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Der zweite Teil des Bart Tutorials hat eine Anleitung im Gepäck, mit dem individuelle Haarteile – von Bärten bis haarigen Hobbitfüßen – selbst kreiert werden können. Schritt für Schritt bringt dieser Artikel Licht ins Dunkel, wenn es um die Kunst des „Haareknüpfens“ geht. Also ran an das Haar!

Manchmal passiert es – egal wo man sucht, man findet nicht das richtige Teil, um das Kostüm zu komplettieren, an dem man arbeitet. Besonders bei Charakteren, die mit einem ausgefallenen oder bunten Bart bestückt sind, ist es schier unmöglich, einen vergleichbaren Bart in Kostümshops zu finden. Unter den verschiedenen Methoden, die für das Selbstmachen zur Verfügung stehen und die im ersten Teil des Bart-Tutorials behandelt wurden, ist die zeitaufwendigste, aber zeitgleich kreativste und nachhaltigste: das Knüpfen.

Achtung, Zeitfresser!

Bevor man sich voller Motivation und Tatendrang an das Knüpfen begibt, sollte man sich bewusst machen, dass diese Technik seine Zeit braucht und allen voran viel Übung benötigt. „Übung macht den Meister“ ist das wohl passendste Sprichwort, um das Bartknüpfen zu beschreiben. Normalerweise ist das Erlernen dieser Technik fester Bestandteil des Maskenbildner*innen-Berufs, auch in manchen Friseur*innen-Ausbildungen werden Lehrlinge darauf geschult, Perücken und Toupets für ihre Kunden zu machen.

Viele kennen die Backstage-Bilder von manchen Theaterproduktionen, wo man aufgereiht die Köpfe mit Haarteilen von Perücken bis hin zu Bärten und Augenbrauen bewundern kann. Doch all diese Haarteile wurden in mühsamer Handarbeit gefertigt. Am besten vergleichen kann man das Knüpfen mit dem Nähen per Hand. Die Waffe ist eine spezielle Nadel und jeder Handgriff befestigt ein bis zwei Haare auf dem hautfarbenen, tüllartigen Untergrund, den man Lace nennt.

Besonders bei den ersten Versuchen wird dieser Handgriff noch etwas wackelig und langsam sein, doch mit zunehmender Übung geht einem die Bewegung nach und nach ins Handgelenk über und spart mehr und mehr Zeit. Trotzdem: Um ein kleines Haarteil wie einen Kinnbart zu knüpfen, benötigt man Stunden und muss Geduld beweisen. Doch all das zahlt sich aus, wenn man dafür am Ende das eigene, individuell gefertigte Haarteil in den Händen halten kann.

Zu den größten Vorteilen des Selbstknüpfens zählen vor allem die schier unendlichen Möglichkeiten, die man damit erschaffen kann. Man kann perfekt abgestimmte Bärte mit derselben Farbe der Perücke knüpfen, in allen möglichen Formen. Die Technik kann ebenfalls verwendet werden, um den Haaransatz einer Lace-Front-Perücke zu verändern und in eine neue Form zu verwandeln. Im Grunde sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ein weiterer Vorteil ist die Nachhaltigkeit eines Haarteils, da man es ohne große Sorgen immer wieder und wieder verwenden kann. Gut geknüpfte und gepflegte Teile, die stets von den Rückständen des Hautklebers befreit werden, können mit ihrer „Lebenszeit“ durchaus mit Lace-Front-Perücken mithalten.

Was man braucht:

