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Zwei neue Comics krabbeln aus dem Insektenhaus: Im niederländischen Doomsday will eine Sekte die Welt zerstören, während in Iron Maiden: Legacy of the Beast das Band-Maskottchen Eddie sich dem Bösen stellt. Werden die Comics sich als Schmetterlinge entpuppen oder als Schädlinge entlarven? Hier findet ihr die Antwort.

Das Insektenhaus ist ein unabhängiger Comicverlag, der eine breite Bandweite an Comics abdeckt. Er bietet düstere Märchen, Klassiker und Agenten-Action, aber auch Sexploitation und Trash-Horror. Abgesehen vom Inhalt kann Insektenhaus auch durch die Verarbeitung punkten, da die Comics üblicherweise als tolle, große Sondereditionen produziert werden. Geführt wird der Verlag von Alexander π. Kaschte, Frontmann des Musikprojekts Samsas Traum, der mit Insektenhaus wohl genau das veröffentlicht, was seinen Geschmack trifft. Darüber schreibt er auch selbst Comics, die auf seinen Liedern basieren. Dieses Mal besprechen wir allerdings eine Veröffentlichung, die auf einer anderen Band basiert: den englischen Metal-Legenden Iron Maiden und ihrem Band-Maskottchen, dem Zombie Eddie the Head, der sich auf ihren Albumcovern findet. Außerdem bietet uns Insektenhaus noch Doomsday, ein Comic aus den Niederlanden, in dem ein wahnsinniger Kult die Erde bedroht.

Doomsday Band 1

Triggerwarnungen

Vergewaltigung, Rassismus, Gewalt

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Doomsday ist von einem Autor mit dem Pseudonym LeON geschrieben, von Mario Boon gezeichnet und von Scarlett Smulkowski koloriert. Diese Weltuntergangsgeschichte beginnt bereits in einer Welt, die untergegangen scheint. Auf klassische Autoritäten wie Polizei oder Politik kann man sich nicht verlassen, da diese ihre eigentlichen Aufgaben entweder gar nicht erfüllen oder nur, um sich die eigenen Taschen zu füllen. Die Straßen sind nicht nur voller marodierender Banden, auch scheinbar unbescholtene normale Bürger lassen ihren dunkelsten Trieben öffentlich freien Lauf, im Wissen, dass sie niemand stoppen wird.

Als wäre dieser moralische und gesellschaftliche Verfall noch nicht genug, droht eine russische Sekte namens 91119-Kollektiv damit, die Welt gänzlich zu zerstören. Nach ihrer Ansicht ist die Menschheit verkommen und hat es nicht verdient, zu überleben. Folgerichtig besteht der Plan des 91119-Kollektivs darin, alle Atomkraftwerke der Welt gleichzeitig zur Kernschmelze zu sabotieren. Die daraus entstehende Radioaktivität würde die ganze Menschheit töten, bis auf wenige Auserwählte, die eine neue, reine, überlegene Rasse von Mutanten bilden würden. Das geplante Datum ist der 11.9.2019, nach dem sich das Kollektiv benannte.

Afrika, Australien, Alaska: Die A-Route

Der Comic beginnt schon am 18. August 2019. Der Protagonist ist Arend, ein mittelständischer Firmenchef Mitte 30, verheiratet mit Bibiana, mit der er zwei Kinder hat: die Zwillinge Joppe und Jakke. Arend und seine Freunde Tom, Svenne und Kurt sind Anhänger der 91119-Verschwörungstheorie, während der Großteil der Menschheit die Ankündigung für Unsinn hält. Als Paradebeispiele für Prepper beschließen die vier jedoch, sich ein Schiff zu kaufen, mit dem sie mit ihren Familien aufs Meer flüchten wollen. Zuerst soll es zur Küste von Afrika gehen, wo durch weniger Atomkraftwerke die Gefahr geringer ist, dann am Kap der Guten Hoffnung Richtung Australien und von da an weiter nach Alaska, um die vom Wind gewehten radioaktiven Wolken zu vermeiden.

In der ersten Hälfte des Comics bereiten die vier und Arends Vater das Schiff vor, und stechen in der zweiten Hälfte in See. Für diese Hauptgeschichte spielt die Bedrohung durch den Kult noch keine große Rolle. Hier geht es hauptsächlich um die zwischenmenschlichen Konflikte der Gruppe. Toms Ehefrau Tina gehört beispielsweise nicht zu den Anhängern der Verschwörungstheorie und will nicht mit auf das Schiff. Neben den Familienmitgliedern ist auch die Frage offen, ob oder wie viele Freunde man mitnehmen kann. Platz und Vorräte auf dem Schiff sind schließlich begrenzt und keiner der Gruppe hat bisher Erfahrung mit der Seefahrt. Eine der mitgenommenen Passagiere ist ausgerechnet Zara, die Kurt am Abend zuvor in einer Bar aufgerissen hat und mit ihrem eingebildeten Gehabe und ihrem unverhohlenen Sex-Appeal vor allem bei den Ehefrauen für Spannungen sorgt.

Zickenkrieg. Zickenkrieg bleibt immer gleich.

Neben den internen Spannungen sind aber auch andere Menschen eine stete Bedrohung, egal ob Kriminelle oder Polizei. Egal ob an Land oder auf dem Wasser, man kann niemandem vertrauen und andere Leute sind stets mehr als nur eine potentielle Bedrohung.

In einem Nebenhandlungsstrang geht es um die Fernsehreporterin Sandy, die mit ihrem Kameramann Stan zu dem 91119-Kollektiv recherchiert. In dieser Nebenhandlung wird mehr auf den Hintergrund, die Pläne und Aktivitäten des Kollektivs eingegangen als in der Haupthandlung.

Wenn man sich auf die Geschichte einlässt, ist sie durchaus unterhaltsam. Doomsday orientiert sich am Ansatz von The Walking Dead. Auch in der amerikanischen Reihe gibt es einen übertriebenen Genre-Ansatz, Zombies statt einer Sekte, während der Fokus aber auf den Beziehungen und Handlungen von Menschen in Extremsituationen liegt, für die die jeweilige Katastrophe eine relativ austauschbare Rahmenhandlung liefert. Beide Werke präsentieren auch eine unfreundliche Welt, in der alle Fremden mörderische Bedrohungen sind und alle ihre Moral zugunsten des bloßen Überlebens zu opfern scheinen: Zuerst schießen, dann fragen ist die Devise. Wem dieser Aspekt des (Post-)Apokalyptischen Genres zusagt, wird auch von der Geschichte von Doomsday unterhalten sein. Ohne besonderes Faible für diesen Ansatz ist die Geschichte in diesem Band allerdings nur ein durchschnittlicher Vertreter des Genres.

Aufbruch in die Endzeit.

Dazu kommt, dass der Hintergrund einige nicht ganz logisch erscheinende Aspekte aufweist, vor allem bei der 91119-Sekte. Die Idee eines globalen Genozids klingt nicht so verlockend, als dass sich so viele Leute dem Kollektiv verschreiben würden. Außerdem ist das Kollektiv mächtig genug, um hunderte Anschläge auf der ganzen Welt gleichzeitig zu koordinieren, nachdem es seine Pläne öffentlich im Internet kundtat. Auch der Zustand der Welt scheint überspitzt. In Antwerpen werden auf offener Straße Leute vergewaltigt und ermordet, Polizeireviere in Brand gesteckt, und die Polizei ignoriert alles. Gewisse im Comic vorkommende Akte des Machtmissbrauchs von staatlichen Gruppen sind zwar düster, besitzen aber eine unangenehme Logik. Die allgemeine, unerklärte Dystopie wirkt jedoch etwas zu übertrieben für den ernsthaften Ansatz von Doomsday.

Für diese durchgehend dystopische Atmosphäre des Comics kann auch der Zeichenstil im ersten Moment etwas unpassend wirken. Die Zeichnungen sind leicht stilisiert, eher in die Richtung des frankobelgischen als des amerikanischen Comics. Nach den ersten paar Seiten hat man sich allerdings daran gewöhnt und Boon liefert solide Zeichnungen, die von Smulkowski in helle digitale Farben getaucht wurden. Die düstere Stimmung des Comics wird damit auf den ersten Blick visuell nicht übernommen – schaden tut das aber nicht.

