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Ein magisches Schwert gehört wahrscheinlich nicht zu den ersten Heilmitteln, die man bei Alzheimer verschreiben würde. In God Country nimmt die mächtige Klinge Valofax jedoch einer geplagten Familie diese Bürde. Doch diese Wendung kommt nicht ohne Probleme, welche zu einer Geschichte voller Action und Emotionalität führen.

Der Titel von God Country weckt die Vermutung, dass bei der Graphic Novel eine Geschichte im Stile von American Gods erwartet werden kann. Allerdings spielen mächtige Gottheiten eine deutlich geringere Rolle, als es zunächst den Anschein hat. Warum der passendere Titel eigentlich Father Country gewesen wäre und warum diese Graphic Novel eine sehr spezielle Leseerfahrung bietet, klären wir in unserem Kurzcheck.

Triggerwarnungen

Alzheimer, Explizite Gewaltdarstellung

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Inhalt

Die Familie Quinlan muss mit einer tückischen Gefahr zurechtkommen. Dabei handelt es sich jedoch (anfänglich) nicht um übernatürliche Bedrohungen, sondern eine unsichtbare Qual mit Namen Alzheimer. Diese belastende Erkrankung hat Emmet Quinlan vollständig in ihrem Griff und sorgt damit bei seinem Sohn Roy sowie dessen Frau und Tochter für Verzweiflung und Hilflosigkeit.

Als ein heftiger Sturm auf das Zuhause der Quinlans zukommt, bringt dieser einen boshaften Dämon mit sich. Doch darüber hinaus findet auch etwas anderes den Weg in unsere Welt: Die göttliche Klinge Valofax, welche sich Emmet als ihren Träger aussucht. Das legendäre Schwert gibt dem greisen Mann nicht nur die Kraft, seine Familie vor dem Dämon zu schützen, sondern fegt auch die Alzheimer-Erkrankung hinweg. Das erste Mal seit langer Zeit kann die Familie Quinlan etwas wie Normalität genießen – soweit dies mit einem riesigen, sprechenden Schwert in den Händen von Opa Emmet eben möglich ist.

Doch schnell wird klar, dass der Schöpfer von Valofax die mächtige Waffe zurück haben möchte. Dummerweise handelt es sich dabei um eine dunkle Gottheit, die keine Skrupel zu kennen scheint. Somit findet sich Emmet alsbald in einer Zwickmühle: Behält er das magische Schwert, bringt er seine Familie in Gefahr. Gibt er es zurück, kehrt seine Erkrankung zurück. Somit entschließt er sich zum gleichzeitigen Kampf gegen dunkle Götter und sein Alzheimer.

Auf der einen Seite ist God Country zweifelsfrei ein düsteres und temporeiches Action-Spektakel, das bei der Lektüre an Werke wie Luther Strode oder Once & Future erinnert. Valofax gewährt Emmet nicht nur wieder die Kontrolle über seinen eigenen Geist, sondern gibt dem alten Mann auch die Macht, es mit den Schergen des dunklen Gottes Attüm aufzunehmen. Das ist bei der Menge an Konfrontationen innerhalb der Geschichte auch bitter nötig.

Auf der anderen Seite wird schnell klar, dass eine ganz andere Frage im Zentrum der Handlung steht: Was macht einen Vater aus? Am deutlichsten zeigt sich dies natürlich an der Figur von Emmet Quinlan. Der alte Mann „erwacht“ mit Valofax’ Hilfe endlich aus der Hölle seiner Erkrankung, um das erste Mal seit langer Zeit mit seiner Familie interagieren zu können. Gleichzeitig bringt die Konfrontation mit Attüm seine Liebsten in Gefahr. Wie soll er agieren, um Sohn, Schwiegertochter und Enkelin zu beschützen?

Allerdings taucht die Frage des Vaterseins auch an anderen Stellen auf. Emmets Sohn Roy sieht sich beispielsweise am Beginn der Handlung damit konfrontiert. Dort stellt sich die schwierige Frage, ob die Pflege seines kranken Vaters oder die Beziehung zu seiner Frau und Tochter mehr im Vordergrund stehen sollte.

Darüber hinaus spielen selbst die Kontrahenten des Bandes auf diese Frage an, da Attüm ein klares Gegenbild zu Emmet und Roy liefert. So schickt der dunkle Gott seine eigenen Söhne ohne Zögern in den Kampf um die legendäre Klinge und macht klar, dass Scheitern keine Option ist. Leider ist diese toxische Vater-Kinder-Beziehung der einzige interessante Aspekt an den Gegenspielern dieses Werkes, da sie ansonsten oberflächlich und klischeebeladen bleiben.

