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Das Multiversum ist die Heimat der unzähligen Geschichten und Welten, die den Kosmos von DC ausmachen. Es ist vielfältig – mal strahlend, doch meist dunkel. In den vergangenen Wochen führte uns DC/Panini, auch abseits des Black Label für Erwachsene, in die vielleicht dunkelsten Ecken dieses Weltengewirrs.

Bereits im silbernen Zeitalter der Comicgeschichte experimentierte man im Verlagshaus DC damit, die beliebten Superhelden in einen alternativen Kontext zu stellen. Imaginary Stories kamen bei der Leserschaft stets gut an. In den 1980er Jahren bekamen diese alternativen Realitäten ein neues Label und die Autoren begannen, die mannigfaltigen Möglichkeiten auszutesten, die dieses Format bot. Die ersten Elseworld-Titel wurden geboren und mit ihnen nach und nach die Idee eines verzahnten Multiversums. Lesern besonders im Gedächtnis geblieben sind sicherlich Titel wie Batman: Holy Terror oder das vielgerühmte Gotham by Gaslight, aber das Highlight dieser Ära war unbestritten Batman: Die Rückkehr des Dunklen Ritters von Frank Miller.

In jüngster Zeit stoßen die Kreativteams des Hauses DC wieder vermehrt in diese neuen, unentdeckten und vielversprechenden Welten vor. Der Reiz der Neuinterpretation scheint unermesslich.

Das Dunkle Multiversum – Die Chronik der Finsternis

Schwärzer und reißerischer als bei diesem Band kann ein Titel kaum sein, doch wird dieses vor Gothic triefende Titelmonstrum dem Inhalt gerecht? Tatsächlich erwartet den Leser etwas, das sich in der TV-, Film- und Serienlandschaft im Moment allzu häufig finden lässt: Neufassungen bekannter Erzählungen mit einem Einschlag der Düsternis. Beim vorliegenden Band haben sich namhafte Autoren und Zeichner (unter ihnen Scott Snyder, James Tynion IV, Javier Fernandez und Tom Raney) an Neuinterpretationen der ganz großen Ereignisse der DC-Geschichte versucht.

Die Handlung

Monumentale Ereignisse der DC-Historie in neuen, düsteren Versionen? Das klingt fast blasphemisch. Und dennoch hat es seinen Reiz, und es ist genau diese Lust am „Was wäre, wenn?“, die immer schon Leser und Kreative zu den Elseworld-Erzählungen gezogen haben. Was wäre, wenn Bruce Wayne sich nicht von Banes Attacke erholt und der Racheengel Azrael als neuer Batman einen Gottesstaat aus Gotham City gemacht hätte? Wenn Lois Lane den Tod von Superman nicht überwunden hätte, sondern traumatisiert und verzweifelt versuchen würde, die Welt ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit zu beugen? Wenn die Blackest Night, der Judas-Auftrag oder sogar die Infinite Crisis noch verheerendere Folgen für die Welt gehabt hätten, als der Leser es sich vorstellen kann? Diesen Fragen geht der Band Das Dunkle Multiversum nach und findet einige erschreckende Antworten, die gleichzeitig zu faszinieren wissen.

Die Zeichnungen

Das Dunkle Multiversum – Die Chronik der Finsternis
Das Dunkle Multiversum – Die Chronik der Finsternis © Panini Comics

Die Zeichnungen des Bandes stammen zwar aus vielen verschiedenen Tuschefedern, jedoch eint sie eine gewisse Liebe zum Detail und ein starkes Gefühl für Action und Dramatik. Ich habe besonders die Arbeit von Javier Fernandez genossen, die der Knightfall-Interpretation eine besondere Tiefe verleiht. Ein wenig ungeschliffen und doch cineastisch, lässt dieser Stil der Fantasie des Lesers genug Freiraum. Enttäuscht war ich von Tom Raney und seiner Version des Judas-Auftrag. Zu übertrieben wirken Gesichtsausdrücke und Gesten, zu überzeichnet die Charaktere.

Die harten Fakten:

  • Autor(en): Scott Snyder und andere
  • Zeichner: Javier Fernandez und andere
  • Seitenzahl: 268
  • Preis: 27,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Comics

 

Batman: Kreatur der Nacht

Die Geschichte des Bruce Wayne, der aus Rache zu einem maskierten Verbrechensbekämpfer und Vigilanten wird, ist eine moderne Legende. Die Motive erinnern an Heiligen-Erzählungen, die Batman-Ikonografie hat etwas kultisch-religiöses an sich. Seit über 80 Jahren kämpft ein Junge, dem großes Unrecht widerfahren ist, den bitteren Kampf um Gerechtigkeit und gleichzeitig um seine Seele. Batman: Kreatur der Nacht wirft einen Blick auf das, was aus einem solchen Kampf werden könnte – und aus einem solchen Kult.

