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Ob Feuerbälle, Flüche oder Segnungen – die Zauberei ist in vielen Pen-and-Paper Systemen ein unverzichtbarer Teil der Welt. Dabei gibt es zwei gängige Arten, um Magiesysteme regeltechnisch einzugrenzen: Mana und Zauberpositionen. Was beide Möglichkeiten kennzeichnet und mit welchen Vor- und Nachteilen sie verbunden sind, erfahrt ihr hier.

Für einige ist Zauberei im Rollenspiel sinnbildlich ein Buch mit sieben Siegeln. Mit Unwillen und entnervten Gesichtsausdrücken sitzen sie am Spieltisch und warten auf ihre magiebegabten Mitstreitenden. Diese blättern durch ihre seitenweise aufgeschriebenen Sprucheffekte oder scrollen durch die große PDF-Fassung der Übersicht. Kurz flammt Hoffnung auf, als endlich eine vermeintliche Entscheidung für einen Zauber getroffen wurde. Diese erlischt aber sogleich, da die Spielleitung auf eine übersehene Regelung hinweist. Wer hätte denn ahnen können, dass Blitze vom Himmel in Höhlen nicht möglich sind? Also zurück in die Übersicht und weitersuchen, während die Zeit zäh dahinfließt …

Dein Gesichtsausdruck, wenn du mal wieder auf den Zug eines Charakters warten musst … © camaralenta
Dein Gesichtsausdruck, wenn du mal wieder auf den Zug eines Charakters warten musst … © camaralenta

Auch wenn dieses Beispiel bewusst überspitzt, kennen die meisten Rollenspielenden diese oder ähnliche Situationen aus eigenen Runden. Der Grund für die mögliche Unsicherheit liegt versteckt im Management der verfügbaren Optionen. Zaubernde wollen, wie die meisten Wesen mit Bewusstsein, eine gute Entscheidung für die aktuelle Situation vor ihnen treffen. Idealerweise soll natürlich die beste Möglichkeit gewählt werden. Gleichzeitig haben magische Charaktere eine im Regelwerk definierte Begrenzung ihrer Kräfte, die es zu beachten gilt. Unabhängig von den jeweiligen Systemen sind Zauber zum Großteil an Ressourcen gebunden, um ein Durchwalzen über jede Herausforderung zu verhindern. Entsprechend sorgsam gehen viele Spielende mit ihren Kräften um. Denn natürlich ist es enttäuschend, wenn der teuer bezahlte Spruch ohne Effekt verpufft.

Zauberei als nützlicher Werkzeugkasten

Natürlich gibt es auch bei anderen Kampf- und Haudrauf-Klassen zusätzliche Fähigkeiten und Ressourcen, die beispielsweise nur einmal oder nur eine Handvoll Mal am Tag eingesetzt werden können. Für diese Charaktere ändert sich die Effektivität ihrer regulären Aktion normalerweise nicht. Sie bleibt gleich wertvoll und kann vor allem in Kämpfen ohne Limit verwendet werden. Ein Beispiel: Mit dem Speer oder der Axt wird auch bei dem dreißigsten Schlag ein regelmäßiger Schaden ausgeteilt, während Zauberklassen nach dem Verbrauch ihrer „Energie“ merklich weniger Effekt auf das Kampfgeschehen haben als vorher.

Magie mag in vielen Systemen zwar an aufwendige Regeln gebunden sein, besitzt dafür aber oftmals einen spürbaren Mehrwert in Sachen Nützlichkeit. Schließlich erlauben gewisse Sprüche den Charakteren übernatürliche Fähigkeiten, die bestimmte Handlungen überhaupt erst ermöglichen. Dazu zählen beispielsweise klassische Licht-Zauber, mit denen dunkle Keller und Verliese mühelos erleuchtet werden können, oder Illusionen, die im richtigen Moment für eine Ablenkung sorgen. Die Magie funktioniert als Ansammlung nützlicher Werkzeuge, die es weise zu nutzen gilt. Damit aber nicht alle Herausforderungen ohne Mühe gelöst werden, benötigt es eine Begrenzung dieser Ressource. Zur Veranschaulichung am Spieltisch dienen dafür unterschiedliche Magiesysteme.

