Projekt H.E.L.D – Das Geheimnis des Roraima-Tepui

Der mächtige, schwer zugängliche Tafelberg Roraima-Tepui in Südamerika, eine uralte Legende über einen Gott von den Sternen, gefährliche Tiere, Diamanten, politische Unruhen: Oft liefert die Realität schon genug Material für Abenteuerideen. Mit ein paar Anpassungen und Veränderungen lässt sich so ein unverbrauchtes Szenario in verschiedene Rollenspielwelten transportieren.

Ein archäologisches Abenteuer wie Indiana Jones oder Tomb Raider lebt von mystischen, aufregenden und gefährlichen Umgebungen. Auch wenn Roraima-Tepui und die anderen Tafelberge der Gran Sabana heutzutage als Ziel für ambitionierte Wanderer und Bergsteiger kaum mehr Geheimnisse bereithält: In einem Rollenspielsetting kann das ganz anders sein. Nur weil man sich heutzutage per Hubschrauber auf das Plateau fliegen lassen kann: Wer weiß denn schon, welche Geheimnisse sich im Inneren des Berges verbergen?

Worum geht es?

Der Roraima-Tepui mit seinen fast 3000 Metern bietet einen mystischen Anblick, wenn er aus dem Nebel emporragt. Der Tafelberg im Länderdreieck zwischen Venezuela, Brasilien und Guyana ist einer von mehreren in der Gran Sabana, der Hochebene in Venezuela. Die fast senkrechten Felswände sind selbst für erfahrene Kletterer eine Herausforderung und ein Anflug per Helikopter ist aufgrund der tückischen Winde schwierig und selten möglich.

Mächtige Wasserfälle, zerklüfteter Sandstein, spektakuläre Quarzithöhlen und eine, aufgrund der

Abgeschiedenheit einmalige, endemischen Pflanzenwelt belohnen die Wagemutigen, die es bis dort

geschafft haben. Doch auch der Weg zum Berg selbst ist nicht weniger gefährlich: Der Grenzkonflikt zwischen Guyana und Venezuela sowie die Jagd nach Ressourcen wie Öl und Diamanten sorgen dafür, dass man als Ausländer schnell als Geisel in die Fänge einer Privatmiliz gelangen kann.

Auch die zum Teil von Firmen vertriebene indigene Bevölkerung, die Pemón, sind mitunter nicht gut auf Fremde zu sprechen – zumal zwei heilige Steine ohne Erlaubnis nach Deutschland gebracht wurden.

Das Alter des Berges, der sich schon zur Zeit des Urkontinentes Godwana erhob, und seine Unzugänglichkeit regte schon im 19. Jahrhundert zu Fantasien über ausgestorbene Arten an, die auf dem abgeschiedenen Plateau überlebt haben könnten – zum Beispiel zu Arthur Conan Doyles The Lost World.

Ideen für unterschiedliche Settings

Je nach Setting und Zeit lassen sich unterschiedliche Geheimnisse und Herausforderungen um, auf und im Tafelberg unterbringen. Nachfolgend ein paar Beispielszenarios:

Ein Wettlauf unter Gentlemen (Space 1889, Savage Worlds)

Die Charaktere sind Mitglieder im Adventurers‘ Club of New York oder werden von einem hochrangigen Mitglied für eine Expedition angeworben. Das Ganze wird aufwändig inszeniert mit Zeitungsartikeln und Presseauftritten – dementsprechend ist der Druck groß, mit möglichst beeindruckenden Ergebnissen zurückzukommen.

Selbstverständlich ist die Gruppe nicht die einzige, die aufbricht: Ein weiterer Gentleman nutzt die Gelegenheit um eine alte Fehde mit dem Auftraggeber (oder einem der Charaktere) wieder aufzunehmen und ruft das Ganze zu einem Wettstreit aus. Und während in den zivilisierten Salons der hochrangigen Gesellschaft Manieren und Respekt groß geschrieben werden, wird sich bald zeigen, dass im Herzen der Wildnis jedes Mittel recht ist, um den Kontrahenten hinter sich zu lassen.

Ist der Preis am Ende hoch genug, um den Unmut der Einheimischen auf sich zu ziehen? Haben ihre Flüche wirklich Macht über die Gruppe – immerhin gehen seit dem Aufeinandertreffen immer mehr Dinge schief. Warum die Eile und Verbissenheit des mysteriösen Gentlemans, der im Laufe der Reise immer schwächer zu werden scheint – was erhofft er sich auf dem Berg zu finden?

Diamantenfieber (1W6 Freunde)

Als die Eltern eines der Freunde die Gruppe dazu einlädt, sie auf ihre Forschungsreise zu den Tafelbergen zu begleiten sagt natürlich keiner Nein! Wer hätte ahnen können, dass die Gruppe einer skrupellosen Firma auf die Schliche kommt, welche einen Pemón-Stamm dazu zwingt, Diamanten aus dem Berg zu beschaffen. Doch bevor sie die Erwachsenen zur Hilfe holen können, werden sie in einer der weitläufigen Höhlen verschüttet oder von Regenfällen vom Rückweg abgeschnitten und müssen sich einen neuen Weg bahnen– durch den Berg, der noch mehr Überraschungen für sie bereithält.

Der alten Steine düsteres Geheimnis (Cthulhu)

Der Kueka-Stein, der von einem Geologen mit einer Expedition aus der Gran Sabana mitgebracht wurde, sollte das Prunkstück einer Ausstellung über den besonderen Glauben der Pemón-Ureinwohner werden. Deren Gott Chiricavai ging einst zu den Sternen und die Stämme erwarten sehnsüchtig seine Wiederankunft. Die Geschichten über düstere Blutopfer werden allgemein als Übertreibungen zum Zweck der Werbung angesehen. Doch beim Studium der Inschriften passiert etwas mit dem Geologen, der daraufhin den Stein entwendet und sich allein zum Berg aufmacht. Das Museum beauftragt die Charaktere, den Stein zurückzuholen und unbedingt zu verhindern, dass die Öffentlichkeit von dem Diebstahl aus den Händen der Pemón erfährt.

Auf der Reise erwartet die Gruppe nicht nur dunkle Flüche und gefährliche, beinahe außerirdisch wirkende Pflanzen. Doch die erschreckendste Erkenntnis über den Ursprung der Menschen wartet am Ende auf sie: Bei Chiricavai handelt es sich mitnichten um einen Gott, sondern leider um etwas sehr Reales, was durchaus von den Sternen kommen wird – und zwar schon sehr bald!

Die Echsenarmee (Hollow Earth Expedition)

Die Thule-Gesellschaft hat ein Gerät entwickelt, um Tieren ihren Willen aufzuzwingen – das perfekte Werkzeug für eine ganz besondere Armee. Wie passend, dass Berichte einer Expedition zum Plateau des Mount Roraima von einer ganzen Höhle voller gewaltiger, wilder Echsen berichtet – eine verborgene Welt voller urzeitlicher Jäger, die man sich leicht zu eigen machen könnte.

Die Charaktere erfahren von dem Vorhaben und setzen alles daran, dies zu verhindern. Die Magie der Eingeborenen und das Wissen über die Adern aus seltsamem Stein, die sich durch den Berg ziehen, könnte ihnen dabei helfen.

Auf der Suche nach der Wiege der Menschheit (generisch, Neuzeit)

Auf den Spuren der Forschungsarbeiten eines Verwandten finden die Charaktere der Spieler*innen zunächst mehr über den Glauben der Pemón heraus: Der Roraima-Tepui ist Teil der Legende eines Weltenbaumes, der bis in die Welt der Götter reichte. Der Gott Chiricavai stieg auf diesem hinab und fällte ihn, um der Welt damit Leben einzuhauchen. Der Ursprung der Legende befindet sich im Inneren des Berges: Die einzigen Hinterlassenschaften einer Urzivilisation, deren genetischer Code schon in der Karbon-Zeit die Grundsteine für alles Leben auf der Erde gelegt haben (dies passt auch zum Glauben der Yanomami – siehe Fraktionen).

Doch der Weg durch die Höhlensysteme im Berg wird nicht nur aufgrund der natürlichen Umstände schwierig: Eine Konkurrenzfirma ist ebenfalls auf der Jagd – im Gegensatz zu den Charakteren ist diese deutlich skrupelloser in der Wahl ihrer Mittel und sprengt sich einfach den Weg hinein.

Gefahren

Die Gran Sabana mit ihrer zerklüfteten Felslandschaft, eine politisch unsichere Lage, Konzerne, die Raubbau betreiben: Diese sind nur ein Teil der Gefahren, welche den Spielercharakteren (SC) schon auf dem Weg zum Berg zu schaffen machen können.

1W12 Tabelle für Begegnungen

1W12 Tabelle für Ereignisse

Fraktionen

Je nach Setting und Umfang bieten sich folgende Fraktionen für ein Szenario um Roraima-Tepui an:

Archäologisches Institut Caracas

Das Institut dient BonCarbo als Deckmantel für ihre Operationen. Vorgeblich werden Ausgrabungen an vielen Orten in der Gran Sabana vorgenommen. BonCarbo–Mitarbeiter werden beispielsweise als studentische Hilfskräfte ins Institut eingeschleust und nutzen dies Ausgrabungen zur Prospektion von Bodenschätzen. Ist das Institut fertig, rückt BonCarbo an und beginnt mit dem Abbau.

BonCarbo

Skrupellose Kleinhändler aus der Region haben sich unter dem Namen BonCarbo zusammengeschlossen und zwingen mit aggressiven Methoden die indigene Bevölkerung dazu, seltene Erden und Diamanten zu schürfen. Zur Bewachung werden Söldner angeheuert.

Milizen für Venezuela

Bei den Juez Divino (Gottes Richter) handelt es sich um paramilitärische Einheiten, die in den Grenzkonflikt eingebunden sind und nebenher Geld mit Erpressung, Kidnapping von Ausländern und Pemón verdienen, die sie an BonCarbo als billige Hilfskräfte verkaufen.

Yanomami

Die indigenen Stämme am Rande der venezolanisch-brasilianischen Grenze wurden nach und nach von den Grenzkonflikten weiter in die Gran Sabana getrieben und haben Land und Jagdreviere verloren. Ihre Notlage wird zum Teil von Firmen und Militär ausgenutzt. Der animistische Glaube der Yanomami geht zurück auf „Erste Wesen“, die laut ihrer Entstehungsgeschichte von ihren Kindern ertränkt wurden. Sie können den SC Hinweise auf mythologische Hintergründe liefern.

Pemón

Die indigenen Pemón nennen sich selbst Kapon („Himmels-Volk“) und sehen sich als Verteidiger von Roraima-Tepui den sie als „Wiege Gottes“ kennen. Sie greifen alle Fremden an, welche die Tabu-Zonen betreten ohne sich vorher würdig zu erweisen. Außerdem kämpfen sie gegen Raubbau und Vertreibung durch ausländische Firmenangestellte. Die Pemón werden dabei von militanten Naturschützern unterstützt.

Guyana-Militär

Das Militär von Guyana vertreibt alle Fremden aus den Grenzgebieten, notfalls mit Waffengewalt. Sie wollen keine Einmischung und Berichte und werden jegliche Filme und Videos (Kameras, Smartphones, Laptops und so weiter) einbehalten.

CambWood Inc.

Diese amerikanische Holzfirma betreibt mit schweren Maschinen Raubbau im Regenwald und arbeitet unter anderem mit der venezolanischen Miliz zusammen (Waffenhandel).

Quellen

• https://de.wikipedia.org/wiki/Roraima-Tepui
• https://de.wikipedia.org/wiki/Pem%C3%B3n
• https://en.wikipedia.org/wiki/Pemon_language
• https://de.wikipedia.org/wiki/Yanomami
• Der Film „Jäger des Augenblicks – Ein Abenteuer am Mount Roraima“
• „Vom Roroima Zum Orinoco“ von Theodor Koch-Grünberg (Salzwasser-Verlag)

Titelbild: GNU Free Documentation License, Foto von Jeff Johnson. carmen_dorin | despoitphotos
Artikelbilder: ©Wikimedia Commons, „roraima tepui“ by daniderio is licensed under CC BY-NC-SA 2.0
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote