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Cosplay ist heutzutage längst kein unbekanntes Nischenhobby mehr, das nur von sogenannten Nerds und Animemädchen auf kleinen, lokalen Treffen oder zu Hause betrieben wird. Mittlerweile ist es ein internationales Hobby, das in der Regel keine Alters-, Geschlechts- oder Ethnizitätsgrenzen kennt und auch medial gut abgedeckt wird.

Cosplay ist die Verkürzung des Begriffes „costume play“, zu Deutsch Kostümspiel. Es ist eine Performance-Kunst, bei der Teilnehmer Kostüme und Accessoires tragen, um einen bestimmten Charakter, meist aus populärkultureller Quelle, darzustellen. Die bekanntesten Beispiele sind natürlich Comic-Helden, Filmfiguren sowie Charaktere aus Computer- und Konsolenspielen. Woher diese besondere Art der Performance-Kunst kommt, welche seit den 1990ern stetig an Zulauf gewinnt und in den 2000ern einen gewaltigen Sprung in der Popularität gemacht hat, ist allerdings nicht ganz klar.

Ursprung: Wer hats erfunden?

Der Ursprung und die Definition des Hobbys sind nicht ganz greifbar. Tatsächlich gibt es hier mehrere Varianten, wobei einige mehr spekulativ und manche eher faktisch sind. Die sinnvollste Variante ist, dass es auf die Definition des Begriffes per se ankommt, wobei man Cosplay vom sogenanntem Costuming (zumindest begrifflich) unterscheidet.

Die ersten mit Namen festgehaltenen Fans, die Costuming betrieben haben, gehörten der Sci-Fi-Szene in den USA an: Myrtle Douglas aka Morojo and Forrest J. Ackerman. Die beiden arbeiteten gemeinsam an diversen Fanzines im Sci-Fi-Bereich und traten 1939 auf der Worldcon (World Science Fiction Convention) in selbst geschneiderten Outfits frei nach dem Film Things to come von H. G. Wells als weltweit erste kostümierte Fans auf einer Convention auf. Danach begannen mehr Fans, Veranstaltungen verkleidet zu besuchen. Als die Rocky Horror Picture Show 1979 die Kinoleinwand eroberte, griffen viele Zuschauer den Stil oder die Kostüme der Filmcharaktere auf und gingen kostümiert ins Kino. Dies war jedoch so ziemlich der einzige Ausbruch von Fankostümierung aus der Sci-Fi-Szene, die dem Hobby rege nachging.

Die ersten Szenetreffpunkte

Morojo und Ackerman auf der Worldcon 1939 in NY

Auch in Japan gab es schon in den 1970ern sogenannte Mangaclubs, in denen sich Schüler trafen und als ihre Lieblingsfiguren aus Manga und Anime verkleideten. Obwohl es schon seit den 1960ern Sci-Fi-Conventions gab, wurde 1975 das erste Mal die Comiket (Comic Market) veranstaltet, wo zwar hauptsächlich eigene (oft Fan-)Comic-Kreationen verkauft und ausgestellt wurden, doch auch die Anime- und Manga-Szene endlich einen Szenetreffpunkt hatte. Hier trafen sich die Fans, um ihre Kostüme zu präsentieren. Als im Juni 1983 ein Magazin namens „My Anime“ erschien, wurde darin ebenfalls ein Artikel über Fankostümierung veröffentlicht. Darin sprach der Autor Nobuyuki Takahashi das erste Mal offiziell von Cosplay.

Cosplay beschränkte sich zunächst, wie in den USA, hauptsächlich auf die Conventions und Mangaclubs, jedoch schwappten auch Einflüsse auf die ohnehin recht ausgefallene Streetfashion-Kultur japanischer Jugendlicher, welche sie vornehmlich an den Wochenenden zur Schau stellten. Vor allem seit der ausgiebigen Dokumentation durch das seit 1997 erscheinende japanische Magazin Fruit und der schnellen Verbreitung des Internets war es nicht verwunderlich, dass die beiden Fanszenen sich nach und nach miteinander zu vermischen und einander zu beeinflussen begannen. So kam es, dass manche Outfits sich als Interpretation einer Serie oder gar einer Figur in abstrahierter Form darstellten und andere Modestile, wie Gothic Lolita, Kogal oder Bōsōzoku, ihren Ursprung daraus fanden oder ihr Einfluss auf die Medien Manga und Anime deutlich ersichtlich wurde.

Von den Conventions ins Internet

Zwar gab es seit den 1990ern Anime-Conventions, was auch von der vermehrten Verfügbarkeit von Anime und Manga herrührte, doch stieg der weltweite Austausch Anfang der 2000er erneut sprunghaft an. Das Internet vereinfachte den Zufluss von Anime, Manga, Videospielen und anderen popkulturellen Einflüssen, die nun zahlreich in die westliche Welt strömten und sich rapide verbreiteten. Die Fanszenen formten sich schnell und verknüpften sich miteinander. Cosplay hielt als Hobby Einzug in Europa und Australien, und auch in den USA erlebte der Trend der Fankostümierung einen neuen Aufschwung.

Durch diese asiatische Renaissance des Costuming assoziiert das Gros der Szenegänger sowie der Außenstehenden Cosplay hauptsächlich mit Japan und japanischen Medien. Zwar wurde zu Beginn des Booms hauptsächlich aus japanischen Medien gecosplayt, doch ist spätestens seit Beginn der 2010er nicht zuletzt mit dem großen Erfolg von Franchises wie Star Wars oder des MCU der Anteil an Kostümen zu westlichem Popkulturgut mindestens genauso hoch. Dennoch gibt es auch Kostümgruppen, welche sich bewusst vom Begriff Cosplay und seiner Konnotationen abgrenzen und den ursprünglichen Begriff des Costuming nutzen, wie beispielsweise die 501st Legion, Rebel Legion oder der Predator Clan Germany.

Cosplay ist nichtsdestotrotz als Hobby per se keine neue Erfindung, sondern eine alte Form der Fankunst, die wieder zu ihrem Ursprung zurückgekehrt ist – nur in einer etwas reiferen, mondäneren und manchmal vielleicht auch überdrehteren Form.

Das Cosplay: Nähen, frisieren, Rüstung bauen

Grundsätzlich ist die Ausübung des Hobbys auf der einen Seite zeitlich sehr begrenzt mit dem Tragen des Cosplay auf einer Veranstaltung. Doch ist es gleichzeitig sehr zeitintensiv, wenn man die Vorbereitungszeit mit einbezieht. Die Erstellung des Outfits inkludiert diverse Arbeitsschritte, je nach Vorlage. Hierbei sind verschiedene Fertigkeiten gefragt wie Nähen, Malerei, Haarstyling und Fertigung von Kostümteilen oder Accessoires aus diversen Werkstoffen, wie zum Beispiel Thermoplaste. Dazu kommen die Beschaffung von Materialien, das Testen von Make-Up und weitere diverse Kleinigkeiten, sodass sich der Weg von der Idee zum Cosplay manchmal über Wochen oder gar Monate ziehen kann. Um dies abzukürzen gibt es auch die Möglichkeit, Teile oder ganze Outfits käuflich zu erwerben – eine Praxis, die in Deutschland noch eher seltener genutzt wird, aber doch seine Vorteile hat. Oft gibt es andere Cosplayer oder Interessierte, die Aufträge (sogenannte Commissions) anbieten, wenn es um Nähprojekte oder den Bau von Props geht. Auch der Einsatz moderner Techniken wie 3D-Druck erfreut sich steigender Beliebtheit.

Der Aufwand steht beim Cosplay oft im krassen Gegensatz zu der tatsächlichen Tragezeit der Kreationen. Nicht selten wird ein Cosplay nur ein oder zwei Mal getragen, ehe es im Schrank oder Keller verschwindet oder sogar den Besitzer wechselt. Viele Cosplayer fertigen für jedes Event neue Kostüme an. Dabei richten sich die Cosplayer häufig nach den aktuellen Vorlieben an Serie oder Spiel. Dieser sogenannte Flash (derzeitiges Hauptfandom, in dem die Person voll und ganz aufgeht) bewirkt häufig schnelle Wechsel in den Plänen der Cosplayer und ist auf Events oft gut ersichtlich aufgrund der Vielzahl der zugehörigen Cosplays.

