühlt. Manchmal kann es auch einfach reichen, der Krieger oder die Magierin zu sein.

Titelbild: © interactimages | depositphotos
Artikelbilder: © stokkete | depositphotos

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Katrin Holst

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