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Im Alltag oder im Kostüm wird man als Cosplayer immer wieder mit komplett-szenenfremden Menschen konfrontiert, die mehr über den Grund erfahren wollen, warum man ab und an ins Kostüm schlüpft. Aber wie erklärt man ein so komplexes und farbenfrohes Hobby anderen Menschen, die damit noch nie in Berührung gekommen sind?

 „Seid ihr eine Sekte?“ oder „Ist schon wieder Karneval?“ sind wohl die bekanntesten Kommentare von Passanten, die jeder Cosplayer mindestens einmal in seinem Leben gehört hat. Obwohl das Hobby „Cosplay“ im Vergleich zu den Anfangszeiten immer mehr Menschen ein Begriff ist, gibt es doch noch immer Situationen, in denen man anderen sein Hobby erklären muss. Aber was sich so leicht anhört, stößt besonders bei älteren Generationen und Menschen ohne popkulturelles Verständnis schnell an seine Grenzen.

„Wie siehst du denn aus?“

Spätestens am Morgen einer Convention, wenn man mit Bart, Perücke und Ninja-Uniform in der Küche der WG oder des Elternhauses gesichtet wird, brauchen die meisten Außenstehenden wohl eine Erklärung. Besonders für jüngere Neueinsteiger ist es ein wichtiger erster Schritt, den Eltern oder Freunden von ihrem Hobby zu erzählen. Aber manchmal wird man sogar von Personen auf der Straße angesprochen, die interessiert sind an den kostümierten Menschen, denen sie gerade über den Weg gelaufen sind. Richtiges Herantasten an die Erklärung vermeidet in den meisten Fällen Missverständnisse. Eine ausschweifende Erklärung der Charaktergeschichte, aus welchem Anime/Manga, Film oder Game der Charakter stammt und warum man ausgerechnet in diesem einen Kostüm steckt, kann schnell überfordern. Das gilt besonders bei Menschen, die mit eben solchen Medien so gar nichts am Hut haben – Stichwort: Eltern und Großeltern.

Der Schlüssel zu einer einfachen, allseits verständlichen Erklärung liegt tatsächlich darin – tief durchatmen ­­– Cosplay mit Karneval zu vergleichen. Dieser Satz verursacht bei vielen Cosplayern wohl Schnappatmung, hat es sich doch krampfhaft in der Szene etabliert, das Hobby mit Zähnen und Klauen vor jeglichem närrischem Vergleich zu verteidigen. Dass Cosplay und Karneval nur mäßig etwas miteinander gemein haben, ist natürlich denjenigen, die das Hobby ausüben, bewusst. Aber die ältere Generation kann oft eher etwas mit dem Begriff Karneval oder Fasching anfangen – „Ein Haufen Menschen in Kostümen, die an einem Event Spaß haben?“ Da klingelt doch schon etwas. Und genau mit diesem Basiswissen kann man weiterarbeiten.

Man ist nicht verrückt

Hat man erstmal das Verständnis signalisierende Nicken erhalten, geht es darum, die Szenenfremden genauer über das Hobby aufzuklären.

Besonders gerne wird beim Vergleich mit Karneval das Stichwort Alkohol in den Vordergrund gestellt. Getreu dem Motto „Beim Karneval geht es meistens nur ums Saufen, bei Cosplay ist das anders!“ Leider tut man mit dieser Aussage einer fokussierten und einfachen Erklärung von Cosplay keinen Gefallen und diffamiert auf der anderen Seite all jene, für die Karneval ein Hobby ist, für das sie brennen.

Dabei geht es wesentlich einfacher, wenn man sich einfach auf die wichtigsten Aspekte von Cosplay fokussiert, die allein schon den Unterschied zwischen Karneval und Cosplay ausmachen: Die Community, die Kostüme, das Play und die Liebe zur Popkultur. 

Es gilt herauszuarbeiten, dass es anders als im Karneval darum geht, einen spezifischen Charakter mit Mimik, Gestik und Aussehen so detailgetreu wie möglich darzustellen. Und dass viel Arbeit und Herz in ein solches Cosplaykostüm einfließen kann. Besonders vor Eltern und Verwandten kann man gut damit punkten, aufzuzeigen, welche neuen Fertigkeiten man über das Hobby lernen kann. Sei es das Nähen, Haare schneiden, Holz bearbeiten und viel, viel mehr.

