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Der letzte Marvel Monthly in diesem Jahr stellt euch ein paar verheißungsvolle Neuheiten vor: Die Top-Reihen Bruce Banner: Hulk und Captain America werden fortgesetzt. Mit Old Man Quill und Miles Morales: Spider-Man starten zwei vielversprechende Neuheiten. Es verschlägt die Helden in die Hölle, den Knast, die Postapokalypse oder die Schule.

Vielleicht mag die Schulbank ein harmloser Ort sein, aber für Miles Morales, den jungen Spider-Man, ist es ein Ort, an dem er sich mit all den Problemen herumschlagen muss, die jeder in seiner Pubertät durchmacht. Doch er muss in Teilzeit auch noch Superheld spielen. Während die Abenteuer des Junghelden recht klassisch präsentiert werden, verschlägt es die anderen Protagonisten in diesem Monat an die unterschiedlichsten Orte: Captain America wird verhaftet und landet in einem Hochsicherheitsgefängnis zusammen mit den Superschurken der Armee des Bösen. Bruce Banner, der Hulk und unter anderem die Reporterin Jackie McGee sind nach den Ereignissen des letzten Bandes wahrhaft in der Hölle gelandet und suchen nach einem Ausweg. War Old Man Hawkeye ein Prequel zu Old Man Logan, so ist Old Man Quill nun ein Sequel. Es spielt in der Welt, in der die Schurken über die Helden gesiegt haben. Nun sehen wir, wie Star-Lord auf die Erde dieser Welt zurückkehrt und wie sich die Guardians of the Galaxy auf den Weg nach New York machen.

Captain America #2 – Unter Anklage

Die sehr politische erste Ausgabe der neuen Reihe endete mit der Erkenntnis, dass General „Thunderbolt“ Ross ermordet wurde und Steve Rogers auf Grund seines Streits mit ihm der Hauptangeklagte ist. Dieser entschließt sich nun, sich zu stellen, und hofft auf einen fairen Prozess. Was er aber nicht wissen kann, ist, dass das Gefängnis, in das er gesperrt wird, von Baron Wolfgang von Strucker geführt wird. Schon bald bekommt er den Eindruck, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht. Derweil versucht Sharon Carter ihn dort herauszuholen. Dazu beruft sie ein neues Team ein: Die Daughters of Liberty. Mit dabei sind unter anderem Misty Knight, Susan Richards und Jessica Drew, aber auch eine mysteriöse Frau mit dem Namen Dryade, die an Black Widow mit Armbrust erinnert und deren Identität erst ganz am Ende des Bandes geklärt wird.

Captain America #2 – Unter Anklage - Vorschau
Captain America #2 – Unter Anklage – Vorschau

Wie bei Coates üblich haben alle Figuren glaubhafte Motivationen. Jeder Charakter wirkt gut ausgearbeitet und handelt größtenteils nachvollziehbar. Die Handlung des Comics zieht sich über mehrere Monate, so dass Änderungen im Verhalten etwas plötzlich wirken. Coates lässt viel Unwichtiges weg, und man muss sich Teile der Handlung im Kopf zusammensetzen.

Dabei schafft er es trotz der parallel verlaufenden Handlungsstränge aber nicht, einen perfekten Thriller abzuliefern. Die Drahtzieher im Hintergrund tauchen nur kurzzeitig auf, und die Handlung im Knast ist doch recht einfach gestrickt. So fehlt es diesem Comic ein wenig an überraschenden Aha-Momenten.

Leichte Schwächen im Vergleich zum ersten Band

Die Zeichnungen des Bandes haben wie schon beim Vorgänger einen sehr seriösen Touch. Selbst bei den Gewaltszenen ist wenig überzeichnet. Die Mimik der Figuren wirkt zwar manchmal ein wenig steif, aber dennoch stimmig. Die tolle Kolorierung von Frank Martin und Matt Milla wertet viele der Bilder zusätzlich auf. Dabei entstehen einige schöne Kompositionen. Leider wirkt einiges auch uninspiriert und althergebracht.

