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Mit Disney+ hat der Unterhaltungsgigant seinen eigenen Streaming-Dienst auf den Markt gebracht. Doch wie besteht das Angebot gegen die Konkurrenz von Netflix und Co.? Wir haben uns den Service angeschaut und nach beinahe zwei Wochen Nutzung ein erstes Fazit gezogen. Alle Details und Empfehlungen findet ihr in unserem Ersteindruck!

Am 24. März 2020 startete in Deutschland mit Disney+ der Streaming-Dienst des amerikanischen Mediengiganten. Der Markt ist umkämpft: Neben den Platzhirschen Netflix und Amazon Prime Video kämpfen beispielsweise auch Sky, Apple und ProSiebenSat.1 (Joyn, Maxdome) um Aufmerksamkeit und Zahlungen der Zuschauer.

Diese Fragmentierung des Angebots ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite erhalten Liebhaber von Filmen und Serien Zugang zu einer Vielzahl von Angeboten und neuen, exklusiven Formaten. Auf der anderen Seite sind die unterschiedlichen Plattformen eine zunehmende Belastung für die Geldbörse. Gefragte Filme und Serien sind oftmals über zwei oder drei Anbieter verteilt, die alle Abonnements erfordern. Disney+ ist dabei keine Ausnahme. In einem Selbstversuch habe ich mich deswegen an eine Einschätzung gewagt, für wen sich der neue Streaming-Dienst lohnen könnte.

Natürlich sind die Ansprüche an solche Plattformen subjektiv. Manche Leute legen mehr Wert auf Serien als auf Filme. Auch exklusive Formate spielen oftmals eine Rolle. Dabei bin ich keine Ausnahme. Game of Thrones (Sky Ticket), The Boys (Amazon Prime Video) oder The Witcher (Netflix) haben bei mir stets zur Nutzung der jeweiligen Plattform geführt. In manchen Fällen bin ich beim Anbieter geblieben, in anderen wurde nach Ende der Serie das Abonnement gekündigt.

Disney+ versucht die Nutzer mit den großen Marken des Mutterkonzerns zu halten. Gelingt das?

Ein Trip in die Welten von Disney, Marvel und Star Wars

Bereits beim Start des Programm lässt Disney+ die Muskeln spielen. Prominent laden die Logos der Muttermarke sowie von Pixar, Marvel, Star Wars und National Geographic zum Stöbern ein. Darüber findet sich eine Auswahl an Highlights, die direkt Lust auf einen gemütlichen Abend auf der Couch machen sollen. Dazu gehören zum einen exklusive Angebote des Dienstes, zum anderen bewährte Blockbuster.

Die Oberfläche wirkt vertraut und setzt auf eine ähnliche Nutzerführung wie die Konkurrenz. Thematisch gebündelte Vorschläge haben Namen wie „Neu verfilmte Klassiker“ (z. B. die Realverfilmungen zu König der Löwen oder Aladdin) oder „Nostalgie pur“ (z. B. Dr. Dolittle mit Eddie Murphy, DuckTales oder Flubber). Natürlich gibt es auch eine Einteilung nach Genres wie Action und Abenteuer, Animationsfilme oder Dokumentationen.

Die bekannten Marken von Disney+ sind sofort sichtbar
Die bekannten Marken von Disney+ sind sofort sichtbar

Beginnt man mit dem Stöbern innerhalb der Kategorien, so zeigt sich die ganze Breite des Angebots. Im Bereich Marvel findet sich ein Großteil der Filme des Marvel Cinematic Universe (MCU) und der zugehörigen Serien. Nur ein Großteil? Leider ja. Aufgrund von Lizenzen fehlen beispielsweise beide Spider-Man-Filme des MCU sowie Der unglaubliche Hulk. Auch bei den Serien muss man Einschränkungen hinnehmen. Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D. ist beispielsweise nur mit 3 der aktuell 6 Staffeln enthalten. Ähnliche Limitationen gibt es hinsichtlich der weiteren Marvel-Filme. So sucht man beispielsweise die beiden Deadpool-Filme vergeblich, da sie nicht in den familienfreundlichen Ansatz der Plattform passen. Dafür darf man sich über die X-Men-Filme freuen.