Besonders Personen, die außerhalb der Cosplayszene unsicher sind, können darauf eingehen, wie das Hobby ihnen hilft, in einer Gemeinschaft aufzugehen.

Ein großes Vorurteil, das leider noch immer gegenüber Cosplayern kursiert, ist die Frage, ob dieses Hobby nicht das Risiko birgt, dass man sich darin verliert und versucht, vor der Realität zu fliehen. Es mag für viele wohl eine absurde Frage sein, aber es kommt leider ab und zu vor, dass man mit diesem Vorwurf konfrontiert wird. Aber auch hier hilft man sich tatsächlich wieder mit dem Vergleich „Karneval“. Denn so, wie sich ein Karnevalist einzig und allein für ein paar bestimmte Tage im Jahr verkleidet und in voller Montur aus dem Haus geht, verhält es sich bei den Cosplayern ähnlich, verkleiden sich diese doch auch nur für spezielle Anlässe – Stichwort Conventions oder Fotoshootings. Ein gutes Zitat, welches gut dazu passt ist wohl das Folgende:

„Für diesen einen Tag bin ich ein Held, eine Prinzessin oder ein Bösewicht, aber am Abend, wenn ich das Cosplay wieder ausziehe und die Perücke absetze, bin ich wieder ich.“

Das Internet, dein Freund und Helfer

Neben dem eigenen ersten Cosplay als Anschauungsmaterial lohnt es sich auch, den interessierten Kreis der Familie oder die Freunde an einem Bildschirm zu platzieren und ihnen Bilder und Videos von diesen „Conventions“ zu zeigen, auf die man so geht. Denn nichts gibt einen besseren Eindruck als die geballte Kraft von Bildern. Zu sehen, wie viele Menschen tatsächlich zu solchen Events pilgern und das Hobby ebenfalls teilen, hilft häufig dabei, aufzuzeigen, dass es sich bei Cosplay um kein Nischenhobby mehr handelt. Dank YouTube findet man einen Haufen Videos von allen möglichen Conventions, seien es Besucherreaktionen, Impressionen oder die Cosplay-Musik-Videos, die einige der besten Cosplays einer Convention mit Musikuntermalung präsentieren. Diese eignen sich ebenfalls dazu, den kreativen Aspekt des Hobbys in den Mittelpunkt zu stellen und zu zeigen, wie viel Arbeit und Herzblut in einem Kostüm stecken kann. Selbst, wenn jemand mit dem Hobby an sich nichts zu tun hat, eine mit LED ausgestattete Rüstung mit ausfahrbaren Flügeln lässt nahezu niemanden unbeeindruckt.

Einbinden? Warum nicht!

Man wird manchmal überrascht sein, wie offen andere Menschen gegenüber Cosplay sein können, wenn sie erst einmal richtig erklärt bekommen haben, was es damit wirklich auf sich hat. Besonders in der Familie oder mit Freunden kann man aus dem eigenen Hobby auch ein kleines Gemeinschaftsprojekt machen. Sitzt man selbst gerade an einem Kostüm und weiß nicht weiter, lohnt es sich, um Hilfe zu fragen und sich gegenseitig über die Schulter zu schauen. Wenn man sich so in der Cosplayszene umhört, bekommt man von vielen Cosplayern Geschichten erzählt, wie sie von ihrer Familie bei ihrem Hobby unterstützt wurden. So wird zum Beispiel das Nähen lernen zu einer Nachmittagsbeschäftigung mit der Oma oder das Werkeln mit Holz und Leim zu einem Bauprojekt mit dem Papa. Oder aber man hilft Freunden aus dem Umfeld außerhalb der Cosplayszene bei einem Kostüm für die anstehende Mottoparty. Gemeinsame Zeit und das Teilhaben-lassen am eigenen Hobby wirken oftmals Wunder, wenn es darum geht, Brücken zu bauen und Verständnis im Umfeld zu schaffen. Und wer weiß, vielleicht möchte einen ja die eigene Mutter im Cosplay der Guten Fee zur nächsten Convention begleiten?

