Barbara ist ein stilles, zurückgezogenes Mädchen von elf Jahren. Sie liebt Dungeons & Dragons, trägt Cosplay-Hasenohren und ist in der Schule ein Außenseiter. In Wirklichkeit jedoch ist sie mutiger als alle anderen in der Stadt, denn sie allein bekämpft die Giganten, die drohend über Allem stehen.
Das Leben in einer Kleinstadt an der Küste ist für eine Heranwachsende nicht leicht. Vor allem, wenn sie eine überbordende Fantasie ihr Eigen nennt, Rollenspielbücher beim Frühstück liest und in der Schule meist vom Unterricht gelangweilt ist. Barbara ist clever und ihr beißender Sarkasmus bringt ihr so manches Gespräch mit dem Direktor ein. Da hilft es auch nicht, dass sie keinen Hehl daraus macht, dass sie sich als Beschützerin der Stadt vor den schrecklichen Riesen sieht.
Inhaltsverzeichnis
Handlung
Fantasie, Zynismus, Sarkasmus und ein tiefes Verständnis der menschlichen Psyche, daraus baut Barbara ihre Rüstung gegen die Fährnisse des Schulalltags. Auch zu Hause hat sie es nicht leicht. Ihr großer Bruder ist ein Faulenzer, der nur mit seinen Freunden zockt und sich um nichts kümmert. Ihre große Schwester ist kaum daheim und vernachlässigt den Haushalt. Beide hassen Barbara und einander, Streit ist die normale Umgangsform im Hause Thorson. Barbara hasst ihre Geschwister, die Schule und das Leben im Ganzen. Bis sie eines Tages Sophia begegnet.
Sophia, die gerade in die Stadt gezogen ist, ist begeistert von Barbaras coolen Geschichten über Riesen und Feen und ihren selbstgebauten Riesenködern und -fallen. Sie scheint nicht zu kümmern, dass Barbara seltsam ist. Als die Schultyrannin Taylor einmal mehr Prügel austeilen will, hilft Sophia ihr auch noch aus der Klemme, und die Freundschaft ist besiegelt.
Zur gleichen Zeit wird die neue Schulpsychologin Ms. Molle auf Barbara aufmerksam und versucht mit großer Einfühlsamkeit und Verständnis, in regelmäßigen Sitzungen die Schale aus Seltsamkeit und großem Mundwerk um Barbaras Innerstes zu knacken. Zunächst erfolglos, doch nach und nach erkennt sie die verborgenen Hinweise in den Zeichnungen und Äußerungen des Mädchens und kommt dem Geheimnis im Haus am Strand immer näher.
Denn im ersten Stock ist etwas, wovor die Geschwister Angst haben. Etwas, das nicht ausgesprochen werden darf und vor dem besonders Barbara lähmende Furcht empfindet. Es ruft nach Barbara, ein schreckliches, atemloses Flüstern. Etwas so Schreckliches, dass Barbara überzeugt davon ist, nur ihr Kampf gegen die Riesen dieser Welt könne sie darauf vorbereiten. Sie muss die Riesen und letztendlich den Tod selbst besiegen, um sich diesem Grauen stellen zu können.
Charaktere
Barbara ist ein junger Teenager, ein Mädchen, das zu Beginn der Pubertät mit etwas konfrontiert wird, das sie nur mit viel Fantasie, eisernem Willen und Sarkasmus von sich und ihrer Umgebung fernhalten kann. Sie schwankt zwischen Abscheu und Zuneigung ihrer Umwelt gegenüber. Sie ist liebenswürdig schrullig, hart und zerbrechlich zugleich. Sie steckt Prügel durch die brutale Taylor weg und ist zu Tränen gerührt, wenn Sophia freundlich zu ihr ist. Sie braust auf und ist still. Sie kämpft mit ihrer Psyche und ihrer Traumwelt ebenso wie mit ihrer realen Umwelt. Sie stellt sich ihren Ängsten, geht jedoch der größten und schrecklichsten so lange aus dem Weg, bis es beinahe zu spät ist.
Ihre Schwester Karen bemüht sich, die Familie zu ernähren, kämpft um jede Überstunde und ist enttäuscht von der Undankbarkeit ihrer Geschwister. Sie träumt von einer Beförderung.
Bruder Dave brütet vor sich hin, rebelliert gegen alles und hängt mit seinen Kumpeln rum. Er will nur in Ruhe gelassen werden.
