Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Wenn der legendäre König Artus zurückkehrt, sollte das den Legenden nach ein Zeichen der Hoffnung sein. Doch würde man das auch so sehen, wenn der Herrscher ein boshaftes Skelett mit Allmachtsfantasien ist? Wie gut, dass Oma Bridgette und ihr Enkel da sind, um es mit der übernatürlichen Bedrohung aufzunehmen.

Stellt man die Frage nach den bekanntesten Sagengestalten im europäischen Raum, wird König Artus mit Sicherheit weit oben auf der Liste stehen. Der legendäre König, sein Schwert Excalibur, sowie die Ritter der Tafelrunde und der Zauberer Merlin wurden mannigfaltig in Bücher, Comics, Filme oder Videospiele integriert. Dabei nehmen sie oftmals die Rolle der strahlenden Helden ein, die gegen eine finstere Bedrohung in den Kampf ziehen.

Darauf hatte Kieron Gillen in seiner Graphic Novel Once & Future keine Lust. Vielmehr stellte er sich die Frage, was bei Artus Rückkehr in die heutige Zeit passieren könnte. So viel sei verraten: Der legendäre König ist nicht auf der Suche nach neuen Freund*innen. Dabei könnte auch der Umstand hinderlich sein, dass er inzwischen ein untotes Monstrum ist.

Once & Future 1: Der König ist untot

Das Date mit Rose läuft für Duncan McGuire eh schon nicht gut, als er einen besorgniserregenden Anruf erhält. Seine Großmutter Bridgette ist aus dem Pflegeheim entwischt und bittet ihren Enkel kurz darauf um ein Treffen. Dieses läuft für den jungen Mann äußerst überraschend ab: Nicht nur findet er seine Oma mit einer ansehnlichen Sammlung versteckter Waffen, sondern wird kurz darauf auch von einem bösartigen Ungeheuer angegriffen. Mit den Ratschlägen von Bridgette, die sich als Monsterjägerin im Ruhestand entpuppt, gelingt es Duncan dieses zu verjagen.

Doch damit beginnt das Abenteuer erst. Bridgette informiert ihren Enkel über den Diebstahl eines alten Gürtels, der die Rückkehr des legendären König Artus bewirken könnte. Die alte Dame befürchtet jedoch, dass dadurch eine neue Zeit der Finsternis anbrechen wird. Gemeinsam mit Duncan versucht sie dies zu verhindern, allerdings ohne Erfolg. Der mächtige König ist als schlechtgelauntes Skelett zurückgekehrt und plant nicht weniger als das Revival seiner alten Herrschaft. Die kleine Familie McGuire steht vor der Herausforderung, diese uralte Bedrohung auszuschalten.

Auf der einen Seite unterhält Once & Future mit seiner Neuinterpretation klassischer Elemente der Artus-Sage. Den legendären König als rassistischen, brutalen Untoten zu nutzen ist eine Abwechslung zum klassischen Bild. Die makabre Abwandlung bekannter Figuren und Gegenstände sorgt für Spannung und düstere Faszination.

Auf der anderen Seite stehen die Protagonist*innen. Besonders Oma Bridgette hinterlässt mit ihrer knallharten Kompromisslosigkeit Eindruck. Die alte Dame ist resolut in ihrem Kampf gegen das Übernatürliche und hat keine Zeit für die Jammerei ihres Enkels. Dieser ist zu Beginn von der neuen Situation außerordentlich überfordert, wächst aber an seinen Aufgaben. Die Nebencharaktere, darunter auch die menschlichen Gegenspieler*innen, fallen blasser aus. Darüber hinaus hat Autor Kieron Gillen etwas Familiendrama untergebracht, was zwar aus Sicht der Handlung Sinn ergibt, jedoch erzwungen wirkt.

Das sind allerdings kleine Makel einer Geschichte, die insgesamt mit einem spannenden Handlungsbogen unterhält. Die visuelle Inszenierung von Zeichner Dan Mora und Koloristin Tamra Bonvillain trägt ihr Übriges zur mythischen Atmosphäre bei. Die Illustrationen sind ausdrucksstark und dynamisch, während die Kolorierung farbenfroh ist, ohne übertrieben bunt zu wirken. Bonvillain nutzt besonders bei den mythischen Szenen stimmige Licht- und Spezialeffekte, die das Übernatürliche betonen.

Mora gebührt speziell für das Design der Untoten großes Lob. Artus und seine verwesende Gefolgschaft sind widerlich anzusehen und damit wahrhaft beängstigende Widersacher. Gleichzeitig schreckt der Künstler nicht vor deutlicher Brutalität zurück, wenn beispielsweise die Untoten mit ihren Schwertern Gliedmaßen abschlagen und Körper zerteilen. Glücklicherweise fühlt sich das an keiner Stelle nach Gewalt um der Gewalt willen an, sondern passt zu den finsteren Charakteren und der Grundstimmung der Handlung.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor*innen: Kieron Gillen
  • Zeichner*innen: Dan Mora, Tamra Bonvillain
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 160
  • Preis: 22,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Once & Future 2: Das alte England

Der zweite Band von Once & Future macht weiter, wo der erste Sammelband mit einem gelungenen Cliffhanger aufgehört hat. Beide Parteien lecken die Wunden der vergangenen Konfrontation und arbeiten an ihren Zielen weiter. Doch Neuankömmlinge verkomplizieren die Lage. Ähnlich wie bereits bei Artus und seiner Sage, finden Gestalten aus der Legende um Beowulf ihren Weg nach England. Ein Kampf gegen weitere übernatürliche Mächte entbrennt.