Im offenen Feld

Für viele Außenstehende gehören Menschen in bunten Kostümen eher in die Schublade „Karneval“ und „Fasching“. Kein Wunder also, dass der Anblick von Cosplayern, auf dem Weg zu einem Fotoshooting oder einer Convention, schnell mal irritierte Blicke, unbeholfene Zurufe oder sogar vermeintlich verstecktes Fotografieren mit dem Handy hervorruft. In den meisten Fällen ist Ignorieren die beste Medizin gegen die Reaktionen, die meistens aus der Überforderung resultieren, etwas ungewohnt Neues zu sehen. Manchmal jedoch ist das Verhalten von szenenfremden Personen so penetrant, dass man als Cosplayer einschreiten möchte. Doch in welchen Momenten sollte man lieber einen kühlen Kopf bewahren und in welchen hat man das Recht auf seiner Seite?

Grundsätzlich hilft es, in jeder Situation ruhig zu bleiben und seinem Gegenüber zu zeigen, dass man auch nur ein Mensch ist.

Viele Leute wissen nicht, dass Cosplayer sich freiwillig, aus eigenem Spaß und unentgeltlich verkleiden und kein Walking-Act sind. Daraus resultiert zum Beispiel die Annahme, dass es in Ordnung ist, einfach ungefragt Fotos zu schießen. Spricht man diese Personen direkt an und erklärt ihnen, dass man für ein Foto gefragt werden möchte, zeigen sich die meisten einsichtig und meistens hilft man sogar mit direktem Ansprechen, Hemmungen abzubauen; denn viele Menschen trauen sich schlichtweg nicht nach einem Foto zu fragen, da sie eine Ablehnung befürchten.

Aber was, wenn sich jemand entgegen der Erwartung uneinsichtig zeigt? Hier wird es tatsächlich ein wenig kniffelig. Beleidigung oder Belästigung kann bei der Polizei angezeigt werden. Unwissenheit über eine bestimmte Personengruppe oder ein Hobby, ist keine Entschuldigung für Intoleranz und Hass. Der Großteil an Zurufen, die man als Cosplayer hört, ist eher harmloser Natur. Wichtig ist immer, sich daran zu erinnern, dass es meistens nicht um die eigene Person geht sondern schlichtweg um das Kostüm, was man trägt. Wird es aber doch mal grenzwertig, sollte man sich im besten Falle nicht unbedacht allein in eine Diskussion stürzen. Ist man sich unsicher, wie die Person vor einem reagiert, ist es keine Schande, Freunde oder auch andere Passanten um Hilfe zu bitten.

Das Recht am eigenen Bild – auch für Cosplayer

Unerlaubtes Fotografieren in der Öffentlichkeit ist wieder ein anderes Pflaster, denn hier gelten je nach Situation verschiedene Regeln, die alle unter dem Recht am eigenen Bild laufen. Ist man zum Beispiel als Cosplayer an einem Bahnhof unterwegs und ein Passant macht ein Foto zu privaten Zwecken, um es zuhause Freunden oder der Familie zu zeigen, ist dies erlaubt – es sei denn, man geht zu jener Person hin und sagt explizit, dass man diesem Foto nicht zustimmt. In diesem Fall ist diese Person verpflichtet, das Foto zu löschen. Tut sie es nicht, könnte man theoretisch die Polizei zu Hilfe rufen, aber meistens hilft bereits die Ankündigung, dass man die Polizei verständigt, um Menschen zum Einlenken zu bewegen. Findet man ein Foto von sich im Internet, ohne dass man dazu eingewilligt hat, greift auch das sogenannte „Recht am eigenen Bild“ und man kann fordern, dass dieses Bild vom Fotografen gelöscht wird. Eine Ausnahme beim genannten Recht greift, wenn man als Cosplayer nur Teil eines Motivs ist und das Foto nicht explizit den Fokus auf die eigene Person legt oder wenn man sich auf einer öffentlichen Veranstaltung befindet.

Wir sind alle gleich!

Zum Glück reagieren die meisten Menschen, ungeachtet ihres Wissens über das Hobby, positiv und offen auf Cosplay. Die richtigen Informationen darüber zu geben und offen zu sein, auch wenn es mal absurdere Fragen gibt, kann am Ende sicherlich dazu beitragen, mehr Begeisterung auch unter Nicht-Cosplayern gegenüber der Szene zu schaffen. Ganz verschwinden werden die guten alten „Karnevals“- und „Sekten“-Kommentare wohl nicht, aber wenn man mal ganz ehrlich ist: Lustig sind sie auf jeden Fall.

Artikelbilder: depositphotos | ©ababaka | ©icenando

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