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Katharina Kastian war viele Jahre vor allem unter ihrem Pseudonym Cyehra Cosplay in der Szene bekannt – zumeist dank ihrer imposanten Schaumstoffbauten sowie ihrem guten Gespür für neue Materialien und Techniken. Mittlerweile hat sie sich mit ihrem Label Replikatta selbstständig gemacht. Wir haben ihr dazu mal auf den Zahn gefühlt.

In unserem Artikel zum Thema Professionalisierung des Hobbys Cosplay wurde schon näher beleuchtet, dass Technologie immer mehr Einzug ins Cosplay hält. 3D-Drucker und Stickmaschinen kommen langsam auch im Hobby- und Heimwerkerkeller an. Ein Aspekt wurde von uns aber ein bisschen außen vor gelassen: die Menschen, die sich die Technik aneignen. Um den Einzug der Technik in ein Hobby voranzutreiben, braucht es nämlich noch eine weitere, wichtige Komponente – und zwar Begeisterte, die es einfach mal ausprobieren. Echte „MacherInnen“ also. 

Katharina Kastian ist definitiv eine dieser „Macherinnen“. 3D-Druck ist mittlerweile eines ihrer Steckenpferde, und mit einem Versandhandel für alles rund um „Foam“ (EVA-Schaumstoff, der besonders im Rüstungs- und Waffenbau gerne genutzt wird) sorgt sie schon länger für Materialdiversifizierung in der deutschen Cosplayszene. 2017 hat sie den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt – neben dem Materialvertrieb auch mit Auftragsarbeiten und Produktentwicklung. Seit jeher gibt Katharina ihr Wissen mit viel Enthusiasmus an die Community weiter. Ein guter Grund, finden wir, um sie an dieser Stelle zu Wort kommen zu lassen – über ihre Selbstständigkeit, das Entwickeln von Materialien und die technische Zukunft im Cosplay.

Das Interview

Teilzeithelden: Hallo Katharina. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, uns ein paar Fragen zu beantworten. Zu allererst – magst du dich uns vorstellen? Wer bist du, und was machst du so?

Katharina kurz vor einem Community-Stream, in denen sie sich mit ihren Zuschauern über die Kostümerstellung austauscht
Katharina kurz vor einem Community-Stream, in denen sie sich mit ihren Zuschauern über die Kostümerstellung austauscht © Replikatta

Katharina: Mein Name ist Katharina Kastian. Ich bin 29 Jahre alt und gelernte Industriemechanikerin, in Hildesheim geboren und leidenschaftliche Cosplayerin seit 2003. So lange bin ich auch in der Szene aktiv. Wirklich „bekannt“ wurde ich 2014 durch meinen Diablo 3-Kreuzritter. Seitdem helfe ich hauptsächlich Anfängern mit meinem ganzen angeeigneten Wissen, ihre ganz eigenen Projekte zu machen.

Teilzeithelden: 2017 hast du dich ja selbstständig gemacht. Welche Erfahrungen hast du dabei gesammelt?

Katharina: Puh, das ist eine gute Frage. Erfahrungen nimmt man jede Menge mit, und man lernt immer wieder neues dazu. Ich arbeite ja hauptsächlich auf Auftragsbasis und bin Teilhaberin eines Materialshops für Cosplay. Ich behaupte einfach mal: Auch nach zwei Jahren stecke ich immer noch in der Anfangsphase.

Das Schwierigste ist definitiv, seinen Alltag zu regeln und seine eigenen Ziele diszipliniert zu verfolgen. Man muss sich ständig der Marktsituation anpassen, und die Kundengruppe ist auch nicht die einfachste. Ich sag mal konkret: Cosplayer betrachten Auftragsnehmer grundsätzlich aus der Hobbyperspektive.

Teilzeithelden: Und das bedeutet?

Katharina: Das heißt so ziemlich, dass ihnen nicht immer ganz klar ist, dass sie einen verbindlichen Kaufvertrag eingehen. Ich habe ganz oft gehabt, dass Kunden plötzlich nicht mehr zahlen wollten oder konnten, weil Gruppen abgesagt haben, und ich auf angefertigtem Zeug sitzengeblieben bin. Daraus lernt man und stellt Regeln auf. Solche Geschichten führen dazu, dass Dinge durcheinanderkommen und man selbst nicht immer Deadlines einhalten kann. So kommt es vor, dass einige dann wesentlich länger warten, als ursprünglich angedacht. Mittlerweile habe ich das aber in den Griff bekommen.

Teilzeithelden: Du entwickelst ja sogar deine eigenen Produkte. Gibt es etwas, was dich daran besonders reizt?

Katharina: Das ist irgendwie ein Hobby von mir. Mein Hirn sieht Dinge, analysiert sie und – schwupps – entstehen Ideen. Diese Ideen werden dann erstmal aufgeschrieben und über Umsetzung und Lösung der Problematik nachgedacht. Nehmen wir zum Beispiel meine Foampaints (Farben speziell für die Bemalung von Schaumstoffen – Anm. d. Red.). Die sind wie folgt entstanden: Plastidip lässt sich nicht pinseln, Flexipaint klebt abartig nach. Eine Möglichkeit, beides in einem zu haben, wäre optimal. Was ist Flexipaint überhaupt, und was ist eigentlich Plastidip?

[Ich habe] technische Datenblätter studiert, Wesentliches rausgeschrieben und diverse Produkte bestellt, die diese Eigenschaften abdecken. Und dann ging das Rumschmieren los. Der Hauptbestandteil ist ein lösemittelfreier Klebstoff. Dieser sorgt für die Haftung auf Materialien. Dazu kommen Bindemittel, Stabilisatoren und einiges weiteres. Das habe ich dann ins Verhältnis gebracht und solange verbessert, bis Pigmente gut gebunden und die Masse stabil blieb. Und genau dieser Prozess ist das, was mich reizt. 

Eines von Katharinas eigenen Produkten ist ein Filament (Druckmaterial) für den 3D-Druck
Eines von Katharinas eigenen Produkten ist ein Filament (Druckmaterial) für den 3D-Druck © Replikatta

Teilzeithelden: Hast du da auch schon Rückschläge erlebt?

Katharina: Bei meinen Experimenten? Oh ja, jede Menge. Bei meinen ersten selbstgemachten Foam Clay-Versuchen (ein knetbares Material, dass an der Luft zu Schaumstoff aushärtet – Anm. d. Red.) kam alles raus, nur nicht das, was es werden sollte. Ich hatte die Pampe noch Wochen später im Haar. Das ist dann halt so. Akzeptieren, drüber nachdenken, wann anders nochmal von vorn anfangen. Mittlerweile habe ich ein Supermarkt-Rezept dafür entwickeln können. 

Teilzeithelden: Gibt es vielleicht auch schon eine nächste Idee, die darauf wartet, in Angriff genommen zu werden, und auf die wir uns freuen können?

Katharina: Meine nächste Idee ist ein All-in-One Filler für 3D-Drucke. Einmal pinseln, selbstglättend, fertig. Oh, das wäre wundervoll. Bisher bin ich aber noch am Recherchieren der geeigneten Materialien.

Teilzeithelden: Auf welches deiner Kunstwerke – selbst getragen oder für jemanden anderes erstellt – bist du besonders stolz und warum?

Katharina: Meinen Assassins Creed Odyssey-Spartaner-Helm. Ganz besonders auf die Bemalung und den Haarkamm. Ich finde die sind mir einfach besonders gut gelungen. Stolz bin ich auch auf meine Odogaron-Rüstung. Ich mag die Formen, Farben, und da war mein erstes komplexeres 3D-Modell involviert.

Teilzeithelden: Bevor du in die Selbstständigkeit gegangen bist, warst du ja als Cosplayerin unterwegs. In deinem Social-Media-Auftritt hast du vor kurzem angekündigt, dass du dich zukünftig aber auf die Herstellung bzw. deine Auftragsarbeiten konzentrieren willst. Was hat dich zu dieser Entscheidung gebracht? Wirst du dem Tragen der Kostüme ganz den Rücken kehren?

Katharina: Eigene Unzufriedenheit mit mir selbst. Ganz klar. Nicht mit meinen Fähigkeiten, sondern eher durch Gewichtszunahme etc. Auch zeittechnisch sah es ein bisschen blöd aus. Aber komplett verzichten? Ich würde lügen, wenn ich sage: ja. Früher oder später kommt immer mal was, was man machen will.

Teilzeithelden: Du bietest aktiv deine Hilfe in Sachen 3D-Druck und sonstigen Bau- und Bastelarbeiten an. Was bewegt dich dazu – gerade auch, weil du „eigentlich“ Produkte und Dienstleistungen in diesem Bereich anbietest? 

Katharina: Ich sehe andere nicht als Konkurrenz an oder als mögliche Konkurrenz. Wenn ich jemandem unbedingt irgendein Label aufzwingen muss, dann würde ich denjenigen eher als potenzielles Teammitglied betrachten. Ich bin einfach grundsätzlich der Meinung: Ich kann diese Dinge und ich kann sie vermitteln. Also tue ich das.

Jeder hat das Recht darauf, ebenfalls diese Dinge zu können, wenn ich ihnen dabei helfen kann umso besser. Die „Danke“-Schreiben und Ergebnisse sind einfach die beste Bezahlung. Nicht jeder will gleich ebenfalls 3D-Drucke anbieten, und vor allem kann nicht jeder 3D-modellieren. Außerdem geht jeder anders vor. Sagen wir, zehn Leute machen das gleiche Modell, dann hat man zehn verschiedene Ergebnisse.

Wer viel schaffen will, braucht viel Platz – vor allem, wenn sie Andere zukünftig daran teilhaben lassen möchte. Ein Einblick in Katharinas Workshop © Replikatta

Teilzeithelden: Welche Tipps würdest du jemandem geben, der dich anschreibt und sagt: „Ich möchte auch 3D-Drucken/Schaumstoff-Repliken machen/in die (Cosplay-)Selbstständigkeit“?

Katharina: Schaff dir ein Fell an, dicker als das eines Bisons. Und verzweifle nicht, das erste Jahr läuft scheiße. Such dir etwas, das du sehr gut kannst. Du brauchst ein Alleinstellungsmerkmal. Und ganz wichtig: Verliere niemals die Nerven!

Druckception: Ein „3D“ gedruckt mit dem 3D-Drucker
Druckception: Ein „3D“ gedruckt mit dem 3D-Drucker

Teilzeithelden: Meinst du, 3D-Druck und andere Technik werden sich in der Community etablieren?

Katharina: Unsere Community ist geprägt von Hypes, Trends und was „die Großen“ vorkauen. Im Moment haben wir aber eher die Generation: Keine Lust zum Selbermachen und/oder nur zum Teil. 3D-Druck ist immer noch verpönt, aber allmählich etabliert sich diese Technik auch. Die Leute begreifen, dass es nicht nur „Knöpfchen drücken und der Drucker macht det schon“ ist. Dadurch wird das Unbegreifliche akzeptierbarer.

Teilzeithelden: Was ist deine Einschätzung dieser „Trends“? Wo siehst du die zukünftige Entwicklung der Community in Hinsicht Materialien und Werkzeug?

Katharina: Ich denke, 3D-Druck wird der neue Trend bzw. Hype nach EVA-Foam. Und was danach kommt? Sehen wir dann! Nur eins ist sicher: Es wird was Neues kommen.

Nachwort

Wir danken Katharina noch einmal ganz herzlich für den Einblick. Wenn ihr mehr von ihr erfahren wollt – oder eine Frage an sie habt – findet ihr sie auf ihrer Website www.replikatta.de, auf Facebook sowie auf Twitter.

Titelbild:© Andy N Photography

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