Insgesamt ist Doomsday ein ganz guter erster Band. Er hat einige Schwächen, wie das etwas weit hergeholte übermächtige 91119-Kollektiv, den seltsam dystopischen Zustand der Gesellschaft und die (noch?) fehlende Tiefgründigkeit der Figuren. Die Zeichnungen sind an sich in Ordnung, beißen sich nicht mit der Atmosphäre der Handlung, ergänzen sie aber auch nicht perfekt. Das, was wahrscheinlich aber der Kern der fortschreitenden Geschichte ist, die internen Konflikte auf dem Schiff und der Überlebenskampf, der alle an ihre physischen und psychischen Grenzen bringt, ist aber solide geschrieben und für Fans der Thematik sicher einen Blick wert. Für den zweiten Band gibt es Grund zu hoffen, dass die schwächeren Aspekte der ehemals zivilisierten Zivilgesellschaft in den Hintergrund treten und der interessantere postapokalyptische Überlebenskampf im Inneren und Äußeren eine verdiente größere Rolle einnimmt. Der erste Doomsday-Band hat noch gewisse Schwächen, aber auch Stärken und ein spannendes Cliffhanger-Ende, sodass eine Empfehlung mindestens für Fans des Genres verdient ist.

Die harten Fakten:

  • Autor(en): LeON
  • Zeichner(in): Mario Boon, Scarlett Smulkowski
  • Seitenanzahl: 56
  • Preis: 17,95 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Iron Maiden: Legacy of the Beast

Triggerwarnungen

Gewalt , Verstümmelung

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Iron Maiden: Legacy of the Beast ist ein Comic zur gleichnamigen britischen Metal-Band. Zur Band Iron Maiden muss man nicht viel sagen. Als eine frühe und eine der erfolgreichsten Bands der New Wave of British Heavy Metal sind Iron Maiden seit über 40 Jahren weltweit berühmt und selbst wer sie nicht kennt, dürfte den Namen schon gehört haben. Ein frühes Markenzeichen von Iron Maiden wurde ihr Maskottchen Eddie the Head, ein zombieartiges Wesen, das auf den Albumcovern, im Bühnenbild und Merchandise der Band stets präsent ist. Im Comic Iron Maiden: Legacy of the Beast wird Eddie zum Protagonist, der sich quer durch Zeit und Raum kämpfen muss.

Iron Maiden: Legacy of the Beast basiert auf dem gleichnamigen Mobile Game und teilt sich damit auch die Grundlage der Geschichte: Das Tier, ein Teufel aus der Hölle, hat Eddie überwältigt und seine Seele in Stücke gerissen und durch Raum und Zeit verteilt. Eddie ist die metaphysische Verkörperung von Kreativität, dem freien Willen und der Inspiration der Menschheit, und da er geschwächt ist, leidet die ganze Welt darunter. Außerdem hat das Tier die Splitter von Eddies Seele benutzt, um seine Gefolgsleute in den anderen Dimensionen zu stärken. Eddies einzige Unterstützung ist die Hellseherin, eine kosmische Wahrsagerin, der es aber verboten ist, selbst einzugreifen. Sie beugt diese Regeln gerade soweit, dass sie mit Eddie spricht und ihn motiviert, auf eine wilde Rachetour zu gehen.

Der Witz ist dabei, dass Eddie, passend zu seinem zombieartigen Aussehen, nicht reden kann, sondern nur stöhnt. Die Hellseherin kann ihn aber problemlos verstehen, wodurch sich für den Leser teils witzige einseitige Gespräche ergeben, die ein wenig an die Kommunikationsprobleme mit dem sprechenden Baum Groot aus Marvels Guardians of the Galaxy erinnern.

Das ungleiche Paar aus Eddie und Hellseherin reist also durch die verschiedenen Welten und stellt sich dem jeweiligen Herrscher – mit der Absicht, am Ende das Tier in der Hölle selbst zu stellen. Dabei mangelt es natürlich nicht an Anspielungen auf die Bandgeschichte. Die drei Dimensionen, in die sie reisen, sind das Siechende Königreich, in dem der Wicker Man regiert, das altägyptische Reich des Sandes, in dem die ägyptischen Gottheiten Horus und Isis warten, und das Ewige Schlachtfeld, in dem der dämonische Achsengeneral die Schlachten des Zweiten Weltkriegs nie enden lässt.