Ms. Molle, die Schulpsychologin, und Sophia blicken hinter die Fassade der kaputten Familie. Sie machen sich Sorgen um das seltsame Mädchen und erkennen schließlich, was die Geschwister zu zerreißen droht.
Zeichenstil
Ken Niimura setzt die Geschichte mit sehr feinem Strich in Szene, seine Bilder sind filigran und leichtfüßig. Seine gelungene Mischung aus Manga- und westlichem Zeichenstil kommt ohne Farben aus, taucht bedrohliche Szenen jedoch in tiefe Schatten und düstere Flächen, die einen gewaltigen Eindruck hinterlassen. Grautöne weisen auf starke Gefühle hin, die mit einem Ort verbunden sind oder in einem Charakter vorherrschen. Jeder Charakter basiert auf einem seiner Freunde oder Bekannten, wie er in einem im Buch enthaltenen Interview verrät. So gelingt es ihm, auch Nebencharakteren Leben und Glaubwürdigkeit einzuhauchen.
Erscheinungsbild
Mit 240 Seiten im Albumformat ist der Band kein Leichtgewicht, liegt aber gut in der Hand. Das in Weiß, Rot und Blau gehaltene Cover zeigt Barbara, wie sie, ihren übergroßen Kriegshammer schwingend, auf den Kopf eines Giganten niedergeht.
Die harten Fakten:
- Verlag: Splitter
- Autor: Joe Kelly
- Zeichner: Ken Niimura
- Erscheinungsjahr: 2018
- Sprache: Deutsch
- Format: Comic-Album
- Seitenanzahl: 240
- Preis: 29,80 EUR
- Bezugsquelle: Amazon
Bonus/Downloadcontent
Der hintere Teil des Buches enthält eine Pin-up-Galerie, Skizzen und Charakterstudien, Informationen zur Entstehung der Geschichte und der Zeichnungen, Interviews mit den Machern und ein paar sehr niedliche Mini-Comics von Ken Niimura, in denen er sich über die Hürden des Entstehungsprozesses, kreative Differenzen und kulturelle Missverständnisse amüsiert. Anders Walters Verfilmung der Graphic Novel mit Madison Wolfe, Zoe Saldana u. a. ist auf Netflix zu sehen.
Fazit
Ein junges Mädchen, das sich vor einer schrecklichen Wahrheit in eine Traumwelt flüchtet, die von D&D und ihrer eigenen Fantasie geprägt ist. Sie verarbeitet die scheußliche Realität, indem sie Giganten bekämpft, die ihre Stadt terrorisieren. Dass sie so nebenbei die Courage gewinnt, sich alltäglichen Herausforderungen zu stellen, wie zum Beispiel der gefürchteten Oberstufenschülerin Taylor, ist ihr nicht wichtig. Ihre Geschwister sind ihr scheinbar auch nicht wichtig. Ihr geht es einzig und allein darum, die Riesen zu besiegen, die alles bedrohen was ihr lieb und teuer ist. Sie flüchtet vor der Realität, weil sie sie nicht ertragen kann.
Ebenso wie ihre älteren Geschwister. Karen träumt sich in ein besseres Leben, wenn sie nur genug im Job leisten kann, um die ersehnte Beförderung zu verdienen. Dave träumt von Freiheit ohne Verantwortung. Alle drei verschweigen ihre gemeinsame, größte Angst.
Sophia, Barbaras neue und einzige Freundin, und Ms. Molle, die Schulpsychologin, schauen genauer hin und entdecken Hinweise auf den Schmerz, der die drei Geschwister heimsucht und der Barbara dazu veranlasst, sich in die grausige Welt der Riesen zu flüchten, deren Jagd und Bekämpfung sie als Vorbereitung für ihren Kampf gegen den Tod selbst sieht. Letztendlich ist es der Kampf gegen den größten der Titanen, der ihr die Kraft verleiht, sich der Realität zu stellen. Denn Giganten, Riesen und Titanen gibt es nicht wirklich. Oder vielleicht doch?
Niimura und Kelly gelingt es ausgezeichnet, die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmen zu lassen. Hier erinnern Film und Buch streckenweise an Die Brücke nach Terabithia. Die Kraft der Fantasie, die es ermöglicht, sich letztendlich auch der schrecklichsten Realität zu stellen, ist neben Freundschaft, Opferbereitschaft sowie Mut, Anderen zu helfen und sie nicht auszugrenzen, das zentrale Thema des Buches.
Artikelbilder: Splitter
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