Die Zunahme von weiteren Gestalten der Mythologie macht Once & Future 2: Das alte England spannender, da eine Abwechslung zu Artus und seinen untoten Schergen geboten wird. Die Gegenspieler aus der Beowulf-Saga sind deutlich monströser, wodurch der zweite Band der Reihe actionlastiger und brutaler wirkt. Gleichzeitig gibt es wieder geniale Szenen mit Bridgette, die auch in dieser Graphic Novel allen anderen die Show stiehlt. Überaus schmunzeln musste ich bei dem Auftritt einer Gruppe von Gesetzeshütern, die eine charmante Hommage darstellen. Somit bietet auch der zweite Sammelband von Once & Future eine gelungene Mischung aus Mystik, Action und einer Prise Witz.

Die Qualität der visuellen Gestaltung bleibt bestehen und legt sogar noch einen Gang zu. Besonders das Design der neuen Monster bleibt in Erinnerung. Sind Artus und seine Schergen trotz ihrer skelettartigen Gestalten immer noch als Menschen erkennbar, so bekommen es die Monsterjäger in diesem Band mit richtigen Bestien zu tun. Wer sich mit der Sage von Beowulf auskennt wird wissen, auf welche Wesen ich anspiele.

Selbst der legendäre Held hinterlässt mit seiner flammenden und muskelbepackten Gestalt Eindruck. Aufgrund des höheren Fokus auf Action und Kämpfe ist dieser Band deutlich blutiger. Gerade in der zweiten Hälfte der Graphic Novel hat man den Eindruck, dass Rot die definitiv vorherrschende Farbe aller Szenen ist. Die stimmige Kolorierung trägt somit eine wichtige Rolle. Da die meisten Szenen bei Nacht und in Finsternis stattfinden, bieten sich Leser*innen Szenen mit eindrucksvollen Lichteffekten und Kontrasten.

Once & Future 2: Das alte England bietet weniger Rahmenhandlung als sein Vorgänger, gleicht das aber durch Mystik und Action aus. Die Kombination verschiedener Sagen schafft spannende Situationen und weckt die Neugier für die künftigen Bände. Insgesamt hat mich der zweite Band sogar besser unterhalten als der erste.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor*innen: Kieron Gillen
  • Zeichner*innen: Dan Mora, Tamra Bonvillain
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 160
  • Preis: 22,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Once & Future kombiniert eine erfrischend düstere Neuinterpretation klassischer Sagen mit interessanten Hauptcharakteren zu einer unterhaltsamen Graphic Novel. Besonders Oma Bridgette stiehlt mit ihrer kompromisslosen Art allen anderen Figuren die Show, selbst ihrem Enkel und „strahlenden Helden“ Duncan. Demgegenüber stehen herrlich makaber inszenierte Varianten von klassischen Sagengestalten, von König Artus bis hin zu Beowulf.

Präsentiert wird das durch ausdrucksstarke Zeichnungen von Dan Mora und farbenfrohe Kolorierungen von Tamra Bonvillain. Letztgenannter gelingen durch den Einsatz von Licht- und Spezialeffekten atemberaubend schöne Szenen, während Illustrator Mora besonders durch Monsterdesign und seine genutzte Dynamik überzeugt. Das Ergebnis ist eine wunderschön anzusehende Graphic Novel mit düsterem Charme, die an einigen Stellen auch sehr blutig werden kann.

Während der erste Band die Rahmenhandlung etabliert und vorantreibt, setzt der zweite Sammelband von Once & Future auf Action und den Kampf gegen übermächtige Monster. Das könnte einigen Leser*innen negativ auffallen, wenngleich der Unterhaltungsfaktor in beiden Bänden hoch ist. Insgesamt gelingt es Autor Kieron Gillen in beiden Werken, den Grundstein für eine faszinierende Reihe zu legen, die nicht nur Fans der Artus-Sage faszinieren wird.

  • Spannende & düstere Neuinterpretation klassischer englischer Sagen
  • Interessantes Duo an Hauptcharakteren, wobei besonders Oma Bridgette hervorsticht
  • Visuelle eindrucksvoll, energiegeladene Zeichnungen und farbenfrohe Kolorierung
 

  • Nebencharaktere bleiben blass, besonders neben der starken Protagonistin
  • Zweiter Sammelband für einige Leser*innen wahrscheinlich mit zu wenig Fortschritt der Handlung

 

Artikelbilder: © Cross Cult
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Rick Davids
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein