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Wenn das älteste Rollenspiel der Welt ein neues Starterset bekommt, lohnt sich ein prüfender Blick. Mit der Box Die Drachen der Sturmwrack-Insel erhalten angehende Spieler*innen und Spielleitungen das notwendige Rüstzeug, um eine Welt voller Abenteuer und ein Hobby voller Möglichkeiten zu betreten. Hier erfährst du, ob sich die Box lohnt.

Dungeons & Dragons rühmt sich, das älteste sowie das wohl populärste Pen-and-Paper Rollenspiel der Welt zu sein. Und das nicht ganz zu Unrecht. Als das klassische heldenhafte Fantasyrollenspiel hat es mit seiner aktuell fünften Edition einen Höhepunkt seiner Bekanntheit und Spieler*innenanzahl erreicht.

Umfang

Das Basisset von 2021 hat Kollegin Verena bereits in einem eigenen Artikel besprochen. Mit der Box Die Drachen der Sturmwrack-Insel erhalten wir fünf vorgefertigte Charakterblätter, ein Set Würfel sowie zwei Hefte im Format A4. Eines davon ist das Starterset-Regelbuch mit knappen 31 Seiten, während es sich beim zweiten Heft um ein Einstiegsabenteuer mit immerhin 48 Seiten handelt.

Das Starterset-Regelbuch enthält eine Einführung in die Grundregeln des Spiels, das sich in Ausführlichkeit keineswegs hinter dem Spielerhandbuch verstecken braucht. Zwar sind nicht alle Regeln des Handbuchs enthalten (was auch unsinnig wäre), aber in der Genauigkeit der Regelbeschreibungen und der immerhin dreißig beschriebenen Zauber kann man locker nicht nur das beigefügte Startabenteuer, sondern schon ein paar Monate D & D spielen, um zu sehen, ob einem das Spiel überhaupt zusagt.

Der Inhalt der Starterbox.

Die beiden Hefte kommen als Softcover. Das reicht auch für das erste Eintauchen in das Spiel, bis man das Spieler-, Monster- und Spielleiterhandbuch angeschafft hat. Lediglich die Box ist dafür, dass nur zwei Hefte, die Charakterbögen und ein Set Würfel enthalten sind, etwas groß geraten. Dafür kann man die angeschafften Utensilien gleich in dem Karton lagern.

Das Starterset enthält keine leeren Charakterbögen. Es ist auch nicht möglich, Charaktere selbst zu bauen – man ist auf die vorgefertigten Charaktere beschränkt. Dafür sollte jede*r Spieler*in zumindest einen Charakter finden, mit dem*der er*sie sich anfreunden kann.

Die Regeln und Ausrüstung

Das Starterset-Regelbuch beginnt ganz klassisch mit einer allgemeinen Einführung in das Hobby Pen-and-Paper. Was macht eine Spielleitung, wie kann man Konflikte präsentieren, und wie leitet man spannende Abenteuer? Das Heft schildert Abenteuer ganz traditionell als Abfolge von Begegnungen mit Monstern (wobei hier freundliche NSC auch als Monster verstanden werden), mit denen die Gruppe irgendwie fertig werden muss – sei es kämpferisch, diebisch oder sozial. Diese Art der Herangehensweise an Pen-and-Paper erinnert ein wenig an die alten Tage des Dungeoncrawls, bei denen die Monster im Verlies geduldig warteten, bis die Held*innen die Türen aufmachten und sich von Raum zu Raum kämpften. Selbstverständlich ist auch Dungeons & Dragons etwas moderner geworden und betont, dass man Konflikte nicht nur kämpfend lösen kann.

Grundsätzlich ist das Regelheft ordentlich indexiert und man findet schnell, wonach man blättert. Lediglich in Kleinigkeiten wundert man sich über die Aufteilung der Regeln – so findet man die Regeln zu „Ersticken“ bei den Regeln zur Interaktion mit der Umgebung wie „Stürzen“, „Sicht“ und „Sich verstecken“. Aber gut, vermutlich hat man einfach keinen besseren Platz gefunden, um diese potenziell relevante Regel zu platzieren.

Die Kampfregeln sind sogar so ausführlich beschrieben, dass man auch die Regeln für den berittenen Kampf hinzugefügt hat – obwohl kein*e Held*in des Startersets ein Reittier besitzt oder es auf der kleinen Insel, auf welcher das Startabenteuer spielt, erwerben könnte. Aber dafür kann man mit den Regeln nicht nur die vorgegebenen Szenen aus dem beigelegten Abenteuer spielen.

Die Ausrüstungslisten enthalten eine für die ersten Spielabende ausreichende Menge an Waffen, Rüstungen und sonstigen Ausrüstungsgegenständen, die angehende Abenteurer*innen benötigen könnten. Leider wurde bei der Liste der erwerbbaren Rüstungen der Schild vergessen. Dafür konnte man nicht auf den Plattenpanzer und die Ritterrüstung verzichten, welche für die ersten paar Stufen als Held*in wohl etwas sehr teuer sind.

Das Regelbuch ist aber nicht nur für Neulinge, sondern auch ältere Spieler*innen interessant. Schließlich kann man immer etwas Neues lernen – so war ich beispielsweise immer überzeugt, dass ein zu erreichender Schwellenwert von 14 schon „normal schwer“ wäre. Es zeigte sich aber, dass die zu erreichende 15 als ein „normal schwerer Wurf“ gilt. Ich wusste doch, dass ich zu meinen Spieler*innen viel zu nett bin. Abgerundet wird das Regelheft mit einer Übersicht über die möglichen Zustände eines Charakters in Dungeons & Dragons.

Zauber

Dungeons & Dragons war schon immer ein System mit einer Plethora an möglichen Zaubersprüchen und -effekten. Schließlich spielt man Fantasy nicht zuletzt, um Magie in Aktion zu sehen. Da die Charaktere in diesem Set bis auf Level 3 aufsteigen können, finden sich auch ein paar Zauberbeschreibungen für höhere Stufen. Insgesamt werden im Regelheft folgende Zauber in voller Breite erläutert:

Naturgemäß zaubern Magier*innen gerne.

Zaubertricks: Heilige Flamme, Kältestrahl, Licht, Magierhand, Schockgriff, Taschenspielerei und Thaumaturgie

Grad 1: Befehl, Donnerwoge, Heilendes Wort, Heiligtum, Lenkendes Geschoss, Magie entdecken, Magierrüstung, Magisches Geschoss, Schild, Schild des Glaubens, Schlaf, Schutz vor Gut und Böse, Segnen, Sprachen verstehen, Strahl der Übelkeit und Wunden heilen

Grad 2: Flammenkugel, Nebelschritt, Person festhalten, Schwache Genesung, Unsichtbarkeit, Waffe des Glaubens und Zerbersten

Wie bei der Ausrüstung wurde auch hier Wert darauf gelegt, auftretende Probleme im Abenteuer auf mehr als nur eine Art und Weise lösen zu können. Und gerade bei so unglaublich vielseitigen Sprüchen wie „Befehl“ und „Taschenspielerei“ ist es schön, dass die Zauber ein paar Anwendungsbeispiele in der Beschreibung beigefügt haben, um Neulingen die Handhabung zu erleichtern.

Die Charaktere

Bei den vorgefertigten Charakteren handelt es sich um eine „typische“ Abenteurer*innengruppe mit kämpferischen, magischen und diebischen Mitgliedern. Damit wird eine schöne runde Bandbreite an Abenteueraspekten abgedeckt, um neue Spieler*innen und Spielleitungen mit den verschiedenen Möglichkeiten des Rollenspiels langsam vertraut machen zu können. Zwar wird von Charakteren der Einfachheit halber durchgehend im generischen Maskulinum gesprochen, gleichzeitig aber deutlich gemacht, dass das Geschlecht der Charaktere frei wählbar ist und keine regeltechnischen Konsequenzen hat.

Bei den Charakteren handelt es sich um:

  • einen menschlichen Paladin, der auf der Suche nach sich selbst ist und deswegen ein Kloster aufsuchen möchte

  • einen schurkischen Leichtfuß-Halbling, der im selben Kloster nach der Beute eines verschwundenen Kollegen sucht

  • einen waldelfischen Volkshelden, der eine Weise sucht, um seine Bestimmung zu finden

  • einen hochelfischen Magier, der die verlorenen Aufzeichnungen eines verschollen gegangenen Kollegen sucht

  • einen hügelzwergischen Kleriker des Lebens, der in einer Vision gesehen hat, wie Todesschatten eine Insel verschlingen und dies verhindern will

Um den angehenden Spieler*innen und Spielleitungen den Einstieg ins Spiel zu erleichtern, sind die vorgestellten und -erstellten Charaktere mit vorgefertigten Motivationen ausgestattet. Somit können sie gleich zusammenarbeiten, ohne sich fragen zu müssen, warum der Paladin eigentlich mit einem Halblingschurken abhängen oder warum ein Waldelf seine heimatliche Umgebung verlassen möchte. Manche Motivationen sind dabei etwas… schwächer als andere („Im abgelegenen Kloster Drachenruh lebt eine alte Weise, die große Weisheit besitzen soll. […] Vielleicht kann die Älteste Runara dir helfen, herauszufinden, was deine heldenhafte Bestimmung ist. […]“). Die Hintergrundtexte geben zumindest eine erste Idee, was die Charaktere ausmacht.