Die drei Dimensionen sind dabei alle von Liedern und Alben inspiriert. Der Wicker Man entstammt der gleichnamigen Single, die 2000 erschien und einen solchen auf dem Plattencover abbildete. Ein Wicker Man, oder Weidenmann, war eine metergroße, aus Holz gebaute menschenförmige Staute, in der laut Julius Cäsar die gallischen Druiden Menschen als Opfergabe verbrannten. Der Wicker Man im Comic ist visuell dem auf der Platte nachempfunden. Das Reich des Sandes ist vom fünften Iron Maiden Album Powerslave von 1984 inspiriert, auf dessen Cover ein altägyptischer Pyramidentempel mit einer riesigen Statue von Eddie als Pharaoh zu sehen ist. Das Ewige Schlachtfeld lehnt sich an das 2006er Album A Matter of Life and Death an, das einen von wandelnden Skeletten bemannten Panzer zeigt. Die grundlegende Handlungsidee, in der Eddie gegen das Biest kämpft, nimmt eine Reihe von Alben- und Singlecovern auf, die in den 1980ern eine durchgehende Geschichte erzählten, von Purgatory über das Album The Number of the Beast und die Single Run to the Hills bis zur Single Number of the Beast. Natürlich fehlen auch im Text keine Zitate der Lieder, die teils zur besseren Erkennbarkeit im englischen Original gelassen wurden.

Abgesehen davon ist der Comic eine sehr geradlinige Actionstory. Eddie zieht durch die Welten und schlägt sich mit allem, was ihm über den Weg läuft. Das ist durchaus unterhaltsam, wenn man mit der richtigen Erwartungshaltung herangeht. Autor Ian Edginton liefert hier in einem ordentlichen Tempo coole Action mit ein paar netten Einfällen, die Zeichner Kevin West in farbenfrohen Bildern genauso cool zeichnet. Genau richtig für alle, die an einem wilden Ritt durch die Welt der Iron Maiden interessiert sind.

Ian Edginton ist eine interessante Wahl für diesen Band. Der britische Autor ist ein produktiver und vielseitiger Autor. Unter anderem schrieb Edginton Comics für Warhammer 40.000 und Warhammer Fantasy, die britischen Kult-Comics Judge Dredd und Rogue Trooper, Alien vs. Predator, Superhelden wie Batman oder X-Force, aber auch Adaptionen klassischer Literatur wie Das Bildnis des Dorian Gray. Am bekanntesten ist er allerdings für seine hervorragenden Steampunk-Werke wie Scarlet Traces, eine Fortsetzung von H.G. Wells Krieg der Welten, in der das Vereinigte Königreich die Technik der Marsianer nachbaut. In seinem tollen Victorian Undead stellt sich Sherlock Holmes Zombies und Dracula, während in Stickleback der entstellte, selbsternannte Papst des Verbrechens mit seinen monströsen Handlangern Angst und Schrecken im viktorianischen London verbreitet. Eine Metal-Action-Tour de Force würde man nicht als erstes mit ihm verbinden, am Endprodukt gibt es aber nichts zu meckern.

In der Produktionsqualität hat sich Insektenhaus mal wieder bewiesen: Dickes Papier, toller Druck, ein fester Hardcover-Band mit Prägung, das Logo von Iron Maiden in schimmernder, blutroter Folie, goldene Metallecken – Iron Maiden: Legacy of the Beast ist ein echter Blickfang. Für echte Iron Maiden-Fans führt hier nur ein Weg vorbei: der des Comic-Muffels. Man muss aber kein Fan sein: Auch wenn man nicht alle Anspielungen versteht, ist Iron Maiden: Legacy of the Beast ein gutes Stück Actionkost. Wer das will, bekommt auch genau das, nicht mehr, aber auch nicht weniger. 39,95 EUR können dafür vielleicht etwas viel wirken, die die gute Verarbeitung und der tolle Einband sind aber von der Wertigkeit und, falls man sich dafür interessiert, auch vom Deko-Effekt ihren Preis wert.

Die harten Fakten:

  • Autor(en): Ian Edginton, Llexi Leon
  • Zeichner(in): Kevin West
  • Seitenanzahl: 128
  • Preis: 39,95 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

 

Artikelbilder: © Insektenhaus-Verlag
Layout und Satz: <Bitte vom Layout selbst eintragen>
Lektorat: Alexa Kasparek
Fotografien: Paul Menkel
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