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So schön ein Brettspieleabend am heimischen Wohnzimmertisch mit Freunden auch sein kann, manchmal muss man einfach raus: Urlaub, Picknick, Cafébesuch … Aber was tun, wenn Langeweile aufkommt und sich epische Materialschlachten weder gut mitnehmen noch platzsparend aufbauen lassen? Wir stellen euch vier Spiele vor, die sich perfekt für unterwegs eignen.

It’s bigger on the inside!

Spiele für unterwegs? Warum nicht einfach durch den Spieleladen des Vertrauens wandern und ein paar Brettspiele mit möglichst kleiner Packungsgröße einstecken, während man im Geiste schon Koffer-Tetris laufen lässt? Ganz so einfach ist es nicht. „Don’t judge a book by its cover“, heißt es ja. Auch bei Brettspielen empfiehlt es sich, nicht vom Äußeren auf den Inhalt zu schließen. Denn so manch eines mit handlicher Packungsgröße entpuppt sich im Spielaufbau als Platzmonster. Dennoch ist der Platzbedarf natürlich ein Faktor bei der Wahl von Reisespielen, sowohl beim Packen als auch in aufgebautem Zustand.

Der andere Faktor ist die Zeit. Unterwegs, zwischen mitunter anstrengenden Reisestrapazen, hat man oftmals kaum Zeit und noch weniger Lust auf einen zähen Spieleinstieg. „Plug and Play” soll ein Spiel da sein. Schnell aufgebaut, schnell zu erklären und so schnell loszuspielen, dass vielleicht auch eine zweite und dritte Partie nachgeschoben werden können.

Spaß muss das Ganze trotzdem machen und sich nicht nur wie eine Notlösung anfühlen. All diese Anforderungen reduzieren die Auswahl erheblich. Aber Einfachheit muss sich nicht wie Verzicht anfühlen. Wir zeigen euch, dass Spiele mit wenig Material auskommen können – in vier einstiegsfreundlichen Brett- und Kartenspielen im handlichen Mitnahmeformat, die im Spielspaß ihren großen Brüdern in Nichts nachstehen.

Tiefseeabenteuer – Tauchtrip mit Tiefgang

Der japanische Verlag Oink Games hat sich generell kleine, leichte Spielboxformate zum Markenzeichen gemacht. Eins jedoch sticht besonders hervor: Tiefseeabenteuer, das zwei bis sechs Spieler auf eine Schatzsuche in den Tiefen des Ozeans mitnimmt. Doch der Sauerstoff schwindet rasch und je tiefer man sinkt, desto länger wird auch der Rückweg.

Aus hellblauen bis tiefblauen Plättchen bauen wir uns den Spielbereich unter dem U-Boot zusammen, das gleichzeitig als Startfeld und Marker für den Sauerstoffstand dient. Die Plättchen haben auf der aufgedeckten Seite eine Wertigkeit von 1 bis 4 und auf der Rückseite unterschiedliche Punktwerte. Es gilt, sie als Schätze einzusammeln und zurück an die Oberfläche zu bringen. Je tiefer man taucht, desto mehr Punkte bringen die erbeuteten Schätze im Durchschnitt.

Aber Achtung: Zu viel Gier wird bestraft! Getragene Schätze reduzieren die Zahl der Bewegungspunkte für den Rückweg. Wer zu weit nach unten taucht oder zu viel mitnimmt, schafft es nicht mehr rechtzeitig zurück. Außerdem teilen sich die Mitspieler einen gemeinsamen Sauerstoffvorrat, der nach jedem Spielerzug reduziert wird. So kann uns mitunter zügig die Luft ausgehen.

Auch wenn sich das Ganze zu zweit spielen lässt, wird es mit vielen Spielern erst richtig lustig. Zwar schwindet der Sauerstoff schneller, man kommt jedoch auch mit seinen Bewegungspunkten besser aus, da beim Setzen die von Mitspielern belegten Felder übersprungen werden.

Und ein bisschen Glück ist am Schluss eben doch dabei, denn was man tatsächlich an Schatzpunkten aus der Tiefe gerettet hat, zeigt sich erst bei der Auswertung am Schluss. Insgesamt drei Tauchgänge hat man dafür Zeit, was insgesamt je nach Spielerzahl bis zu einer halben Stunde dauert.

Ein munteres Setzspiel mit etwas Würfelglück und durchaus anspruchsvoller Taktik. Trotz des Minimalismus vermittelt Tiefseeabenteuer mit Farbwahl und Design ein optisch und haptisch ansprechendes Tauchfeeling, perfekt für ambitionierte Hobbytaucher mit Risikobereitschaft. Aber bloß nicht in den Tiefen untergehen!

Tiefsee-Abenteuer © Oink-Games, Fotografie: Thekla Barck
Tiefsee-Abenteuer © Oink-Games, Fotografie: Thekla Barck

Resistor – Hackerduell im Atomkriegszeitalter

Ganz anders ist Resistor von Level 99: In diesem Zwei-Spieler-Duell ist das erklärte Ziel der Untergang des gegnerischen Supercomputers. Rot und Blau, „Deep Red“ und „Blue9000“, haben jeweils die Startsequenzen für Nuklearwaffen gestartet und versuchen, den anderen Computer gerade noch rechtzeitig zu hacken. Klingt martialisch, spielt sich spannend.

Zu Beginn auf höchster Stufe, Defcon 1, versucht man, den anderen Computer mit einer durchgezogenen Linie der eigenen Farbe, rot oder blau, auf ausgelegten Kartenreihen viermal zu treffen, um zu gewinnen.

Der Clou: Ist die Kartenreihe zu Beginn mit sieben Karten relativ lang, wird sie mit zunehmendem Spielverlauf immer kürzer, was das Spiel zum Ende hin schneller und dynamischer werden lässt. Um das Duell für sich zu entscheiden, muss jeder Spieler seine drei zur Verfügung stehenden Aktionen pro Zug weise planen.

Die Duellsituation schlägt sich außerdem erstens im Spielaufbau nieder, den man sich gegenübersitzend aufbaut, und zweitens mit dem Feature der doppelseitig mit unterschiedlichen Abbildungen bedruckten Karten. Somit sieht man die Rückseiten der Karten, die der Gegner in seiner Hand hält, bevor er sie ausspielt. Die Möglichkeit, mit seinen Aktionen auch ausgespielte Karten auf die Rückseite zu drehen, kann überraschende Wendungen im Spiel bringen, sofern man es gekonnt einsetzt und nicht den Überblick verliert.

Das dystopische Computersetting schlägt sich im vorwiegend grünen Kartendesign mit Schaltkreislinien und Pixelschrift auf schwarzem Grund nieder. Besonders pfiffig in Sachen Platzbedarf und auch optisch ein Hingucker: Die Spielpackung wird nicht beiseitegelegt, sondern dient mit ihrem charakteristischen Loch in der Mitte zum Spielaufbau. Dort wird der Kartenhalter zum Nachziehen hineingesteckt.

Resistor ist ein Kartenspielduell mit ausreichend Denksport und nicht zu langer Spielzeit von etwa 20 Minuten pro Partie. Jedoch ist es eher nichts zum Entspannen nach einem anstrengenden Ausflug, denn hier können die Köpfe rauchen.

Resistor© Level 99, Fotografie: Thekla Barck
Resistor© Level 99, Fotografie: Thekla Barck

Bummelbahn – Eine Insel mit zwei Bergen

Rauchen wird auch unsere Dampflok bei einer netten Fahrt über eine idyllische Insel. In Bummelbahn (auf Deutsch bei Lookout Spiele erschienen) schlüpfen zwei bis vier Spieler in die Rolle einer Eisenbahnfirma und kutschieren Güter, um verschiedenste Aufträge zu erfüllen. Besonderheit: Jede einzelne Karte hat gleich drei Funktionen. Einmal als an die Lok kuppelbaren Waggon oder auch als Gebäude, einmal als Beladung (Kohle, Holz oder Öl) und auch als “Bezahlung”, da man mit der erforderlichen Anzahl an abgelegten Karten die Neuanschaffungen auf der eigenen Hand bezahlt.

So entsteht ein Dilemma, das einen ständig abwägen lässt zwischen Karten, die man eigentlich gerne ausspielen möchte, und dem Zwang, beim Kauf der hochwertigsten Karten stattliche acht Handkarten abwerfen zu müssen.

Für eine interessante Art der Spielerinteraktion sorgen die Sonderfähigkeiten der Waggonkarten. Nur wenn man dem Mitspieler hilft und dessen Waggon mit Gütern aus der eigenen Kartenhand belädt, darf man diesen benutzen und sollte dies zumindest manchmal tun, um selbst ausreichend handlungsfähig zu sein. Jedoch bringt man so natürlich den Gegner in die Lage, Aufträge wegzuschnappen. Wie viel Risiko geht man ein, um sich nicht am Ende selbst entgleisen zu lassen?

Das Ganze ist ein reines Kartenspiel, bei dem auch die Landkarte der Insel mit den zu erfüllenden Aufträgen aus insgesamt sechs Spielkarten zusammengesetzt wird. Ein Reisespiel mit Reisethematik, wenn auch von Umfang und Komplexität so anspruchsvoll, dass es doch ein Weilchen braucht, um durchzublicken, gerade für absolute Anfänger. Bei vier Spielern mit ihren Kartenreihen ist der Platzbedarf zwar nicht riesig, aber auch nicht unerheblich. Und mit bis zu einer Stunde Spielzeit markiert Bummelzug schon eher die Obergrenze an schnellen Spielen für zwischendurch.

Bummelbahn © Lookout Spiele, Fotografie: Thekla Barch
Bummelbahn © Lookout Spiele, Fotografie: Thekla Barch

Design Town – Städtebau mit Kartendeck

Obergrenze ist auch das Stichwort in Design Town von Pegasus, dessen isometrische Optik an eine Videospiel-Aufbausimulation erinnert. Wir wurden zum Bürgermeister ernannt! Bauen wir eine Stadt nach unseren Vorstellungen! Jedoch wird unser Handlungsspielraum durch den Unmut der Bevölkerung arg begrenzt und sollte im Blick behalten werden.

Wir starten unser eigenes Kartendeck mit einer Grundausstattung an Gebäuden und vielen Wohngebieten, die nur wenig Einkommen, aber schnell Unmut bringen. In jedem unserer Züge spielen wir Karten unseres Decks nacheinander aus, was Siegpunkte und auch Einkommen für diese Runde festlegt. Mit Letzterem kaufen wir neue Gebäude aus der Spielmitte für unser Deck oder werten bestehende auf. Unsere Runde müssen wir sofort beenden, wenn wir zu viel Unmut produziert haben, was gerade zu Beginn schnell passieren kann.

Dafür kann es nach dem schleppenden Anfang plötzlich zu Ende sein, wenn ein Spieler so lange Karten ausspielen kann, bis acht Siegpunkte erreicht sind. Das macht Lust, gleich noch eine Runde zu spielen, wenn auch der Spannungsbogen des Spielprinzips an dieser Stelle nicht hundertprozentig ausbalanciert wirkt. Das gesammelte Einkommen kann man übrigens auch dafür verwenden, eigene negative Karten, wie die ungeliebten Wohngebiete, loszuwerden und einem Mitspieler ins Deck zu mischen.

Neben einer möglichen Solovariante lässt sich Design Town mit zwei bis vier Städtebauern spielen, wird aber mit mehr als zwei Mitspielern leider insgesamt zu langatmig. Da die Spieler abwechselnd statt gleichzeitig ihr Deck auslegen und die zentrale Spielauslage nur ein paar Stapel umfasst, ist es angenehm schlank vom Platzverbrauch.

Schönes, Laune machendes Deckbuilding-Spiel, das in Sachen Spielerinteraktion durchaus die ein oder andere Gemeinheit ermöglicht.

Design Town © Pegasus Spiele, Fotografie: Thekla Barck
Design Town © Pegasus Spiele, Fotografie: Thekla Barck

Einmal zum Mitnehmen bitte!