Selbst ein kleiner Lichtzauber kann sehr nützlich sein © MicEnin
Selbst ein kleiner Lichtzauber kann sehr nützlich sein © MicEnin

Mana versus Positionen – eine Definition

Unabhängig von der Quelle der übernatürlichen Kräfte gibt es im Rollenspiel Regeln, um diese Mächte sinnvoll darzustellen. Dazu wird ein Magiesystem aufgestellt, das festlegt, welche Sprüche wie und mit welcher Erfahrung gewirkt werden können. Über alle Regelwerke hinweg existieren seit mehreren Jahren zwei dominante Formen: Zauberpositionen und Mana-Punkte. Darüber hinaus gibt es mittlerweile neue, experimentellere Formen zur Nutzung von Magie im Rollenspiel.

Bevor es ins Detail geht, ist eine kurze Erklärung der Kategorien sinnvoll. In Zauberpositions-Systemen steht magiebegabten Personen eine feste Menge an Positionen zur Verfügung. Das bekannteste Beispiel ist die fünfte Edition von Dungeons & Dragons. Pro langer (oder bei dem*der Hexenmeister*in kurzer) Rast haben die Charaktere eine festgelegte Zahl an Möglichkeiten, wie häufig sie einen Spruch nutzen können. Um höherstufige Magie zu wirken, muss eine passende Zauberposition eingesetzt werden. Kleinere Zauber lassen sich mit mächtigeren Positionen ebenfalls wirken und erhalten dadurch oftmals einen verstärkten Effekt.

In Mana-Systemen dagegen verfügen magiebegabte Personen über eine gewisse Menge an geistiger oder anderweitiger Energie, welche sie für Zauber aufwenden können. Als Beispiel kann hier Das Schwarze Auge mit seinen Astralpunkten gelten. Theoretisch kann mit diesen Regeln ein mächtiger Zauber gleich mehrmals gewirkt werden, solange noch genug Mana vorhanden ist. Ist dieser Pool aufgebraucht, wird ebenfalls eine Rast notwendig.

Natürlich gibt es bei der Vielzahl an Regelwerken auch Mischformen dieser beiden Ansätze oder völlig abweichende Konzepte, was Zauberei angeht. In manchen erzählerischen Systemen beispielsweise gelingen gewirkte Sprüche immer, ziehen dafür aber einen zusätzlichen Effekt auf sich. Magie ist und bleibt so offen für die eigene Kreativität der Spielenden.

Vor- und Nachteile

Beide Systeme verfügen über Vor- und Nachteile, die sich stark auf das Spielgefühl der Charaktere auswirken können. Magiesysteme mit Zauberpositionen versprechen eine schöne Übersichtlichkeit. Statt groß zu rechnen, können die Spielenden nacheinander die dosierten Einheiten an Magie abstreichen. Auch die Wertigkeit ist klar vorgegeben, da die Sprüche in Kategorien festgelegt werden. So können beispielsweise bewusst mächtigere Aktionen aufgespart werden, um sie in kritischen Momenten einsetzen zu können. Gleichzeitig motiviert ein solches System dazu, längere Zeiten zum Ausruhen und Schlafen einzuhalten. Die Rast wird direkt in die Erzählung miteingebunden.

Kleine Stärkung gefällig? Ein Mana-Trank kann viel bewirken. © andreajk3
Kleine Stärkung gefällig? Ein Mana-Trank kann viel bewirken. © andreajk3

Magiesysteme mit Mana hingegen sind eindeutig mit mehr Rechnen verbunden. Dabei hängt die Wertigkeit des Zaubers von den entsprechenden Kosten ab. Theoretisch können magische Charaktere einfache Sprüche mit wenig Mana immer wieder wirken, ohne dadurch höhere Ressourcen zu verbrauchen. Oder sie setzen ihre Energie in einen besonders großen und mächtigen Zauber, um die Situation zu ihren Gunsten zu drehen. Meist wird Mana über einen gewissen Zeitraum regeneriert. Das erlaubt den Charakteren, auch bei einer unterbrochenen Rast trotzdem aktiv in das Geschehen eingreifen zu können. Die magische Kraft kann außerdem in vielen Systemen nach dem Aufbrauchen des Pools über besondere Tränke in kürzester Zeit wieder aufgefüllt werden, was zu einer deutlichen Machtsteigerung der jeweiligen Charaktere führen kann.