Zur Produktionsqualität fällt gerade im Vergleich zum ersten Band ein leichter Qualitätsverfall auf. Der erste Band hatte zum gleichen Preis noch acht Seiten mehr und einen spürbar festeren Einband. Der neue Einband knickt, wenn man im Buch blättert, und wirkt dadurch nicht so stabil. Da zwischen den beiden Veröffentlichungen das Design der Marvel-Publikationen bei Panini geändert wurde, sehen die beiden Bände nebeneinander im Regal ein wenig komisch aus. Da mir das neue Design auch wegen des schnörkellosen Covers besser gefällt, ist das nur ein Luxusproblem. Unschön ist wieder einmal der unpassende Druck bei Bildern, die sich über eine Doppelseite erstrecken und bei denen durch die Bindung in der Mitte ein Teil fehlt. Das hätte man verhindern können.

Der Inhalt weiß aber auf jeden Fall zu gefallen. Zwar sind etwas zu viele Player im Match, aber das meiste davon ist Aufbau für zukünftige Bände. Die Haupthandlung dreht sich um den Gefängnisaufenthalt eines Helden, der das Vertrauen der Bevölkerung verloren hat. Vergleichbares hat man schon häufiger gesehen, so dass hier zwar wenig Überraschungen auf den Leser warten, dafür aber beim Spannungsaufbau wenig falsch gemacht wird. Wem der erste Band gefallen hat, der sollte hier auch wieder zugreifen. Hier einzusteigen, ergibt jedoch wenig Sinn, da alles in einem großen Kontext zu sehen ist.

  • Die harten Fakten
  • Autor: Ta-Nehisi Coates
  • Zeichner: Adam Kubert
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Bruce Banner: Hulk #3 – Die andere Seite

Der Kampf mit dem Absorbing Man hat ein Tor in die Hölle geöffnet und alle Anwesenden sind dort gelandet. Dort treffen sie bereits Verstorbene. So existiert auch Bruce’ Vater in dieser Welt. Doch wie viel von ihm ist wirklich der Mann, der die dissoziative Identitätsstörung seines Sohnes auslöste, und wie viel von ihm ist das absolut Böse, der Teufel, der Herr über diese Hölle?

Das ganze Szenario wird begleitet von mythologischen Zitaten antiker Religionen. Kombiniert mit der düsteren Stimmung und den unheimlichen Bildern erzeugt dieser Comic einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Dem Leser werden etliche Fragen gestellt.

Bruce Banner: Hulk #2 – Die andere Seite
Bruce Banner: Hulk #3 – Die andere Seite – Vorschau

Es ist nicht möglich, alles zu verstehen, aber es ist möglich, überall etwas hineinzuinterpretieren. Der Leser wird zum aktiven Lesen aufgefordert. Allein der Cliffhanger am Ende bewirkt, dass man die aufgeworfenen Fragen dringend beantwortet haben will.

Der Hulk, der im größten Teil des Buches die Kontrolle hat, ist dieselbe Persönlichkeit, die seit dem Neustart die Hauptrolle spielt. Es ist weiterhin nicht klar, ob es sich hierbei um einen Protagonisten oder einen Antagonisten handelt. Er ist klug, durchtrieben und brutal. Bruce Banner selbst kommt nur in einem Kapitel kurz zum Zug.

Dann tauchen noch diverse Figuren aus der langen Geschichte der Hulk-Comics auf, wie sein Sidekick Rick Jones, sein Therapeut Doc Samson oder seine Ehefrau Betty Ross. Alles ist wunderbar in die Historie vergangener Erzählungen gehüllt, ohne dass man davon erschlagen wird.

Ein Trip in den Abgrund

Die Illustrationen bleiben wie schon in den vorherigen Ausgaben auf hohem Niveau. Sehr oft sind die Bilder ekelerregend: Körper werden zerrissen und mitten in einer Transformation gezeigt, widerliche Höllenwesen tauchen auf und schmeißen sich auf den Hulk. Das ist nichts für schwache Nerven und kann nur schwer als schön bezeichnet werden. Die Zeichnungen tragen jedoch dazu bei, dass man förmlich in die Geschichte gezogen wird und die Figuren dem Leser entgegenspringen.

Die ganze Reihe nimmt immer mehr Fahrt auf. Und war ich am Anfang noch etwas skeptisch, ist die Comic-Serie inzwischen doch eine der besten Veröffentlichungen aus dem Hause Marvel. Die Mischung aus Horror, Mystery, Zitaten, Monstern und Ekel ist in dieser Form einzigartig, spannend und neugiererweckend zugleich. Ich warte nun sehnsüchtig auf die vierte Ausgabe, die erst im Mai erscheinen soll.

