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Sammeln und jagen gegen den Hunger; rennen, solange die Ausdauer reicht; auf dem selbst erbauten Boot von Insel zu Insel fahren. 5 Lives Studios haben sich verschiedener bekannter Survival-Elemente bedient und in Windbound zu einem hübsch anzusehenden Spiel vereint. Aber wie viel Spaß macht Don‘t Starve – Breath of the Wind Waker?

Nicht sterben – in einer Gesellschaft ohne Säbelzahntiger und mit Kühlschränken, Landwirten und dem Einzelhandel ist das glücklicherweise relativ einfach. Aber Survival-Games scheinen genau diesen tief verankerten Urinstinkt des Überlebenswillens anzusprechen. Es ist allzu leicht, Stunde um Stunde in ein Survival-Abenteuer zu versenken, in dem das einzige Ziel ist, nicht zu sterben. In Windbound haben 5 Lives Studios den Survival-Aspekt genommen, mit ein paar bekannten Features anderer Spiele ergänzt und in ein marines Setting platziert. Wie gut das funktioniert hat, betrachten wir in diesem Artikel. Für diesen Spieltest wurde das Spiel mit der Version 1.0.36649.221 auf Nintendo Switch in der Schwierigkeit Story gespielt.

Überblick

Die Einleitung von Windbound fällt kurz aus: Wir sehen die Hauptfigur Kara auf einem Boot, wie sie in einem Sturm kentert. Getrennt von ihrem Stamm und nur mit einem Messer bewaffnet, erwacht sie in einer mysteriösen Höhle mit nichts als einem geheimnisvoll leuchtenden Strudel vor sich. Sobald wir mit Kara durch diesen treten, öffnen wir – diesmal wirklich – die Augen auf einer Insel. Und dann geht es auch schon los.

Die Insel hat noch nicht sonderlich viel zu bieten. Dichte Gräser ermöglichen es, eine Schleuder zu bauen. Mit Steinen als Munition lassen sich Wildschweine jagen und so Fleisch, Fell und Knochen ergattern. Für den kleinen Hunger reichen auch ein paar Beeren vom Busch, aber gegrilltes Fleisch sättigt wesentlich mehr. Leder und Knochen können zu weiteren Werkzeugen und Waffen verarbeitet werden. Sobald Kara das Ruder der Ahnen gefunden hat, kann sie auch endlich ein Kanu bauen und ausziehen, um das Meer zu erkunden.

Zu Beginn noch auf ein einfaches Kanu beschränkt, fährt man bald auf einem mehrteiligen Segelboot übers Meer.

Mittels Ruder oder später Segel manövriert Kara von Insel zu Insel. Jede verfügt über Ressourcen, die zum Herstellen neuer Gegenstände verwendet werden können, und Nahrungsmittel, die das Überleben sichern. Außerdem gibt es in jedem Kapitel je drei Inseln mit einem hohen Turm, auf dessen Spitze eine Nautilus-Skulptur steht. Diese Figuren müssen eingesammelt werden, um den Weg zum nächsten Kapitel freizumachen. Die Türme erinnern an die Schreine aus The Legend of Zelda: Breath of the Wild, begeistern im Vergleich aber kaum, da es an befriedigenden Herausforderungen mangelt, die zwischen Spieler*innen und dem Fortschritt stehen.

Die Nautilus-Büste wird von Karas magischem Amulett aufgenommen.

Am Ende jedes Kapitels landet man erneut in der mysteriösen Höhle. Dort findet sich Kara auf einem Platz wieder, dessen Wände zu Beginn noch leer sind und am nach und nach mit Wandmalereien gefüllt werden, die die Geschichte ihres Stammes erzählen.

Bevor es ins nächste Kapitel geht, gilt es, einen Segelparcours zu meistern. Danach gibt es noch die Möglichkeit, mit gesammelten Seesplittern sogenannte Segen zu kaufen. Dabei kann es sich um eine Waffe handeln, die nie kaputt geht, oder um einen Boost, beispielsweise die Fähigkeit, schneller zu laufen. Erstandene Segen werden über die Kapitel hinweg behalten, allerdings steht zu Beginn nur ein Slot zur entsprechenden Ausrüstung zur Verfügung. Weitere Slots können ebenfalls für Seesplitter erstanden werden.

Gegen Seesplitter (oben rechts) können am Ende eines Kapitels Boni eingekauft werden.

