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Dank eines mysteriösen Trainingsprogramms entwickelt der nerdige Luther Strode binnen kurzer Zeit übernatürliche Kräfte. Doch damit fangen seine Probleme erst an und führen zu einer Geschichte, die in einer der blutigsten Graphic Novel der letzten Monate erzählt wird. Wir haben uns angeschaut, wer Freude an dem Actionspektakel haben könnte.

Was würdet ihr tun, wenn ein Trainingskurs euer Leben verändert? Stellt euch vor, ihr könntet mit Absolvierung dieses Programms zu einer der mächtigsten Personen dieser Welt werden. Würdet ihr die gewonnenen Gaben für Gutes oder Böses einsetzen?

Für Luther Strode, den Protagonisten der gleichnamigen Graphic Novel, stellt sich die Frage gar nicht erst. Mit seinen Fertigkeiten will er die Schurk*innen dieser Welt in Angst und Schrecken versetzen. Doch wann überschreitet man die Grenze zwischen Heldentum und Selbstjustiz? Luther Strode ist eine brutal inszenierte Story über die Frage, wofür man außergewöhnliche Kräfte einsetzen sollte. Warum der actionreiche Trip dennoch ein paar Schwachstellen hat, erfahrt ihr in unserem Kurzcheck.

Handlung & Charaktere

Zu Beginn der Geschichte ist Luther Strode ein Nerd, wie er im Buche steht. In der Schule sieht er sich dem Mobbing seiner Mitschüler*innen ausgesetzt und hängt meist nur mit seinem Freund Pete rum. Außerdem fehlt ihm der Mut, endlich mit seinem Schwarm Petra zu sprechen.

Das soll sich mit Hilfe eines Kurses namens Herkules-Programm ändern, den sich Luther via Zeitschrift bestellt hat. Dieser verspricht sagenhafte Ergebnisse, wenn es gelingt Geist, Körper und Seele in Einklang zu bringen. Tatsächlich schafft es Luther innerhalb kürzester Zeit eine eindrucksvolle Statur aufzubauen und sich den Quälgeistern seiner Schule zu stellen. Doch damit nicht genug: Seine Wahrnehmung wird schärfer, die Reflexe besser und seine körperlichen Fähigkeiten nehmen langsam übernatürliche Ausmaße an.

Luther Strode ist eine actionreiche Erzählung über den Wandel eines jungen Mannes.

Allmählich beginnt Luther, seine Fertigkeiten im Kampf gegen das Verbrechen einzusetzen. Dabei kommen ihm aber bald andere Gestalten in die Quere, die über ähnliche Fertigkeiten wie er selbst verfügen. Luther muss erkennen, dass sein genutztes Trainingsprogramm bereits seit Jahrtausenden im Einsatz ist und einige der wichtigsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte geschaffen hat. Denn in Wahrheit ist das Herkules-Programm nichts anderes als die Anleitung eines Mordkultes, um die Welt mit Gewalt nach den eigenen Vorstellungen zu schaffen. So steht Luther vor der folgenschweren Entscheidung, der Gier nach Blut nachzugeben oder sich gegen den uralten Kult und dessen Mitglieder aufzulehnen. Beide Richtungen bergen folgenschwere Konsequenzen.

Luther Strode ist eine actionreiche Erzählung über den Wandel eines jungen Mannes und seinen Umgang mit der gewonnen Macht. Dabei wirkt die Geschichte sehr geradlinig und fokussiert sich auf Luthers Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Gegenspieler*innen, die ihm auf jeweils eigene Art das Leben zur Hölle machen. Neben diesen Widersacher*innen und den anfangs vorgestellten wichtigen Personen in Luthers Leben (sein bester Freund Pete, seine Mutter und sein Schulschwarm Petra) gibt es kaum langfristig relevante Charaktere in der Graphic Novel.

Gewalt und Kämpfe sind ein wesentlicher Bestandteil von Luther Strode und machen den Großteil der Geschichte aus. Diese sind abwechslungsreich und mit einigen Wendungen inszeniert. An vielen Stellen entsteht jedoch der Eindruck, dass das Blutvergießen nicht nur als Erzählmittel, sondern vielmehr als Schockmittel eingesetzt werden soll. Damit steht Luther Strode im Kontrast zu anderen Graphic Novel, welche ebenso einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Gewalt einbauen. So dient beispielsweise in Die! Die! Die! Band 1 das Gemetzel als bewusst gewähltes Stilelement der übertriebenen Handlung. In The Crow sind die brutalen Handlungen des Protagonisten ein klarer Kontrast zu den emotionalen Einblicken in sein Innenleben.

