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Blut für den Blutgott, Schädel für seinen Thron! Die Horden des Chaos auf dem Epic Empires sind inzwischen eine bekannte und gefürchtete Größe. Doch was steckt hinter diesem Themenlager? Wir haben furchtlos einen Blick hinter die Tore gewagt und stellen es euch vor!

Das Chaos … viele, deren Charaktere bereits mit den Anhängern des Chaos zu tun hatten, werden bei der bloßen Nennung des Namens entweder schaudern, schäumen oder spucken. Nichts geht einem ‚Helden‘ so gegen den Strich wie Charaktere, die sich gegen Ordnung, Licht und Recht wenden, die Entitäten folgen, die nicht das Wohl der Welt, sondern ihren Untergang in der jetzigen Form im Sinn haben. Sie werden die Welt schreien lassen … doch wer sind „sie“?

Wie alles begann

Alles nahm seinen Anfang 2012 auf dem Drachenfest. Das dortige Chaoslager vereinte viele unterschiedliche Konzepte, die nur lose dem Prinzip folgten: Stetiger Wandel ist das einzig Wahre, Ordnung und Recht sind Unterdrückung. Eine kleine Gruppe Spieler hingegen liebäugelte mit einem enger gefassten Rahmen für ein Spielerlager: dem Chaos-Hintergrund nach Warhammer.

Chaos im Sinne des Warhammer-Universums ist ein Sammelbegriff für jene Kräfte und ihre Verkörperungen, die versuchen, die Welt von Warhammer in ihrer bisherigen Form zu zerstören. Im Reich des Chaos, einer höllischen Ebene, regieren die Chaosgötter. Die vier Hauptgötter Khorne, Nurgle, Tzeentch und Slaanesh verkörpern grob vereinfacht die Aspekte Krieg, Pestilenz, ewiger Wandel und geheime Begierde, daneben gibt es noch weitere mindere Götter. Dem Chaos ist jegliche Ordnung verhasst, Unberechenbarkeit und intrigante Bösartigkeit sind ebenso Merkmale der Anhänger des Chaos wie Verherrlichung des blutigen Kampfes und ein gewisser Hang zum Wahnsinn. Für viele andere LARP-Konzepte ist das Chaos daher der Feind schlechthin, das größte Übel, dem es mit aller Macht zu widerstehen gilt.

Als solches sind Chaos-Charaktere wie geschaffen für Con-Formate, die ein Spieler-gegen-Spieler-Konzept (PvP) verfolgen. Auf herkömmlichen Fantasy-Cons begegnet man ihnen jedoch eher selten – und wenn, dann meistens auf der Seite der GSC oder NSC.

Man fand sich zusammen und schloss sich für die Dauer des Drachenfestes erst einmal mit dem damals noch in dieser Form existierenden Orkheerlager (OHL) zusammen, um auszutesten, ob das eng gesteckte Konzept innerhalb der Gruppe funktionieren würde. Da sich das Chaos-Konzept aber schlecht mit dem Treiben auf typischen Fantasy-Cons, selbst im Bereich der Dark Fantasy, vereinen lässt, war bereits zu Anfang die Intention vorhanden, aus der kleinen Spielergruppe ein eigenes Lager auf einer Großcon zu formen, auf der ein PvP-Konzept vorherrschte. Als das OHL 2013 zum Epic Empires abwanderte, beschlossen die HdC-Gründer, dort ebenfalls als eigenes Themenlager des Chaos ihr Glück zu versuchen.

Seit 2013 bestehen die Horden des Chaos (im Folgenden HdC genannt) als kleine aber feine Spielergruppe auf dem Epic. „Wir sind immer so um die fünfzig Teilnehmer“, berichtet Janos Smolka, erstes Neumitglied außerhalb der Gründergruppe und inzwischen Head Orga des Lagers. „Das Maximum waren einmal achtzig Spieler, aber es gibt eine Art regelmäßige Zu- und Abnahme. Das Konzept ist arbeitsintensiv, aber natürlich freuen wir uns immer über Neumitglieder.“

Im Lager des Chaos

Dankbare Gegner

Bei einer solchen vergleichsweise geringen Lagergröße und einem auf Konfrontation angelegten Konzept schwenkt man geradezu ein rotes Tuch vor den Nasen der anderen Lager. „Im ersten Jahr gab es den Drachenfest-Effekt für uns“, erzählt Janos Smolka. Will heißen: Die HdC wurden durch eine Übermacht aus zusammengeschlossenen anderen Lagern buchstäblich überrannt. Dass daraus weniger episches Kämpfen als ein Schlachtfest wurde, das für beide Seiten weniger zufriedenstellend war, mag man sich vorstellen. „Inzwischen klappt das aber ganz gut. Man spricht sich vorher OT ab und erfragt die ungefähre Mannstärke. Wenn wir nur fünfzig Kämpfer haben, dann steht eben auch nur eine ähnliche Anzahl vor unseren Toren, so haben alle was davon.“

Überhaupt sind natürlich Kampfverbünde zwischen HdC-Spielern und anderen Lagern aufgrund des Chaos-Gedankens offiziell wenig bis gar nicht vorgesehen, das bedeutet allerdings nicht, dass das Chaos ständig auf verlorenem Posten mit einer „Wir-gegen-den-Rest-des-Epic“-Mentalität kämpft. Es lassen sich durchaus kurzzeitige spaßige Twists arrangieren, wie beispielsweise, wenn ein Lager, aufgerieben vor den Toren der HdC, von dessen Heilern versorgt und damit kurzfristig korrumpiert wird. IT gegen ihren Willen, aber OT mit mächtig Spaß an der Situation, ziehen diese Krieger dann gegen ihre eigenen Leute oder Verbündete in den Kampf, bis sie von den Einflüssen des Chaos reingewaschen werden können.

Die Warbands und der Zusammenhalt

In Aktion - Moritz Jendral
In Aktion – Moritz Jendral

Das Lager selbst ist in sogenannten Warbands organisiert, Kampfverbünde, die meist einer bestimmten Manifestation des Chaos folgen und untereinander in Gesinnung und Kultur homogen erscheinen. OT organisieren sich die Warbands relativ eigenständig. Derzeit gibt es derer elf plus die Führungsebene. Angeführt werden die Horden in erster Instanz von einem orgagesteuerten NSC, welcher die einzige Dämonenrolle im Lager bespielt (die HdC bespielen ansonsten nur sterbliche Charaktere), und in zweiter Instanz von einem vorab bestimmten erfahrenen Spieler. Die Besetzung dieses Postens wechselt jedoch gelegentlich. Neumitglieder treten in der Regel einer Warband bei und gestalten ihr Charakterkonzept dementsprechend. In der Homogenität bei gleichzeitiger Vielfalt liegt für viele denn auch der Reiz des Lagers. Der Grundgedanke im Spiel ist eine dauerhaft schwelende Konkurrenz, und so geht es denn auch sehr rau zu. Streitigkeiten werden auch, aber nicht immer, in blutigen Kämpfen gelöst, jede Warband hat darüber hinaus auch ihre eigenen Sitten und Bräuche entwickelt, mit denen sie das Lagerleben gestaltet. So leben die meisten Gruppen relativ autonom nebeneinander her, was viel Raum für tiefes Charakter- und Ambientespiel eröffnet. Allumfassende Lagerbesprechungen, um zu einer gemeinsamen Linie zu kommen, sind nicht vorgesehen. Daher läuft vieles im Vorfeld OT ab, wenn mögliche Schlachtpläne besprochen oder gemeinsame Plots ausgelotet werden. Steht allerdings ‚der Feind‘ vor den Toren, wird nicht lange herumdiskutiert, sondern man stellt sich geschlossen hinter die Führungsebene und streitet gemeinsam für die Ziele des Chaos.

Eine wichtige Regelung sorgt ebenfalls dafür, dass sich Streit zwischen den einzelnen Warbands nicht verselbstständigt und somit anderes Spiel nachhaltig blockieren könnte: Gemäß dem stetigen Wandel des Chaos sind Konflikte nach dem Ablauf eines Tages vergessen und nicht mehr zu thematisieren. Somit wird Raum für neue Spielansätze und natürlich auch neue Konflikte geschaffen.

Die Gewandung und das Ambiente

Wer an Warhammer-Chaos denkt, dem steigen ganz bestimmte Bilder aus dem Gedächtnis empor: Massige, schwer gepanzerte Krieger, deren Rüstung nach Jahren des Chaosdienstes immer weiter mit Ihnen verwächst. Wer allerdings einem Mitglied der HdC abseits des Schlachtfeldes begegnet, der mag sich erst einmal verwundert die Augen reiben. Zwar tragen alle Spieler sichtbare Zeichen des Chaos unübersehbar an ihrer Gewandung – ein Grundpfeiler des Lagerkonzepts, dass die Charaktere das Chaos nicht nur versteckt im Herzen tragen –, aber verwachsene Rüstungen findet man hier nicht. Das hat einen einfachen, ganz praktischen Grund. Niemand kann ernsthaft von einem Spieler verlangen, eine Fünftagescon wie das EE durchgängig in einer schweren Rüstung durchzustehen, dabei auch noch stimmig zu kämpfen und nach vier Tagen immer noch taufrisch und bereit für die Endschlacht zu sein, selbst ohne Lasersonne oder Dauerregen. Darüber hinaus macht es auch für das Spiel untereinander im Lager wenig Sinn, den ganzen Tag vollgerüstet herumzulaufen, nur weil man damit imposant aussieht. Viele alltägliche Dinge sind einfach in Rüstung nur schwer oder gar nicht durchzuführen.

Daher wurde schon früh das Konzept der Zivilgewandung eingeführt. Auf diese Zivilgewandung wird bei Weitem am meisten Mühe verwandt, weil sie die repräsentative Hauptgewandung der Charaktere darstellt und somit die Spieler auf einen Blick auch ohne aufwendige Rüstung als Chaosdiener zu erkennen sein sollen. Erst, wenn die Zivilgewandung authentisch wirkt, so das Credo, soll man an die Kampfausrüstung denken.

Dass die HdC etwas von Ambiente und stimmigen Spiel verstehen, haben sie bereits unter Beweis gestellt, immerhin gab es einmal die begehrte B-Note, eine Auszeichnung, die die Organisatoren des EE für besonders glaubhafte Verkörperungen des Konzepts und gutes Ambiente vergibt.

Man musste sich, so Smolka, ein wenig von der strengen Durchsetzung des Warhammer-Hintergrunds verabschieden, weil Gegebenheiten eines programmierten Spiels einfach nicht vollständig auf die Realität eines LARP zu übertragen sind. Dazu gehört in letzter Zeit auch, dass sich viele Interaktionen zwischen Chaosanhängern und Mitgliedern anderer Lager von der Nacht auf den Tag verlegt haben. Vielen mögen nächtliche Aktionen für die HdC sinniger erscheinen, aber dies lässt sich nur schwer mit einem Setting vereinbaren, dessen nächtliche Aktivitäten aufgrund von Sicherheitsbedenken und schwindender Spielerbereitschaft in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen sind.

Auf der anderen Seite eröffnet diese teilweise Loslösung natürlich die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen, die im kanonischen Warhammer-Hintergrund nicht verankert sind. Die HdC sehen sich nicht als Elitetruppe, die Exklusivität über alles stellen. So gibt es inzwischen beispielsweise einen Chaosgötter-gläubigen Wüstenstamm – ein Konzept, das so in Warhammer nicht vorhanden ist –, und eine Gruppe Druchii mit einem Korsarenhintergrund befindet sich ebenfalls auf dem Weg in die Eingliederung. Druchii, Dunkelelfen aus dem Warhammer-Hintergrund, folgen nicht per se dem Chaos, doch lassen sich Adaptierungen gut durchführen. Solange man den Grundprinzipien des von Warhammer geprägten Chaos folgt und willig ist, auch den OT-Regeln zu folgen, dem stehen alle Türen offen.

Mitmachen?

Wer nun neugierig geworden ist und mehr über das Chaoskonzept im Allgemeinen oder das HdC-Lager auf dem Epic Empires im Besonderen erfahren möchte, dem seien einerseits die Überblickseite des EE und die offzielle Homepage, andererseits das HdC-Forum ans Herz gelegt. Im Forum gibt es beispielsweise ein hilfreiches Tutorial für eine Chaos-Basisgewandung. Wem das noch nicht genug ist, der kann sich auch durch ein paar Videos klicken und somit eine besonders eindrückliche Idee von den Chaoslageristen in Aktion erhalten.