Wer also Lust auf das Spielen unterwegs hat, braucht nicht nur auf Mini-Versionen von Halma oder Malefiz zurückzugreifen. Zusammen nehmen alle vier vorgestellten Spiele kaum mehr Platz weg als zwei Taschenbücher und jedes bietet für sich einen guten Wiederspielreiz.

Wenn man die Gegebenheiten vor Ort kennt und einen ausreichend großen Tragerucksack zur Verfügung hat, steht natürlich dem Mitnehmen von größeren Spielen nichts im Wege. Jedoch können für eine nette, entspannende Runde zwischendurch auch kleine Spiele mit innovativen Ideen punkten. Und das, ohne dabei den Spielern das Gefühl zu geben, nur eine „Brettspiel-light“-Erfahrung zu machen. Vielleicht bricht eine heitere Spielerunde im Urlaub das Eis bei neuen Bekanntschaften oder lässt sogar bei Brettspielneulingen den Funken überspringen.

Artikelbilder: Wie gekennzeichnet. Artikelbild: Collage der genannten Produkte mit Copyright, Stockart: depositphotos@Iakov, Bearbeitung: Roger Lewin

14 Kommentare

    • Schwarzer Humor ist in seiner Natur nicht political correct.
      Das Spiel „Don’t drop the Soap“ geht in eine Richtung wie „Cards against Humanity“ (und seine vielen Klone) oder „Exploding Kittens“, in denen kompromisslos und massiv überzeichnet persifliert wird, wie auch z B. in vielen, moderneren Zeichentrickserien, die damit stets im Zwiespalt von Verharmlosung oder Aufmerksam-machen stehen.

      Der Spiele-Autor, ein sympathischer ehemaliger Gefängniswärter aus Dänemark, ist – ähnlich wie wir – weltoffen eingestellt.

      „Was darf Satire?“ ist eine der wichtigsten Fragen in einer gesunden Demokratie. Das gilt für Fernsehkultur oder Geschichten ebenso wie für interaktive Medien.

      Wir nehmen euer Feedback allerdings sehr ernst und haben (nach durchaus kontroverser interner Diskussion) entschieden den Bereich aus dem Artikel herauszunehmen. Das dauert in seiner Überarbeitung jedoch einen Augenblick.

    • Schade sowas raus zu nehmen. Das Spiel ist echt gut. Würde man jedes Spiel wegen der Handlung oder dem Thema so bashen, dürfte wohl einiges nicht im Regal stehen. Man denke nur mal an die grausame Massentierhaltung bei Agricola

    • Marcus Bendel grundsätzlich stimme ich dir zu. Ich empfehle mal, den Film oben zu gucken. Das ist wirklich ein eye-opener. Im Kern geht es darum, dass auch hier im Humor ein bestimmtes Bild von Männern vermittelt wird. Männer sind nicht wehrlos und lassen sich erst recht nicht von jemand anders dominieren. Stell dir einfach vor, das Spiel ginge über weibliche Vergewaltigung. Wäre es dann immer noch lustig?

    • Ich weiß nicht, wie „sympathisch“ und „weltoffen“ ich einen Gefängniswärter finde, der real existierende Elendszustände in einem System, zu dem er gehört hat, als lustigen Witz vermarktet. Da ist bei mir irgendwie was Widersprüchliches und es hat den Beigeschmack von Humor auf Kosten von Schwächeren.

      Solche Themen sollte man auch ansprechen, finde ich.

    • Andreas Micheel, das gleiche Spiel, in der gleichen Aufmachung und Humor im Frauenknast? Jau, macht für mich keinen Unterschied.

      Ich weiss was du meinst aber ich finde das man irgendwo auch eine Grenze ziehen muss. Das gilt natürlich in beide Richtungen und die Grenzen muss jeder für sich persönlich stecken. Für mich persönlich, ist es in diesem Fall unnötig die Moralkeule zu schwingen.
      Das macht mich dennoch nicht zum Gewalt-, Hass-, Vergewaltigungsbefürworter.

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