Mana erlaubt einzelnen Charakteren, einen viel größeren Einfluss auf ihr Umfeld zu haben, sofern sie über ausreichende Ressourcen verfügen. Das Augenmerk ist deutlich auf die Person gerichtet, die mit ihren Kräften beispielsweise Häuser zerstören oder Lawinen aufhalten kann. Hinzu kommt eine in der Regel freiere Wahl in den Formen der Magie. Statt auf eine bestimmte Auswahl oder Art von Sprüchen festgelegt zu sein, können häufig unterschiedliche Zauber erlernt werden. Das erlaubt eine weitere Individualisierung. Zauberpositions-Systeme dagegen sind mit festgelegten Listen eher übersichtlicher.

Je nach Form der Magie ändert sich ebenfalls ein möglicher Kontakt oder Kampf mit anderen Wesen. Mit Zauberpositionen kann die Gruppe im Zweifel oftmals besser abschätzen, über welche Ressourcen eine magisch begabte Person verfügt. Das kann ein taktisches Element werden, bei dem die Spielenden versuchen, die Ressourcen der Gegner*innen schneller aufzubrauchen oder vorab bewusst abzuschwächen. In Mana-Systemen hingegen steht es den NSC wie den anderen Charakteren frei, flexibel ihre Sprüche zu nutzen. Die Gefahr von beispielsweise drei Feuerbällen hintereinander oder einem Meteorschwarm macht das Gefecht in solchen Fällen zu einem echten Überlebenskampf.

Zusammengefasst legen beide Regelsysteme einen unterschiedlichen Fokus auf die Magie, der entweder Ordnung oder Flexibilität bevorzugt. Das wiederum nimmt unweigerlich Einfluss auf die Wahrnehmung und Nutzung der Sprüche. Eine hohe Zauberposition ist deshalb wertvoll, weil sie im Zweifel nur einmal am Tag genutzt werden kann. Mit Manakosten kann die Magie auch mehrfach hintereinander wirken, verbraucht dafür aber einen großen Teil an Ressourcen, die für andere Zauber nicht mehr zur Verfügung stehen.

Mit genug Macht können Zaubernde sogar die Welt aus ihren Fugen reißen … © grandfailure
Mit genug Macht können Zaubernde sogar die Welt aus ihren Fugen reißen … © grandfailure

Gefahren der Magie einbauen

In einigen Systemen wird die Nutzung von Magie begleitet von verschiedenen Nachteilen. Das für Neulinge angedachten Rollenspiel Aborea etwa verfügt über die Schaman*in-Klasse, die statt Mana-Kosten auch mit eigenen Trefferpunkten bezahlen kann. In Call of Cthulhu wiederum verlieren Charaktere neben Mana häufig auch geistige Stabilität, wenn sie einen Zauber wirken. Im Dungeons & Dragons-System gibt es speziell für Zauber*innen eine Subklasse, bei der in bestimmten Situationen eine Tabelle für wilde Magie zum Einsatz kommt. Je nach Ergebnis tritt ein zusätzlicher, chaotischer Effekt ein, der über die geplante Anwendung hinausgeht.

Ziel dieser Mechaniken ist es, der Magie ein Stück Unberechenbarkeit und Gefahr zurückzugeben. Die Charaktere können über eine gewisse Grenze hinaus etwas erreichen, müssen dafür aber einen zusätzlichen Preis in Kauf nehmen. Dadurch wird die Nutzung zu etwas besonderem, was nicht leichtfertig in jeder Situation angewendet wird. Des Weiteren bleiben die Momente, wenn ein Zauber trotzdem Erfolg hat, der Gruppe besonders im Gedächtnis.

Magie hinter dem Spielschirm

Aus Sicht der Spielleitung bedeutet Zauberei zusätzliche Vorbereitung. Damit ist zunächst eine grobe Übersicht gemeint, welche Sprüche es gibt und wie sie funktionieren. Darüber hinaus muss die SL sich auch Gedanken machen, wie die Umwelt auf Magie reagiert. Sind die Kräfte der Charaktere alltäglich und vielen bekannt? Oder ist das Zaubertalent äußerst selten? Gibt es Gruppen, die aus Angst sogar gewisse Schulen wie beispielsweise Nekromantie ablehnen und verfolgen? Je nachdem, wie die Antworten ausfallen, ergeben sich ganz unterschiedliche Szenarien für Interaktionen, die von einer fast göttlichen Verehrung bis zur systematischen Ausgrenzung sehr weit auslegbar ist.