Features

Das Gameplay setzt sich aus vier Kernkomponenten zusammen: Erkundung der Inseln, Sammeln und Crafting, Kampf gegen wilde Tiere und Segeln.

Erkundung

Die Erkundung der Inseln ist recht simpel. Bis auf wilde Tiere gibt es keine besonderen Hindernisse. Eine weiße Wölkchen-Animation deutet auf jene Gegenstände hin, mit denen interagiert werden kann. Manche der Tiere haben ein aggressives Wesen und greifen an, wenn man ihnen zu nahe kommt, daher kann es sinnvoll sein, Abstand zu halten.

Gewisse Aktionen kosten Ausdauer, was durch einen gelben Balken symbolisiert wird. Dazu gehören Rennen, Schwimmen, im Kampf zuschlagen und den Bogen spannen. Die Ausdauer verbraucht sich recht schnell, füllt sich aber auch schnell wieder auf. Ist die Ausdauer aufgebraucht, kann Kara aber auch temporär von ihrer maximalen Ausdauer zehren. Diese verbraucht sich langsamer und kann auch nur langsam wiedererlangt werden, wenn Kara sich ausruht. Die maximale Ausdauer sinkt auch durch Hunger, kann aber durch Essen wiedererlangt werden. Wird das versäumt und die maximale Ausdauer sinkt auf null, erleidet Kara laufenden Schaden.

Sammeln und Crafting

Die größte Schwierigkeit beim Sammeln von Ressourcen ist bereits aus Titeln wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild oder Animal Crossing: New Horizons bekannt: die strenge Begrenzung von Inventarplätzen. Gerade zu Beginn muss sorgfältig mit dem Platz in der eigenen Tasche gewirtschaftet werden. Das macht das Spielerlebnis zwar realistischer, allerdings ist es merkwürdig, dass auch getragene Ausrüstung wie Helme und Rüstungen einen Inventarplatz belegen.

Die In-Game-Zeit läuft beim Crafting weiter; Hunger und wilde Tiere dürfen also nicht außer Acht gelassen werden.

Mit gesammelten Ressourcen können verschiedene Gegenstände gebaut werden: Werkzeuge, Schleudern, Pfeil und Bogen, Taschen für mehr Inventarplätze und – natürlich – Boote und Boot-Erweiterungen. Die Crafting-Rezepte erhalten Spieler*innen automatisch, wenn Ressourcen gesammelt werden oder bei gewissen Meilensteinen. Es gibt auch Crafting-Stationen, die besondere Rezepte ermöglichen. So können etwa an einem Lagerfeuer Fleisch gebraten und Leder gegerbt, in einem Ofen Lehm verarbeitet und an einem Kessel Tränke zubereitet werden.

Die Crafting-Stationen können, ebenso wie Aufbewahrungskisten für Items, auf dem eigenen Boot platziert werden. Allerdings gibt es dabei ein absolutes Limit von einem solchen Gegenstand pro Bootsteil, was gerade bei den großen Decks unverhältnismäßig wirkt.

Werkzeuge und Waffen haben jeweils eine Haltbarkeit, die mit jeder Nutzung abnimmt. Über kurz oder lang werden diese also erneut gebaut werden müssen. Auch Lebensmittel sind nur eine gewisse Zeit haltbar. Beim Kochen wird die Haltbarkeit teilweise wieder zurückgewonnen. Dennoch verliert Nahrung sehr schnell an Frische, sodass es mitunter sinnvoller sein kann, von der Hand in den Mund zu leben, statt haufenweise Vorräte anzusammeln.

Kämpfen gegen wilde Tiere

Natürlich liegen nicht alle Ressourcen einfach auf den Inseln herum. Besonders attraktiv sind jene Materialien, die schwer zu bekommen sind. Bereits für die elementaren Werkzeuge Hammer, Axt und Schaufel braucht es Knochen und Hörner von großen, gefährlichen Wildtieren. Die Kämpfe gegen diese Tiere sind nicht zu unterschätzen und müssen taktisch angegangen werden. Die Tiere schlagen teilweise mächtig zu und können Kara allzu schnell zum Verhängnis werden. Jedes Tier hat dabei eine eigene KI und verschiedene Sonderfähigkeiten. Es gilt, geschickt zu auszuweichen, um dann mit gutem Timing zuzuschlagen.

Mit magischen Kristallen lassen sich Bögen mit besonderen Effekten bauen: Der Bastionsbogen erzeugt ein Feld, in dem Kara weniger Schaden durch Angriffe erleidet.

Die Kämpfe können mit Fernkampfwaffen wie Schleudern oder Bögen erleichtert werden. Bei diesen haben die Trefferzonen eine große Auswirkung auf den ausgeübten Schaden. Ein Pfeil vom selben Bogen macht beispielsweise massiven Schaden, wenn er ins Auge trifft, hingegen nur minimalen Schaden, wenn er in die Flanke geht. Dadurch machen die Kämpfe Spaß und bleiben auch nach mehreren Auseinandersetzungen gegen den gleichen Gegner noch spannend. Außerdem ist die Anzahl der Tiere meistens überschaubar, wodurch ein taktischer Ansatz ermöglicht wird, statt hektisches Button-Mashing zu fördern.

Segeln

Während zu Beginn noch gerudert werden muss (für Spieler*innen heißt das, konstant einen Knopf gedrückt halten), kann schon relativ früh ein Segel an das eigene Boot gebaut werden, das die Fortbewegung nicht nur vereinfacht, sondern auch beschleunigt. Mehr Segel und magische Galionsfiguren können das Boot noch weiter beschleunigen.

Das Segelerlebnis macht unerwartet viel Spaß und fühlt sich realistisch an. Das Meer ist gespickt mit Felsen und Korallenriffen, die es zu meiden gilt. Besonders letztere sieht man manchmal erst, wenn es bereits zu spät ist. Stößt das Boot auf ein solches Hindernis, nimmt es Schaden. Dieser kann – sowohl an Land als auch auf See – mittels Crafting wieder ausgebessert werden. Im Laufe des Spiels kommen weitere Gefahren wie Haie und kleine Krabbelviecher hinzu, die das Boot anknabbern.

Das Gameplay

Das Spiel verfügt über die Schwierigkeitsstufen Story (leicht) und Überleben (normal). Im Story-Modus ist der Kampf leichter, außerdem wird man im Falle des Todes nicht wieder in Kapitel 1 zurückgeworfen, sondern beginnt am Anfang jenes Kapitels, in dem Kara gestorben ist. Darüber hinaus verliert Kara im Überleben-Modus das auf dem Boot verstaute Inventar (behält aber alle Gegenstände, die sie bei sich trägt); im Story-Modus werden alle Gegenstände behalten, inklusive der im Boot gelagerten. Hier wäre wünschenswert, die unterschiedlichen Aspekte einzeln einstellen zu können, wenn man beispielsweise ein herausforderndes Spielerlebnis wünscht, aber bei Tod nicht das gesamte Spiel von vorn spielen möchte. Ein weiteres wünschenswertes Feature ist eine Autosave-Funktion, beispielsweise, wenn man eine Insel verlässt oder erreicht. Immerhin ist Sichern aber jederzeit möglich.

Den konturlosen Stil von Windbound kann man mögen oder eben nicht. Im Allgemeinen ist die Welt aber hübsch anzuschauen und weder leer noch unübersichtlich. Eine unaufdringliche weiße Staub-Animation hebt jene Elemente hervor, mit denen interagiert werden kann. Der Soundtrack ist zurückhaltend und fördert damit die entspannte Atmosphäre des Spiels. Neben der Erzeugung der Stimmung hat er außerdem einen funktionalen Aspekt, indem eine dramatische Musik darauf hindeutet, wenn Kara die Aufmerksamkeit wilder Tiere auf sich gezogen hat.

Die Performanz von Windbound lässt leider etwas zu wünschen übrig. Das zeigt sich an verschiedenen Stellen, unter anderem an der Steuerung, die sich teilweise schwerfällig anfühlt. Das fällt besonders beim Klettern auf – und dazu kommt es immer wieder, wenn Kara einen Turm erklimmt oder in ihr Boot steigt. Sobald Spieler*innen sich einmal zu nah an eine Kante bewegt haben, beginnt eine langwierige Klettersequenz, während derer keinerlei Interaktionen möglich sind. Es ist auch nicht etwa möglich, abzubrechen und sich fallen zu lassen. Stattdessen sind Spieler*innen gezwungen, passiv der langatmigen Kletteranimation zuzuschauen. Das ist besonders frustrierend, wenn man nur eine geringe Erhöhung vor sich hat, die sich auch mit einem Sprung überwinden ließe. Dabei kann es schnell passieren, dass Kara versehentlich zu nah an die Kante gerät und unwiderruflich zu klettern beginnt – und das dauert relevant länger als ein Sprung.