Eine ähnliche Situation findet man in den übrigen Kategorien. Generell liegt eine üppige Auswahl vor. Aus dem Star Wars-Universum finden sich mit Ausnahme von Episode 9 alle Filme. Auch Serien wie Star Wars Rebels, The Mandalorian oder Star Wars: The Clone Wars sind enthalten. Allerdings fehlen Formate, die nach der Übernahme von Lucasarts durch Disney zur nicht-kanonischen Legends-Timeline des Star Wars-Universums gehören. Beispiele hierfür sind der Film Die Ewoks – Karawane der Tapferen und die Zeichentrickserie Star Wars: Clone Wars.

Um nochmals auf Episode 9 zurückzukommen: Das Fehlen dieses Films liegt wahrscheinlich an der erst kürzlich erfolgten Veröffentlichung im Kino und dem baldigen Erscheinen auf BluRay und DVD. Eine ähnliche Situation herrscht bei Die Eiskönigin II und Pixars A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando. Es steht zu vermuten, dass diese im Laufe der Zeit ihren Weg auf die Plattform finden werden. Disney hat bereits angekündigt, dass die Plattform ständig erweitert wird. Beispielsweise fehlte zum Launch der Film Ant-Man and the Wasp, wurde aber inzwischen nachgereicht.

Die Eiskönigin 2 kann bereits vorgemerkt werden.
Die Eiskönigin 2 kann bereits vorgemerkt werden.

Generell kann ich hierzu jedem die Website https://www.werstreamt.es/ empfehlen. Hier kann man einfach prüfen, ob der gewünschte Film oder die gesuchte Serie bei Plattformen wie Disney+ oder Netflix enthalten ist. Wer kein Problem mit einer Registrierung hat, kann auch auf die Suchmaschine https://www.justwatch.com/ zurückgreifen.

Exklusive Angebote mit Verbesserungsbedarf

Hinsichtlich der exklusiven Angebote hat Disney+ definitiv noch Aufholbedarf. Hierzu gehören beispielsweise The Mandalorian, die Realverfilmung von Susi und Strolch oder Togo mit Willem Dafoe. Einen Einblick könnt ihr auf der offiziellen Website gewinnen. Die Auswahl ist bei weitem noch nicht so groß wie bei der Konkurrenz. Allerdings muss man fairerweise anmerken, dass Netflix, Amazon und Co. bereits viel länger an ihren exklusiven Formaten arbeiten.

Hoffnungsträger ist The Mandalorian. Die Star Wars-Serie ist zum Zeitpunkt dieser Kritik mit einer Bewertung von 8,7 bei IMDB in der Top 100 der besten Serien aller Zeiten zu finden.

Folgt den Abenteuern eines Kopfgeldjägers: The Mandalorian
Folgt den Abenteuern eines Kopfgeldjägers: The Mandalorian

Jeden Freitag erscheint eine neue Folge, wodurch am 1. Mai 2020 voraussichtlich alle acht Folgen zur Verfügung stehen werden. Die Serie folgt einem zu Beginn namenlosen Mann, der sich fünf Jahre nach dem Untergang des Imperiums mit diversen Aufträgen über Wasser hält. Nachdem er als Kind von Mandalorianern aufgenommen wurde, hat er deren Kultur und Verhaltensweisen adaptiert. Diese Mandalorianer sind sehr kriegerisch und traditionell geprägt, weswegen sie einen entsprechenden Ruf in der Galaxis haben. Viele verdingen sich als Söldner oder Kopfgeldjäger.

Der namenlose Protagonist ist keine Ausnahme. Als er jedoch einen Auftrag eines ehemaligen Imperialen annimmt, ändert sich sein Leben. Das Ziel ist ein Kind mit besonderen Fertigkeiten. Entgegen dem Kodex der Kopfgeldjäger nimmt der Mandalorianer das Kind in seine Obhut und beschützt es im weiteren Verlauf der Serie.