In vielen Orten gilt Magie als Zeichen böser Mächte und wird daher verfolgt. © Samiramay
In vielen Orten gilt Magie als Zeichen böser Mächte und wird daher verfolgt. © Samiramay

Wichtig ist außerdem die interne Balance der Gruppe zwischen magischen und nichtmagischen Charakteren. Zauberei ist wie bereits beschrieben in vielen Situationen nützlich, sollte aber nur in speziellen Fällen als alleinige Lösung für eine Aufgabe feststehen. Andernfalls kann das zu Frust am Spieltisch führen, weil einzelne Personen in eine zuschauende Rolle gedrängt werden. Speziell auf höheren Leveln ist es nötig, die Herausforderung für die Gruppe gleichermaßen hochzuhalten. Natürlich kann es sich mächtig anfühlen, mit einem gewaltigen Zauber alle bösen Kreaturen auf einmal zu zerstören. Wenn es keine Schwierigkeiten mehr gibt, können sich Kämpfe und andere Situationen aber schnell unnötig und fad anfühlen.

Fazit

Letztlich sollen Magiesysteme Zauber greifbarer für alle am Tisch machen. © rolffimages
Letztlich sollen Magiesysteme Zauber greifbarer für alle am Tisch machen. © rolffimages

Zauberei im Rollenspiel muss kein Buch mit sieben Siegeln sein. Beide vorgestellten Magiesysteme mit Zauberpositionen oder Mana verfügen über ihre eigenen Vor- und Nachteile, wenn es um die Darstellung von übernatürlichen Kräften in einer Welt geht. Beide versuchen auf ihre Art, die Ressource der Magie am Spieltisch greifbar zu machen und den Spielenden eine Übersicht zu schaffen. Dabei ist gerade die Übersicht an Positionen für jene geeignet, die ohne viel Rechnerei ihre Fähigkeiten nutzen wollen. Wer es ungezwungener und flexibler mag, wird an Mana vermutlich mehr Gefallen finden. Wichtig ist aber, dass die Spielleitung auf die Balance innerhalb der Gruppe achtet. Sonst drohen einige Charaktere mit ihren Fähigkeiten die anderen deutlich zu überflügeln.

Titelbild: depositphotos © rangizz © cappa
Artikelbilder: depositphotos © Künstler*in wie gekennzeichnet

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek

 

4 Kommentare

  1. Gerade bei den beiden Systemen d&d und dsa kenne ich nur die alten Versionen. Da hat mich bei d&d immer gestört, dass man wenig flexibel auf Situationen reagieren konnte. Vorher zu entscheiden, welche Zauber man eventuell brauchen könnte fand ich schlimmer, als bei dsa auf die Situation passend reagieren zu können. Die schwierig bei dsa war eher das regenerieren von Astralpunkten, wenn man vorher Mal etwas mehr gezaubert hat.

    • Das mit der Auswahl an Zaubern ist D&D 5e manchmal wirklich eine Herausforderung. Mit meinem Paladin muss ich regelmäßig überlegen, was wir für den Tag brauchen und welche Zauber ich auswählen muss. Kenne aber die alten Editionen nicht genug, ob das da noch schwieriger war :D
      Bei Mana-Systemen habe ich kaum DSA und viel Aborea gespielt. Das erlaubt eine relativ schnelle Regeneration, wodurch die Zaubernden auch gerne mal was ausprobieren.

  2. Ich habe nach dem Lesen des Artikels ehrlich gesagt immer noch nicht verstanden wie ein „Zauberpositionen“-System funktioniert obwohl ich schon einiges an Systemen spiele. Beispiele wäre vielleicht hilfreich…

    • Hallo MoonDaughter, das habe ich in der Definition versucht. Ich mache es mal Kuchen als Beispiel deutlich:
      In Slot-Systemen hast du zum Start 10 Stück eines geschnittenen Kuchens. Diese haben eine unterschiedliche Größe, von sehr kleinen bis sehr großen Stücken. Ein Stück zu Essen ist es zu verbrauchen. Du musst also überlegen, wann du wie viel Hunger hast und es sich lohnt, ein kleines oder ein großes Stück zu essen. Du kannst die Stücke in ihrer Größe nicht verändern.

      In Mana-Systemen dagegen wäre der Kuchen ungeschnitten. Du beißt einfach hinein. Wenn du großen Hunger hast, kannst du (theoretisch) den halben Kuchen auf einmal verschlingen. Aber danach ist das weg. Oder du isst viele kleine Bissen, um so länger etwas vom Kuchen zu haben.

      Ich hoffe, das macht es nochmal deutlicher. Wenn nicht, versuche ich es mit einem anderen Beispiel, dass nicht hungrig macht :)

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