Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Neben dem Spielspaß und der Auslebung von Kreativität ist Pen-and-Paper vor allem eines: zeitintensiv. Spielsitzungen dauern mehrere Stunden, alteingesessene Kampagnen begleiten mitunter für Jahre. Daher ist es umso wichtiger, dass die Gruppenzusammensetzung stimmt. Doch wie hält man den Frust gering, wenn die Bewerbungsphase droht, aufwendiger als die Runde zu werden?

Wer nach einer Wunschrunde sucht, aber weder bei Bekannten oder Freund*innen fündig wird, kann sich zum Beispiel im Internet auf die Suche nach den richtigen Mitspieler*innen begeben.

Diese Suche kann sich jedoch in alle Richtungen als schwierig gestalten. Entweder wird die Auswertung und das Einladen potenzieller Spielenden zum Zeitfresser, oder die Tippfinger werden langsam vom vielen Inserieren wund.

Spielrunden auf der Suche mögen die Qual der Wahl haben und sich aus zu vielen tollen Bewerber*innen nicht entscheiden können oder kommen mit allen der eingeladenen Menschen nicht zurecht.

Daher ist es wichtig, dass der Bewerbungsprozess gut geplant ist, ohne dabei in Mehrarbeit auszuarten. Doch die „Belohnung“, nämlich eine potenzielle Wunschrunde, ist die Mühen allemal wert.

Einleitung – Grundlagen und Fakten schaffen: was und wie oft?

Bevor ans Texten überhaupt zu denken ist, muss sich um einige grundlegende Dinge gekümmert werden. Vor allem was gespielt werden soll und wie oft. Denn so schön Überraschungen sein mögen, bieten sie doch wenig Planungssicherheit und führen leicht zu Missverständnissen. Kommt ein*e potenzielle*r Spieler*in nicht mit der Welt klar, wird sich das unweigerlich im Spiel niederschlagen und die schöne Gruppenerfahrung schmälern.

Auch zeitlich können innerhalb einer Spielrunde große Diskrepanzen bestehen. Ein*e Studierende*r hat mitunter mehr Zeit als berufstätige, frischgebackene Eltern. Daher kann es nicht schaden, bereits zu Beginn, innerhalb einer bestehenden Gruppe oder für alle Bewerber*innen, festzulegen, dass zum Beispiel zweimal monatlich oder immer am ersten Samstag eines neuen Monats gespielt wird.

So kommt es nicht nur zu weniger terminlicher Enttäuschung. Ebenso kann ein nettes Ritual entstehen, sich immer zu festen Zeiten zu treffen, vorher eine Kleinigkeit gemeinsam zu essen etc. Betreffend der Spieldauer kann Ähnliches helfen. Natürlich sollte sich keine Gruppe durch Abenteuer durchhetzen oder Szenen verkürzen, nur um in der vorgesehenen Zeit „durchzukommen“, ein Puffer ist immer hilfreich.

Aber sich vornerein zu überlegen, dass beispielsweise fünf Stunden gespielt werden, eine Stunde für Pause und Geplänkel genutzt wird, sorgt insgesamt für eine rundere, cineastischere Erfahrung und hilft obendrein der SL. Denn wenn diese sich auf die Zeiten eingestellt hat, ist der erste Schritt zum eigenen Abenteuer geschafft, da es eine zeitliche Struktur gibt und klar wird, was abgehandelt werden kann und was vielleicht einen guten „Cliffhanger“ für das nächste Mal bietet.

Eine zu aktive Rollenspielrunde kann schnell in Terminstress ausarten.

Was kommt in den Bewerbungstext?

Ein guter Bewerbungstext (und das gilt für diejenigen, die eine Runde suchen, als auch die, welche eine anbieten) sollte euch kurz und knapp vorstellen. Erklärt, wer ihr seid, wenn ihr euch „analog“ trefft, wo ihr herkommt (Fahrtwege spielen nämlich auch in die verfügbare Zeit mit rein) und an welchen Wochentagen ihr meist verfügbar seid. Alle weiteren persönlichen Informationen sind vorerst irrelevant für die Bewerbung und können genauso gut zwanglos bei einem Kennlerntreffen ausgetauscht werden.

Statt sich zu viel auf den formalen Lebenslauf zu versteifen, eignet es sich besser, noch ein paar mehr Zeilen zur Karriere im Tischrollenspiel zu verfassen. Zum Beispiel, ob Lieblingssysteme oder -abenteuer existieren und auf was es euch beim Spiel besonders ankommt.

Wer selbst eine Runde anbietet, mag noch grob dazuschreiben, was generelle Themen der Kampagne sein werden oder eventuell notwendige Triggerwarnungen anfügen.

Ein runder Abschluss kann dann beispielsweise eine kurze Anekdote aus einem kürzlichen Pen-and-Paper-Erlebnis sein, oder was euch an der Welt, in der gespielt werden soll, besonders reizt.

Selbstverständlich sollte die Kommunikation immer freundlich und höflich verlaufen. Auch sollte niemals ein*e Bewerber*in von vornerein ausgeschlossen werden, weil er*sie als zu jung oder zu alt für die Gruppe wahrgenommen wird. Offen an die verschiedenen Bewerbungen heranzugehen hilft später, eine breitere Auswahl zur Verfügung zu haben.

Ein guter Bewerbungstext ist wie eine Schachtel Pralinen …

Gestaltung des Bewerbungsprozesses

Wo inserieren

Nachdem nun also ein Text verfasst wurde, stellt sich die Frage, wo man ihn überall teilen möchte.

In Klein- oder Universitätsstädten gibt es genug Möglichkeiten in Comicbuchläden, Jugendzentren oder Spieletreffs auf die eigene Runde aufmerksam zu machen. Im besten Fall kennt man einige der Bewerber*innen sogar schon vom Sehen oder dem gemeinsamen Fachsimpeln.

Online-Inserate sind vor allem geeignet für Runden, die über Discord, Roll20, Foundry & Co. gespielt werden.

Viele Verlage oder Conventions besitzen eigene Server und haben häufig eigene Kanäle, wo Rundengesuche gepostet und schnell beantwortet werden können. Für manche Fangemeinden wie zum Beispiel Star Trek gibt es sogar eigene Tischrollenspiel-Discord-Server.

Wer es etwas „klassischer“ mag, für den*die mögen auch Rollenspiel-Foren infrage kommen. Gerade für die beiden Platzhirsche Das Schwarze Auge oder Dungeons & Dragons wird hier einiges angeboten und das in einem weniger öffentlichen Raum als auf Discord. Die Vielzahl an Foren kann jedoch schnell dazu führen, den Überblick zu verlieren. Daher seien hier als vermutlich größte Vertreter Tanelorn, Drachenzwinge und RPG-Foren genannt.

Oft kann es auch sinnvoll sein, hybrid zu inserieren und für Tischrunden online und umgekehrt zu suchen, um möglichst breit aufgestellten Rücklauf zu erhalten.

Mitunter kann es sich auch lohnen, für die eigene Runde im Freundeskreis zu werben. Selbst wenn die Personen keine Erfahrung mit Pen-and-Paper an sich haben, interessieren sie sich vielleicht für die gleichen Welten oder Themen. Dazu erspart es die Kennlernphase, die sonst zwangsläufig mit neuen Kontakten einhergeht.

Für Bewerbungsgespräche sollte man sich nicht zu viele Applikant*innen vornehmen. Oft reicht ein kleiner Kreis.

Worauf achten, wie auswählen? – Oder: Wie lerne ich die Bewerber*innen richtig kennen?

Mit einer bunten Auswahl an Bewerber*innen kann sich also nun an die Auswahl- und Kennlerngespräche gemacht werden.

Die verschiedenen Methoden haben selbstredend alle ihre Vor- und Nachteile.

Einzelgespräche ermöglichen ein überaus detailliertes Kennenlernen, auch über den Smalltalk des Hobbys hinaus, können aber sehr schnell sehr zeitintensiv und ermüdend werden. Vor allem, wenn man an einem Abend viermal über die gleichen Themen spricht oder sich der gleichen Gesprächsroutine bedient, um das Gespräch zum Laufen zu kriegen.

Ein Bewerbungsgespräch in einer größeren Gruppe hingegen ist weniger zeitintensiv, dafür mögen bereits dort erste Terminfindungsschwierigkeiten auftreten, alle unter einen Hut zu bekommen. Dennoch sollten genug erste Eindrücke über die Bewerber*innen zustande kommen, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Vielleicht stellt sich sogar heraus, dass sich manche Bewerber*innen, für die in der eigenen Runde kein Platz mehr war, so gut verstehen, dass sie selbst der eigenen Wunschgruppe näher kommen.

Lediglich für schüchternere Menschen mag der Gruppenplausch etwas schwieriger sein. Sich vor versammelter Mannschaft vorzustellen oder sich gegen lautere Applikanten zu behaupten, dürften dabei eine besondere Herausforderung darstellen.

Selbst wenn es menschlich passt, muss das noch kein Garant sein, dass man im Spiel gut miteinander auskommt. Und das ist auch nichts Schlimmes. Genauso wie bei den Persönlichkeiten, gibt es ebenso dutzende Rollenspieltypen, mit denen man selbst mal mehr, mal weniger klarkommt.

Um aber nicht versehentlich mit einem*einer Murder Hobo in der Gruppe zu landen, bietet es sich an, eine Testrunde mit den Bewerber*innen zu starten. Idealerweise wird mit vier oder fünf Mitspielenden begonnen. Die zahlreichen Starterboxen und -Abenteuer bieten sich wunderbar für einen lockeren One-Shot an, um Eigenheiten und Spielstile besser kennenzulernen.