Zeichnungen

Die Handlung von God Country wird von Geoff Shaw (Zeichnungen) und Jason Wordie (Kolorierung) eindrucksvoll umgesetzt. Das macht sich zum einen in den fulminanten Action-Szenen bemerkbar, die geradezu vor Wucht und Dynamik strotzen. Hier gelingt es äußerst glaubwürdig, sowohl die Macht von Valofax, als auch die Gefahren der Gegenspieler darzustellen. Darüber hinaus weiß das Design der Gottheiten und ihrer Heimat zu gefallen, welches einen düsteren Fantasy-Stil und dystopischen Zukunftsflair kombiniert.

Zum anderen zeigt das künstlerische Team sein Können besonders bei den emotionalen Szenen. Sei es das freudige Strahlen von Emmet, als er das erste Mal seine Enkelin erkennt, grimmige Entschlossenheit oder abgrundtiefe Furcht: Die Mimik der Charaktere sticht positiv hervor. Außerdem kommt man nicht umhin, die gelungene Aufteilung der Panels zu bewundern, welche wichtige Momente flächenfüllend platziert, geschickt den Spannungsaufbau fördert und zum Umblättern einlädt. Das Highlight der Graphic Novel war eine Doppelseite zum Ende der Handlung, welche die gesamte emotionale Wucht der Geschichte kombinieren konnte. Hier dürfte es möglich sein, dass einige Lesende für eine Weile innehalten.

Zuletzt sollte die atmosphärisch stimmige Kolorierung erwähnt werden. Jason Wordie setzt eine matte Farbpalette mit einer Tendenz zu dunklen Tönen. Dadurch wirkt die Handlung automatisch düsterer und ernster. Gleichzeitig erlaubt es eine größere Wirkung der wenigen Szenen, in denen helle und warme Farben bewusst eingesetzt werden. Wenig verwunderlich finden sich diese hauptsächlich bei den raren Momenten von Familienidylle und Momenten der Ruhe.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor*in: Donny Cates
  • Zeichner*innen: Geoff Shaw, Jason Wordie
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprachen: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 186
  • Preis: 25,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

God Country wirkt auf den ersten Blick wie ein kurzweiliges Fantasy-Actionspektakel mit düsterem Flair. Worum sonst sollte sich eine Geschichte drehen, in deren Mittelpunkt ein riesiges Schwert zu stehen scheint? Tatsächlich ist der fantastische Hintergrund jedoch nur ein Nebenaspekt der Handlung. Die magische Natur des Schwertes Valofax erlaubt der Familie Quinlan eine kurze Pause von den Schrecken der Krankheit Alzheimer, die (Groß-)Vater Emmet heimsucht. Dies erfolgt allerdings zu dem hohen Preis, dass nun eine dunkle Gottheit ihr Auge auf den neuen Träger des Schwertes geworfen hat.

Bald sehen sich mehrere Charaktere der Fragestellung gegenüber, was für ihre Familie wichtig ist und besonders, welche Eigenschaften einen guten Vater ausmachen. Dank dieser Kombination aus Spektakel und emotionaler Momente fühlt man sich schnell mit den Mitgliedern der Familie Quinlan verbunden. Leider wählt das verantwortliche Team von God Country im Gegenzug als Antagonisten tendenziell oberflächliche und klischeehafte Figuren.

Die visuelle Inszenierung brilliert mit hohem Detailgrad und atmosphärischer Gestaltung. Besonders die Mimik der Figuren weiß in emotionalen Momenten zu überzeugen, wobei die opulent inszenierten Action-Szenen ebenso beeindrucken. Die stärksten Bilder liefert God Country jedoch zweifelsfrei in seinen ruhigeren, gefühlsbetonten Momenten.

Zusammenfassend weiß diese Graphic Novel positiv zu überraschen, da man auf den ersten Blick etwas anderes erwartet. Die kurzweilige Kombination aus Action und Emotionalität, gepaart mit den schön anzusehenden Bildern, versteht zu unterhalten. An einigen Stellen wünscht man sich zwar etwas mehr Originalität, besonders was die stereotypischen Widersacher angeht. Dies trübt den überwiegend guten Gesamteindruck allerdings nur wenig.

 

  • Kurzweilige Geschichte, die Action und Emotionalität kombiniert
  • Interessante Betrachtung der Themen Alzheimer und Vaterschaft
  • Hochwertige und atmosphärisch starke visuelle Umsetzung

 

  • Gegenspieler oberflächlich und klischeehaft

 

Artikelbilder: © Cross Cult
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Denise Hollas
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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