Zeichenstil

Man verzeihe dieses Wortspiel, aber die Zeichnungen von Luther Strode hauen noch mehr rein als der Protagonist der Graphic Novel selbst. Zeichner Tradd Moore und Kolorist Felipe Sobreiro erschaffen ein visuelles Spektakel, durch welches die actionreiche Geschichte glänzt. Die Dynamik der Kämpfe, gepaart mit der typischen Überzeichnung amerikanischer Superheld*innen-Comics zaubert wuchtige Szenen auf das Papier dieses Sammelbandes. Dieser ist mit seinen 544 Seiten fast so ein Koloss wie Luther nach seinem Herkules-Training.

Von gebrochenen Knochen bis zu abgerissenen Gliedmaßen ist fast alles enthalten […]

Passend zur erzählten Geschichte ist die visuelle Präsentation blutig. Nicht umsonst gibt der Verlag Cross Cult ein empfohlenes Lesealter von 16+ an. Wer Freude an Splatter hat, wird hier auf ein Paradies stoßen. Die zahlreichen Kämpfe inszenieren alle möglichen Arten von Gewalt und unschönen Dinge, die übernatürlich starke Menschen sich gegenseitig und normalen Personen antun können. Von gebrochenen Knochen bis zu abgerissenen Gliedmaßen ist fast alles enthalten, womit man für Schmerzen und Blutverlust sorgen kann.

Somit dürfte es nicht verwundern, dass sich auf den Seiten gerne die Farbe Rot findet. Luther Strode ist äußerst blutig in der Präsentation. Dennoch macht die Graphic Novel insgesamt keinen übermäßig düsteren Eindruck. Das liegt an der generellen Wahl von kräftigen und leuchtenden Farben, welche man auch bei vielen anderen Umsetzungen dieses Genres findet.

Das positive Gesamtbild wird durch üppiges Bonusmaterial abgerundet. Am Ende des Sammelbandes finden sich Skizzen, Charakterdesigns, Cover-Varianten und Artworks von Gastkünstler*innen. Diese bilden einen visuell stimmigen Abschluss, welcher zum kurzweiligen Durchblättern einlädt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor*in: Justin Jordan
  • Zeichner*innen: Tradd Moore, Felipe Sobreiro
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 544
  • Preis: 40,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Was für eine Lektüre. Nach jedem Kapitel von Luther Strode muss man aufgrund der Intensität eine Pause einlegen, da man sich so fühlt, als wäre man selbst in die brutalen Kämpfe verwickelt gewesen. Die Graphic Novel erzählt die Geschichte des jungen Mannes Luther Strode, der sich durch ein spezielles Trainingsprogramm in einen Koloss mit übernatürlichen Kräften verwandelt. Nach seiner Wandlung sieht er sich mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, die fast ausnahmslos in spektakulär inszenierten Kämpfen enden.

Diese Konfrontationen leben besonders von der exzellenten Inszenierung. Das künstlerische Team von Luther Strode versteht es, packende und dynamische Konfrontationen auf das Papier zu bannen. Dabei muss man jedoch mit der expliziten Natur dieser Graphic Novel klarkommen, die ohne Beschönigung eine Vielzahl von brutalen Szenen aufzeigt. An einigen Stellen kann das übertrieben wirken und als hätte man die Gewalt nur zu Schockzwecken mit kurzfristiger Wirkung eingebaut.

Leider geht der Fokus auf die brachialen Kämpfe zu Lasten der Charakterentwicklung. Zwar gibt es Einblicke in den Werdegang von Luther und seinen wichtigsten Begleiter*innen. Doch speziell die Gegenspieler*innen der Handlung reduzieren sich auf wenige Eigenheiten, die ihnen Besonderheit verleihen sollen. Gerade gegen Ende des Bandes nimmt dies spürbar zu, sodass im späteren Verlauf der Geschichte der Reizfaktor der Kontrahent*innen zurückgeht.

Dennoch ist Luther Strode eine klare Empfehlung für all jene, die einfach nur gute Action oder Splatter suchen.

  • Actionreiche Handlung mit packend inszenierten Kämpfen
  • Grandiose und packende visuelle Gestaltung dank dynamischer und lebendiger Panels
  • Für Fans von Splatter genau richtig
 

  • Gewalt wirkt stellenweise erzwungen und zu Schockeffekten eingebaut
  • Charakterentwicklung muss der rasanten und actiongetriebenen Handlung weichen

 

Artikelbilder: © Cross Cult
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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