Wer die Entwicklung von Memes und Kommentare zur Popkultur in den letzten Monaten verfolgt hat, weiß natürlich bereits über Baby Yoda Bescheid. Die süße Figur mit den Kulleraugen hat das Internet im Sturm erobert. Böse Zungen unterstellen den Star Wars-Werken regelmäßig den zwanghaften Einbau von geeigneten Merchandise-Figuren. Bei Baby Yoda darf man von einem durchschlagenden Erfolg sprechen. So bin beispielsweise auch ich im Moment auf der Suche nach einer günstigen Plüschfigur als Geschenk für meine Partnerin. Verdammter Baby Yoda mit seinen großen Augen.

Wenn The Mandalorian richtungsweisend für die Qualität der Eigenproduktionen von Disney+ ist, dann können sich Serienliebhaber freuen. Die Serie um den Kopfgeldjäger überzeugt durch Spannung, gelungene Inszenierung und Abwechslungsreichtum. Die Geschichte unterscheidet sich erfrischend von den Filmen, in denen üblicherweise die Jedi im Vordergrund stehen. Die Macht spielt dagegen in The Mandalorian (bis jetzt) kaum eine Rolle. Vielmehr bekommt man die dreckige Seite des Universums zu sehen, die in den Filmen durch Orte wie Mos Eisley eher angedeutet wird. Der Fall des Imperiums hat Teile der Galaxis ins Chaos gestürzt, besonders außerhalb des Einflussgebietes der neuen Republik.

Die von Jon Favreau (unter anderem bekannt als Happy aus den Marvel-Filmen) produzierte Serie ist im Moment zu Recht ein Leuchtfeuer von Disney+. Eine zweite Staffel ist für Ende dieses Jahres bereits angekündigt.

Natürlich belässt es Disney nicht bei diesen exklusiven Formaten. Im Laufe dieses Jahres sollen noch weitere Filme und Serien folgen. Für Liebhaber von Marvel gehört dazu die Serie The Falcon and The Winter Soldier. Diese folgt den Abenteuern der beiden titelgebenden Charaktere nach den Ereignissen von Avengers: Endgame. Ergänzt wird dieses Angebot durch weitere Serien aus dem Star Wars-Universum oder für Eigenmarken wie eine Serie zur Monster AG.

Technisch weitestgehend stabil

Gerade zu Beginn und in Hochzeiten werden Streaming-Dienste vor technische Herausforderungen gestellt. Mit Grauen erinnere ich mich an die Probleme von Sky Ticket bei jeder neuen Folge der achten Staffel von Game of Thrones. Bei Disney+ hatte ich auf meiner PS4 bisher noch keine solchen Probleme. Zwar friert besonders am Abend manchmal das Bild für eine oder zwei Sekunden ein, jedoch ist das eher die Ausnahme als die Regel. Früher am Tag hatte ich bisher noch gar keine Probleme.

Zusätzlich zu den erwartbaren Problemen am Anfang eines Dienstes erschwert die Corona-Krise die Situation. Aufgrund der vermehrten Internetnutzung mussten Streaming-Anbieter den Datenverbrauch bereits drosseln. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass die Pandemie weiter die Performance beeinflussen kann.

Allerdings zeigen sich bei anderen Tests durchaus technische Schwierigkeiten. In ihrem sehr ausführlichen Check haben die Redakteure von Golem.de Probleme der Disney+-App auf Fire-TV– und Android-TV-Geräten angeführt. Auch die unklare Kindersicherung wird kritisiert.

Ein ähnliches Problem scheint es bei einigen Folgen der Simpsons zu geben. Die ersten 20 Staffeln wurde ursprünglich im Verhältnis 4:3 ausgestrahlt. Disney+ enthält alle 30 Staffeln im Angebot, setzt jedoch auf ein einheitliches Bildverhältnis von 16:9. Für Staffel 1 bis 19 und Teile von Staffel 20 erzeugt das Probleme. Inhalte des sichtbaren Bereichs werden abgeschnitten und haben stellenweise wohl Einfluss auf Witze und Situationskomik. Eine Auswahlmöglichkeit des alten Bildverhältnis soll im Mai 2020 vorliegen.

Positiv erwähnt werden muss jedoch die Verfügbarkeit unterschiedlicher Sprachen. Alle bisher von mir betrachteten Serien und Filme sind neben Deutsch auch in der Originalfassung vorhanden. Bei neueren Produktionen finden sich oftmals noch zusätzliche Sprachen, wie Spanisch, Russisch, Französisch oder Portugiesisch. Gerade die an Kinder gerichteten Inhalte können deswegen in Kombination mit Untertiteln zur Auffrischung oder Vertiefung von Fremdsprachenkenntnissen genutzt werden.

Kosten und Verfügbarkeit

Disney+ kann für sieben Tage kostenlos getestet werden. Anschließend kostet es 6,99 € pro Monat oder 69,99 € pro Jahr. Preislich liegt das monatliche Abo damit 1 € unter dem günstigsten Tarif von Netflix. Weitere Vorteile ergeben sich für Telekom-Kunden mit MagentaZuhause mit TV-Tarif. Diese erhalten die ersten sechs Monate gratis und bezahlen anschließend nur 5 € pro Monat.

Disney+ kann auf bis zu vier Endgeräten gleichzeitig genutzt werden. Möglich ist das zum einen via Browser und Webstreaming sowie beispielsweise auf Smartphones, Tablets, Smart TVs und Spielekonsolen. Einen Überblick zu den unterstützten Optionen findet ihr hier.

Abschließendes Fazit und Empfehlung

Disney+ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Auf der einen Seite überzeugt der Anbieter mit der vollen Anziehungskraft seiner Marken. Wer beispielsweise alle Filme von Star Wars, Marvel oder Fluch der Karibik nochmals sehen möchte, ist gut bedient. Ergänzt wird dies durch dazu passende Serien und eine Kollektion nostalgischer Titel. Ich muss zugeben, dass mich das Anschauen von Folgen von Gargoyles und Darkwing Duck wieder in meine Kindheit versetzt hat.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, inwiefern dieses Angebot die Zusatzkosten wert ist. Die interessantesten enthaltenen Serien und Filme dürften Fans schon gesehen haben. Darüber hinaus fehlen oftmals einzelne Filme oder Staffeln, was einem kompletten Erlebnis im Wege steht. Besonders im Vergleich zu Netflix oder Amazon wirkt das Angebot sehr beschränkt. Film- und Serienliebhaber profitieren zwar von einigen Extras wie Bonusmaterialien. Allerdings muss jede(r) für sich selbst beantworten, inwieweit das ein Anschaffungsgrund ist.

Hinsichtlich der exklusiven Angebote zeigt der Streaming-Dienst Potenzial. The Mandalorian hinterlässt bis jetzt einen hervorragenden Eindruck und macht Lust auf mehr. Allerdings können wenige exklusive Serien und Filme in den seltensten Fällen zu einer langfristigen Kundenbindung führen. Hier muss Disney in der Zukunft regelmäßig für Nachschub sorgen.

Zusammenfassend würde ich sagen, dass Disney+ im Moment für zwei Zielgruppen von Interesse ist: Zum einen für Leute, die ein Interesse an einem (fast) vollständigen Erlebnis der Filme und Serien der Marken des Disney-Konzerns haben. Mit einigen Ausnahmen kann hierzu alles benötigte auf Disney+ gefunden werden.

Zum anderen ist Disney+ besonders für Familien einen Blick wert. Eine Vielzahl von Animationsfilmen und -serien sprechen die junge und alte Zielgruppe an. Eltern können ihren Kindern damit sowohl Klassiker als auch neue Werke aus der Disney-Schmiede nahe bringen. Gerade in Zeiten der Corona-Krise kann Disney+ als ein weiteres Mittel für gemeinsame Familienstunden dienen.

Wer sich nicht in diesen beiden Gruppen wiederfindet, sollte meiner Ansicht nach aktuell noch Geduld haben. Disney+ zeigt Potenzial, verfügt aber speziell für erwachsene Film- und Serienliebhaber meiner Meinung nach über ein viel zu geringes Angebot. Glaubt man den Ankündigungen von Disney, so wird sich das allerdings in den nächsten Wochen und Monaten bessern.

Artikelbilder: ©Disney Corporation

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