Für eine Science-Fiction-Runde à la Star Trek Adventures gibt es zum Beispiel mit dem Kobayashi Maru-Szenario die Möglichkeit den berühmten Kadett*innen-Test nachzuspielen. Und was eignet sich besser zum Kennenlernen als eine unter Sternenflotten-Studierenden angesiedelte Runde, die sich auch erst gerade kennenlernen?

Ebenso kann eine Art Prequel zur eigenen Kampagne stimmig sein und helfen, in die Welt einzuführen. Eine geplante Cthulhu-Kampagne auf dem Orient-Express kann die Bewerber*innen gegebenenfalls in einem Bahnhof zusammentreffen und dort ein erstes Probe-Abenteuer verleben lassen.

Dies mag zugleich die zeitintensivste, aber auch lohnendste und spaßigste Variante sein, neue, potenzielle Mitspielende kennenzulernen und dabei gleichzeitig auszuloten, ob alle im Spiel miteinander harmonieren.

Wenngleich etwas komplexer lassen sich die verschiedenen Formen natürlich zusammenführen. Erste Gruppengespräche und dann eine Testrunde zum Beispiel. Das sollte aber nie Verpflichtung sein, da es lediglich um lockere, erste Eindrücke geht.

Natürlich sollten aber auch die Ersteindrücke für die Bewerber*innen passen, welche neu in eine Gruppe hereinfinden. Denn nicht nur verschiedene Spielstile können sich als Anstoß für Konflikte herauskristallisieren. Ebenso kann die Art, wie geleitet wird, die Wahl zwischen „Ja, ich bleibe“ oder ein „Nein, ich bin raus“ für Bewerber*innen entscheiden. Etwa wenn die SL gerne klischeebeladene Akzente oder Dialekte nachmacht, ihr das aber nie sonderlich gut gelingt.

Dadurch, dass Pen-and-Paper eine gemeinsame Erfahrung ist, sollten auch Neulinge nie scheuen, Wünsche oder Probleme offen anzusprechen. Denn nur weil man neu ist, heißt das noch lange nicht, dass sich untergeordnet werden muss. Selbstverständlich sollte das nicht in Versuchen ausarten, eine bestehende Gruppe umkrempeln zu wollen. Dann lohnt eher der Blick zur potenziellen eigenen Gruppe.

In Testrunden kann den Bewerber*innen auf den Zahn gefühlt werden, aber nicht so.

Fazit – einig werden

Wie kommt man den nun also zu seiner „Wunschrunde“? Am wichtigsten sind hierbei Einigkeit und Transparenz. Wenn nur ein*e neue*r Spieler*in gesucht wird, muss die bestehende Gruppe am besten einheitlich oder zumindest mehrheitlich für das neue Mitglied stimmen.

Auch Testrunden mit Einzelpersonen in laufenden Kampagnen, der*die Neue dann sozusagen als „Gaststar“, sind möglich. Die bereits erwähnte Transparenz ist deswegen notwendig, damit die Person, mit der erstmals gespielt wird, weiß, dass es sich um eine Testrunde handelt und noch alles offen sein kann. So lassen sich Missverständnisse frühzeitig verhindern.

Bei einer komplett neu entstehenden Gruppe kann es helfen, nicht nur darauf zu achten, mit welchen Bewerbenden man selbst gut zurechtkommt, es ist ebenso unabdingbar, ein Auge dafür zu haben, welche Bewerber*innen untereinander „Chemie“ zu haben scheinen.

Sollten mit einem neuen Mitglied oder innerhalb der frisch entstandenen Gruppe Probleme auftreten; etwa weil Termine unangekündigt versäumt werden, das Spiel der Einzelnen sich zu sehr voneinander unterscheidet oder es zwischenmenschlich nicht passt, sollte auch hier frühestmöglich ein Gespräch gesucht sowie sich um eine Lösung bemüht werden. Denn niemand möchte alle vier Wochen wegen kleinerer Unstimmigkeiten in der Runde aufs Neue nach Bewerber*innen suchen.

Dennoch und das gilt auch, wenn man selbst das neue „Element“ in einer Gruppe ist, sollte sich nie gezwungen werden, die Runde so aufrechtzuerhalten, wenn sie keinen Spaß macht und nur noch fortgeführt wird, um sich nicht erneut ins Bewerbungsgetümmel werfen zu müssen. Ganz frei nach dem Credo: „Das Leben ist zu kurz für schlechte Rollenspielrunden“ sollte der Bewerbungsprozess nicht als anstrengendes Beiwerk, sondern als abwechslungsreiches Vorspiel zu potenziellen, tollen neuen Pen-and-Paper-Runden und Kontakten gesehen werden.

Artikelbilder: © depositphotos |dimabl| BrianJackson | DmitryPoch | Ischukigor | REDPIXEL
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Denise Hollas

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein