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Was wäre Gandalf ohne langen Rauschebart, oder ein Warcraft-Nachtelf ohne die markant-haarigen Augenbrauen? Haare verleihen einem Gesicht das gewisse Etwas, aber nicht jeder kann sich einen weißen Zaubererbart mal eben wachsen lassen. Ein Rundum-Blick auf die verschiedenen Gesichtshaar-Techniken findet ihr in diesem Artikel.

Die Qual der Wahl

Egal, ob buschige Augenbrauen oder gleich ein Vollbart in allerlei Formen, egal, ob man Mann oder Frau ist und sich in eine bestimmte Figur verwandeln möchte, mit Haaren geht diese Verwandlung mitunter am schnellsten. Doch ein Gesichtstoupée zu organisieren kann bei all den Möglichkeiten schwierig und zeitaufwendig werden.

Es gibt verschiedene Techniken, mit denen man sich Haarteile in individuellen Formen und Größen fertigen kann. Diese reichen von kostengünstig bis teuer, von schnell bis zeitraubend oder von Stangenkauf bis individuelle Anpassung. Einige Möglichkeiten lassen sich wiederverwenden, andere wiederum nicht. Doch am Ende hängt die Entscheidung, für welche Technik man sich entscheidet, individuell vom Projekt ab, welches verwirklicht werden soll. Doch genau dafür braucht es zunächst einen Überblick, welche Methoden zur Auswahl stehen. Im Folgenden werden die bekanntesten Methoden, Haarteile herzustellen vorgestellt, sowie ihre Vorteile und Nachteile deutlich gemacht.

Alles Illusion – Gemalte Bärte

Werden nur Stoppeln oder ein Bartschatten für eine Figur benötigt, dann muss man nicht sofort zum Haar greifen. Sich einen Bart aufzumalen erscheint wohl als die einfachste und schnellste Methode, dem Gesicht etwas männlichen Touch zu verleihen. Doch Achtung! Hier ist Vorsicht und Übung gefragt, damit der gemalte Bart auch einigermaßen realistisch wirkt. Am besten nutzt man dafür einen angespitzten Kajalstift in der gewünschten Farbe – manchmal lohnt es sich auch, noch einen Farbton heller und dunkler zu nehmen, um Abwechslung hineinzubekommen. Mit dem Kajalstift werden kleine Striche in Haarrichtung gezogen, je dünner, desto besser, und je mehr, desto besser. Dabei muss vor allem aufgepasst werden, dass die richtige Bartzone bearbeitet wird, das heißt nicht dort malen, wo eigentlich kein Bart wächst, und auch nicht am Kinn aufhören, sondern ein paar weitere Striche daruntersetzen und somit den Bart „auslaufen“ lassen. Das sieht natürlicher aus.

Wie bei fast allen Techniken gilt auch für diese Methode der Spruch „Übung macht den Meister“. Es lohnt sich, vor dem Tragen des Cosplays ein paar Mal das Aufmalen eines Barts zu üben, damit man am Ende zufrieden ist und unnötiges Abwischen von vermasselten Stellen am Tag der Convention vermeidet. Mehr Tipps und Tricks zu Special-Effects-Make-Up findet ihr in dem Teilzeithelden-Artikel „Tipps und Tricks für Effekt-Make-up“.

Vorteile:

Einen Bart zu malen geht schnell und erfordert nur Übung und einen Kajalstift.

Nachteile:

Diese Technik funktioniert nur bei Figuren mit Stoppeln oder Bartschatten, womit man sehr in den Möglichkeiten des Stylings eingeschränkt ist. Zudem sieht ein aufgemalter Bart von nahem unrealistischer aus als es ein Bart aus richtigen Haaren.

Ein Beispiel für einen gemalten Bart beim Charakter: Corporal Ford aus dem Film Operation Overlord | Fotograf Arndt von Königsmarck

Gekauft

Die wohl einfachste Art und Weise, an ein richtiges Haarteil zu kommen, benötigt einen gut gefüllten Geldbeutel. Wer nicht gerade ein unnatürlich anmutendes Kunsthaargebilde aus dem Karnevalsshop zur Hand nehmen will, der findet genug Angebote im Fachhandel, oder im Internet von freischaffenden Maskenbildnern, sowie spezialisierte Kostümshops. Die bekanntesten Adressen für geknüpftes Kunsthaar sind der Shop Maskworld sowie der Maskenbildner-Fachhandel Kryolan. Beide besitzen eine kleine Palette an verschiedenen Bartarten mit unterschiedlichen Farben, die je nach Gebrauch zurechtgeschnitten werden können, aber auch mit geringen Mengen Haarspray in Form gebracht werden können.

