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Die Comicverfilmung Kingsman überraschte vor sieben Jahren viele Kinogänger*innen und so gab es die unvermeidliche Fortsetzung „The Golden Circle“, die jedoch deutlich weniger Erfolg hatte. Im Januar kommt nun das gleichsam unvermeidliche Prequel in die deutschen Kinos. Wir haben es uns schon vorab für euch angesehen. Der Artikel enthält minimale Spoiler.

Kick-Ass, Wanted, Jupiter’s Legacy und Kingsman haben einiges gemeinsam: Sie gehören in den Comics zum gleichen Universum, nehmen sogar teilweise Bezug aufeinander. Das Millarverse, benannt nach Mark Millar, dem Autor all dieser Werke, umfasst dabei noch einige andere Titel, von denen eine ganze Reihe in der Zukunft auf Netflix erscheinen wird. Ob es dann eine Verbindung zu den bisherigen Verfilmungen geben wird, bleibt abzuwarten. Bisher sind zumindest die Kingsman-Filme jedoch komplett losgelöst von den anderen genannten bewegten Werken. Der Ursprung in einem Comicuniversum mag aber vielleicht erklären, warum manche Dinge in den Filmen schon immer sehr übertrieben wirkten – es ist im Grunde eine Welt mit Superhelden*innen und -schurk*innen.

Der erste Teil, Kingsman: The Secret Service, bestach vor allem durch viel Charme und Stil und verband dabei Aspekte älterer James Bond Inkarnationen mit modernem Actionkino. Der Film wurde zum Überraschungserfolg und spielte über 400 Millionen Dollar an den Kinokassen ein – bei einem Budget von gerade einmal 80-90 Millionen. Natürlich sorgte das dafür, dass weitere Filme folgen würden. Und so kam 2017 mit Kingsman: The Golden Circle ein zweiter Teil in die Kinos. Das Budget lag mit 100 Millionen USD etwas höher. Aber obwohl das Einspielergebnis dem des ersten fast gleichkam (411 zu 414 Mio. USD) – bei Kritiker*innen und dem Publikum war der Film deutlich weniger beliebt. Überraschungserfolge lassen sich oftmals einfach nicht wiederholen. Alle Elemente des ersten Teils waren vorhanden, aber irgendetwas fehlte.

Was macht man in Hollywood, wenn Fortsetzungen nicht so viel Erfolg haben, aber weiter Geld mit dem Material verdient werden soll? Ganz klar: Wenn danach nicht klappt, wie wäre es mit davor? Also wurde der nächste filmische Ausflug in das Universum der Kingsmen einfach als Prequel konzipiert.

Eigentlich sollte The King’s Man: The Beginning schon im November 2019 in die Kinos kommen, aber es gab diverse Verschiebungen. Nachdrehs, Konflikte mit anderen großen Disney-Releases, Covid 19. Die Liste der Verschiebungen ist lang, aber am 06. Januar 2022 ist es endlich auch in Deutschland so weit, dass der Film in die Kinos kommt – wenn die denn dann überhaupt aufhaben dürfen.

Story

Der folgende Abschnitt enthält Spoiler für die ersten 5-10 Minuten des Films. Wer diese vermeiden will, überspringt ihn am besten. Eine weitere Box zeigt euch, wo die Spoiler aufhören

Afrika, 1902. Lord Orlando Oxford (Ralf Fiennes) und seine Frau Emily (Alexandra Maria Lara) besuchen ein Feldlager der britischen Armee, um Hilfsgüter des roten Kreuzes zu liefern. Dabei haben sie auch ihren jungen Sohn Conrad (hier: Alexander Shaw, später: Harris Dickinson) und den getreuen Diener Shola (Djimon Hounsou).

Schnell wird klar, dass die Bedingungen für die Gefangenen alles andere als ideal sind. Es wird von Konzentrationslagern gesprochen. Aus Sicht der Armee sind diese der einzige Weg, diesen Krieg zu gewinnen. Ein kurzer Streit über die Methoden mit dem leitenden Offizier Kitchener (Charles Dance) wird jäh unterbrochen, als das Lager angegriffen wird. Lord Oxford wird verletzt, seine Frau tödlich getroffen. Bevor sie stirbt, ringt sie ihrem Mann noch ein Versprechen ab: Ihr Sohn Conrad solle niemals in seinem Leben den Krieg sehen müssen!

Zwölf Jahre später ist Conrad zu einem jungen Mann herangewachsen, hungrig die Welt zu sehen. Aber sein Vater behütet ihn vor der großen weiten Welt, und erst ein Spezialauftrag von Kitchener an Lord Oxford führt dazu, dass sich all das ändert: Der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand besucht Sarajevo und es gibt Gerüchte, dass es einen Anschlag geben soll…

Hier enden die Spoiler

Geschickt webt die Geschichte von The King’s Man: The Beginning seine eigenen Figuren in die reale Historie des ersten Weltkriegs ein. Personen, die für den Verlauf dieses Konflikts äußerst wichtig waren, aber in der Realität keine Verbindung hatten (soweit wir heute wissen), arbeiten in diesem Film zusammen und dienen dem geheimnisvollen „Hirten“, der England fallen sehen will.

Darsteller*innen

Ralf Fiennes als Orlando Oxford und Harris Dickinson als sein Sohn Conrad Oxford sind die beiden Haupt-Helden von The King’s Man: The Beginning. Fiennes zeigt dabei seine Vielseitigkeit als erfahrener Schauspieler, denn die unterschiedlichen emotionalen Zustände, die der Charakter im Laufe des Films durchläuft, nimmt man ihm durchweg ab. Dickinsons Conrad ist nicht so vielschichtig, aber es macht Spaß, auch ihm zuzusehen. Die Entwicklung von Unsicherheit hin zu Selbstbewusstsein und Held*innenenmut nimmt man ihm gut ab.

Den beiden zur Seite stehen unter anderem Djimon Hounsou als Diener und Messerkampf-Lehrer Shola und Gemma Arterton als Kindermädchen Polly. Beide Rollen haben ihre Momente, aber es ist etwas schade, dass der an sich interessante Charakter Polly als einzige wirklich ausgearbeitete weibliche Figur des Films über lange Strecken wenig zu tun hat.

Charles Dance als General Kitchener liefert ebenfalls eine sehr solide Leistung ab. Den distinguierten älteren Herren in Machtposition nimmt man diesem Schauspieler einfach in jedem Universum ab.

Auf der Gegenseite sticht vor allem Rhys Ifans als Grigori Rasputin hervor. Die Darstellung des sagenumwobenen Mönches ist einfach von Anfang bis Ende derart übertrieben und absurd, dass man sie entweder lieben oder hassen wird.

Daniel Brühl als Erik Jan Hanussen ist ein weiterer Handlanger des Hirten und die Rolle erinnert nicht nur darstellerisch an Baron Zemo, den Brühl im MCU schon mehrfach darstellte.

Der Hirte selbst hingegen ist etwas blass.

Interessant ist die Darstellung von Kaiser Wilhelm, König George und Zar Nicholas, denn die drei Cousins werden alle von Tom Hollander dargestellt. Die drei Figuren sind nicht besonders oft im Film zu sehen, aber bis zu den Credits war mir nicht aufgefallen, dass es derselbe Darsteller ist. Respekt für diese Leistung an die Maske und den Schauspieler.

Inszenierung

An dieser Front muss sich The King’s Man: The Beginning vor anderen aktuellen Filmen keinesfalls verstecken. Die Orte, vor denen die Handlung stattfindet, fühlen sich meist organisch an oder sind so bewusst überzeichnet, dass es eine Frage des Stils ist, ob man sie mag oder nicht. An einer Stelle wird ein Zeitsprung von zwei Jahren dadurch gezeigt, wie sich die Landschaft innerhalb des ersten Weltkriegs in dieser Zeit veränderte – ein sehr eindrucksvoller Effekt.

Aber wie schon bei der Darstellung ist auch bei der Inszenierung Grigori Rasputin vermutlich einer der Punkte, an denen sich die Geister scheiden werden. Sein Kampfstil hat etwas tanzartiges, in dem man mehrmals klassische russische Tanzhaltung erkennen kann. Das kann man albern finden oder großartig. Eindrucksvoll ist es allemal.

Wie schon in den ersten beiden Filmen ist die Action schnell und hart. Anders als dort hatte ich aber das Gefühl, dass es auch sprachlich härter geworden ist. So viel geflucht wurde weder im Golden Circle noch beim Secret Service.

Über die Länge des Films von 131 Minuten bin ich etwas zwiegespalten. Man hätte zwei Film von je 90 Minuten daraus machen können und auch einen perfekten Cliffhanger etwa zur richtigen Zeit gehabt. Dann wäre für den Rest der Story noch mehr Zeit geblieben. So wirkte das letzte Drittel des Films etwas zu stark komprimiert, aber viel länger hätte er als ein einzelner Film nicht sein dürfen.

Erzählstil

Die beiden Oxfords sind ganz klar die Identifikationsfiguren für das Publikum und ein Großteil des Films wird aus ihrer Perspektive gezeigt. Das funktioniert über weite Strecken des Films gut und sorgt dafür, dass die eine oder andere Wendung umso besser funktioniert.

Was hingegen weniger gut funktioniert, ist, eine Antwort auf die Frage zu finden, was der Film eigentlich für eine Art von Geschichte erzählen will. Denn im Grunde gibt es in The King’s Man: The Beginning zwei Stimmungen, die gegeneinander kämpfen: Zum einen gibt es die überlebensgroßen Helden*innen und Schurken*innen, die man aus den bisherigen Filmen kennt und die Begegnungen dieser beiden Seiten. Aber zum anderen wurde mit dem ersten Weltkrieg eine Kulisse für die Handlung gewählt, die voller Grauen und Entsetzen ist und der Film schreckt nicht davor zurück, diese Schrecken des Krieges zu beleuchten. Im Gegenteil – diese sind ein zentrales Element der Geschichte. Ob diese wirklich krass gegensätzlichen Stimmungen für viele Zuschauer*innen gut funktionieren, bleibt abzuwarten.

Bonus/Downloadcontent

Es gibt zwei offizielle Trailer zu The King’s Man: The Beginning. Einen normalen und einen „Red Band“, also FSK 18 Trailer. Beide enthalten kleine Spoiler, die aber nichts wirklich Wichtiges offenbaren. Leider sind beide auch so geschnitten, dass sie falsche Eindrücke erwecken.

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Fazit

The King’s Man: The Beginning beschreibt die Vorgeschichte der Kingsman Agency, die man aus den ersten beiden Teilen der Reihe kennt. Entsprechend gibt es immer wieder Anspielungen auf spätere Entwicklungen. Gehstöcke und Schirme werden effektiv eingesetzt, die Helden sind „Oxfords, not Rogues“, der amerikanische Präsident lässt sich gerne mal einen Statesman Whiskey servieren. Und „Manners maketh Man“ darf natürlich auch nicht fehlen – auch wenn es überrascht, aus wessen Mund die Aussage in diesem Film stammt. Dazu völlig übertriebene Schurken wie Grigori Rasputin, dessen Darstellung derart absurd ist, dass sie zweifelsohne zu einem der Punkte werden wird, an dem sich die Geister zu diesem Film scheiden. Denn mit dieser Darstellung ist er die perfekte Gallionsfigur für die eine Hälfte des Filmes: Die übertriebene, absurd-komische Actionseite, die man schon aus den beiden Vorgängern kennt.

Auf der anderen Seite des Films gibt es die Schrecken des Krieges. Schützengräben, plötzliche Angriffe durch Scharfschütz*innen und einiges mehr. The King’s Man: The Beginning nimmt sich bewusst viel Zeit, Krieg als etwas zu zeigen, das niemand wollen kann. Das ist für die Story hinter der Gründung der Kingsman Agency wichtig und ein zentraler Punkt, aber hierdurch entstehen im Film selbst zwei an sich gegensätzliche Stimmungen, die schwer in nur einem Film unterzubringen sind. Kann man sich darauf einlassen, erhält man einen interessanten Film, der sogar über die eine oder andere überraschende Wendung verfügt, gelungene (wenn auch oft absurde) Action zeigt, und viele nette Anspielungen auf die anderen Filme der Reihe hat.

  • Absurde Actionsequenzen und Figuren
  • Gelungene Darstellung der Schrecken des Krieges
  • Anspielungen auf andere Filme der Reihe
 

  • Absurde Actionsequenzen und Figuren
  • Zwei gegensätzliche Stimmungen kämpfen miteinander
  • Letztes Drittel wirkt zu stark komprimiert

 

Artikelbilder : © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Jessica Albert
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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