  1. Einen Untergrund zum Knüpfen – Vorzugsweise einen Perückenkopf aus Stoff, der dieselbe Größe hat wie der Kopf der Person, für welche das Haarteil geknüpft wird. Des Weiteren benötigt man Stecknadeln, um die Lace am Perückenkopf festzustecken.
  2. Swiss Lace – Als Swiss Lace wird der tüllähnliche, in verschiedenen Hautfarben erhältliche Stoff genannt, der den Untergrund eines Haarteils stellt. Sehr wichtig ist, die Swiss Lace nicht mit einfachem Kleidertüll zu verwechseln! Swiss Lace hat eine weichere Haptik und eine andere Webstruktur, die man benötigt, um die Haare mit Knoten ordentlich zu befestigen. Swiss Lace kann man im Maskenbildnerbedarf online finden.
  3. Knüpfnadel und Knüpfnadelhalter – Eine Knüpfnadel, die in eine speziell dafür ausgelegte Halterung gespannt wird, ist neben der Lace das wichtigste Werkzeug. Wichtig ist, dabei eine Nadel zu nehmen, die einen flachen, aber tiefen Haken besitzt. Im Bild ist abgebildet, wie diese Nadel aussehen sollte. Denn nur durch eine so flache und spitze Form ist es möglich, dass der Haken nicht in der Lace hängenbleibt. Eine Knüpfnadel mit Halterung findet man auch im Maskenbildnerbedarf oder auch bei gut bestückten Cosplayshops.
  4. Haare – Echthaar oder Kunsthaartressen. Es lohnt sich, je nach Projekt eine oder zwei Tressen passend zum Perückenhaar zu bestellen. Viele Shops, in denen man Cosplay-Perücken kaufen kann, bieten diese Möglichkeit an.
Auf dem Bild ist die Struktur der besagten Swiss Lace zu sehen, ebenso wie die spezielle Nadel mit dem Haken, der Haar für Haar fassen kann.
Auf dem Bild ist die Struktur der besagten Swiss Lace zu sehen, ebenso wie die spezielle Nadel mit dem Haken, der Haar für Haar fassen kann.

Schritt 1 – Die richtige Vorbereitung

Bevor es nun ans Eingemachte geht und losgeknüpft wird, muss zunächst der Untergrund vorbereitet werden, auf dem geknüpft wird. Je nach Form eines Haarteils, lohnt es sich, zuvor ein Schnittmuster auf Papier vorzubereiten, es am Gesicht mit der Größe zu prüfen und dann auf dem Perückenkopf festzustecken. Diese Orientierung kann helfen, nicht zu viel zu knüpfen und hinterher nichts abschneiden zu müssen. Über das Schnittmuster wird mit Stecknadeln die Lace angebracht, die größer als das Schnittmuster sein sollte, damit die festgesteckten Kanten beim Knüpfen nicht im Wege stehen. Die Lace wird so stramm wie möglich auf dem Perückenkopf befestigt, es dürfen keine Falten entstehen, genauso wie die Lace nicht rutschen darf. Hierbei ist etwas Vorsicht geboten, denn ein zu strammes Ziehen kann dazu führen, dass die Lace reißt.

Schritt 1 visualisiert.
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Im Knoten liegt die Magie

Wie natürlich und ordentlich ein Haarteil aussieht, hängt davon ab, wie viele Haare pro Knoten an der Lace befestigt werden. Eine perfekte Menge sind, wie bereits geschrieben, 1 – 2 Haare pro Knoten. Haarteile Knüpfen ist ein Prozess des nach und nach aufeinander Aufbauens. Man knüpft zwar mit wenig Haaren, doch je mehr und je dichter man knüpft, desto mehr wird mit der Zeit das Gesamtbild geformt.

Am besten nimmt man den Perückenkopf und befestigt ihn direkt vor sich an der Tischkante mithilfe eines Perückenhalters. Man kann den Perückenkopf jedoch auch auf den Schoß nehmen, was allerdings nach längerem Arbeiten zu Nackenschmerzen führen kann. Geknüpft wird am Besten in die Richtung, die vom Körper weggeht und vom unteren Stück des Bartes oder Haarteils nach oben, um zu verhindern, dass bereits geknüpfte Haare in den aktuellen Arbeitsbereich fallen und sich im schlimmsten Fall mit neuen Knoten verheddern.

Da das Knüpfen eine Kleinstarbeit ist, bei der es schwierig ist, die einzelnen Schritte so zu fotografieren, dass man sie vernünftig nachvollziehen kann, werden die folgenden Schaubilder den Prozess visualisieren.

Schritt 2:

Für den Anfang nimmt man sich die 1 – 2 Haare in die eine Hand und formt eine Schlaufe, diese wird mit Daumen und Zeigefinger an der Schnittstelle festgehalten. Die andere Hand hält die Knüpfnadel, die man unter einen Faden, von einem der sechseckigen Löcher, der Lace schiebt.

Schritt 2 visualisiert.
Schritt 2 visualisiert.

