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Providence ist Alan Moores Widmung an die Geschichten und Welten von H.P. Lovecraft. Die erste Deluxe-Edition aus dem Hause Panini liefert ein abwechslungsreiches Horrorerlebnis voller Anspielungen auf den Cthulhu-Mythos. Wir haben in unserem Kurzcheck einen Abstecher in das Grauen gewagt.

Alan Moore hat mit Werken wie Watchmen, V wie Vendetta oder From Hell zu Lebzeiten etwas erreicht, was H.P. Lovecraft nicht vergönnt gewesen ist: sich den Ruf als Ikone in seiner Branche zu erarbeiten. Diese Tatsache aus Lovecrafts Leben ist heutzutage schwer vorstellbar, wenn man die Faszination für den Cthulhu-Mythos betrachtet, welche dieser trotz des problematischen Weltbilds seines Schöpfers ausübt.

Mit Providence schuf Alan Moore seine eigene Widmung an die Horrorwelten des amerikanischen Kollegen. Das Ergebnis ist eine faszinierende Geschichte mit Gänsehautgarantie, die gleichzeitig voller Referenzen und Anspielungen steckt.

Handlung & Charaktere

Der Deluxe-Sammelband von Providence enthält neben den ersten vier Kapiteln der titelgebenden Geschichte die beiden Teile von The Courtyard sowie die vier Bände von Neomonicon. Diese sind zeitlich Jahrzehnte nach Providence angesiedelt, wurden von Moore jedoch früher veröffentlicht.

Beide Handlungen fokussieren sich auf die Untersuchungen von FBI-Agent*innen, welche seltsamen Ereignissen auf der Spur sind. Die Fälle nehmen Referenz auf die Werke von H.P. Lovecraft und stellen deren fiktive Natur in Frage. Besonders Neomonicon spielt mit der Wahrnehmung der Leser*innen und schafft eine bedrohliche Präsenz der übernatürlichen Wesen in unserer Welt. Gleichzeitig ist Neomonicon mit Sicherheit die brutalste der Geschichten in diesem Sammelband und greift Themen wie Mord, Vergewaltigung und skrupellose Kulte auf.

Die ersten vier Kapitel von Providence in diesem Sammelband sind eine deutliche Hommage an die Werke von Lovecraft. Jedes von ihnen nimmt Bezug auf eine von Lovecrafts Geschichten, namentlich Kühle Luft, Grauen in Red Hook, Schatten über Innsmouth sowie Das Grauen von Dunwich.

Die Handlung folgt dem jungen Reporter Robert Black und seiner Suche nach einer okkulten Schrift. Auf die Idee wird er durch seinen Chefredakteur gebracht, als dieser ihn zu einem Buch recherchieren lässt, welches Leser*innen angeblich in den Wahnsinn treibt. Im Laufe der Geschichte wecken seltsame Funde die Neugier des jungen Mannes, der alsbald den Entschluss fasst, selbst ein Buch zu schreiben. Bei seinen Nachforschungen muss er sich nicht nur mit seltsamen Ereignissen, sondern ebenso mit dem Verlust seines kürzlich verstorbenen Liebhabers auseinandersetzen.

Während The Courtyard und Neomonicon den Horror geradlinig inszenieren, verlässt sich Providence auf Andeutungen. Subtile Hinweise und Wendungen vermitteln Robert Black und den Leser*innen immer wieder, dass etwas nicht in Ordnung zu sein scheint. Allerdings ist der junge Autor geradezu ein Meister darin, für alles eine logische Erklärung zu finden. Auf einigen Seiten möchte man ihn geradezu anschreien, dass er endlich die Augen öffnen und die Wahrheit erkennen muss.

Faszination üben alle drei Geschichten in diesem Sammelband aus. Der größte Kritikpunkt ist die Entscheidung von Alan Moore, Teile der Handlung von Providence über Tagebucheinträge abzubilden. Zwischen den einzelnen Kapiteln folgen oftmals mehrere Seiten, die Niederschriften von Robert Black widerspiegeln. Auf der einen Seite erlaubt das eine bessere Rekapitulation des Erlebten und eine Immersion in die Handlung; auf der anderen Seite ist die Lektüre der seitenlangen Einträge auf Dauer ermüdend und bietet aufmerksamen Leser*innen wenig erkennbaren Mehrwert.

Zeichnungen & Kolorierung

Die Qualität der Zeichnungen von Jacen Burrows in Kombination mit den Farben von Juan Rodríguez ist erstklassig. Jeder enthaltene Handlungsstrang sticht auf seine eigene Art und Weise hervor.

In The Courtyard sind das jene Doppelseiten, in denen der untersuchende Agent scheinbar Einblicke in die Welten der Großen Alten erhält. Die Bilder faszinieren auf der einen Seite durch ihren Detailreichtum, auf der anderen Seite durch ihre morbide Schönheit.

Neomonicon dagegen ist unbestritten die brutalste Geschichte, in der eine Vielzahl von verstörenden Szenen visuell inszeniert werden. Glücklicherweise gelingt es dem künstlerischen Team, nicht ins Geschmacklose zu driften oder Schockmomente nur aufgrund ihrer Dramatik einzubinden. Allerdings sollte man besonders im Endspurt keine Probleme mit der Darstellung von Geschlechtsakten haben.

Providence letztendlich fasziniert mit der Liebe zum Detail, die sich sowohl in den enthaltenen Coverbildern, als auch den Panels selbst findet. Während meiner Recherche bin ich beispielsweise auf den Hinweis gestoßen, dass die Nummer 317 auf dem Cover des ersten Kapitels eine Anspielung auf die Adresse des Buchladens eines Freundes von Lovecraft ist. Solche Referenzen bieten für Liebhaber*innen der Werke Lovecrafts eine spannende Jagd nach Anspielungen.

Mir persönlich sind die Zeichnungen des dritten Kapitels von Providence am stärksten in Erinnerung geblieben, da Schatten über Innsmouth zu meinen Lieblingsgeschichten aus dem Cthulhu-Mythos gehört. Burrows ist eine der besten Interpretationen des Innsmouth-Aussehens gelungen.

Die harten Fakten

  • Verlag: Panini
  • Autor*in: Alan Moore
  • Zeichner*innen: Jacen Burrows, Juan Rodríguez
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 340
  • Preis: 35,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Providence Deluxe 1 ist Alan Moores Verneigung vor den Werken und Welten von H.P. Lovecraft. Der Sammelband enthält sowohl die ersten vier Kapitel zu Providence, als auch die an dessen Handlung anschließenden, eigenständigen Fortsetzungen, die Moore allerdings schon Jahre zuvor veröffentlicht hatte. Dabei bieten die Geschichten ebenso expliziten und brutalen Horror, wie auch subtile Andeutungen und Gedankenspiele.

Die wahre Kunst von Providence ist die Kombination verschiedener Geschichten von Lovecraft in eine zusammenhängende Handlung, in der Reporter Robert Black auf der Spur eines okkulten Buches ist. Den Detailreichtum und die Recherchearbeit von Alan Moore bemerkt man auf allen Seiten, was der Erzählung ihren speziellen Reiz gibt.

Das Auge für das Feine zeigt sich auch bei der visuellen Gestaltung, der neben der atmosphärischen Inszenierung eine Vielzahl von Anspielungen gelingt. Lediglich bei Neomonicon weicht die Subtilität den expliziten Darstellungen des Horrors in einer Geschichte über Mord, Kulte und Monster.

Der einzige Wermutstropfen sind die Tagebücher des Protagonisten, durch die einzelne Kapitel von Providence miteinander verknüpft werden. Deren Lektüre ermüdet auf Dauer. Doch abgesehen davon ist dieser Sammelband für alle Fans der Welten von Lovecraft ein wahres Lesevergnügen.

  • Spannende Mischung aus subtilem Grusel und explizitem Horror
  • Sowohl Neuinterpretation von Lovecrafts Werken, als auch eine mögliche Entstehungsgeschichte selbiger
  • Stimmungsvolle & detailreiche visuelle Gestaltung voller Anspielungen zu Lovecraft und seinen Werken
 

  • Tagebucheinträge des Protagonisten können mit zunehmender Lektüre ermüden

 

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Lukas Heinen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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