Ein Bespiel für einen gekauften Bart beim Charakter: Ludwig II. von Bayern | Fotograf Felix Jonathan Jenkins

Vorteile:

Ein Haarteil einfach zu kaufen spart viel Zeit, die man mit dem Knüpfen oder Kleben verbringen würde. Zudem sind nahezu alle Bärte, die man kaufen kann, geknüpft und somit wiederverwendbar. Das tut man nicht nur der Umwelt zuliebe, auch die Investition selbst lohnt sich für mehrmaliges Verwenden.

Nachteile:

Bei von der Stange gekauften Produkten ist eine individuelle Anpassung nicht möglich. Man muss sowohl bei Farben und Formen darauf hoffen, dass man einen Treffer landet oder zumindest eine Basis für eigene kleine Nachbesserungen bekommt. Besonders bei sehr spezifischen Designs kann dies zu einem Problem werden. Zudem kann der Preis für einen gekauften Bart je nach Art die 50-Euro-Marke knacken. Bei individuell gefertigten Auftragsarbeiten muss man sich wiederum je nach Größe und Aufwand auf eine höhere dreistellige Summe einstellen. Wieso das Ganze so teuer ist, wird im späteren Verlauf des Artikels deutlich, wenn das Prozedere erklärt wird.

Strähne für Strähne – Der Wollkrepp-Weg

Eine günstige, aber dafür zeitaufwendige Methode nutzt das ebenfalls aus dem Maskenbildner-Bereich stammende Wollkrepp. Man erhält das Material in kleinen, geflochtenen Zöpfen und hat je nach Shop eine gute Auswahl an Farben. Auch buntere Farben wie blau oder rot sind als Wollkrepp erhältlich – eine Anlaufadresse dafür ist der Onlineshop Theatermakeup.

Mit Wollkrepp zu arbeiten erfordert viel Zeit, Geduld und Fingerspitzengefühl, da man sich mehr oder weniger Strähne für Strähne voran arbeitet. Zunächst bereitet man den Haarstrang vor, der beim Entflechten eine lockige Struktur hat. Will man keine Locken, muss man die Haare zunächst glätten. Das kann man entweder vorsichtig mit einem Glätteisen tun, oder man zieht die Wollkrepphaare durch heißes Wasser und lässt sie über Nacht trocknen. Je nach Länge des Haarteils muss man danach die Haarstränge kürzen und vor sich bereitlegen. Zum Befestigen der Haarsträhnen verwendet man am besten Mastix oder einen anderen handelsüblichen Hautkleber, der an die Stellen gestrichen wird, an denen die Haare haften sollen. Nachdem man den Kleber mit einem Pinsel auf der Hautstelle verteilt hat, muss man ihn kurz antrocknen lassen, ehe man nach und nach beginnen kann, die Haare anzubringen. Wichtig ist hierbei, sich von den unteren Schichten nach oben zu arbeiten, damit beim Weiterkleben keine Haare in die Quere kommen.

Vorteile:

Mit Wollkrepp ist man freier als bei anderen Methoden, verschiedene Stile umsetzen, vom langen Zaubererbart bis zu haarigen Hobbitfüßen. Man hat deutlich mehr Farbauswahl als bei einem gekauften Bart und kommt auch wesentlich billiger weg. Ein Strang Wollkrepp kostet rund sechs Euro und reicht, je nach Einsatzgebiet, auch für mehrmalige Anwendungen aus.

Nachteile:

Neben der langen Zeit, die man bei jedem Schminken damit zubringt, die Barthaare nach und nach anzukleben, ist ein Wollkrepp-Bart immer nur einmalig verwendbar. Nach dem Tag des Tragens muss man auch wieder nach und nach die Haare abziehen. Das ist nicht nur lästig, sondern produziert auch jedes Mal Müll. Zudem können sich einzelne Haare über den Tag lösen und je nach Trageart im Mund landen. Essen und trinken ohne Strohhalm wird durch einen Wollkrepp-Bart alles andere als zu einem Vergnügen.

Ein Beispiel für einen Wollkrepp Bart beim Charakter: Kaiser Nero aus dem Film Quo Vadis? | Fotografin: @_dertod (Instagram)

Klebendes Wunder

Zwischen dem Kleben von Einzelsträhnen und dem Knüpfen, liegt die Technik des Klebens eines Haarteils auf eine Basis, die man wiederverwenden kann. Bei dieser Methode kann man mithilfe eines Schnittmusters eine Basis aus Tüll oder ein vorgefertigtes Latexstück verwenden und Haarsträhnen aus Wollkrepp, toupierten Perückenhaaren oder Wolle nach und nach mit Flüssiglatex zu einem Haarteil kleben. Auch hier gilt wieder, sich von unten nach oben vorzuarbeiten.

