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Klosterschwestern mit Pistolen, streitlustige Raufbolde und ein Raumschiff mit einer barbusigen Frau auf der Außenhülle: Bei wem diese Beschreibung Interesse weckt, darf sich mit UCC Dolores Das erste eigenständige Werk von Didier Tarquin, dem Zeichner von Lanfeust von Troy, versucht mit schmutzigem Charme und einer abgedrehten Handlung zu überzeugen.

Es ist Zeit für ein Geständnis: Je dreckiger Science-Fiction ist, desto unterhaltsamer finde ich sie. Im TV hat sich das bereits bei Firefly – Der Aufbruch der Serenity mit seinen Western-Elementen gezeigt und die Geschichten von The Mandalorian begeistern mich mehr als die der letzten Star Wars-Filme.

Ähnliches zeigt sich bei Graphic Novels, wie anhand meiner Rezensionen von Oblivion Song oder Ascender ersichtlich ist. Neben den faszinierenden Geschichten zeichnen sich solch dreckige Settings oftmals durch eine ikonische visuelle Gestaltung aus. Kein Wunder, dass die Ankündigung von UCC Dolores Hoffnungen weckte. Eine Geschichte über eine junge Frau in den gesetzlosen Weiten des Alls, dazu noch gezeichnet von einem Urgestein der Industrie – was kann da schief gehen?

Doch soll man bekanntlich nicht den Tag vor dem Abend loben. Kann UCC Dolores überzeugen und ein neuer Stern am Himmel der Science-Fiction werden?

UCC Dolores 1: Der Pfad der Neuen Pioniere

Wie habt ihr euren achtzehnten Geburtstag verbracht? Hoffentlich besser als Mony, die Protagonistin von UCC Dolores. Die junge Schwester der Kirche der neuen Pioniere wird von der ehrwürdigen Mutter höflich, aber bestimmt in die gnadenlose Welt außerhalb des Klosters geschickt. Zum Abschied erhält sie eine Tasche, die man damals gemeinsam mit ihr auf dem Vorplatz der Kirche gefunden hatte. Nichts wies auf die Eltern von Baby Mony hin, außer der Flagge der Konföderierten, in die sie gewickelt war.

So lautet zumindest die Erzählung der ehrwürdigen Mutter, doch als Leser*in hat man einen Vorteil: In der Rückblende erkennt man, dass neben der Tasche auch rote Edelsteine bei Mony lagen, wenngleich die Kirchenobere dieses Detail bei der Verabschiedung der jungen Frau verschweigt. Stattdessen schließen sich die Türen hinter dem Rotschopf, der zunächst verwirrt nach einem nächsten Ziel sucht.

Passenderweise ertönt aus der Tasche ein Geburtstagslied, das Mony auf eine Box aufmerksam macht. In dieser findet sich der Schlüssel zu einem Schließfach und die Nachricht „Kümmere dich um Dolores“. Wer das ist wird klar, als Mony das passende Schloss zum Schlüssel findet. Sie ist die Erbin der UCC Dolores, einem Korsarenschiff der Konföderation, das neben einer barbusigen Schönheit an der Außenhülle auch über eine berüchtigte Vergangenheit verfügt. Um all den Rätseln auf die Spur gehen zu können, benötigt Mony aber zuerst einen Piloten.

Diesen findet sie im raubeinigen Kash, der seine eigenen Ziele zu verfolgen scheint, aber gleichzeitig in seinem steinharten Herzen eine weiche Stelle für Mony finden kann. Gemeinsam wollen sie die UCC Dolores wieder in Gang setzen, stoßen dabei jedoch auf unerwartete Hindernisse.

UCC Dolores trieft vor Klischees des Genres und setzt diese mit einem Augenzwinkern um. Wer darauf achtet, entdeckt mehrere Anspielungen an bekannte Science-Fiction Geschichten, die von Autor Didier Tarquin charmant in seine erste eigenständige Geschichte eingebaut werden. UCC Dolores versucht dabei gar nicht erst den Eindruck zu erwecken, eine nie dagewesene und sich ernst nehmende Handlung erzählen zu wollen. Die Charaktere sind eindimensional, aber nicht langweilig. Besonders bei Mony und Kash finden sich Andeutungen, das deutlich mehr hinter dem ersten Eindruck steckt. Was steckt in der Vergangenheit der jungen Schwester, das sie in den Besitz der Dolores brachte? Warum hat Kash eine solche Schwäche für Mony? Neben der kurzweiligen Handlung halten Fragen wie diese das Interesse aufrecht.

Hinsichtlich des visuellen Stils dürfte für Kenner*innen der Branche der Name Didier Tarquin bereits ausreichen. Dem französischen Zeichner gelang gemeinsam mit Autor Christophe Arleston mit Lanfeust von Troy der Durchbruch. Die humoristische Fantasy-Reihe bildete den Auftakt der Erzählungen in der magischen Welt Troy, die unter anderem in Lanfeust der Sterne und Lanfeust Odyssee fortgesetzt wurden.

