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In Faithless gerät eine junge Frau in die Fänge dunkler Mächte, die sie mit Schönheit und sexueller Leidenschaft in ihren Bann ziehen. Autor Brian Azzarello versucht sich in dieser verführerischen Graphic Novel an einer Kombination von Erotik und Mystik. Wir prüfen, wie erfolgreich ihm das gelingt.

Auszug Faithless #1 © Panini Comics
Auszug Faithless #1 © Panini Comics

Bereits in meiner Rezension zu The Discipline: Die Verführung habe ich angemerkt, dass mit übernatürlichen Elementen gepaarte Sexualität in Bildgeschichten ein zweischneidiges Schwert sein kann. Zu schnell verkommt die Fleischeslust zu einem plumpen Stilmittel, das Schockreaktionen provozieren soll. Zusätzlich ist ein feines Gespür vonnöten, um das Spiel der Geschlechter als handlungsrelevantes Element zu verwenden, durch welches sich Charaktere und Handlung weiterentwickeln. Diesen Herausforderungen sah sich zuletzt beispielsweise Insexts ausgesetzt.

Mit Faithless versucht sich Autor Brian Azzarello, bekannt für seine Arbeit bei DC oder für die Reihen 100 Bullets und Moonshine, an einer ebensolchen Geschichte voller dunkler Mächte und Erotik. Comicautor und Azzarellos Kollege Brian K. Vaughan beschreibt Faithless auf der Rückseite des Einbands als einen der wenigen erotischen Comics, der wirklich heiß ist. Wir haben in unserem Kurzcheck überprüft, ob uns diese Graphic Novel wirklich ins Schwitzen bringt oder wir uns stattdessen die Finger verbrennen.

Handlung & Charaktere

Die junge Faith wird von ihren Freund*innen immer wieder für ihr Interesse an Magie verspottet und als realitätsfremd bezeichnet. Umso erfreulicher ist die Begegnung mit der faszinierenden Poppy für sie, die wie Faith ein großes Interesse an Kunst hat und sie nicht für ihre Ansichten auslacht. Schnell entwickelt sich zwischen den Frauen eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, die Faith eine lange unbekannte Freiheit und Leichtigkeit ermöglicht. Poppys Kontakte in die Künstlerszene erschließen Faith außerdem ein neues Umfeld, in das sie perfekt zu passen scheint.

Auszug Faithless #1 © Panini Comics
Auszug Faithless #1 © Panini Comics

Zu diesem gehört auch Poppys Vater, der auf eine unheimliche Art und Weise ebenso verführerisch ist. Schnell findet sich Faith in einem Rausch der Leidenschaft wieder, der sexuelle und sinnstiftende Erfüllung verspricht. Jedoch mehren sich für Außenstehende die Anzeichen, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht und dunkle Mächte ihre Klauen nach der jungen Frau ausstrecken.

Die größte Stärke von Faithless ist die den Charakteren gegebene Zeit, um die Beziehungen untereinander zu entwickeln. Wenngleich die Protagonistin über die gesamte Graphic Novel hinweg blass bleibt, hat man als Leser*in ausreichend Möglichkeiten, sie und ihre neuen Liebschaften kennenzulernen. Dabei wecken besonders Poppy und ihr Vater Interesse, da man beim Lesen den Vorteil größeren Wissens im Vergleich zu Faith hat. Die böse Natur von Vater und Tochter wird oft genug angedeutet, doch der Spannungsbogen bleibt erhalten, da noch genügend Dinge unklar bleiben.

Die Erotik wird passend in die Handlung integriert und hat Bedeutung für den Verlauf der Geschichte. Meist geht es darum, wie einfach Menschen durch körperliche Zuneigung zu manipulieren sind und sich geradezu nach ihr sehnen. Interessant ist zudem die Bedeutung, die Autor Brian Azzarello der Länge der Sexszenen beizumessen scheint. Je detaillierter der Geschlechtsakt gezeigt wird, desto folgenschwerer sind kurz darauf die Konsequenzen in der Handlung. Besonders im ersten und sechsten Kapitel zeigt sich diese Symbolik.

Auszug Faithless #1 © Panini Comics
Auszug Faithless #1 © Panini Comics

Stellenweise kommt jedoch die Frage auf, wohin die Reise in Faithless führen soll. Der graduelle Übergang in die Welt voller Leidenschaft ist spannend zu beobachten. Allerdings ist nicht ersichtlich, welches Ziel die Protagonist*innen verfolgen. Bei Faith kann man sich noch die Sehnsucht nach einer Umgebung voller Leidenschaft und Akzeptanz vorstellen, doch bei ihren beiden Liebhaber*innen fehlt das ersichtliche Motiv. Stellenweise ergibt sich der Eindruck von Katzen, die mit einer hilflosen kleinen Maus spielen. Gleichzeitig entsteht keinerlei Bindung zu den Charakteren, da Faith als Opfer erscheint und ihre beiden Bettgeschichten offensichtlich bösartig sind. Der gesamten Handlung fehlt der Fokus.

Zeichnungen & Kolorierung

Der Flair der Artworks von Maria Llovet fügt sich harmonisch in die Geschichte ein. Die visuelle Umsetzung wirkt intensiv, ohne den Fokus von den Charakteren zu reißen. Nimmt man sich die Zeit, entdeckt man eine Vielzahl an Details in den Panels, besonders in der faszinierenden Welt der Kunst, in die Faith im Laufe der Handlung entführt wird.

Auszug Faithless #1 © Panini Comics
Auszug Faithless #1 © Panini Comics

Die Kolorierung im Flatart-Stil ist farbenfroh, besonders in den leidenschaftlichen Szenen. Gleichzeitig merkt man, wie die Farbgestaltung im Laufe der Handlung immer düsterer und bedrohlicher wird, wenn sich Faith im Netz voller Intrigen und Manipulation verliert.

Wenig überraschend enthält die Graphic Novel explizite Sexszenen. Besonders oraler Geschlechtsverkehr zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Partner*innen wird gezeigt, ohne viel der Fantasie zu überlassen. Wie oben bereits erwähnt wirken die Sexszenen meist nicht erzwungen, sondern in den Kontext der Handlung eingebaut. Eine Ausnahme ist eine Situation, in der sich Faith und Poppy gegen anzügliche Männer wehren. Die Bestrafung für deren respektloses Vorgehen fällt für meinen Geschmack übertrieben aus, wenngleich es Faiths Abrutschen in dunkle Gefilde hervorhebt.

Die harten Fakten

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in: Brian Azzarello
  • Zeichner*in: Maria Llovet
  • Sprache: Deutsch
  • Seitenanzahl: 160
  • Preis: 20,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Faithless 1 gelingt es größtenteils, eine übernatürliche Horror-Story stimmungsvoll mit Erotik zu verbinden. Die Geschichte folgt der jungen Faith, die in ihrer Verzweiflung die Aufmerksamkeit zweier dunkler Gestalten erregt und in deren Fänge gerät. Die Handlung lässt sich Zeit, die Beziehungen zwischen den Charakteren zu entwickeln und den negativen Einfluss der dunklen Wesen nach und nach aufzuzeigen.

Trotz der Faszination für die übernatürlichen Momente leidet Faithless 1 an erzählerischen Schwächen. Die blasse Protagonistin wirkt über die gesamte Graphic Novel wie ein hilfloses Opfer und macht es schwer, eine Bindung zu ihr aufzubauen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was genau das Ziel ihrer beiden Liebhaber*innen ist. Offensichtlich verfügen diese über unheimliche Kräfte, doch wirkt es den gesamten Band, als würden sie lediglich mit ihrer Beute spielen. Aus diesem Grund fehlt Faithless 1 ein klarer Fokus.

Die visuelle Umsetzung ist intensiv, farbenfroh und nicht jugendfrei. Künstlerin Maria Llovet setzt die sexuellen Aspekte der Handlung kompromisslos um, ohne dabei geschmacklos zu wirken. Ähnlich wie die Protagonistin finden sich Leser*innen dank der Bildwelt bald in einer Welt voller Sehnsüchte, Magie und Kunst wieder.

Insgesamt verfolgt Faithless 1 Motive, die bereits in der Vergangenheit erfolgreich in der Literatur angewandt wurden. In der Handlung zeigt sich unzweifelhaft eine Parallele zu Goethes Tragödie Faust, dessen Protagonist aufgrund der eigenen Unzufriedenheit seine Seele an Mephistopheles verkauft. Leider fehlt Azzarellos Graphic Novel der Fokus von Goethes Meisterwerk, sodass die interessanten Ansätze nicht ihre volle Wirkung entfalten können.

Artikelbild: Panini Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Lukas Heinen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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