Landet das Boot einmal falsch herum im Wasser, stellt es sich automatisch wieder auf; dabei kommt es mitunter zu merkwürdigen Effekten.

Auch bezüglich der Animationen weist Windbound, neben dem ein oder anderen lustigen Bug, noch einige Schwächen auf. Zwischendurch kommt es etwa dazu, dass Kara auf der Oberfläche bei der Interaktion mit der Umgebung oder beim Crafting unbewegt bleibt, obwohl sie intern die eingegebenen Befehle ausführt – nur können Spieler*innen das nicht sehen.

Hinzu kommen noch die häufigen Abstürze, die während der Ladebildschirme zwischen den Kapiteln auftreten. Es empfiehlt sich, vor jedem Übergang ins nächste Kapitel zu speichern, um den Fortschritt nicht zu verlieren. Die Abstürze könnten aber noch in späteren Versionen behoben werden.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: 5 Lives Studios
  • Publisher: Deep Silver
  • Plattform: PlayStation 4, Xbox One, Nintendo Switch, PC, Google Stadia
  • Sprache:
    • PlayStation 4: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Polnisch, Russisch
    • Xbox One: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Polnisch, Russisch, Dänisch, Finnisch, Schwedisch, Norwegisch, Niederländisch, Arabisch, Türkisch, Japanisch, Koreanisch, Chinesisch
    • Nintendo Switch: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Japanisch, Chinesisch
    • Steam-Version: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Japanisch, Polnisch, Russisch, einfaches Chinesisch, traditionelles Chinesisch
  • Mindestanforderungen: Windows Vista 64 Bit, DirectX 11,
  • 2.4ghz Intel Core 2 Duo oder äquivalent, 4 GB RAM,
    Intel HD Grafik: 4600, NVIDIA GeForce GTX 630, Radeon HD 5670
  • 4 GB Festplatte
  • Genre: Survival, Action-RPG
  • Releasedatum: 28.08.2020
  • Spielstunden: ca. 10 Stunden im Storymodus
  • Spieleranzahl: 1
  • Altersfreigabe: 12 Jahre
  • Preis: 29,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Fazit

Windbound knüpft an erfolgreiche Titel wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild und Don‘t Starve an und bedient sich der Mechaniken, die ihnen zum Erfolg verholfen haben. Hunger nach Entdeckung und Hunger nach Nahrung sollen Spieler*innen von einer Insel zur nächsten treiben. Die abstrakte Story wird auf zwei Wegen vermittelt: zum einen durch die Wandmalereien, die in jedem Kapitel dazukommen, zum anderen durch vage Aussagen, die Kara aus dem Off zugeflüstert werden, wenn sie Dörfer erkundet oder eine Nautilus-Skulptur einsammelt.

Spieler*innen erfahren in kurzen Sätzen Hintergründe zu Karas Stamm.

Windbound macht Spaß, aber es macht leider nicht süchtig. Es gibt günstigere, weniger aufwendige Spiele, die mehr und länger erfreuen. Der Loop ist zu einfach und linear, um wirklich zu packen; die Story zu abstrakt, um wirklich mitzureißen. Das Überleben ist zu Beginn noch interessant und herausfordernd, sobald man aber mit beiden Füßen in Windbound angekommen ist, wird es zu leicht, um noch spannend zu sein – zumindest, wenn man sich nicht der potentiellen Frustration der Schwierigkeitsstufe Überleben aussetzen möchte.

Die größte Schwäche ist vermutlich, dass das Spiel mit fünf Kapiteln zu kurz ist, um ein befriedigendes Spielerlebnis zu liefern. Bedeutsame Herausforderungen sucht man vergeblich. Auch Elemente wie Crafting und Erkundung verlieren schnell an Bedeutung, da das Ende des Spiels allzu schnell in greifbare Nähe rückt. Herstellbare Gegenstände werden nie gebaut, weil sie nie notwendig werden. Inseln bleiben unentdeckt, weil sie nur mehr der gleichen ungenutzten Ressourcen liefern. Windbound hat hübsche Ideen und lockt mit einem attraktiven Versprechen, hat aber letzten Endes zu wenig Fleisch auf den Rippen, sodass es kein Gefühl der Befriedigung hinterlässt, sondern ein leises Bedauern und den Wunsch nach mehr.

 

Artikelbilder: © 5 Lives Studios
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Alexa Kasparek
Screenshots: © Milanko Doroski
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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