Vorteile:

Man kann den geklebten Bart wiederverwenden und spart somit Zeit und Geld. Es ist eine schnellere Methode als das Knüpfen und eignet sich besonders für voluminöse Bärte und Haarteile.

Nachteile:

Die Gefahr, dass ein geklebtes Haarteil unordentlich aussieht, ist recht hoch, da es vorkommen kann, dass Haare an die zuvor geklebten Stellen kommen und dort „stecken bleiben“. Einen ordentlichen Übergang zu kreieren wird damit schwerer. Zudem ist es nur möglich, Haarteile mit viel Volumen zu kreieren, da man sonst die Grundbasis sieht.

Knüpfen bis die Finger brennen

Die zeitaufwendigste, aber zusammen mit den gekauften Bärten nachhaltigste Methode, ist das Selbstknüpfen eines Haarteils. Fast jeder hat diese Technik zumindest schonmal an einer Lace-Front-Perücke gesehen, die auf demselben Prinzip beruht. Was vor einigen Jahrzehnten sogar Teil einer Frisörausbildung war, ist heute noch Teil des Berufs eines jeden Maskenbildners. Kern dieses Prozederes ist, aus Kunsthaar- oder Menschenhaarsträngen auf einem tüllartigen Untergrund eine Haarfläche zu knüpfen, die mehrmalig verwendet und wie eine Perücke gestylt werden kann. Hierzu benötigt man eine spezielle Knüpfnadel, die man zusammen mit einer sogenannten „Swiss Lace“ (So wird der hautfarbene, tüllartige Stoff genannt, auf dem geknüpft wird. Achtung: Keinen Kleidungstüll verwenden!) im Maskenbildnerbedarf erwerben kann. Die Lace wird, mithilfe von Stecknadeln, auf einem Perückenkopf (am besten kein Styropor, sondern Stoff) befestigt und dabei strammgezogen, sodass eine glatte Fläche ohne Falten entsteht. Mit der Knüpfnadel werden dann nach und nach bis zu drei Haare mit einem speziellen Knoten an den Zwischensträngen der Lace befestigt. Um nicht ins Blaue heraus zu knüpfen, kann man ein Schnittmuster aus Papier unter der Lace feststecken und somit den vorgegebenen Bereich füllen. Wie dieses Prozedere funktioniert wird in einem bald erscheinenden Artikel hier auf Teilzeithelden gesondert thematisiert.

Vorteile:

Man kann mit dem Knüpfen ein eigenes individuelles Haarteil kreieren und am eigenen Gesicht und Körper anpassen. Es ist hierbei kein Problem, Haare zum Knüpfen zu nutzen, die man als Tressen mit derselben Farbe der Wig bestellen kann. Hat man sich zudem einmal ein Haarteil geknüpft, kann man es wiederverwenden, wie die gekauften Haarteile auf einer Lace. Die Technik kann man zudem auch verwenden, um Lace-Front-Perücken am Ansatz anzupassen und nachzubessern.

Nachteile:

Zwei Worte: Aufwendig und zeitraubend. Wie bereits zuvor im Text angerissen, kann man bei dieser Methode nur ein bis drei Haare gleichzeitig knüpfen. Bis man ein gutes Volumen an Haaren geknüpft hat, kann es je nach Größe mehrere Stunden bis zu mehreren Tagen dauern, wenn man am Stück arbeitet. Zudem ist die Schnelligkeit beim Knüpfen abhängig von der Erfahrung der knüpfenden Person. Besonders am Anfang kann diese Technik dadurch schnell zu Frustration führen. Man muss am Ball bleiben, bis man irgendwann den Bogen heraushat und wie ein Weltmeister knüpfen kann. Nicht umsonst ist Maskenbildnerei ein Ausbildungsberuf.

Ein Beispiel für einen geknüpften Bart beim Charakter: Kin´emon aus dem Anime/Manga One Piece | Fotografin: Lisa Murach

Eine Welt voller Haar

Für welche Technik man sich am Ende entscheidet, ist je nach Projekt und Person individuell. Jedoch lohnt es sich, wie bei anderen Herausforderungen, auch etwas Neues auszuprobieren. Techniken wie das Knüpfen (zu dem Thema wird es bald ein Tutorial hier auf Teilzeithelden geben), mögen im ersten Moment sehr schwer erscheinen und am Anfang nur ernüchternde Ergebnisse erzielen. Mit mehr Übung kann man aber bald schon Erfolge feiern und über sich hinauswachsen. Eine Welt voller Haare steht einem bevor!

Artikelbild: © Depositphotos | nejron
Lektorat: Ricardo Davids
Layout und Satz: Verena Bach

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