Wer nun aber denkt, dass man Cosplayer auch außerhalb der Events sofort identifizieren kann, wird enttäuscht. Im Gegensatz zu dem Bild, welches oft von den Medien überzeichnet wird, haben die Kostüme im Alltag nichts zu suchen. Auch bei Kostümveranstaltungen wie Karneval, Fasching oder Halloween werden die aufwendigen Cosplays eher selten zur Schau gestellt. Diese Trennung wird in der Szene oft empathisiert.

Szene: Wer sind denn diese Cosplayer?

Der Großteil der Cosplay-Szene bewegt sich in etwa im Altersspektrum zwischen 16 und 30 Jahren. Ausnahmen bestätigen hier natürlich die Regel. Die Szene selbst nimmt sich als sehr offen und tolerant wahr. Alter ist kein Thema. Auch bei Diversität und Gender gibt es hier keine Einschränkungen. Im Gegenteil: Laut einer von den Teilzeithelden durchgeführten Umfrage dominiert das weibliche Geschlecht in diesem Hobby zwar, jedoch gibt es auch viele männliche oder nicht binäre Szenegänger. Darunter sind auch viele offene Vertreter der LGBTQ+ Community. Als Grundkredo sollen vor allem das Miteinander und der Spaß an diesem kreativen Hobby im Vordergrund stehen.

Events: Ich packe meine vier Koffer und schultere meine Waffe

Es gibt nur eine Handvoll ausschließlich auf Cosplay ausgerichtete Veranstaltungen, zum Beispiel das Event Pixelmania in Polen. Aus diesem Grund trifft man die Szenegänger auf den Veranstaltungen anderer Fanszenen. Vor allem Messen der Anime-/Mangafan-Szene, mit der Cosplay eng verwoben ist, sowie der Comic- und Gamer-Szene stehen hier im Mittelpunkt. Abseits davon findet man Cosplayer auch auf den zwei großen deutschen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig sowie kontextnahen Events, wie der Spielemesse in Essen. Neben den großen Conventions mit mehreren Tausend Besuchern im Verlauf eines Wochenendes gibt es auch lokale, kleinere Cons und Treffen, die von Cosplayern besucht werden.

Vor Ort trifft man sich mit Freunden und anderen Cosplayern, macht Fotos oder lässt Fotos von sich machen oder nimmt an Wettbewerben teil. Hierbei gibt es eine große Auswahl. In der Regel hat jedes Event einen eigenen Cosplay-Wettbewerb. Dazu kommen diverse nationale und internationale Wettbewerbe, deren Vorentscheide auf verschiedenen Conventions stattfinden. Hierzu gehören zum Beispiel die Deutsche Cosplaymeisterschaft, European Cosplay Gathering oder das World Cosplay Summit.

Abseits solcher Events organisieren die Szenegänger oft Fotoshootings mit ihren Cosplay-Gruppen oder auch Teilnehmern mit serienübergreifenden Cosplays. Dabei treffen sie sich mit einem oder mehreren Fotografen, um abseits des Trubels auf den Events in passenden Locations und gegebenenfalls Spezialeffekten Fotos der Kostüme zu schießen, in denen diese besonders gut in Szene gesetzt werden und auch der dargestellte Charakter gut zur Geltung kommt.

Zusammengefasst: Kreativität, Freundschaft, Selbstdarstellung

Beim Cosplay – kurz für „costume play“ – verwandeln sich die Szenegänger mit Hilfe von Kostümen, Perücken, Make-Up und anderen Accessoires in den Lieblingscharakter aus Anime, Manga, Comic, Film oder Computerspiel. Man präsentiert sein Kostüm auf Conventions oder anderen Veranstaltungen, bei Fotoshootings, Videodrehs oder auch im Rahmen von Wettbewerben. Bei diesen führen Cosplayer entweder solo oder in der Gruppe passende Skits (kurze inszenierte Bühnenstücke) auf, die meistens zur Geschichte der dargestellten Charaktere passen.

Die Szene heißt Neulinge willkommen, und dank Internet, Social Media und einer großen Anzahl an Events ist man schnell mittendrin im bunten Treiben der besonderen Art von Fankunst, bei der junge (wie ältere) Leute sich kreativ ausleben und neue Erfahrungen machen können.

 

Fotos: siehe Bildunterschriften, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur

 

1 Kommentar

  1. Früher nannte man das halt Fasching/Karnevall/Fastenacht o.ä. wenn Zorro, Winnetou und die ersten Jedi unterwegs waren :)

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