Schritt 3 und 4:

Mit dem Harken an der Knüpfnadel wird nun die Schlaufe gegriffen, die man noch immer mit Daumen und Zeigefinger festhält.

Schritt 3 visualisiert.
Schritt 3 visualisiert.

Diese Schlaufe wird daraufhin mit dem Haken so gezogen, dass sie unter den Faden der Lace und auf der anderen wieder hochkommt. Die beiden Haarseiten, die die Schlaufe formen, müssen dabei noch immer zusammengehalten werden.

Schritt 4 visualisiert.
Schritt 4 visualisiert.

Schritt 5:

Nun ist Fingerspitzengefühl gefragt. Die Nadel wird so nach oben geneigt, dass die Schlaufe aus dem Harken heraus über die Ecke der Nadel rutscht. Das andere Ende, welches noch immer mit Daumen und Zeigefinger gehalten wurde, wird nun einmal um die Krümmung der Nadel gewickelt. Somit wird quasi eine zweite Schlaufe kreiert.

Wichtig ist beim ganzen Prozess, dass das Haar an beiden Enden stramm gehalten wird. Es darf nicht locker sein!

Schritt 5 visualisiert.
Schritt 5 visualisiert.

Schritt 6:

Nun wird die Nadel einmal gedreht, sodass der Haken nicht mehr nach oben, sondern nach unten zeigt. Die zweite, neu kreierte Schlaufe, die nun in der Krümmung der Nadel liegt, rutscht dadurch in den Haken der Nadel. Auch bei diesem Schritt müssen die Haare straff gehalten werden.

Schritt 8 visualisiert.
Schritt 8 visualisiert.

Schritt 7:

Nun wird die Schlaufe, die im Haken festgehalten wird, durch die erste Schlaufe gezogen, indem man die Nadel hindurch nach hinten zieht. Ob man alles richtig gemacht hat, erkennt man einfach dadurch, wenn sich ein Knoten gebildet hat, den man nun durch das Ziehen festzieht. Hat man für den Prozess ein Haar verwendet, sollten aus dem Knoten heraus zwei Haarenden entstanden sein, an denen man ziehen kann, um ihre Befestigung zu prüfen.

Schritt 9 visualisiert.
Schritt 9 visualisiert.

Ran ans Haar!

Die Technik, einen haltenden Knoten zu knüpfen, ist letztendlich alles, was man zum Thema Knüpfen können muss. Hat man den Handgriff erstmal gemeistert, ist nur noch Geduld gefragt. Man wiederholt und wiederholt, solange bis sich wie bei einem Ölbild das Motiv nach und nach erkennbar macht. Bei Kunsthaar ist einzig noch zu beachten, dass es beim Knüpfen dazu kommen kann, krisselig zu werden.

Das heißt, dass die Haare wie beim Toupieren eine andere Struktur annehmen und sie voluminöser wirken lassen. Ein einfacher Trick, um gleichzeitig die Knoten ein wenig zu verstärken, ist, mit einem Haarföhn auf heißester Stufe die Haare zu glätten. Ist ein Haarteil erstmal geknüpft und mit dem Föhn „versiegelt“, muss man es nur noch mit Schneiden und Stylen in Form bringen: Fertig!

Möchte man nun seine neu kreierte Haarpracht im Gesicht anbringen, gibt es letzten Endes nur eine Möglichkeit: Hautkleber. Jedoch kann der beißende Geruch des klassischen Mastix für einige störend sein, so manch andere reagieren sogar allergisch auf den Hautkleber. Hierzu muss jeder für sich selbst das Produkt finden, welches individuell am meisten für einen selbst geeignet ist.

Es gibt auch extra Allergiker-Hautkleber, der wasserbasiert ist. Neben dem Kleber ist auch ein Hautklebe-Lösungsmittel eine gute Investition. Nicht nur, um die eigene Haut schnell und unkompliziert von allen Kleberückständen zu reinigen, sondern auch, um ab und zu die Lace des Haarteils damit zu säubern. So bleibt ein Haarteil auch über längere Zeit frisch und ordentlich.

Schritt 10 visualisiert.
Schritt 10 visualisiert.

Fotografien und Ikonografie: Lisa Murach
Titelbild: depositphotos © nejron © everett225
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Katrin Holst

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