Die Handlung

Bruce ist ein Junge aus gutem Hause. Wenn er sich vorstellt, hat das schon fast etwas von einem James Bond-Film: „Mein Name ist Bruce, Bruce Wain…wright“. Der Junge liebt die Namensähnlichkeit, die zwischen ihm und dem Helden seiner Comics existiert. Doch es kommt eine Nacht, wo Bruce sich wünscht, die Ähnlichkeit wäre nicht ganz so groß: die Nacht, in der er durch ein Verbrechen seine Eltern verliert. Sein Onkel Alfred kann dem Kind nicht den Halt geben, den es bräuchte. Und so beginnt ein Leben voller Schmerz und Kummer. Doch diese Gefühle scheinen sich in einer dämonischen Gestalt zu manifestieren, einer Kreatur der Nacht. Bruce verfügt über die geistige Verbindung zu einem grauenhaften und rachsüchtigen Fledermauswesen, das von nun an sein Handeln und seinen Feldzug für die Gerechtigkeit leiten wird. Kurt Busiek entwirft hier das psychologische Portrait eines Mannes, in dem sein Leben lang der Wunsch nach Gerechtigkeit und Sicherheit wütet, eine tiefsinnige Geschichte voller Abgründe … aber auch voller Hoffnung.

Die Zeichnungen

Batman: Kreatur der Nacht
Batman: Kreatur der Nacht © Panini Comics

John Paul Lenon wird dem Geist früherer Batman Elseworlds gerecht. Der markante Stil zeugt von zeichnerischer Handwerkskunst jenseits der üblichen aufgemotzten Computer-Designs. Und das braucht es auch, um die tiefe Emotionalität dieser Erzählung einzufangen und greifbar zu machen. Insbesondere die namensgebende Kreatur der Nacht wirkt tatsächlich wie ein Batman direkt aus den Schlünden einer Albtraumwelt. Das ist große Comic-Kunst.

Die harten Fakten:

  • Autor(en): Kurt Busiek
  • Zeichner: John Paul Lenon
  • Seitenzahl: 220
  • Preis: 23,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Comics

 

Gotham City Monsters – Stadt der Monster

Auch in Gotham City, scheinbar weitab von den Verzweigungen des Multiversums, gibt es Dunkelheit. Ein Beispiel für ein Superheldenteam, das diese Finsternis auslotet, ist die Justice League Dark. Und wie die Justice League mit der Suicide Squad einen Gegenpol mit schurkischem Einschlag erhalten hat, so geht es der Justice League Dark mit den Gotham City Monsters. Doch ist ein solches Team wirklich notwendig?

Die Handlung

Gotham City Monsters – Die Stadt der Monster versammelt ein wildes Team von Antihelden. Frankensteins Monster schart Figuren wie den Vampir Tony Bennet, den Batman-Schurken und Suicide Squad-Veteran Killer Croc, Orca und Lady Clay sowie sogar Batwoman um sich, um den Gothamer Stadtteil Monster Town vor einem mächtigen Vampir-Kult zu schützen. Doch die Protagonisten geraten in eine Verschwörung, die das gesamte Multiversum zu bedrohen scheint. Was zunächst nach einer spannenden Idee klingt, ist im Endeffekt ein typischer Teambildungs-Comic mit reichlich blutiger Action und wenig eigenständigen Ideen. Wie leider sehr häufig bei dieser Art Geschichte bleibt den einzelnen Charakteren zu wenig Raum zur Entfaltung. Darunter leidet die sonst recht dichte Atmosphäre leider gewaltig. Auch die Bedrohung und die Gegenspieler wirken hektisch und kurzatmig konzipiert, sodass dem Leser ein schaler Nachgeschmack beim Schmökern bleibt.

Die Zeichnungen

Gotham City Monsters – Stadt der Monster
Gotham City Monsters – Stadt der Monster © Panini Comics

Die Zeichnungen von Amanancy Nahuelpan sind die tatsächliche Stärke dieses Comics. Man merkt die Erfahrung, die er bei Justice League Dark und einigen Batman-Titeln gewonnen hat. Nahuelpan ist vertraut mit dem besonderen Feeling der dunklen Seite des DC-Universums. Er verleiht seinen Figuren Dynamik und inszeniert Action geschickt, ohne dabei die Bedeutung des Hintergrunds und der Umgebung aus den Augen zu verlieren.

Die harten Fakten:

  • Autor(en): Steve Orlando
  • Zeichner: Amanancy Nahuelpan
  • Seitenzahl: 148
  • Preis: 18,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini Comics

 

Fazit

Ein Blick in die Abgründe des dunklen Multiversums kann sich lohnen: Das zeigen diese drei Publikationen von DC/Panini. Mit Die Chronik der Finsternis nehmen uns eine ganze Reihe talentierter Zeichner und Autoren auf eine abenteuerliche „Was wäre, wenn“-Reise mit. Die großen Ereignisse der letzten Dekaden werden spannend und frisch interpretiert, wobei deutliche Hommagen an die alten Elseworld-Titel wie Batman: Holy Terror zu spüren sind. Dieser Band sollte in jeder Sammlung vorhanden sein.

Noch tiefgründiger und lesenswerter, jedoch keine leichte Kost für zwischendurch ist Batman: Kreatur der Nacht. Hier entzieht es sich mir ein wenig, warum dieser Titel keinen Eingang ins Black Label gefunden hat, denn für junge Leser ist diese tiefenpsychologische Reise in die Seele eines traumatisierten Kindes und Mannes sicher nicht geeignet. Der reifere Leser findet aber eine Auslotung des Batman-Mythos und seiner Wirkung und eine Parabel über Rache, Gerechtigkeit und Wut.

Leider weniger gelungen ist Gotham City Monsters: Die Stadt der Monster. Dieser Band wirkt wie eine recht generische Teambildungs-Geschichte ohne Tiefgang. Die Atmosphäre ist zwar grundsätzlich ansprechend, einen besonderen Reiz oder gar völlig außergewöhnliche Elemente sucht man aber vergebens.

Artikelbilder: © Panini Comics, © DC Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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