Generell gilt: Keine Angst vorm Chaos! Hinter den schaurigen Bemalungen und Props stecken auch nur Menschen, deren oberstes Ziel es ist, gemeinsam ein paar wunderbare Tage zu verbringen. Entgegen des Konkurrenzgedankens und der Disharmonie, die IT kultiviert werden, sind die Mitglieder OT darauf bedacht, dass alle gut miteinander klarkommen. Bei einer geringen Anzahl kennt schließlich jeder jeden und es muss im Zweifelsfall auch kräftig mit angepackt werden, damit das gesamte Lager im Ambiente stimmig präsentiert werden kann.

Potenzielle Neulinge werden durch eigens für jeden Bereich bestimmte Coaches intensiv an die Hand genommen, und man muss in keinem Fall ein Warhammer-Nerd sein, um aufgenommen zu werden. Alles was es braucht, ist ein grundsätzliches Interesse am Chaoskonzept und die Bereitschaft, die Hilfsangebote anzunehmen. Da sich das Lager in die angesprochenen Warbands gliedert, sind Einzelkämpfer-Konzepte erst einmal wenig zielführend. Natürlich kann auch eine eigene Warband gegründet werden, aber um richtig ins Spiel zu kommen, ist es erfahrungsgemäß sinniger, sich einer bereits bestehende Gruppe anzuschließen. Sowohl auf der Homepage als auch im Forum werden die Warbands detailliert mit entsprechenden Ansprechpartnern vorgestellt, sodass man nicht nur einen guten Überblick, sondern im besten Fall auch gleich Inspiration für ein Charakterkonzept bekommen kann.

Damit die viele Mühe für Gewandung und Ausrüstung nicht nur einmal im Jahr auf dem Epic Empires ausgeführt wird, besuchen zudem einige Warbands auch regelmäßig weitere Cons, wie zum Beispiel das DrachenFest oder Warhammer-LARPs. Wer also schon immer mal ein umfangreiches und, wenn man will, tiefgründiges Antagonisten-Konzept ausprobieren wollte, sollte ein Blick in das Immaterium riskieren.

Artikelbilder: © Moritz Jendral, © Nabil Hanano, © Boris Leist, © Deneriel, © Nummi, Bearbeitet von Verena Bach

6 Kommentare

  1. Schöner Artikel, der die Jungs und Mädels schön darstellt.
    Ich durfte einige der Chaoten auf dem Drachenfest bewundern und ja sie geben ein tolles Bild ab. Großartige Gewandungen und vor allem auch Kampfausrüstung lassen auch alte Warhammerveteranen sofort jedes Element erkennen. :)
    Und auch extrem viele Eigeninterpretationen sind wirklich gelungen.

    Mich als Asrai-Spieler (Warhammer-Waldelfen) haben vor allem besagte Korsaren begeistert. Tolle Truppe.

    Ansonsten noch das Mimimi auf hohem Niveau:
    Erst noch einmal danke für den Artikel und primär den schönen historischen Einblick ins Chaoslager. Der fehlt einem ja sonst einfach, da man sich auf den Cons ja mehr IT mit den Leuten beschäftigt. Aber dann mal los :P

    “ programmierten Spiels“? nachdem Warhammer erst mal wenig bis nichts mit Videospielen zu tun hat… Ja es gibt Total War aber Grundlage stellt bei den meisten ja ehr der Hintergrund der Welt an sich dar, den man in Armeebüchern, Romanen und auch online bekommt und tatsächlich eine reichhaltige Kultur bietet. Auch fürs Chaos.
    Da gibt es z.B. im Horden des Chaos (Buch von 2002) zwei sehr gute Geschichten aus Sicht von 2 Barbarenstämmen aus der östlichen (Chaos)-Wüste, die einem eine solide Idee vom Leben der Chaosbarbaren in den kargen Regionen der Chaos-Wüsten geben.

    Kann ich jedem nur empfehlen, der sich fürs Chaos interessiert.

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