Die harten Fakten

  • Autor: Al Ewing
  • Zeichner: Joe Bennett, Kyle Hotz
  • Seitenanzahl: 124
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Panini-Comics

 

Old Man Quill #1 – Star-Lords Vermächtnis

Mit Old Man Logan ist vor knapp 10 Jahren ein Klassiker des modernen Comics entstanden. Zur gleichen Zeit wurden ein paar ältere Weltraumfiguren zu einem neuen Team von Guardians of the Galaxy zusammengemischt. Old Man Logan spielt in der Postapokalypse. Die Schurken haben die Helden besiegt.

Es wird kein Wort darüber verloren, was derweil außerhalb der Erdumlaufbahn passiert ist, dabei ist das Marvel-Universum voll von außerirdischen Figuren. Falls sich also jemand mal gefragt hat, was mit den galaktischen Helden und Schurken passiert ist, findet hier nun die Antwort.

Old Man Quill #1 – Star-Lords Vermächtnis - Vorschau
Old Man Quill #1 – Star-Lords Vermächtnis – Vorschau

Star-Lord wurde der König von Spartax, so wie es sein Erbe war. Er ließ die Guardians zurück. Währenddessen machte sich eine Macht im Universum breit: die universelle Kirche der Wahrheit, die auch die Hauptantagonisten in den ersten Abenteuern der neuen Guardians of the Galaxy waren. Doch nun scheint auch die imperiale Garde zu dieser Gruppierung zu gehören. Die Kirche hat Spartax zerstört, als Peter Quill gerade nicht anwesend war. Dadurch hat er alles verloren und ist in Selbstmitleid versunken.

Als nun seine ehemaligen Teammitglieder auftauchen und ihm erzählen, dass sie ein besonderes Artefakt aus dem Baxter Building brauchen, um die Kirche aufzuhalten, macht er sich mit ihnen auf den Weg zur Erde, nicht wissend, dass es dort nahezu keine Helden mehr gibt. Sie stürzen in der Einöde ab und müssen nun zu Fuß den Weg bis nach New York nehmen. Dabei treffen sie auf zahlreiche bekannte Figuren. So verlagert sich die Handlung von einem Weltraumabenteuer in eine Art Spät-Western.

Ein Roadtrip, dem das erzählerische Motiv fehlt

Der Grundaufbau der Handlung ist ähnlich wie damals bei Old Man Logan: Ein von Selbstzweifeln zerfressener Protagonist auf einer letzten Jagd nach einem MacGuffin durch eine an Mad Max erinnernde Welt voller Anspielungen auf das bekannte Marvel-Universum. Doch während Logan seine Freunde selbst umbrachte, war Quill einfach nur am falschen Ort zur falschen Zeit. In beiden Geschichten ist die äußerliche Reise ziemlich trivial. Die Heldenreise des Protagonisten will hier nicht funktionieren. Es fehlt ihm an einer glaubhaften Motivation und an einem inneren Widerstand, der überwunden werden muss.

Das, was funktioniert, sind die Actionszenen. Sie sind unterhaltsam umgesetzt und bestehen nicht nur aus langweiligem Gekloppe. Das wird durch die feinen Zeichnungen mit ihren eckigen Konturen unterstützt. Es gibt immer wieder schöne, epische Bilder. Der Humor nimmt gegen Ende des Bandes auch immer mehr zu, so dass es dann auch wieder an ein Abenteuer der Guardians of the Galaxy erinnert, die trotz aller Ernsthaftigkeit immer schon mit einer gewissen Ironie aufgetreten sind.

Wer bei der Kombination von Weltraum und Western zuerst an Firefly gedacht hat, wird hier leider enttäuscht sein. Der Comic ist solide und funktioniert, aber er schafft es nicht dauerhaft, den richtigen Tonfall zu treffen. Zu unentschlossen wirkt das Werk dabei, ob es ein brutaler Spät-Western, ein spaßiger Weltraumtrip oder eine Hommage an Old Man Logan sein will. Es fehlt dem Comic an Wendungen, die in Erinnerung bleiben, um als eigenständiges Werk wahrgenommen werden zu können. Ein wenig mehr Mut wäre hier nötig gewesen, damit die an sich gute Idee über den Durchschnitt moderner Veröffentlichungen gehoben wird.

Die harten Fakten

  • Autor: Ethan Sacks
  • Zeichner: Ibraim Roberson, Robert Gill
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Miles Morales: Spider-Man #1 – Tagebuch eines jungen Helden

Miles Morales ist ein ganz normaler Schüler. Doch er ist gleichzeitig auch ein Spider-Man. Wenn er nicht die Hauptrolle im Spider-Geddon spielt, bekämpft er Schurken in New York. Beim Kampf mit Rhino fragen die beiden sich, warum sie das eigentlich tun, und merken, dass sie beide derselben Sache auf der Spur sind: entführte Kinder. Also entschließen sie sich, zusammenzuarbeiten.

Daneben hat Miles aber auch Probleme mit dem stellvertretenden Schulleiter, der ihn für einen Schulschwänzer hält und selbst nachforscht, sowie mit seiner „Nennen-wir-es-nicht-Beziehung“-Freundin Barbara, die vermutet, dass er etwas verheimlicht. Dann taucht die Enkelin von Adrian Toomes alias Vulture auf und verdreht ihm wortwörtlich den Kopf.

Miles Morales: Spider-Man #1 - Vorschau
Miles Morales: Spider-Man #1 – Vorschau

Wie auch schon in den vorangegangenen Serien mit Miles Morales zeichnet sich dieser Comic durch die Qualitäten aus, die Spider-Man-Comics seit den 60ern so erfolgreich machen und die man auch in den neusten Spider-Man-Verfilmungen mag: nachvollziehbare Alltagsprobleme kombiniert mit Humor und Action. Das aber natürlich mit einem modernen Anstrich. Kein Wunder dass die neusten Filme mehr mit Miles Morales’ Leben als mit dem von Peter Parker zu tun haben scheinen.

Dieser Band ist so aufgebaut, dass auch Neuleser direkt einsteigen können. Er benutzt sehr viel Raum, um jeden auf den ersten Seiten abzuholen. Vorwissen wird keines benötigt, und alles, was zu kompliziert ist, wird weggelassen. Ganke als Miles bester Freund tritt diesmal ein wenig in den Hintergrund, dafür wird Barbara besser ausgebaut. Dass in einer Episode auch Captain America kurz auf den Plan tritt, wirkt sehr gezwungen und ist völlig überflüssig. Außer, dass er Miles Respekt entgegenbringt, trägt er nichts zur Handlung bei.

Ein gelungener Neustart?

Der vorliegende Comic ist der erste Band mit Miles in der Hauptrolle, der nicht von Brain Michael Bendis geschrieben wurde, sondern von Saladin Ahmed, der unter anderem für Black Bolt verantwortlich war. Er erzählt Miles’ Geschichte ein wenig erwachsener, aber immer noch klar auf Teenager zugeschnitten. Der Humor bleibt dabei etwas auf der Strecke und wird hauptsächlich durch absurde Gegner bedient. Miles hat im Vergleich zu Peter nie viele witzige Sprüche auf Lager gehabt. Dafür waren seine Gedanken manchmal brüllend komisch. In diesem Band werden diese durch Tagebucheinträge ersetzt, die eher erzählerische Funktionen einnehmen.

Die Zeichnungen von Javier Garron sind recht funktional, aber in Actionsequenzen recht beeindruckend. Um möglichst viele Muskeln und Konturen zu zeigen, sind die Bilder oft mit ungewöhnlich vielen Lichtquellen versehen. Das schwarze Kostüm Spider-Mans spiegelt das Licht besonders stark. Auch die Hintergründe bestehen meistens nur aus einzelnen hellen Punkten oder einfarbigen Flächen. Alles ist zweckdienlich und wirkt niemals deplatziert oder unpassend.

Ich mag Miles Morales und verfolge seine Solo-Abenteuer immer ziemlich gerne. Dieser Neustart kann mit der recht hohen Qualität seiner Comics mithalten, ist aber von besonders guten Exemplaren wie Ultimate Comics Spider-Man 2 noch weit entfernt. Dazu wagt der Band zu wenig und braucht zu lange für den Aufbau. Natürlich will Ahmed sein Feuer noch nicht gleich verschießen, aber ich hatte hier den Eindruck, dass diesem Comic noch etwas Besonderes fehlt, das ihn über den Durchschnitt hebt. Er macht wenig falsch und ist auf jeden Fall unterhaltsam zu lesen. Doch die Nachfolgebände können gerne ein wenig mehr Pfeffer vertragen.

Die harten Fakten

  • Autor: Saladin Ahmed
  • Zeichner: Javier Garron
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Panini-Comics, Amazon

 

Artikelbild: Panini Comics
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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