Die Charakterbögen sind schon stark an die vollwertigen Charakterblätter aus dem Spielerhandbuch orientiert und nur in gewissen Punkten (beispielsweise vorgegebene Waffen, weitere Ausrüstung und Spruchlisten) für den Gebrauch durch Neulinge angepasst. Dafür sind die jeweiligen Fertigkeiten der Charaktere schön ausführlich erläutert und eine Hilfe für den Aufstieg auf die zweite und dritte Stufe beigegeben. Man kann also gleich mit dem Starterset das erste Aufleveln des Charakters miterleben.

Das Abenteuer (kleinere Spoiler)

In Die Drachen der Sturmwrack-Insel reisen die Charaktere aus ihren jeweils vorgegebenen Gründen zum Kloster Drachenruh auf der Sturmwrack-Insel, einem Schauplatz vergangener Schlachten zwischen den chromatischen und metallischen Drachen. Das Kloster ist ein Ort der Verehrung des Gottdrachens Bahamut, Vater aller metallischen Drachen. Nach einer ersten Begegnung mit Zombies (nach deren Ursprung die Charaktere noch forschen werden) lernen die Held*innen die Bewohner*innen des Klosters kennen.

Die Menschen und Kobolde, die in diesem an die Steilküste geschmiegten Gebäudekomplex leben, werden die Spieler*innen an drei weitere Orte auf dieser Insel schicken: eine Höhle voller humanoider Pilzwesen, ein an der Küste zerschelltes Schiffswrack mit gefährlichem Inhalt und ein Observatorium, das schließlich den Kampf gegen den Antagonisten beinhaltet.

Die Begegnungen enthalten ganz klassische Monster des Genres wie Zombies, Eulenbären und Drachen, aber auch etwas seltener gesehene Gegenspieler wie Pilze in verschiedensten Formen und Blutmücken. Für eine neue Gruppe sind diese Begegnungen definitiv nicht zu unterschätzen.

Als einzige Kritikpunkte an diesem Abenteuer seien zwei zusammenhängende Probleme angemerkt: Kloster Drachenruh als Ausgangsort jeglicher Inselerkundung ist als Siedlung relativ langweilig, da es eigentlich nur eine an die Küste gebaute Stiege in S-Form mit in den Fels abzweigenden Räumlichkeiten ist. Daher müssen die Bewohner*innen des Klosters umso interessanter dargestellt werden. Das Abenteuer liefert auch genügend Hintergrundmaterial für sie. Aber für neue Spielleitungen kann die gleichzeitige Darstellung mehrerer Personen vielleicht etwas überfordernd sein. Für die Spieler*innen bietet der lineare Aufbau des Abenteuers nicht sehr viel Freiraum für Erkundungen abseits der relevanten Orte, dafür können die Spielleitungen ihre Spieler*innen mit der Äbtissin relativ schnell wieder in die richtige Richtung stoßen. Für manche Spieler*innen mag sich das etwas einschränkend anfühlen, dieser Mangel an Handlungsoptionen kann dafür den Einstieg in das Spiel erleichtern.

Wer sich das Abenteuer als Actual Play ansehen möchte, kann dies auf dem Kanal von Extra Credits tun. Dort erhält man einen Einblick, wie das Abenteuer erlebt werden könnte.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Für angehende Spielleitungen bietet dieses Starterset genug Material, um die ersten Spielabende bestreiten zu können. Auch Sonderfälle wie Fallschaden, Unterwasserkampf und eine Vielzahl an Monstern runden das Ganze zu einem schönen Paket ab. Vorausgesetzt, man liest sich durch das Einstiegsregelheft, aber darum kommt man in diesem Hobby sowieso nicht herum. Das Regelheft hätte stellenweise vielleicht das ein oder andere Beispiel einer Regelsituation vertragen können, aber in Summe kann man hier nicht klagen.

Spielbarkeit aus Spieler*innensicht

Auch die Spieler*innen dürften ihre Freude haben. Mit den vorgefertigten Charakterbögen brauchen sie nur einen Archetyp auswählen, der ihnen gefallen könnte, und können nach der Lektüre von zwei Charakterblättern loslegen. Viel einfacher geht’s nicht. Lediglich die Freiheit, seinen ganz persönlichen Charakter zu bauen, fehlt. Aber dafür hat man kaum Geld in den Sand gesetzt, wenn einem das Spiel doch nicht gefallen sollte.

Leider konnten wir bis dato mangels Spieler*innen keinen Spielbericht erstellen. Dieser wird nachgereicht, sobald wir das Abenteuer selbst in der Praxis gespielt haben.

Erscheinungsbild

Die Zeichnungen bestechen durch ihre eindeutige Bildsprache.

Das Layout beider Hefte ist in Schrift, Bildwahl und Textgestaltung mit anderen Dungeons & Dragons-Produkten vergleichbar. Die Schrift ist in beiden Heften gut lesbar. Bedingt durch die Fülle an notwendigem Text im Regelheft wirkt es für neue Spielleitungen vielleicht etwas abschreckend, auch wenn die Bilder auflockern. Im Vergleich zu anderen Einstiegsprodukten im Bereich Pen-and-Paper gibt es relativ wenig praktische Beispiele, was den Text allerdings noch länger gestaltet hätte. Lediglich ein Bild wurde aus dem Spielerhandbuch wiederverwertet (das den Unterschied zwischen Linien, Kegeln, Würfeln et cetera bei Zaubern beschreibt).

Das Abenteuerheft wirkt optisch etwas weniger geblockt, wird es schließlich von Karten, Kästen mit Vorlesetexten und Monsterstatistiken aufgelockert. Hier hilft auch, dass das Abenteuer mit lediglich vier ausformulierten Schauplätzen relativ kurz ist.

Bei beiden Heften sei besonders lobend hervorgehoben, dass die Indizes eine gute Unterstützung bei der Suche nach einem bestimmten Abschnitt sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Wizards of the Coast
  • Autor*in(nen): Chefdesigner James Wyatt, Künstlerische Leitung Emi Tanji
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: A4, Softcover
  • Seitenanzahl: 32 (Regelheft) und 48 (Abenteuerheft)
  • Preis: ab 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Sphärenmeister

 

Fazit

Mit Die Drachen der Sturmwrack-Insel hat Wizards of the Coast ein grundsolides Einstiegsprodukt für die fünfte Edition abgeliefert.

Die Regeln sind übersichtlich gestaltet und laden zu einem schnellen Einstieg ins Spiel ein. Ein wenig Lesefreudigkeit ist zwar eine Grundvoraussetzung für angehende Spielleitungen. Ist diese kleine Hürde jedoch genommen (und sehr viel leichter kann es einem wahrscheinlich nicht gemacht werden, will man auf kein reines Erzählspiel zurückgreifen), steht einem ein Spiel zur Verfügung, das mit dem Einstiegsset für ein paar Spielabende beziehungsweise mit den weiteren Büchern ein ganzes Leben viel Freude machen kann.

Das Abenteuer mit den vorgefertigten Charakteren ist solide und deckt die Aspekte Kämpfe, soziale Interaktionen und Erforschung einer unbekannten Insel ab. Man trifft fantastische Klassiker von Dungeons & Dragons wie Drachen, Eulenbären und Kobolde, aber auch Seltsamkeiten wie Menschen. Angehende Spielleitungen wie Spieler*innen werden an die Hand genommen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Veteran*innen können das Abenteuer leicht ein wenig … gemeiner gestalten und so zumindest ein paar Ideen für eigene Abenteuer entnehmen.

Wenn sich bis zu sechs Spieler*innen die Kosten für die Box teilen, sind das nicht mal drei Euro pro Nase. Dafür erhält man einen fundierten ersten Einblick in dieses umfangreiche Hobby beziehungsweise System und kann im schlimmsten Fall immer noch ohne großen Verlust nach einem anderen Zeitvertreib suchen. Bis dahin hat man mit dem beigelegten Abenteuer ein paar spannende Stunden für den Gegenwert von etwa zwanzig Minuten Kinoabend verbracht.

  • Ein solides Starterset mit Motivationen für die Charaktere
  • Die Regeln sind ausreichend für den Start erklärt
  • Ein umfangreiches Startabenteuer mit diversen Lösungsmöglichkeiten
 

  • Keine Möglichkeit, eigene Charaktere zu bauen

 

Artikelbilder: © Wizards of the Coast
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur

Lektorat: Alexa Kasparek
Fotografien: Johannes Haslhofer
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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