UCC Dolores ist die erste eigenständige Geschichte von Didier Tarquin, bei der er aber seinem ikonischen Zeichenstil treu bleibt. Die künstlerische Gestaltung des Franzosen ist dreckig, überzeichnet und individuell, was perfekt zur Atmosphäre von UCC Dolores passt. Die heruntergekommenen Ecken des Universums werden von Tarquin glaubwürdig inszeniert und markant in Szene gesetzt. Die kräftige Kolorierung von Lyse Tarquin komplementiert den positiven Gesamteindruck und die raue Ästhetik der Umgebungen durch den Einsatz dunkler Farbtöne. Natürlich gibt es auch „freundlichere“ Lichtblicke, wenngleich diese hauptsächlich am Ende des Bandes auftreten.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Didier Tarquin
  • Zeichner*innen: Didier Tarquin, Lyse Tarquin
  • Seitenanzahl: 48
  • Preis: 15,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

UCC Dolores 2: Die Waisen von Fort Messaoud

Die zuvor erwähnte optisch freundlichere Gestaltung des Endes von Band 1 hängt mit dem Schauplatz zusammen, an dem sich das Finale des Piloten und die Handlung von Die Waisen von Fort Messaoud abspielen. Die Reparatur ihres Schiffes zwingt die Besatzung der Dolores zum Aufenthalt auf einem Minenplaneten, den die Kirche der neuen Pioniere mit Hilfe der einheimischen Rasseth ausbeutet. Die katzenähnlichen Wesen profitieren laut den Kirchenmitgliedern von ihrer Aufgabe, doch besonders Mony agiert hinsichtlich der skrupellosen Behandlung der Arbeiter äußerst negativ. Bald bringt sie außerdem in Erfahrung, dass die Geschichten und Legenden des Planeten mit ihrer eigenen Vergangenheit und Herkunft verknüpft sein könnten.

Nach dem gelungenen Piloten ist der zweite Band von UCC Dolores auf die Etablierung der Protagonist*innen bedacht. Besonders die Vergangenheit von Kash wird beleuchtet und verleiht dem Raubein mehr Tiefgang. Gleichzeitig zeigt sich der im behüteten Kloster aufgewachsenen Mony die unschöne Seite ihrer Kirche. Der Umgang mit den eingeborenen Rasseth ist ein wichtiger Leitfaktor der Handlung des zweiten Bandes. Parallelen zu unserer eigenen Geschichte sind unverkennbar und Leser*innen fühlen sich möglicherweise an Werke wie Die Insel des Dr. Moreau erinnert.

Gegen Ende des Bandes baut Didier Tarquin nochmals fulminante Actionmomente ein, bevor die Geschichte in einer brenzligen Situation ändert. Allerdings bleibt das Gefühl, dass die Handlung insgesamt nicht erkennbar fortgeschritten ist. Damit leidet Die Waisen von Fort Messaoud, trotz kurzweiliger Erzählweise, unter dem häufigen Problem zweiter Bände. Das Überraschungsmoment und erste Charme des Piloten sind verflogen und das Spannungsmoment des Nachfolgers lässt sich nur erahnen. UCC Dolores 2 webt interessante Andeutungen und bringt neue Details ans Tageslicht, hinterlässt aber weniger Wirkung als der Vorgänger.

Hinsichtlich der visuellen Gestaltung legt das Duo Tarquin & Tarquin noch eine Schippe nach. Der dreckige Charme der geschaffenen Galaxie bleibt bestehen, wirkt aufgrund des Schauplatzes allerdings farbenfroher. Generell hat man als Leser*in den Eindruck, dass die Geschichte in Die Waisen von Fort Messaoud intensiver präsentiert wird. Nahaufnahmen von Charakteren in dramatischen Momenten sorgen für einprägsame Szenen, die es im ersten Band nicht in dieser Menge gab.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Didier Tarquin
  • Zeichner*innen: Didier Tarquin, Lyse Tarquin
  • Seitenanzahl: 48
  • Preis: 15,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Abschließendes Fazit

UCC Dolores ist ein kurzweiliger Science-Fiction Epos, der uns augenzwinkernd an den Erlebnissen der Crew des titelgebenden Raumschiffes teilhaben lässt. Allerdings schwebt über der ganzen Geschichte die Andeutung, dass ein größeres Geheimnis gelüftet werden will. Besonders der Hintergrund von Mony, der Besitzerin der Dolores, ist ein Mysterium, das sich erst allmählich offenbart. Dadurch weisen wenigstens die Crewmitglieder des Raumschiffs den Tiefgang auf, der den meisten Charakteren dieser Graphic Novel fehlt. UCC Dolores ist offenkundig keine Revolution des Genres, sondern spielt humorvoll mit bekannten Klischees und Archetypen. Dies gelingt Autor Didier Tarquin auf eine sympathische Art und Weise, wenngleich der zweite Band seine Längen hat.

Gleichzeitig profitiert Tarquins Geschichte von seiner langjährigen Erfahrung als Zeichner der Troy-Werke. Die Inszenierung ist schmutzig und grob, genau wie man sich ein gnadenloses Universum vorstellt. Dynamische Actionszenen werten die Handlung auf, ebenso wie die farbenfrohe und stimmungsvolle Kolorierung.

UCC Dolores ist somit eine perfekte Wahl für Leser*innen, die Altbewährtes in Kombination mit einer individuellen Umsetzung wertschätzen können. Neues Futter ist mit dem dritten Band Der rote Kristall bereits in Vorbereitung, auch wenn ein genaues Veröffentlichungsdatum zurzeit noch nicht vorliegt.

Artikelbild: @Splitter
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

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